Marrying Dr. Flawless - Cassia Bieber - E-Book

Marrying Dr. Flawless E-Book

Cassia Bieber

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Beschreibung

Ich habe ihn geheiratet, aber mich zu verlieben, war nicht Teil des Deals.

Kinderärztin Vanessa van Doren scheint die perfekte Prinzessin der New Yorker High Society zu sein. Doch in ihrem goldenen Käfig droht sie zu ersticken. Denn um das Unternehmen ihrer Familie zu retten, hat sie sich auf eine arrangierte Ehe mit Ikaros Angelis eingelassen - einem unglaublich attraktiven Arzt, aber leider auch stadtbekannten Playboy. Aus dieser Verbindung kann Vanessa nur entkommen, wenn Ikaros um die Scheidung bittet. Sollte die Trennung von ihr ausgehen, verliert ihre Familie ihr ganzes Vermögen. Also setzt Vanessa alles daran, dass Ikaros sie hasst. Doch nicht nur ihre Versuche scheitern kläglich, es funkt auch noch gewaltig zwischen den beiden. Und Ikaros legt sich mächtig ins Zeug, um das Herz seiner Ehefrau zu erobern. Wäre da nicht Vanessas Freiheitsdrang, der es ihr unmöglich macht, sich wirklich auf Ikaros einzulassen ...

Ein mitreißender und prickelnder From-Enemies-to-Lovers-Liebesroman: Der zweite Band der Romance-Reihe rund um die heißen Ärzte und Inhaber des New Yorker Angelis Memorial Hospitals.

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Inhalt

Cover

Grußwort des Verlags

Über dieses Buch

Titel

Kapitel 1 – Vanessa

Kapitel 2 – Vanessa

Kapitel 3 – Ikaros

Kapitel 4 – Vanessa

Kapitel 5 – Vanessa

Kapitel 6 – Vanessa

Kapitel 7 – Ikaros

Kapitel 8 – Vanessa

Kapitel 9 – Ikaros

Kapitel 10 – Ikaros

Kapitel 11 – Vanessa

Kapitel 12 – Ikaros

Kapitel 13 – Vanessa

Kapitel 14 – Vanessa

Kapitel 15 – Ikaros

Kapitel 16 – Vanessa

Kapitel 17 – Vanessa

Kapitel 18 – Ikaros

Kapitel 19 – Vanessa

Kapitel 20 – Ikaros

Kapitel 21 – Vanessa

Kapitel 22 – Ikaros

Kapitel 23 – Ikaros

Kapitel 24 – Vanessa

Kapitel 25 – Vanessa

Kapitel 26 – Ikaros

Kapitel 27 – Vanessa

Kapitel 28 – Ikaros

Kapitel 29 – Vanessa

Kapitel 30 – Vanessa

Kapitel 31 – Ikaros

Kapitel 32 – Vanessa

Kapitel 33 – Ikaros

Epilog – Vanessa

Über die Autorin

Weitere Titel der Autorin

Impressum

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Über dieses Buch

Kinderärztin Vanessa van Doren scheint die perfekte Prinzessin der New Yorker High Society zu sein. Doch in ihrem goldenen Käfig droht sie zu ersticken. Denn um das Unternehmen ihrer Familie zu retten, hat sie sich auf eine arrangierte Ehe mit Ikaros Angelis eingelassen – einem unglaublich attraktiven Arzt, aber leider auch stadtbekannten Playboy. Aus dieser Verbindung kann Vanessa nur entkommen, wenn Ikaros um die Scheidung bittet. Sollte die Trennung von ihr ausgehen, verliert ihre Familie ihr ganzes Vermögen. Also setzt Vanessa alles daran, dass Ikaros sie hasst. Doch nicht nur ihre Versuche scheitern kläglich, es funkt auch noch gewaltig zwischen den beiden. Und Ikaros legt sich mächtig ins Zeug, um das Herz seiner Ehefrau zu erobern. Wäre da nicht Vanessas Freiheitsdrang, der es ihr unmöglich macht, sich wirklich auf Ikaros einzulassen ...

Cassia Bieber

Marrying Dr. Flawless

Kapitel 1 – Vanessa

Ein Jahr zuvor

Ein griechischer Gott lag nackt an meiner Seite im Bett und ich versprach mir, nie wieder etwas beweisen zu wollen.

»Heute nicht«, murmelte er im Schlaf und grub sein Gesicht tiefer in das Kopfkissen.

Meine Muskeln versteiften sich. Ich ließ meinen Blick Hilfe suchend durch den Raum schweifen, und in meinem Kopf fühlte es sich an, als würde mein Gehirn in Konservierungsflüssigkeiten baden.

Was um Himmels willen mache ich hier?

Und wer ist der Typ mit dem perfekten Hintern?

Obwohl mir mein Jugendzimmer im Haus meiner Eltern ein heimisches Gefühl verlieh, bohrte sich die Erkenntnis in mein Bewusstsein, dass ich nicht mehr hierhergehörte. Vor einem Jahr, an meinem achtundzwanzigsten Geburtstag, war ich bereits ausgezogen, um eine erfüllte, unabhängige Kinderärztin zu sein. Genau an dem Tag, an dem mein Bruder unsere Familie zerstört hatte. Danach war er verschwunden, ohne sich um mein gebrochenes Herz oder den Untergang unseres Unternehmens zu sorgen. Bis gestern Abend. Da hatte er mir geschrieben und versucht mir weiszumachen, ich sei nur eine Prinzessin in einem goldenen Käfig. Ich hatte ihn angefleht, nach New York zurückzukommen, sich von mir helfen zu lassen. Aber er traute mir weiterhin nichts zu. Warum sollte er auch?

Du würdest nie etwas tun, was nicht zu hundert Prozent korrekt ist, Nessi.

Die herausfordernden Worte meines Bruders hallten noch immer in meinem Kopf wider, während Galle in mir hochkam und der Alkohol mich daran erinnerte, wie dumm ich gewesen war. Ich wollte Damian beweisen, dass er auf mich zählen und ich viel mutiger sein konnte, als er dachte. Stattdessen war ich völlig betrunken mit einem wildfremden Typen in meinem alten Kinderzimmer gelandet. Erbärmlich.

Mit zittriger Hand zupfte ich an dem weißen Laken und stellte fest, dass ich darunter komplett nackt war. Mein Herz bohrte ein Loch in meine Brust, so schnell schlug es, und ich überlegte, was klüger wäre: Sollte ich aufstehen, weglaufen, ohne zurückzuschauen? Oder sollte ich den Typen einfach wecken und fragen, was zum Teufel passiert war?

»Fuck!«, grummelte er und wälzte sich so, dass das dünne Laken von seinem Körper glitt.

Mein Mund, der ohnehin staubtrocken war, fühlte sich an, als hätte ich seit Jahren nichts getrunken. Unter dem leicht durchsichtigen Stoff sah er schon perfekt aus. Doch fast nackt stellte er Brad Pitt im Film Troja in den Schatten. Seine verwuschelten Haare hatten die Farbe von feuchtem Sand, seine Rückenmuskeln waren wie gemeißelt und sein Hinterteil ... verdammt! Ich hatte noch nie einen Po so lange betrachtet wie seinen. Zu meiner Verteidigung: Ich hatte auch noch nie so einen attraktiven, göttlichen Körper aus der Nähe gesehen. Ich fragte mich aber auch, was ich noch mit diesem Mann angestellt hatte und warum ich mich an nichts erinnerte.

Ich atmete tief durch, nahm den vertrauten Duft der frisch gewaschenen Bettwäsche wahr, wobei sich eine männliche Duftnote untergemischt hatte, und ein scharfes Pochen bohrte sich in meine Schläfen.

Damians Nachricht.

Die Party.

Wodka.

Erinnerungsfetzen setzten sich wie Puzzleteile in meinem Kopf zusammen und stöhnend fasste ich mir an die Stirn. Da war der Grund für meinen kurzzeitigen Gedächtnisverlust. Ich hatte mehr Alkohol getrunken als in meinem ganzen Leben. Und wofür? Nur, um meinem Bruder zu beweisen, dass ich kein braves, gehorsames Kind war und ihm helfen konnte. Dabei hatte ich mich total unreif benommen.

Ich formte stumm einen Fluch mit den Lippen, folgte mit dem Blick meinem Laken und stellte fest, dass die Hälfte des Stoffes unter meinem One-Night-Stand lag. Nach einem schweren Atemzug kniete ich mich auf die Matratze und versuchte, das Bettlaken vorsichtig unter ihm hervorzuziehen. Als er sich abrupt umdrehte und wie ein nasser Sack auf den Boden schlug, stieß ich einen Schrei aus. Schock fuhr mir in die Glieder und ich legte kurz die Hand auf den Mund, krabbelte ein Stück bis zum Bettrand, um ihn anzusehen. »Ist alles in Ordnung?« Meine Stimme klang wie die eines achtzigjährigen Kettenrauchers.

Er stöhnte, hievte sich mühsam auf.

Ich verfluchte mich zum wiederholten Mal, weil mein Blick schamlos an seinen stählernen Muskeln klebte. Doch als er sich vollständig aufgerichtet hatte, schaute ich direkt auf seinen Schwanz. Oder eher auf seine beachtliche Morgenlatte. Rasch sah ich zur Seite und mein Gesicht glühte, als hätte ich eine Ohrfeige kassiert.

»Ähm ...«, sagte er gedehnt, ohne Anstalten zu machen, sich zu bedecken. »Ich mag einen kolossalen Kater haben, aber wenn ich die Zeichen richtig deute, ist es zu spät, um sich für irgendetwas zu schämen, Prinzessin.«

»Ich bin keine ...« Der bescheuerte Kosename trieb Wut in meine Adern, doch die Erinnerungen an gestern Nacht trafen mich wie ein Schlag und ich riss die Augen auf. Der Mann, der splitterfasernackt vor mir stand, war nicht irgendein Typ, den ich auf dieser verfluchten Party aufgegabelt hatte. Ich kannte diese meergrünen Augen, das unverschämte Lächeln und die Grübchen in seinen glatt rasierten Wangen. Gestern hatte ich meinen Plan durchgezogen. Ich hatte mich getraut, Ikaros Angelis zu küssen. Anscheinend hatte ich mich viel mehr getraut, als rumzuknutschen.

»Gut, dass du mir zumindest ins Gesicht schaust und nicht ...« Neckisch deutete er mit einer Kopfbewegung an seinem Körper hinab.

Ich räusperte mich, starrte wieder die Matratze an und tat so, als würde nicht das Abbild von Achilles vor mir stehen. »Kannst du dich bitte trotzdem anziehen?«

»Also, wenn die Dame unbedingt darauf besteht«, erwiderte er belustigt.

Stoff raschelte und ich überlegte krampfhaft, wo verdammt noch mal meine eigenen Klamotten lagen. Ich erinnerte mich daran, ein rotes Kleid getragen und es anbehalten zu haben, obwohl ich eine Menge Wodka intus hatte. Jedoch war der Teil aus meinem Gedächtnis ausradiert worden, in dem ich Ikaros auf der Party getroffen hatte. Vor allem wusste ich nicht mehr, wie wir auf die Idee gekommen waren, zu meinen Eltern zu fahren.

Die Matratze ächzte und ich zuckte zusammen.

»Das ist keine Abendgarderobe, aber ich denke, so bleiben wir auf das Wesentliche konzentriert«, sagte er und schloss den Knopf seiner Jeans.

Zögerlich sah ich ihn an, befeuchtete meine Lippen, während mein Blick wie ferngesteuert über seinen nackten Oberkörper glitt. »Kannst du bitte auch dein T-Shirt anziehen?« Ich klang so schwach, wie ich mich fühlte und fragte mich, ob die Situation so schlimm war, wie ich sie mir im Kopf ausmalte. Ikaros sah nicht nur zum Niederknien aus. Im Krankenhaus kursierten Geschichten, wie gut er im Bett war und wie magisch sich seine Hände anfühlten. Gestern Abend hatte ich ihn gewollt. Seit dem Moment, in dem ich mit meinem Bruder gesprochen hatte, wusste ich, dass ich Ikaros verführen würde. Keinen anderen. Leider erinnerte ich mich an nichts weiter. Wenn er wusste, wer ich war, lag es sicher nicht daran, dass ich eine unvergessliche Performance im Bett hingelegt hatte. Ich war nicht die Erfahrenste auf dem Gebiet, ich sah zwar nicht schlecht aus, hatte jedoch kein Gesicht, an das man sich erinnerte. So war es mit Mauerblümchen. Sie waren irgendwie hübsch. Doch auch unscheinbar.

»Ich würde mich ja gern vollständig anziehen, aber die Stofffetzen, die auf dem Boden liegen, kann ich echt nicht mehr gebrauchen.« Er verzog die Lippen.

Erst jetzt fielen mir die roten Striemen auf Ikaros’ Schultern auf. Spuren von Fingernägeln. Meinen Fingernägeln. Vor meinem inneren Auge blitzten Bilder auf, wie ich sein Gesicht umfasste, meinen Mund gierig auf seinen presste und an seiner Unterlippe sog. Sein süßer Geschmack vermischt mit dem des Alkohols lag noch auf meiner Zunge und seine Wärme brannte mit jeder Sekunde lebendiger auf meiner Haut. Hitze schoss durch meine Adern und ich atmete stockend ein. »Ich ... Ich ...«

»Du erinnerst dich nicht an viel, oder?«

Ich schaute ihm in die Augen und verlor mich in seinem betrübten Ausdruck. Seine Art, mich besorgt anzuschauen, hatte nichts mit mir oder mit dem, was passiert war, zu tun. Das wusste ich, ohne ihn zu fragen, denn ich kannte diesen Blick ganz genau. So oft hatte ich solche traurigen Augen gesehen, die sich hinter einer spielerischen Fassade verbargen. War meine Familie nicht Meister darin, gute Miene zum bösen Spiel zu machen?

»Ich weiß, dass ich auf Carlisles Party gegangen bin«, erwiderte ich und kaute auf der Unterlippe herum.

Carlisles Party. Die Nachricht meines Bruders. Der Drang, mich zu beweisen, und Wodka. Ganz viel Wodka.

Ikaros legte seine Hand auf meine und zog meine Aufmerksamkeit wieder auf seine Augen. Auf seine vollen Lippen. »Du warst also betrunken.«

Ich nickte.

»Okay«, sagte er gedehnt und zog seine Hand wieder zurück.

»Okay?«

»Ich würde mir nie vergeben, wenn ich mit einer Frau geschlafen hätte, die sich nicht daran erinnert, wie wir im Bett gelandet sind.« Er fuhr sich durch die sandblonden Haare und sah mich mit gequälter Miene an. »Aber ich kann mich ehrlich gesagt auch nicht an den Abend erinnern.«

»An gar nichts?«

Er massierte mit dem Daumen den Punkt zwischen seinen Augenbrauen. »Keine Ahnung, wann ich das letzte Mal so einen heftigen Filmriss gehabt habe. Aber als ich bei Carlisle aufgetaucht bin, war ich schon ziemlich betrunken.«

Großartig! Ich hatte mich schon langsam damit angefreundet, dass ich aus dem falschen Impuls heraus Ikaros Angelis verführt hatte. Doch ich hatte zumindest damit gerechnet, dass er sich an mich erinnern würde. Egal. Ich hatte meinem Bruder und mir selbst bewiesen, dass ich dazu bereit war, meinen goldenen Käfig zu verlassen. Meine Eltern beherrschten nicht mehr mein Leben, und mein Bruder würde mir endlich sagen, wo er sich versteckt hatte, damit wir gemeinsam unsere Familie retten konnten.

»Keine große Sache«, sagte ich und klemmte mir eine blonde Locke hinters Ohr. »Am besten vergessen wir, was passiert ist.«

»Das haben wir schon.« Er zwinkerte mir zu und schenkte mir dieses herzzerreißende Lächeln. »Wie wäre es, wenn wir uns einander vorstellen?«

Du bist Ikaros Angelis.

Du bist der Arzt, zu dem ich seit Wochen aufsehe.

Du hast keine Ahnung, wer ich bin.

»Warum sollten wir das tun?«, fragte ich.

Er hob die Augenbrauen. »Wir hatten Sex.«

»Hast du ein schlechtes Gewissen, weil du dich nicht daran erinnerst? Keine Sorge. Du warst betrunken. Ich war betrunken. Wir sind zwei Erwachsene, die einfach Spaß miteinander hatten. Wir müssen nicht so tun, als würden wir uns mögen, nur weil wir einander nackt gesehen haben.«

Oder weil wir uns geküsst haben. Oder weil wir eins waren.

»Zum einen finde ich dich sehr interessant und verdammt schön. Zum anderen kann ich mich nicht daran erinnern, wie du nackt aussiehst.« Sein Blick glitt langsam über meine Nase, meinen Mund und blieb dort ein paar Sekunden hängen, bevor er mir wieder in die Augen sah. »Was ziemlich unfair ist, weil du mich vor ein paar Minuten im Adamskostüm gesehen hast.«

Hitze nistete sich in meinem Bauch ein, und der Gedanke, diesen Augenblick zu nutzen, und auf die Zukunft zu pfeifen, huschte mir durch den Kopf. Würde es eine Rolle spielen, wenn wir noch einmal miteinander schliefen? Nur ein weiteres, unverbindliches Mal. Doch ein anderer Gedanke ließ mich den Kopf schütteln. »Wir sind im Haus meiner Eltern und ich habe keine Lust, dass sie hier reinplatzen und Fragen stellen.«

Ikaros schaute auf meine Schultern, meinen Arm und die Stelle an, an der ich das Bettlaken über meinen Brüsten festhielt. »Um dich besser kennenzulernen, würde ich es riskieren, von deinen Eltern erwischt zu werden. Es wäre nicht das erste Mal, dass ich von einem wütenden Vater verjagt werde.«

Ich verengte die Augen. »Das spricht nicht unbedingt für dich.«

»Ich bin nun mal kein braver Junge.« Er schenkte mir ein schiefes Lächeln, und wenn ich mich gefragt hatte, warum so viele Frauen im Krankenhaus in ihn verliebt waren, bekam ich mit diesem Körper und dem unglaublich attraktiven Gesicht die Antwort.

Auch seine draufgängerische Art reizte mich. Ikaros Angelis war genau das Gegenteil von mir und nur in meinen Träumen würden wir zusammenpassen. Es wäre zu leicht gewesen, gestern Abend jemanden zu verführen, der genau wie ich war. Ein Vorzeigekind. Aber Ikaros war die Herausforderung, die Tafel Schokolade, die ich heimlich aß und später bereute. Warum war Schokolade auch nur so verdammt lecker?

»Du solltest gehen«, sagte ich sanft.

Er hielt kurz inne, strich federleicht über mein Knie und stand auf. »Kann ich zumindest wissen, wie du heißt?«

»Vanessa.«

»Ikaros.«

Ich weiß.

Doch ich sagte nichts, betrachtete, wie er seine Jeans und die Schuhe anzog.

»Kann ich deine Nummer haben?«

»Besser nicht.«

Jemand wie Ikaros Angelis passte nicht in mein Leben. Er würde mein Herz brechen und mich davon abbringen, das zu tun, was ich am meisten wollte. Jemand wie er würde mich in die Knie zwingen und mir meine Freiheit rauben, auch wenn er es nicht beabsichtigte. Seinetwegen würde ich hier in New York bleiben, obwohl ich mir nichts anderes wünschte, als nach Kuba zu reisen.

Er nickte, ging zu meiner Tür und zog sie auf. »Dann kann ich nur hoffen, dass wir uns zufällig über den Weg laufen.«

Ich wollte ihm sagen, dass wir uns morgen wiedersehen und er mich wie immer ignorieren würde. Aber bevor ein Wort meinen Mund verließ, traten meine Eltern in den Türrahmen.

»Ich dachte, ihr kommt nie raus«, sagte Dad und reckte das Kinn.

Kapitel 2 – Vanessa

Gegenwart

Der vertraute Geruch von Desinfektionsmittel stieg mir in die Nase und das Knistern der Tüte in meinem Kittel vermischte sich mit dem Geräusch meiner hektischen Schritte über den Marmorboden des Krankenhauses. Stimmen erhoben sich in die Luft und zwei Chirurgen in hellgrüner OP-Kleidung bogen in den menschenleeren Korridor. Sie eilten an mir vorbei, als wäre ich ein Geist. Trotzdem kreuzte ich die Arme vor der Brust, um keinen Verdacht zu erregen. Sie beachteten mich nicht, unterhielten sich aufgeregt über irgendwelche Organe, die sie in den Händen gehalten hatten, und über das berauschende Gefühl, das sie durchströmte. Ich schnaubte verächtlich und ging weiter. Chirurgen und ich würden nie Freunde werden. Vor der Erholungsstation blieb ich stehen, versicherte mich noch mal, dass keiner mich sah, und schüttelte meine Arme. Wie ein zweijähriges Kind auf Zucker sprang ich ein paarmal auf und ab, massierte meine Gesichtsmuskeln mit den Fingerspitzen und atmete tief durch. Jeder der mich sah, würde denken, dass ich völlig verrückt war. Aber mein oberstes Gebot lautete: Lass keine schlechte Laune zu den Kindern dringen. Erst als meine Lippen sich zu einem Lächeln verzogen und ich mental den ganzen Stress hinter mir ließ, ging ich durch die Tür. Blass orangene Wände mit Regenbögen bemalt rechts und links von mir. An der weißen Decke hingen Aquarellbilder wie ein Regen aus bunten Träumen, und ein süßlicher Duft schwebte in der Luft.

»Guten Morgen, Dr. van Doren«, sagte eine Krankenschwester, deren Namen ich mir noch nicht gemerkt hatte, die mir jedoch sehr sympathisch war. Sie trug eine rote Gummikugel auf der Nase, ihre Wangen waren leuchtend pink geschminkt und sie schaute ernst auf ihr Tablet, als wäre ihre Aufmachung das Gewöhnlichste der Welt.

Ich verkniff mir ein Grinsen und ging weiter. Vor dem Zimmer mit einem Gänseblümchenbild an der Tür blieb ich stehen. In meinem Herzen breitete sich eine Mischung aus Freude und Traurigkeit aus, doch hier ging es nicht um mich. Nach einem kurzen Klopfen betrat ich das Zimmer und Daisys breites Lächeln vertrieb jegliche Wehmut aus mir.

»Nessi!« Sie schlug ihre Bettdecke zurück und schwang die zierlichen Beine über die Bettkante.

»Hey, hey!«, sagte ich und raste zu ihr, um sie daran zu hindern aufzustehen. Ich hielt ihren schmächtigen Arm fest, half ihr dabei, die Füße wieder unter die Decke zu schieben, und klemmte ihr eine rote Haarsträhne hinters Ohr. »Nicht so schnell. Möchtest du etwa deine Entlassung riskieren?«

Sie riss ihre runden Augen auf und ein Hauch Farbe legte sich auf ihre eingefallenen Wangen. »Entlassung?«

Aufregung pochte in meiner Seele. Daisy war die erste Patientin, die ich seit der Fusion im Angelis Memorial Hospital aufgenommen hatte. Ich hatte sie in der Kindernotaufnahme gesehen, und ab dem zweiten Tag im Krankenhaus war sie nicht mehr meine Patientin, sondern gehörte zur Psychiatrie. Aber das war nicht der einzige Grund, warum sie mir besonders am Herzen lag. Sie litt an einer bipolaren Störung und ihre Krankheit hätte viel früher diagnostiziert werden können, wenn wir eine Kinderstation für mentale Gesundheit im Krankenhaus hätten. Wie oft hatte ich mit meinem Bruder und meinen Vater darüber gesprochen, kostenlose Therapiestunden für Kinder und Teenager aus finanziell schwachen Familien anzubieten. Aber natürlich wurde ich nicht ernst genommen und jeden Tag mit Kindern und Teenagern konfrontiert, die sich körperlich verletzten, weil ihnen nicht rechtzeitig geholfen wurde. Daisys Therapie würde ich nach ihrer Entlassung selbst zahlen, doch ich konnte nicht für alle Patienten aufkommen, die solche Hilfe brauchten. Früher wäre es schon unmöglich gewesen und jetzt, da meine Familie kein Geld mehr besaß und ich aus dem Grund Ikaros Angelis hatte heiraten müssen, würde ich erst recht nichts machen können.

»Wo ist deine Mom?«, fragte ich und rückte ihren Kittel zurecht.

Mein Blick wanderte jedoch zu ihren bandagierten Handgelenken und mein Herz zog sich zusammen.

»Sie ist nach Hause gefahren, um saubere Sachen zu holen.« Ihre Stimme klang immer so kratzig, zerbrechlich, wie sie aussah. So hatte sie seit dem ersten Tag, an dem wir uns kennengelernt hatten, ausgesehen. Ich träumte jedoch davon, sie in ein paar Monaten ganz verändert wiederzusehen. Mit einem Lächeln auf den Lippen und voller Leben.

Nach einem kurzen Blick über die Schulter, um sicher zu sein, dass keiner reinplatzen würde, bestätigte ich durch die Daten auf meinem Tablet, dass es tatsächlich so weit war. Behutsam legte ich mein iPad auf die Matratze und berührte Daisys Hand. »Du wirst wunderschön in deinem grünen Kleid aussehen und die Jungs werden Schlange stehen, um auf dem Abschlussball mit dir zu tanzen.«

Tränen traten ihr in die Augen und ihre Unterlippe zitterte kaum merklich. »Darf ich echt nach Hause gehen?«

Die Arbeit war mein Leben und im Krankenhaus fühlte ich mich zu Hause. Aber ich wünschte keinem Menschen, länger als nötig zu bleiben. Egal, wie sehr ich und das restliche Krankenhauspersonal uns bemühten, die Kinderstationen modern und kindgerecht zu gestalten, war mir bewusst, dass hier zu leben ein Albtraum war. »Offiziell darf ich nichts sagen.«

»Und inoffiziell?«

Ein schwaches Lächeln legte sich auf meine Lippen und ich zog die Plastiktüte aus meinem Kittel. Bunte Bänder hingen rechts und links von den verpackten Marshmallows und mein Herz machte einen Sprung, als Daisy einen gebrochenen Laut von sich gab und die Hand mit dem Mund bedeckte.

»Grüne Marshmallows«, flüsterte sie fast andächtig.

Ich nickte. Es war unsere Abmachung. Sie hatte so lange auf eine Menge verzichten müssen und wir hatten immer wieder darüber gesprochen, was sie essen durfte, wenn sie aus dem Krankenhaus ging. Das hier war ein Zeichen für ihre Freiheit und das Glück in meiner Brust, ihr diese Nachricht zu überbringen, quoll förmlich über. Ich liebte meinen Job. Doch noch mehr liebte ich die Menschen, denen ich damit half. Mein Leben wäre einfach perfekt, wenn ich nur das tun könnte, was mich glücklich machte. Aber ich musste Daisy loslassen, und während sie sich darauf freute, dass sie nach Hause gehen durfte, tat ich alles, um genau dies nicht tun zu müssen.

Ich schaute auf die Uhr des iPads und meine Lider fielen beinahe zu. Meine Arme wogen gefühlt eine Tonne, ich atmete langsamer als normal und nutzte das letzte Quäntchen Kraft, um mich auf den Beinen zu halten. Als ich den Blick von meinem Bildschirm löste und die Stationsärztin in den Korridor einbiegen sah, schoss Adrenalin in meine Adern. Ich arbeitete bereits fünf Stunden länger als erlaubt und wir hatten bereits darüber diskutiert, dass ich nicht im Krankenhaus leben konnte. Egal, ob es meinen Eltern gehörte oder nicht. Aber sie hatte keine Ahnung, dass Ikaros Angelis in unserem Penthouse an der Park Avenue auf mich wartete. Sie würde sich eh über mich, die arme reiche Frau lustig machen, die dazu verdammt war, mit einem unglaublich gut aussehenden Mann verheiratet zu bleiben, den sie nicht liebte. Der Schmerz, all meine Wünsche und Träume aufzugeben, war nichts im Vergleich dazu, was sie in ihrem Leben durchgemacht hatte. Die Stationsärztin verachtete mich und ich musste mich ihren Anweisungen beugen.

Rasch klappte ich die Hülle meines Tablets zu und eilte in den Bereitschaftsraum. Erst vor der Tür blieb ich stehen und drückte langsam die schwere Klinke hinunter, öffnete und schloss sie hinter mir vorsichtig, um keinen Krankenhausmitarbeiter aus Versehen zu wecken. Dunkelheit umhüllte mich und lediglich das schwache Licht der Straßenlaternen, das sich durch das einzige Fenster im Raum schlich, ließ mich erkennen, dass auf der untersten Matratze des Hochbettes jemand schlief. Ich tappte auf Zehenspitzen näher. Draußen begann es zu regnen und sowohl das Prasseln der Regentropfen auf den Boden als auch der Geruch nasser Erde drang durch den Fensterspalt. Benommen legte ich mein Tablet auf einen Tisch und umfasste die kühle eiserne Leiter, um auf das obere Bett zu klettern, als mein Blick auf den Mann in der unteren Etage fiel. Mein Ehemann.

»Hey.« Seine Stimme klang rau und doch löste sie in mir etwas aus. »Lange nicht mehr gesehen.«

Der Fluchtinstinkt zupfte an meinen Muskeln. Ich musste ihm aus dem Weg gehen, wie ich es schon seit dem Tag unserer Hochzeit machte. Es gab immer einen Patienten, der mich brauchte, Schichten, die getauscht werden konnten, und meinen Dienstplan legte ich mir so zurecht, dass wir uns in unserer Wohnung nicht über den Weg liefen. Manchmal dachte ich, dass es kindisch von mir war. Er wusste, dass ich aus Pflichtgefühl geheiratet hatte, und sollte sich einfach keine Hoffnung machen, dass es sich zwischen uns irgendwann ändern würde. Andererseits hatte ich meinen Eltern gesagt, dass ich diese Ehe wollte und konnte es nicht riskieren, dass Ikaros ihnen sagte, ich sei unglücklich. Mein Ehemann baute sein neues Image auf, die Investoren trauten sich wieder, Geld in das Unternehmen seiner Familie zu investieren und meine Eltern verloren nicht das Imperium, das mein Bruder beinahe zerstört hätte. Dafür hatte ich nur auf meine Freiheit verzichten müssen. Es sollte keine große Sache sein. Aber wenn ich schon den Mut nicht aufbrachte, ihm zu sagen, was ich fühlte, wollte ich ihm das Zusammenleben mit mir nicht noch vereinfachen. Er sollte mich hassen oder vergessen, bis Ikaros Angelis keinen Grund mehr hatte, mit mir verheiratet zu bleiben. An diesen Tag würde ich meine Freiheit wiederbekommen und nichts war für mich wichtiger als das.

»Ich bin müde«, sagte ich und kletterte hoch. »Wenn du nichts dagegen hast, möchte ich einfach schlafen, bis meine nächste Schicht anfängt.«

Er schnaubte, stand auf und schlich zum Fenster. »Dann will ich dich nicht aufhalten.«

War das unsere längste Unterhaltung, seit wir geheiratet hatten? Ich legte mich auf die Seite und war nicht in der Lage, meinen Blick von ihm zu nehmen. Seine sandblonden Haare schienen heller im schummrigen Licht, waren jetzt an den Seiten kürzer und oben länger. Ikaros dehnte den Nacken, sah an sich hinab und zog sein Oberteil aus. Mein Atem stockte und mein Herz setzte einen Schlag aus. Das Spiel seiner perfekten Rückenmuskeln hypnotisierte mich und ich drängte mit aller Kraft die Erinnerungen beiseite, die sich einige Wochen nach unserer einzigen gemeinsamen Nacht in meinem Gedächtnis lichteten. Erinnerungen daran, wie er mich in seinen Armen hielt, wie seine weichen Lippen schmeckten, wie hart und gleichermaßen sanft er mich nehmen konnte. Hitze versengte meinen Verstand und raubte mir die Luft. Als Ikaros sich umdrehte, fing ich ungewollt seinen Blick ein. Ich hätte mich sofort zur Wand umdrehen sollen, war aber nicht mehr in der Lage, mich zu bewegen. Es könnte an meiner Müdigkeit liegen. Doch ich wusste, dass es an seinen Augen lag. Diese tieftraurigen Augen, die keiner sonst zu sehen schien. Jeder sprach davon, wie attraktiv er aussah, wie unglaublich charmant er lächelte, und wie viel Selbstbewusstsein er ausstrahlte. Fiel denn niemandem der Kummer, der sich in die meergrüne Farbe seiner Augen mischte, auf?

Ikaros presste die Zähne aufeinander, sodass seine Kiefermuskeln zuckten, wandte den Blick von mir ab und zog einen sauberen Kittel an. Ohne mich ein zweites Mal anzusehen, verließ er den Raum und ließ mich in der Dunkelheit zurück. Ich wartete ein paar Sekunden ab, kletterte vom Bett und legte mich auf die untere Etage. Der funktionierende Teil meines Hirns warnte mich davor, wie unglaublich falsch ich mich benahm. Doch der Teil, in dem eine wagemutige Seite von mir lebte, übernahm die Kontrolle. Ich vergrub die Nase in das Kopfkissen, atmete den herben, männlichen Duft von Ikaros ein und ließ mich in den Schlaf gleiten.

Kapitel 3 – Ikaros

Ich wusste nicht viel über meine eigene Ehefrau. Ihre Mutter war eine ehemalige Wettbewerbstänzerin aus Kuba und ihr Vater ein Pharmazeutik-Mogul aus den Niederlanden. Genau wie ich wurde sie mit einem goldenen Löffel im Mund geboren und etwas, was keiner aussprechen musste, war, dass Vanessa wunderschön aussah. Eisblaue Augen, in denen man sich gern verlor, von Natur aus gebräunte Haut und goldblonde Korkenzieherlocken, die gerade auf dem Kopfkissen ausgebreitet waren.

Ich lehnte mich mit dem Rücken an die geschlossene Tür des Bereitschaftsraums, verbarg mich in der Dunkelheit und fühlte mich wie Joe Goldbergs bester Freund. Ich war zu der Hauptfigur aus YOU – Du wirst mich lieben von Caroline Kepnes mutiert. Hervorragendes Buch. Jedoch war der Hauptcharakter ein Stalker, der mir selbst Angst machte. Zu meiner Rechtfertigung war ich in den Raum zurückgekommen, um meinen Kittel zu holen und in den Wäscheraum zu bringen. Nicht, um Vanessa beim Schlafen zuzusehen. Doch was mich an ihr anzog, war nicht ihr Äußeres, sondern, wie tief und sorgenvoll sie in die Augen ihrer Patienten schaute. Sie interessierte sich wahrhaftig für sie – für sie als Mensch – und nicht dafür, wie hübsch die Heilung ihrer Krankheiten auf ihrem Lebenslauf aussehen würde. Vanessa stellte Fragen, die keiner von uns stellte, lächelte auf eine Weise, für die keiner von uns sich Zeit nahm und verhielt sich nicht wie ein Halbgott in Weiß, sondern mehr wie ein Schutzengel. Sie war ein hübsches Rätsel, das ich zu gern gelöst hätte. Aber nur, bis ihre Eltern unsere Ehe als die Lösung für ihren finanziellen Ruin gesehen hatten und meine Familie mich dazu gedrängt hatte, eine Frau aus gutem Hause zu heiraten, um mein Image aufzupolieren. Wie die Presse mich bezeichnete, war mir egal. Ich würde es immer wieder für meine Familie machen. Meine Mom brauchte die Sicherheit, die uns nach Dads Tod fehlte. Nur ihretwegen machte ich bei diesem Spiel mit. Doch ich würde keine Sekunde mit Vanessas Gefühlen spielen, oder sie länger als nötig an mich binden. Zwei Jahre. Keiner musste es wissen, aber nach zwei Jahren würde ich ihr ihre Freiheit zurückgeben. Bis dahin machten wir hervorragende Arbeit, indem wir uns tolerierten und aus dem Weg gingen.

Vanessa stöhnte leise und drehte sich auf die Seite. Ich wollte nicht daran denken, wie es sich angefühlt hatte, sie hart zu nehmen. Nicht jetzt. Nicht so. Aber die Tatsache, dass ich seit über sechs Monaten keinen Sex hatte und die Erinnerungen, die mich ein paar Tage nach unserem ersten Mal überwältigt hatten, verwandelten die wenigen Momente in ihrer Nähe in pure Folter. Ich gierte danach zu wissen, wie sie sich jetzt anfühlte, träumte davon, ihren Körper noch einmal nackt zu sehen. Aber unverbindlicher Sex wäre eine bescheuerte Idee. Ich hatte mir versprochen, nicht mehr inkonsequent zu handeln. Wenn Vanessa und ich wieder miteinander schliefen, würde ich nur ihr Herz brechen.

Sie würde sich verlieben und ich mich trotzdem von ihr in anderthalb Jahren scheiden lassen. Das war beschlossene Sache, denn anders als bei meinen Eltern würde ich nicht ein Leben lang in einer Beziehung bleiben, nur, um den Schein zu wahren. Wir würden uns trennen, nachdem wir beide von der Abmachung profitiert hatten, noch bevor wir einander hassten.

Kopfschüttelnd ging ich zum Stuhl, hob mein verdrecktes Oberteil auf und ging so leise wie möglich aus dem Raum. Das grelle Röhrenlicht des Korridors bohrte sich in meine Augen und ich kniff sie kurz zusammen. Meine Schicht war zu Ende und ich konnte in meine Wohnung gehen, da Vanessa dort in den nächsten Stunden nicht auftauchen würde. Doch jedes Mal, wenn ich den Ort betrat, klaffte die Wunde in meiner Brust tiefer. Diese Leere, die ich nicht ausreichend beschreiben konnte, raubte mir die Luft. Dort war nicht mein Zuhause. Anderseits hatte ich seit Dads Tod nirgends mehr das Gefühl, irgendwohin zu gehören.

»Dr. Angelis.« Eine süße, weibliche Stimme erklang hinter mir.

Ich drehte mich um und bereute es sofort. Braune Augen musterten mich mit diesem arroganten Glanz, den ich seit Jahren kannte. Tessas Blick jagte mir jedoch keine Angst ein, wie sie es mit allen übrigen Krankenschwestern machte. Mein Problem mit ihr war ein anderes. »Hallo, Schwester Winters.«

Sie hob die Augenbrauen, als würde sie mich daran erinnern wollen, dass ich sie ganz anders nannte, wenn keiner in unserer Nähe war. »Wir haben ein Problem im Vorratsraum.«

»Und was habe ich damit zu tun?«

Ja. Ich benahm mich wie ein Arschloch. Doch auch wenn mir jemand eine Lobotomie verpasst hätte, würde ich nicht vergessen, wie göttlich Tessa mir einen blasen konnte. Mein Vorsatz, ein guter Ehemann zu sein, geriet in ihrer Nähe ins Wanken, und ich hasste mich dafür.

Tessa befeuchtete ihre rot geschminkten Lippen und kreuzte die Arme vor der Brust. »Schon verstanden. Einer Krankenschwester zu helfen, ist unter Ihrer Würde. Wer braucht schon Verbandszeug in einem Krankenhaus. Ich wäre Ihnen trotzdem auf ewig dankbar, wenn Sie mir behilflich sein könnten.«

Ich zögerte, schnaubte und steuerte auf das Vorratslager zu. Tessas Schritte klangen dicht hinter mir und ich hielt erst an, als ich im Raum stand und das Licht anschaltete. »Hier sieht alles wie immer aus.«

»Fast alles.«

Als ich mich umdrehte, fehlten mir die Worte. Tessa kämpfte mit harten Bandagen und mein Gehirn musste einen Kurzschluss erlitten haben, damit ich nicht daran dachte, dass sie aufs Ganze gehen wollte. Oder vielleicht wollte ein Teil von mir mich eigens auf die Probe stellen. Sie hatte ihre Krankenhausklamotten ausgezogen, trug nur diese schwarzen Strumpfhosen, die in der Mitte ihrer wohlgeformten Schenkel endeten und durch einen Spitzenteil gehalten wurden. Ihr schwarzer Slip war ein Hauch von nichts und passte zu ihrem BH, durch dessen durchsichtigen Stoff ich ihre rosa Nippel sehen konnte. Fuck! Mein Schwanz pochte und meine Hose fühlte sich verdammt eng an.

Schwer atmend fuhr ich mir durch die Haare. »Tessa, ich ...«

»Da draußen kannst du mich nennen, wie du möchtest.« Wie eine Raubkatze auf Beutezug kam sie auf mich zu, legte ihre Hände auf meine Brust und sah mir mit diesem lustvollen Glanz in die Augen. Ihr Duft nach Rosen stieg mir in die Nase, jagte mein Blut von meinem Gehirn in tiefere Regionen meines Körpers und forderte meine Vernunft endgültig heraus.

»Aber hier sind wir nur Tessa und Ikaros.« Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, lege ihre warmen Lippen an mein Ohr und leckte die empfindliche Stelle unter meinem Ohrläppchen.

Ein heißer Schauer durchlief meinen Körper.

»Wir vergessen jetzt, was nach diesem Moment sein kann, und lassen einfach Dampf ab«, sagte sie zuckersüß.

Sie war eine Schwarze Witwe, die ihren Plan, Beute zu erlegen, genau gestrickt hatte. Tessa kannte meine Schwäche, nutzte sie gezielt aus, wusste, dass ich vor Verlangen kurz davor war zu explodieren. Ich brauchte die Wärme eines weiblichen Körpers, sehnte mich danach, berührt zu werden und eine Frau zum Orgasmus zu bringen.

Behutsam nahm sie mein Gesicht in die Hände, zwang mich dazu, ihr in die Augen zu schauen, während ihr heißer Atem über meinen Mund rollte. »Keiner muss es wissen.«

Keiner muss es wissen.

Ihre Worte waren ein Eimer voll Eiswasser, das über meinen Kopf gegossen wurde, und weckten Erinnerungen in meinem Kopf, die ich bewusst betäubt hatte. Ich reckte das Kinn. Entschlossen und trotzdem sachte schob ich sie zur Seite und trat aus dem Raum in den menschenleeren Korridor. Ich atmete schneller, wartete, bis die Tür hinter mir ins Schloss fiel und versicherte mich, dass Tessa mir nicht nachkam. Der Geruch von Putzmittel stieg mir vom feuchten Marmorboden in die Nase und meine Muskeln fühlten sich verdammt verkrampft an.

Keiner muss es wissen.

So war es nicht. Irgendjemand würde immer davon erfahren. Immer wurde ein Herz auf irgendeine Weise gebrochen. Ich war aber nicht wie mein Vater. Egal, ob meine Ehe mit Vanessa nur Fassade war, hatte ich schon oft genug gesehen, was so ein betrügerisches Verhalten mit einem Menschen anstellte.

Erdrückende Stille und der Duft von Lilien empfingen mich, als ich das Haus meiner Mutter betrat.

Das Haus meiner Mutter.

Nicht meins.

Seit wann dachte ich so über diesen Ort?

»Hallo?« Meine Stimme hallte von den Wänden, an denen überteuerte Ölgemälde hingen, wider und mein Blick schweifte über den dunkelbraunen Edelholzfußboden, der so sauber poliert war, dass ich beinahe mein Spiegelbild sah. Rasch entdeckte ich die Stelle an der Wand, gegen die ich als Jugendlicher betrunken gekracht war. Mom und Dad waren zu der Zeit auf Geschäftsreise gewesen und ich hatte hier eine legendäre Party geschmissen. Die beige Farbe hob sich unter einer Konsole leicht von der restlichen Wandfarbe ab. Damals hätte ich schwören können, dass Mom es merken würde, und hatte das Herz in der Kehle gehabt, als ich die Zerstörung nach der Party gesehen hatte. Obwohl die Villa über neun Schlafzimmer und noch mehr Badezimmer verfügte, kannte meine Mutter jedes Detail davon. Damals hatte sie sich persönlich um alles gekümmert, damit es hier aussah wie in einem Kataloghaus, und schimpfte sogar, wenn Ares und ich aus Spaß eine Duftkerze anders positionierten. Aber nach dieser Reise wurde alles anders. Seit diesem Tag konnte ich mich nicht mehr daran erinnern, dass Mom jemals eine Sekunde länger als nötig in diesem Haus verbracht hatte. Ordnung hatte weiterhin geherrscht, aber nicht, weil sie sich darum gekümmert hatte, sondern weil die Angestellten es schon gewohnt waren. Das Geräusch von Lachen oder heiteren Gesprächen verstummte. Sie wurde die Eiskönigin, die mehr Angst als Respekt in den Krankenhäusern unserer Familie hinterließ, und keiner erinnerte sich an ihre Wärme. Das Tragische daran war, dass ich den Grund schon länger kannte. Den Grund, aus dem sie sich selbst verloren hatte.

»Hallo«, rief ich erneut. Als keine Antwort kam, zog ich mein Handy aus der Hosentasche und ging ein paar Schritte hinein.

Ich schaute kurz in die zweistöckige Hausbibliothek, in der ich meine Zeit am liebsten verbracht hatte. Der Geruch von Leder und Papier erwärmte mein Herz und ich überlegte, es mir mit einem Buch in dem Ohrensessel bequem zu machen. Trotz der Stille war hier mein Zuhause, und etwas in mir vermisste diesen Ort. Ich vermisste die Tage zwischen den Büchern, die Gespräche mit Mom über meine Zukunft, die Auseinandersetzungen mit meinem Arsch von Bruder. Inzwischen fühlte es sich aber an, als wäre das letzte Mal, dass Ares und ich ein Wortgefecht ausgetragen hatten, eine Ewigkeit her. Damals hatte Dad noch gelebt. Damals hätte ich noch verhindern können, dass Mom zerbrach.

Mein Daumen schwebte über Ares’ Nummer, als ein klirrendes Geräusch meine Aufmerksamkeit außerhalb der Bibliothek auf sich zog. Ich steckte das Gerät wieder ein und ging zum Arbeitszimmer. Warmes Licht schien aus dem Raum, in dem mein Vater praktisch sein ganzes Leben verbracht hatte. Ich hatte mich bisher geweigert, den Raum zu betreten. Jedes Mal, wenn Dad mit mir darüber gesprochen hatte, dass ich das Familienunternehmen übernehmen sollte, war es so, als würde sich eine unsichtbare Hand um meinen Hals legen und diesen zudrücken. Ich war für die Medizin gemacht, aber nicht für den Schreibtisch. Auch, wenn es sich manchmal nicht vermeiden ließ und ich mich mit Papierkram beschäftigen musste, war ich froh, dass mein älterer Bruder den CEO-Posten übernommen hatte. Als ich jedoch das Büro betrat, verstummten meine lächerlichen Gedanken und Eiseskälte durchzog meinen Bauch.

»Mom«, sagte ich schwach und schluckte schwer.

Sie lag auf der Chaiselongue aus rotbraunem Leder, trug einen weißen Bademantel eng um sich geschnürt und ihre blonden Haare, die an dem Ansatz ergraut waren, standen in alle Richtungen ab.

»Mom«, wiederholte ich und meine Stimme hörte sich gebrochen an. So verdammt schwach.

Sie drehte ihr Gesicht zu mir, ein Pantoffel fiel von ihrem nackten Fuß und sie streckte ihre Hand in meine Richtung aus. »Ikaros.«

Ich schluckte schwer, trat einen Schritt vorwärts und stieß mit dem Fuß gegen etwas Hartes. Der säuerliche Geruch von Alkohol stieg mir in die Nase, die Weinflasche rollte klirrend bis zur Wand und meine Kehle schnürte sich noch enger zu. »Ist es nicht ein bisschen früh für einen Drink?«

Wieso versuchte ich, das Ganze zu verharmlosen? Es war nicht nur ein einzelner Drink. Es war nicht das erste Mal.

»Ach, bitte.« Sie schnaubte verächtlich und ihre Worte stolperten übereinander. »Zum einen ist es schon Abend. Mein Blut ist nicht verwässert, wie das griechische Blut der Familie deines Vaters. Ich bin immer noch Italienerin und meine Nonna hat als Kind immer Wein zum Frühstück gehabt.«

»Und du willst die Tradition fortsetzen.«

»Was ist das jetzt für ein Ton? Willst auch du mir sagen, was ich zu tun und zu lassen habe?« Abrupt setzte sie sich auf und schwankte.

»Mom ...« Ich setzte an, ihr zu helfen, doch sie hob die Hand, um mich daran zu hindern, während ihr Kopf zwischen ihren Schultern hin und her pendelte.

»Ich bin deine Mutter, Ikaros! Nicht andersherum!« Sie stützte die Hände rechts und links von sich auf dem Polster ab und ihr Bademantel rutschte von einer Schulter. Darunter trug Mom ein Seidenkleid, auf dessen weißem Stoff sich dunkelrote Flecken zeigten.

Vorsichtig kam ich näher, hob die Flasche auf und stellte sie auf Dads Schreibtisch. »Ich weiß.«

»Dann hör auf, hier aufzutauchen, um mich wie ein verfluchtes Kind zu behandeln, verdammt noch mal!« Sie spuckte ihre genuschelten Worte geradezu aus und ihr gebrochenes Herz zeigte sich in jedem Buchstaben. »Geh lieber zu deiner perfekten Ehefrau, die dir wie ein dressierter Hund gehorcht.«

So viel Bitterkeit.

So viel Schmerz.