Maria Stuart. Textausgabe mit Kommentar und Materialien - Friedrich Schiller - E-Book

Maria Stuart. Textausgabe mit Kommentar und Materialien E-Book

Friedrich Schiller

0,0
3,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Maria Stuart – eine Königin von Freunden, Familie und eigenem Land verraten und verfolgt. Was ist Historie, was Fiktion? Schiller stellt in seinem Enthüllungsdrama die Frage nach Macht, Schuld und Gerechtigkeit. Klassenlektüre und Textarbeit einfach gemacht: Die Reihe »Reclam XL – Text und Kontext« erfüllt alle Anforderungen an Schullektüre und Bedürfnisse des Deutschunterrichts: * Reclam XL bietet den sorgfältig edierten Werktext – seiten- und zeilengleich mit der entsprechenden Ausgabe aus Reclams Universal-Bibliothek. * Das Format ist größer (12,2 x 20 cm) als die gelben Klassiker der Universal-Bibliothek, mit ausreichend Platz für Notizen am Seitenrand. * Schwierige Wörter werden am Fuß jeder Seite erklärt, ausführlichere Wort- und Sacherläuterungen stehen im Anhang. * Ein Materialienteil mit Text- und Bilddokumenten erleichtert die Einordnung und Deutung des Werkes im Unterricht. * Natürlich passen auch weiterhin alle Lektüreschlüssel, Erläuterungsbände und Interpretationen dazu!

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 227

Veröffentlichungsjahr: 2021

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Friedrich Schiller

Maria Stuart

Ein TrauerspielReclam XL | Text und Kontext

Herausgegeben von Wolf Dieter Hellberg

Reclam

Der Text dieser Ausgabe ist seiten- und zeilengleich mit der Ausgabe der Universal-Bibliothek Nr. 64. Er wurde auf der Grundlage der gültigen amtlichen Rechtschreibregeln orthographisch behutsam modernisiert.

 

Zu diesem Text gibt es eine Interpretationshilfe: Friedrich Schiller, Wilhelm Tell. Lektüreschlüssel XL (Nr. 15520)

 

Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist ausgeschlossen.

 

Reclam XL | Text und Kontext | Nr. 962432

2014, 2025 Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Durchgesehene Ausgabe 2025

Gesamtherstellung: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Made in Germany 2025

RECLAM ist eine eingetragene Marke der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart

ISBN978-3-15-962432-7

ISBN der Buchausgabe 978-3-15-016128-9

reclam.de | [email protected]

Inhalt

Personen

Erster Aufzug

Erster Auftritt

Zweiter Auftritt

Dritter Auftritt

Vierter Auftritt

Fünfter Auftritt

Sechster Auftritt

Siebenter Auftritt

Achter Auftritt

Zweiter Aufzug

Erster Auftritt

Zweiter Auftritt

Dritter Auftritt

Vierter Auftritt

Fünfter Auftritt

Sechster Auftritt

Siebenter Auftritt

Achter Auftritt

Neunter Auftritt

Dritter Aufzug

Erster Auftritt

Zweiter Auftritt

Dritter Auftritt

Vierter Auftritt

Fünfter Auftritt

Sechster Auftritt

Siebenter Auftritt

Achter Auftritt

Vierter Aufzug

Erster Auftritt

Zweiter Auftritt

Dritter Auftritt

Vierter Auftritt

Fünfter Auftritt

Sechster Auftritt

Siebenter Auftritt

Achter Auftritt

Neunter Auftritt

Zehnter Auftritt

Elfter Auftritt

Zwölfter Auftritt

Fünfter Aufzug

Erster Auftritt

Zweiter Auftritt

Dritter Auftritt

Vierter Auftritt

Fünfter Auftritt

Sechster Auftritt

Siebenter Auftritt

Achter Auftritt

Neunter Auftritt

Zehnter Auftritt

Elfter Auftritt

Zwölfter Auftritt

Dreizehnter Auftritt

Vierzehnter Auftritt

Letzter Auftritt

Anhang

1. Zur Textgestalt

2. Anmerkungen

3. Materialien

4. Literaturhinweise

Fußnoten

[3]Personen

ELISABETH

, Königin von England

MARIA STUART

, Königin von Schottland, Gefangne in England

ROBERT DUDLEY

, Graf von Leicester

GEORG TALBOT

, Graf von Shrewsbury

WILHELM CECIL

, Baron von Burleigh, Großschatzmeister

GRAF VON KENT

WILHELM DAVISON

, Staatssekretär

AMIAS PAULET

, Ritter, Hüter der Maria

MORTIMER

, sein Neffe

GRAF AUBESPINE

, französischer Gesandter

GRAF BELLIEVRE

, außerordentlicher Botschafter von Frankreich

OKELLY

, Mortimers Freund

DRUGEON DRURY

, zweiter Hüter der Maria

MELVIL

, ihr Haushofmeister

BURGOYN

, ihr Arzt

HANNA KENNEDY

, ihre Amme

MARGARETA KURL

, ihre Kammerfrau

SHERIFF

der Grafschaft

OFFIZIER DER LEIBWACHE

FRANZÖSISCHE UND ENGLISCHE HERREN

TRABANTEN

HOFDIENER

der Königin von England

DIENER UND DIENERINNEN

der Königin von Schottland

[5]Erster Aufzug

Im Schloss zu Fotheringhay. – Ein Zimmer.

Erster Auftritt

HANNA KENNEDY, Amme der Königin von Schottland, in heftigem Streit mit PAULET, der im Begriff ist, einen Schrank zu öffnen. DRUGEON DRURY, sein Gehilfe, mit Brecheisen.

KENNEDY.

Was macht Ihr, Sir? Welch neue Dreistigkeit!

Zurück von diesem Schrank!

PAULET.

    Wo kam der Schmuck her?

Vom obern Stock ward er herabgeworfen,

Der Gärtner hat bestochen werden sollen

5Mit diesem Schmuck – Fluch über Weiberlist!

Trotz meiner Aufsicht, meinem scharfen Suchen,

Noch Kostbarkeiten, noch geheime Schätze!

(Sich über den Schrank machend.)

Wo das gesteckt hat, liegt noch mehr!

KENNEDY.

    Zurück, Verwegner!

Hier liegen die Geheimnisse der Lady.

PAULET.

Die eben such ich. (Schriften hervorziehend.)

KENNEDY.

10    Unbedeutende

Papiere, bloße Übungen der Feder,

Des Kerkers traur’ge Weile zu verkürzen.

PAULET.

In müß’ger Weile schafft der böse Geist.

KENNEDY.

Es sind französische Schriften.

PAULET.

    Desto schlimmer!

Die Sprache redet Englands Feind.

KENNEDY.

15    Konzepte

Von Briefen an die Königin von England.

PAULET.

Die überliefr’ ich – Sieh! Was schimmert hier?

(Er hat einen geheimen Ressort geöffnet, und zieht aus einem verborgnen Fach Geschmeide.)

Ein königliches Stirnband, reich an Steinen,

[6]Durchzogen mit den Lilien von Frankreich!

(Er gibt es seinem Begleiter.)

20Verwahrt’s, Drury. Legt’s zu dem Übrigen!

(Drury geht ab.)

KENNEDY.

O schimpfliche Gewalt, die wir erleiden!

PAULET.

Solang sie noch besitzt, kann sie noch schaden,

Denn alles wird Gewehr in ihrer Hand.

KENNEDY.

Seid gütig, Sir. Nehmt nicht den letzten Schmuck

25Aus unserm Leben weg! Die Jammervolle

Erfreut der Anblick alter Herrlichkeit,

Denn alles andre habt Ihr uns entrissen.

PAULET.

Es liegt in guter Hand. Gewissenhaft

Wird es zu seiner Zeit zurückgegeben!

KENNEDY.

30 Wer sieht es diesen kahlen Wänden an,

Dass eine Königin hier wohnt? Wo ist

Die Himmeldecke über ihrem Sitz?

Muss sie den zärtlich weichgewöhnten Fuß

Nicht auf gemeinen rauen Boden setzen?

35Mit grobem Zinn, die schlechtste Edelfrau

Würd es verschmähn, bedient man ihre Tafel.

PAULET.

So speiste sie zu Sterlyn ihren Gatten,

Da sie aus Gold mit ihrem Buhlen trank.

KENNEDY.

Sogar des Spiegels kleine Notdurft mangelt.

PAULET.

40 Solang sie noch ihr eitles Bild beschaut,

Hört sie nicht auf, zu hoffen und zu wagen.

KENNEDY.

An Büchern fehlt’s, den Geist zu unterhalten.

PAULET.

Die Bibel ließ man ihr, das Herz zu bessern.

KENNEDY.

Selbst ihre Laute ward ihr weggenommen.

PAULET.

45 Weil sie verbuhlte Lieder drauf gespielt.

KENNEDY.

Ist das ein Schicksal für die Weicherzogne,

Die in der Wiege Königin schon war,

Am üpp’gen Hof der Mediceerin

In jeder Freuden Fülle aufgewachsen.

50Es sei genug, dass man die Macht ihr nahm,

Muss man die armen Flitter ihr missgönnen?

[7]In großes Unglück lehrt ein edles Herz

Sich endlich finden, aber wehe tut’s,

Des Lebens kleine Zierden zu entbehren.

PAULET.

55 Sie wenden nur das Herz dem Eiteln zu,

Das in sich gehen und bereuen soll.

Ein üppig lastervolles Leben büßt sich

In Mangel und Erniedrigung allein.

KENNEDY.

Wenn ihre zarte Jugend sich verging,

60Mag sie’s mit Gott abtun und ihrem Herzen,

In England ist kein Richter über sie.

PAULET.

Sie wird gerichtet, wo sie frevelte.

KENNEDY.

Zum Freveln fesseln sie zu enge Bande.

PAULET.

Doch wusste sie aus diesen engen Banden

65Den Arm zu strecken in die Welt, die Fackel

Des Bürgerkrieges in das Reich zu schleudern,

Und gegen unsre Königin, die Gott

Erhalte! Meuchelrotten zu bewaffnen.

Erregte sie aus diesen Mauern nicht

70Den Böswicht Parry und den Babington

Zu der verfluchten Tat des Königsmords?

Hielt dieses Eisengitter sie zurück,

Das edle Herz des Norfolk zu umstricken?

Für sie geopfert fiel das beste Haupt

75Auf dieser Insel unterm Henkerbeil –

Und schreckte dieses jammervolle Beispiel

Die Rasenden zurück, die sich wetteifernd

Um ihrentwillen in den Abgrund stürzen?

Die Blutgerüste füllen sich für sie

80Mit immer neuen Todesopfern an,

Und das wird nimmer enden, bis sie selbst,

Die Schuldigste, darauf geopfert ist.

– O Fluch dem Tag, da dieses Landes Küste

Gastfreundlich diese Helena empfing.

KENNEDY.

85 Gastfreundlich hätte England sie empfangen?

Die Unglückselige, die seit dem Tag,

Da sie den Fuß gesetzt in dieses Land,

[8]Als eine Hilfeflehende, Vertriebne

Bei der Verwandten Schutz zu suchen kam,

90Sich wider Völkerrecht und Königswürde

Gefangen sieht, in enger Kerkerhaft

Der Jugend schöne Jahre muss vertrauern. –

Die jetzt, nachdem sie alles hat erfahren,

Was das Gefängnis Bittres hat, gemeinen

95Verbrechern gleich, vor des Gerichtes Schranken

Gefodert wird und schimpflich angeklagt

Auf Leib und Leben – eine Königin!

PAULET.

Sie kam ins Land als eine Mörderin,

Verjagt von ihrem Volk, des Throns entsetzt,

100Den sie mit schwerer Greueltat geschändet.

Verschworen kam sie gegen Englands Glück,

Der spanischen Maria blut’ge Zeiten

Zurückzubringen, Engelland katholisch

Zu machen, an den Franzmann zu verraten.

105Warum verschmähte sie’s, den Edinburger

Vertrag zu unterschreiben, ihren Anspruch

An England aufzugeben, und den Weg

Aus diesem Kerker schnell sich aufzutun

Mit einem Federstrich? Sie wollte lieber

110Gefangen bleiben, sich misshandelt sehn,

Als dieses Titels leerem Prunk entsagen.

Weswegen tat sie das? Weil sie den Ränken

Vertraut, den bösen Künsten der Verschwörung,

Und unheilspinnend diese ganze Insel

115Aus ihrem Kerker zu erobern hofft.

KENNEDY.

Ihr spottet, Sir – Zur Härte fügt Ihr noch

Den bittern Hohn! Sie hegte solche Träume,

Die hier lebendig eingemauert lebt,

Zu der kein Schall des Trostes, keine Stimme

120Der Freundschaft aus der lieben Heimat dringt,

Die längst kein Menschenangesicht mehr schaute,

Als ihrer Kerkermeister finstre Stirn,

Die erst seit kurzem einen neuen Wächter

[9]Erhielt in Eurem rauen Anverwandten,

125Von neuen Stäben sich umgittert sieht –

PAULET.

Kein Eisengitter schützt vor ihrer List.

Weiß ich, ob diese Stäbe nicht durchfeilt,

Nicht dieses Zimmers Boden, diese Wände,

Von außen fest, nicht hohl von innen sind,

130Und den Verrat einlassen, wenn ich schlafe?

Fluchvolles Amt, das mir geworden ist,

Die unheilbrütend Listige zu hüten.

Vom Schlummer jagt die Furcht mich auf, ich gehe

Nachts um, wie ein gequälter Geist, erprobe

135Des Schlosses Riegel und der Wächter Treu,

Und sehe zitternd jeden Morgen kommen,

Der meine Furcht wahr machen kann. Doch wohl mir!

Wohl! Es ist Hoffnung, dass es bald nun endet.

Denn lieber möcht ich der Verdammten Schar

140Wachstehend an der Höllenpforte hüten,

Als diese ränkevolle Königin.

KENNEDY.

Da kommt sie selbst!

PAULET.

    Den Christus in der Hand,

Die Hoffart und die Weltlust in dem Herzen.

Zweiter Auftritt

MARIA im Schleier, ein Kruzifix in der Hand. DIE VORIGEN.

KENNEDY (ihr entgegeneilend).

O Königin! Man tritt uns ganz mit Füßen,

145Der Tyrannei, der Härte wird kein Ziel,

Und jeder neue Tag häuft neue Leiden

Und Schmach auf dein gekröntes Haupt.

MARIA.

    Fass dich!

Sag an, was neu geschehen ist?

KENNEDY.

    Sieh her!

Dein Pult ist aufgebrochen, deine Schriften,

150Dein einz’ger Schatz, den wir mit Müh gerettet,

[10]Der letzte Rest von deinem Brautgeschmeide

Aus Frankreich ist in seiner Hand. Du hast nun

Nichts Königliches mehr, bist ganz beraubt.

MARIA.

Beruhige dich, Hanna. Diese Flitter machen

155Die Königin nicht aus. Man kann uns niedrig

Behandeln, nicht erniedrigen. Ich habe

In England mich an viel gewöhnen lernen,

Ich kann auch das verschmerzen. Sir, Ihr habt Euch

Gewaltsam zugeeignet, was ich Euch

160Noch heut zu übergeben willens war.

Bei diesen Schriften findet sich ein Brief,

Bestimmt für meine königliche Schwester

Von England – Gebt mir Euer Wort, dass Ihr

Ihn redlich an sie selbst wollt übergeben,

165Und nicht in Burleighs ungetreue Hand.

PAULET.

Ich werde mich bedenken, was zu tun ist.

MARIA.

Ihr sollt den Inhalt wissen, Sir. Ich bitte

In diesem Brief um eine große Gunst –

– Um eine Unterredung mit ihr selbst,

170Die ich mit Augen nie gesehn – Man hat mich

Vor ein Gericht von Männern vorgefodert,

Die ich als meinesgleichen nicht erkennen,

Zu denen ich kein Herz mir fassen kann.

Elisabeth ist meines Stammes, meines

175Geschlechts und Ranges – Ihr allein, der Schwester,

Der Königin, der Frau kann ich mich öffnen.

PAULET.

Sehr oft, Mylady, habt Ihr Euer Schicksal

Und Eure Ehre Männern anvertraut,

Die Eurer Achtung minder würdig waren.

MARIA.

180 Ich bitte noch um eine zweite Gunst,

Unmenschlichkeit allein kann mir sie weigern.

Schon lange Zeit entbehr ich im Gefängnis

Der Kirche Trost, der Sakramente Wohltat,

Und die mir Kron’ und Freiheit hat geraubt,

185Die meinem Leben selber droht, wird mir

Die Himmelstüre nicht verschließen wollen.

[11]PAULET.

Auf Euren Wunsch wird der Dechant des Orts –

MARIA (unterbricht ihn lebhaft).

Ich will nichts vom Dechanten. Einen Priester

Von meiner eignen Kirche fodre ich.

190– Auch Schreiber und Notarien verlang ich,

Um meinen letzten Willen aufzusetzen.

Der Gram, das lange Kerkerelend nagt

An meinem Leben. Meine Tage sind

Gezählt, befürcht ich, und ich achte mich

Gleich einer Sterbenden.

PAULET.

195    Da tut Ihr wohl,

Das sind Betrachtungen, die Euch geziemen.

MARIA.

Und weiß ich, ob nicht eine schnelle Hand

Des Kummers langsames Geschäft beschleunigt?

Ich will mein Testament aufsetzen, will

200Verfügung treffen über das, was mein ist.

PAULET.

Die Freiheit habt Ihr. Englands Königin

Will sich mit Eurem Raube nicht bereichern.

MARIA.

Man hat von meinen treuen Kammerfrauen,

Von meinen Dienern mich getrennt – Wo sind sie?

205Was ist ihr Schicksal? Ihrer Dienste kann ich

Entraten, doch beruhigt will ich sein,

Dass die Getreun nicht leiden und entbehren.

PAULET.

Für Eure Diener ist gesorgt.

(Er will gehen.)

MARIA.

Ihr geht, Sir? Ihr verlasst mich abermals,

210Und ohne mein geängstigt fürchtend Herz

Der Qual der Ungewissheit zu entladen.

Ich bin, dank Eurer Späher Wachsamkeit,

Von aller Welt geschieden, keine Kunde

Gelangt zu mir durch diese Kerkermauern,

215Mein Schicksal liegt in meiner Feinde Hand.

Ein peinlich langer Monat ist vorüber,

Seitdem die vierzig Kommissarien

In diesem Schloss mich überfallen, Schranken

Errichtet, schnell, mit unanständiger Eile,

220Mich unbereitet, ohne Anwalts Hülfe,

[12]Vor ein noch nie erhört Gericht gestellt,

Auf schlaugefasste schwere Klagepunkte

Mich, die Betäubte, Überraschte, flugs

Aus dem Gedächtnis Rede stehen lassen –

225Wie Geister kamen sie und schwanden wieder.

Seit diesem Tage schweigt mir jeder Mund,

Ich such umsonst in Eurem Blick zu lesen,

Ob meine Unschuld, meiner Freunde Eifer,

Ob meiner Feinde böser Rat gesiegt.

230Brecht endlich Euer Schweigen – lasst mich wissen,

Was ich zu fürchten, was zu hoffen habe.

PAULET (nach einer Pause).

Schließt Eure Rechnung mit dem Himmel ab.

MARIA.

Ich hoff auf seine Gnade, Sir – und hoffe

Auf strenges Recht von meinen ird’schen Richtern.

PAULET.

235 Recht soll Euch werden. Zweifelt nicht daran.

MARIA.

Ist mein Prozess entschieden, Sir?

PAULET.

    Ich weiß nicht.

MARIA.

Bin ich verurteilt?

PAULET.

    Ich weiß nichts, Mylady.

MARIA.

Man liebt hier rasch zu Werk zu gehn. Soll mich

Der Mörder überfallen wie die Richter?

PAULET.

240 Denkt immerhin, es sei so, und er wird Euch

In bessrer Fassung dann als diese finden.

MARIA.

Nichts soll mich in Erstaunen setzen, Sir,

Was ein Gerichtshof in Westminsterhall,

Den Burleighs Hass und Hattons Eifer lenkt,

245Zu urteln sich erdreiste – Weiß ich doch,

Was Englands Königin wagen darf zu tun.

PAULET.

Englands Beherrscher brauchen nichts zu scheuen,

Als ihr Gewissen und ihr Parlament.

Was die Gerechtigkeit gesprochen, furchtlos,

250Vor aller Welt wird es die Macht vollziehn.

[13]Dritter Auftritt

DIE VORIGEN. MORTIMER. Paulets Neffe, tritt herein und ohne der Königin einige Aufmerksamkeit zu bezeugen, zu Paulet.

MORTIMER.

Man sucht Euch, Oheim.

(Er entfernt sich auf eben die Weise. Die Königin bemerkt es mit Unwillen und wendet sich zu Paulet, der ihm folgen will.)

MARIA.

    Sir, noch eine Bitte.

Wenn Ihr mir was zu sagen habt – von Euch

Ertrag ich viel, ich ehre Euer Alter.

Den Übermut des Jünglings trag ich nicht,

255Spart mir den Anblick seiner rohen Sitten.

PAULET.

Was ihn Euch widrig macht, macht mir ihn wert.

Wohl ist es keiner von den weichen Toren,

Die eine falsche Weiberträne schmelzt –

Er ist gereist, kommt aus Paris und Reims,

260Und bringt sein treu altenglisch Herz zurück.

Lady, an dem ist Eure Kunst verloren! (Geht ab.)

Vierter Auftritt

MARIA. KENNEDY.

KENNEDY.

Darf Euch der Rohe das ins Antlitz sagen!

O es ist hart!

MARIA (in Nachdenken verloren).

Wir haben in den Tagen unsers Glanzes

265Dem Schmeichler ein zu willig Ohr geliehn,

Gerecht ist’s, gute Kennedy, dass wir

Dies Vorwurfs ernste Stimme nun vernehmen.

KENNEDY.

Wie? so gebeugt, so mutlos, teure Lady?

Wart Ihr doch sonst so froh, Ihr pflegtet mich zu trösten,

270Und eher musst ich Euren Flattersinn

Als Eure Schwermut schelten.

[14]MARIA.

    Ich erkenn ihn.

Es ist der blut’ge Schatten König Darnleys,

Der zürnend aus dem Gruftgewölbe steigt,

Und er wird nimmer Friede mit mir machen,

275Bis meines Unglücks Maß erfüllet ist.

KENNEDY.

Was für Gedanken –

MARIA.

    Du vergissest, Hanna –

Ich aber habe ein getreu Gedächtnis –

Der Jahrstag dieser unglückseligen Tat

Ist heute abermals zurückgekehrt,

280Er ist’s, den ich mit Buß und Fasten feire.

KENNEDY.

Schickt endlich diesen bösen Geist zur Ruh.

Ihr habt die Tat mit jahrelanger Reu,

Mit schweren Leidensproben abgebüßt.

Die Kirche, die den Löseschlüssel hat

285Für jede Schuld, der Himmel hat vergeben.

MARIA.

Frischblutend steigt die längst vergebne Schuld

Aus ihrem leichtbedeckten Grab empor!

Des Gatten rachefoderndes Gespenst

Schickt keines Messedieners Glocke, kein

290Hochwürdiges in Priesters Hand zur Gruft.

KENNEDY.

Nicht Ihr habt ihn gemordet! Andre taten’s!

MARIA.

Ich wusste drum. Ich ließ die Tat geschehn,

Und lockt ihn schmeichelnd in das Todesnetz.

KENNEDY.

Die Jugend mildert Eure Schuld. Ihr wart

So zarten Alters noch.

MARIA.

295    So zart, und lud

Die schwere Schuld auf mein so junges Leben.

KENNEDY.

Ihr wart durch blutige Beleidigung

Gereizt und durch des Mannes Übermut,

Den Eure Liebe aus der Dunkelheit

300Wie eine Götterhand hervorgezogen,

Den Ihr durch Euer Brautgemach zum Throne

Geführt, mit Eurer blühenden Person

Beglückt und Eurer angestammten Krone.

Konnt er vergessen, dass sein prangend Los

305[15]Der Liebe großmutsvolle Schöpfung war?

Und doch vergaß er’s, der Unwürdige!

Beleidigte mit niedrigem Verdacht,

Mit rohen Sitten Eure Zärtlichkeit,

Und widerwärtig wurd er Euren Augen.

310Der Zauber schwand, der Euren Blick getäuscht,

Ihr floht erzürnt des Schändlichen Umarmung

Und gabt ihn der Verachtung preis – Und er –

Versucht’ er’s, Eure Gunst zurückzurufen?

Bat er um Gnade? Warf er sich bereuend

315Zu Euren Füßen, Besserung versprechend?

Trotz bot Euch der Abscheuliche – Der Euer

Geschöpf war, Euren König wollt er spielen,

Vor Euren Augen ließ er Euch den Liebling,

Den schönen Sänger Rizzio durchbohren –

320Ihr rächtet blutig nur die blut’ge Tat.

MARIA.

Und blutig wird sie auch an mir sich rächen,

Du sprichst mein Urteil aus, da du mich tröstest.

KENNEDY.

Da Ihr die Tat geschehn ließt, wart Ihr nicht

Ihr selbst, gehörtet Euch nicht selbst. Ergriffen

325Hatt Euch der Wahnsinn blinder Liebesglut,

Euch unterjocht dem furchtbaren Verführer,

Dem unglücksel’gen Bothwell – Über Euch

Mit übermüt’gem Männerwillen herrschte

Der Schreckliche, der Euch durch Zaubertränke,

330Durch Höllenkünste das Gemüt verwirrend

Erhitzte –

MARIA.

    Seine Künste waren keine andre,

Als seine Männerkraft und meine Schwachheit.

KENNEDY.

Nein, sag ich. Alle Geister der Verdammnis

Musst er zu Hülfe rufen, der dies Band

335Um Eure hellen Sinne wob. Ihr hattet

Kein Ohr mehr für der Freundin Warnungsstimme,

Kein Aug für das, was wohlanständig war.

Verlassen hatte Euch die zarte Scheu

Der Menschen, Eure Wangen, sonst der Sitz

340[16]Schamhaft errötender Bescheidenheit,

Sie glühten nur vom Feuer des Verlangens.

Ihr warft den Schleier des Geheimnisses

Von Euch, des Mannes keckes Laster hatte

Auch Eure Blödigkeit besiegt, Ihr stelltet

345Mit dreister Stirne Eure Schmach zur Schau.

Ihr ließt das königliche Schwert von Schottland

Durch ihn, den Mörder, dem des Volkes Flüche

Nachschallten, durch die Gassen Edinburgs,

Vor Euch hertragen im Triumph, umringtet

350Mit Waffen Euer Parlament, und hier,

Im eignen Tempel der Gerechtigkeit,

Zwangt Ihr mit frechem Possenspiel die Richter,

Den Schuldigen des Mordes loszusprechen –

Ihr gingt noch weiter – Gott!

MARIA.

    Vollende nur!

355Und reicht’ ihm meine Hand vor dem Altare!

KENNEDY.

O lasst ein ewig Schweigen diese Tat

Bedecken! Sie ist schauderhaft, empörend,

Ist einer ganz Verlornen wert – Doch Ihr seid keine

Verlorne – ich kenn Euch ja, ich bin’s,

360Die Eure Kindheit auferzogen. Weich

Ist Euer Herz gebildet, offen ist’s

Der Scham – der Leichtsinn nur ist Euer Laster.

Ich wiederhol es, es gibt böse Geister,

Die in des Menschen unverwahrter Brust

365Sich augenblicklich ihren Wohnplatz nehmen,

Die schnell in uns das Schreckliche begehn

Und zu der Höll entfliehend das Entsetzen

In dem befleckten Busen hinterlassen.

Seit dieser Tat, die Euer Leben schwärzt,

370Habt Ihr nichts Lasterhaftes mehr begangen,

Ich bin ein Zeuge Eurer Besserung.

Drum fasset Mut! Macht Friede mit Euch selbst!

Was Ihr auch zu bereuen habt, in England

Seid Ihr nicht schuldig, nicht Elisabeth,

375[17]Nicht Englands Parlament ist Euer Richter.

Macht ist’s, die Euch hier unterdrückt, vor diesen

Anmaßlichen Gerichtshof dürft Ihr Euch

Hinstellen mit dem ganzen Mut der Unschuld.

MARIA.

Wer kommt?

(Mortimer zeigt sich an der Türe.)

KENNEDY.

    Es ist der Neffe. Geht hinein.

Fünfter Auftritt

DIE VORIGEN. MORTIMER scheu hereintretend.

MORTIMER (zur Amme).

380Entfernt Euch, haltet Wache vor der Tür,

Ich habe mit der Königin zu reden.

MARIA (mit Ansehn).

Hanna, du bleibst.

MORTIMER.

Habt keine Furcht, Mylady. Lernt mich kennen.

(Er überreicht ihr eine Karte.)

MARIA (sieht sie an und fährt bestürzt zurück).

Ha! Was ist das?

MORTIMER (zur Amme).

    Geht, Dame Kennedy.

385Sorgt, dass mein Oheim uns nicht überfalle!

MARIA (zur Amme, welche zaudert und die Königin fragend ansieht).

Geh! Geh! Tu was er sagt!

(Die Amme entfernt sich mit Zeichen der Verwunderung.)

Sechster Auftritt

MORTIMER. MARIA.

MARIA.

    Von meinem Oheim!

Dem Kardinal von Lothringen aus Frankreich!

(Liest.)

»Traut dem Sir Mortimer, der Euch dies bringt,

Denn keinen treuern Freund habt Ihr in England.«

[18](Mortimern mit Erstaunen ansehend.)

Ist’s möglich? Ist’s kein Blendwerk, das mich täuscht?

391So nahe find ich einen Freund und wähnte mich

Verlassen schon von aller Welt – find ihn

In Euch, dem Neffen meines Kerkermeisters,

In dem ich meinen schlimmsten Feind –

MORTIMER(sich ihr zu Füßen werfend).

    Verzeihung

395Für diese verhasste Larve, Königin,

Die mir zu tragen Kampf genug gekostet,

Doch der ich’s danke, dass ich mich Euch nahen,

Euch Hülfe und Errettung bringen kann.

MARIA.

Steht auf – Ihr überrascht mich, Sir – Ich kann

400So schnell nicht aus der Tiefe meines Elends

Zur Hoffnung übergehen – Redet, Sir –

Macht mir dies Glück begreiflich, dass ich’s glaube.

MORTIMER (steht auf).

Die Zeit verrinnt. Bald wird mein Oheim hier sein,

Und ein verhasster Mensch begleitet ihn.

405Eh Euch ihr Schreckensauftrag überrascht,

Hört an, wie Euch der Himmel Rettung schickt.

MARIA.

Er schickt sie durch ein Wunder seiner Allmacht!

MORTIMER.

Erlaubt, dass ich von mir beginne.

MARIA.

    Redet, Sir!

MORTIMER.

Ich zählte zwanzig Jahre, Königin,

410In strengen Pflichten war ich aufgewachsen,

In finsterm Hass des Papsttums aufgesäugt,

Als mich die unbezwingliche Begierde

Hinaustrieb auf das feste Land. Ich ließ

Der Puritaner dumpfe Predigtstuben,

415Die Heimat hinter mir, in schnellem Lauf

Durchzog ich Frankreich, das gepriesene

Italien mit heißem Wunsche suchend.

 Es war die Zeit des großen Kirchenfests,

Von Pilgerscharen wimmelten die Wege,

420Bekränzt war jedes Gottesbild, es war,

Als ob die Menschheit auf der Wandrung wäre,

[19]Wallfahrend nach dem Himmelreich – Mich selbst

Ergriff der Strom der glaubenvollen Menge,

Und riss mich in das Weichbild Roms –

425 Wie ward mir, Königin!

Als mir der Säulen Pracht und Siegesbogen

Entgegenstieg, des Kolosseums Herrlichkeit

Den Staunenden umfing, ein hoher Bildnergeist

In seine heitre Wunderwelt mich schloss!

430Ich hatte nie der Künste Macht gefühlt,

Es hasst die Kirche, die mich auferzog,

Der Sinne Reiz, kein Abbild duldet sie,

Allein das körperlose Wort verehrend.

Wie wurde mir, als ich ins Innre nun

435Der Kirchen trat, und die Musik der Himmel

Herunterstieg, und der Gestalten Fülle

Verschwenderisch aus Wand und Decke quoll,

Das Herrlichste und Höchste, gegenwärtig,

Vor den entzückten Sinnen sich bewegte,

440Als ich sie selbst nun sah, die Göttlichen,

Den Gruß des Engels, die Geburt des Herrn,

Die heil’ge Mutter, die herabgestiegne

Dreifaltigkeit, die leuchtende Verklärung –

Als ich den Papst drauf sah in seiner Pracht

445Das Hochamt halten und die Völker segnen.

O was ist Goldes, was Juwelen Schein,

Womit der Erde Könige sich schmücken!

Nur Er ist mit dem Göttlichen umgeben.

Ein wahrhaft Reich der Himmel ist sein Haus,

450Denn nicht von dieser Welt sind diese Formen.

MARIA.

O schonet mein! Nicht weiter. Höret auf,

Den frischen Lebensteppich vor mir aus-

Zubreiten – Ich bin elend und gefangen.

MORTIMER.

Auch ich war’s, Königin! und mein Gefängnis

455Sprang auf und frei auf einmal fühlte sich

Der Geist, des Lebens schönen Tag begrüßend.

Hass schwur ich nun dem engen dumpfen Buch,

[20]Mit frischem Kranz die Schläfe mir zu schmücken,

Mich fröhlich an die Fröhlichen zu schließen.

460Viel edle Schotten drängten sich an mich

Und der Franzosen muntre Landsmannschaften.

Sie brachten mich zu Eurem edeln Oheim,

Dem Kardinal von Guise – Welch ein Mann!

Wie sicher, klar und männlich groß! – Wie ganz

465Geboren, um die Geister zu regieren!

Das Muster eines königlichen Priesters,

Ein Fürst der Kirche, wie ich keinen sah!

MARIA.

Ihr habt sein teures Angesicht gesehn,

Des vielgeliebten, des erhabnen Mannes,

470Der meiner zarten Jugend Führer war.

O redet mir von ihm. Denkt er noch mein?

Liebt ihn das Glück, blüht ihm das Leben noch,

Steht er noch herrlich da, ein Fels der Kirche?

MORTIMER.

Der Treffliche ließ selber sich herab,

475Die hohen Glaubenslehren mir zu deuten,

Und meines Herzens Zweifel zu zerstreun.

Er zeigte mir, dass grübelnde Vernunft

Den Menschen ewig in der Irre leitet,

Dass seine Augen sehen müssen, was

480Das Herz soll glauben, dass ein sichtbar Haupt

Der Kirche not tut, dass der Geist der Wahrheit

Geruht hat auf den Sitzungen der Väter.

Die Wahnbegriffe meiner kind’schen Seele,

Wie schwanden sie vor seinem siegenden

485Verstand und vor der Suada seines Mundes!

Ich kehrte in der Kirche Schoß zurück,

Schwur meinen Irrtum ab in seine Hände.

MARIA.

So seid Ihr einer jener Tausende,

Die er mit seiner Rede Himmelskraft

490Wie der erhabne Prediger des Berges

Ergriffen und zum ew’gen Heil geführt!

MORTIMER.

Als ihn des Amtes Pflichten bald darauf

Nach Frankreich riefen, sandt er mich nach Reims,

[21]Wo die Gesellschaft Jesu, fromm geschäftig,

495Für Englands Kirche Priester auferzieht.

Den edeln Schotten Morgan fand ich hier,

Auch Euren treuen Leßley, den gelehrten

Bischof von Roße, die auf Frankreichs Boden

Freudlose Tage der Verbannung leben –

500Eng schloss ich mich an diese Würdigen,

Und stärkte mich im Glauben – Eines Tags,

Als ich mich umsah in des Bischofs Wohnung,

Fiel mir ein weiblich Bildnis in die Augen,

Von rührend wundersamem Reiz, gewaltig

505Ergriff es mich in meiner tiefsten Seele,

Und des Gefühls nicht mächtig stand ich da.

Da sagte mir der Bischof: Wohl mit Recht

Mögt Ihr gerührt bei diesem Bilde weilen.

Die schönste aller Frauen, welche leben,

510Ist auch die jammernswürdigste von allen,

Um unsers Glaubens willen duldet sie,

Und Euer Vaterland ist’s, wo sie leidet.

MARIA.

Der Redliche! Nein, ich verlor nicht alles,

Da solcher Freund im Unglück mir geblieben.

MORTIMER.

515 Drauf fing er an, mit herzerschütternder

Beredsamkeit mir Euer Märtyrtum

Und Eurer Feinde Blutgier abzuschildern.

Auch Euern Stammbaum wies er mir, er zeigte

Mir Eure Abkunft von dem hohen Hause

520Der Tudor, überzeugte mich, dass Euch

Allein gebührt in Engelland zu herrschen,

Nicht dieser Afterkönigin, gezeugt

In ehebrecherischem Bett, die Heinrich,

Ihr Vater, selbst verwarf als Bastardtochter.

525Nicht seinem einz’gen Zeugnis wollt ich traun,

Ich holte Rat bei allen Rechtsgelehrten,

Viel alte Wappenbücher schlug ich nach,

Und alle Kundige, die ich befragte,

Bestätigten mir Eures Anspruchs Kraft.

530[22]Ich weiß nunmehr, dass Euer gutes Recht

An England Euer ganzes Unrecht ist,

Dass Euch dies Reich als Eigentum gehört,

Worin Ihr schuldlos als Gefangne schmachtet.

MARIA.

O dieses unglücksvolle Recht! Es ist

535Die einz’ge Quelle aller meiner Leiden.

MORTIMER.

Um diese Zeit kam mir die Kunde zu,

Dass Ihr aus Talbots Schloss hinweggeführt,

Und meinem Oheim übergeben worden –

Des Himmels wundervolle Rettungshand

540Glaubt ich in dieser Fügung zu erkennen,

Ein lauter Ruf des Schicksals war sie mir,

Das meinen Arm gewählt, Euch zu befreien.

Die Freunde stimmen freudig bei, es gibt

Der Kardinal mir seinen Rat und Segen,

545Und lehrt mich der Verstellung schwere Kunst.