Maschinenseele - Tanja Meurer - E-Book

Maschinenseele E-Book

Meurer Tanja

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Beschreibung

Ein eisiger Winter hält London fest im Griff. Die Temperaturen fallen stetig, Erfrierungsopfer stehen auf der Tagesordnung. Doch die Leiche, die Anabelle in Augenschein nehmen soll, sieht aus, als sei sie zu Tode erschreckt worden. Blankes Entsetzen steht ihr ins Gesicht geschrieben. Als Anabelle von einem körperlosen Geschöpf aus Wind und Eis angegriffen wird und die Tote sich erhebt, ist klar: Hier geht etwas nicht mit rechten Dingen zu. Zusammen mit ihrer Freundin Zaida, einer begabten Magierin, geht sie den mysteriösen Vorkommnissen auf den Grund und stößt dabei auf eine alte Sagengestalt aus Russland. Das Buch beinhaltet eine Sammlung aller Geschichten um die Wissenschaftlerin Anabelle Talleyrand, ihre Gefährtin, die angolanische Magierin Madame Zaida und die stumme, "eiskalte" Gräfin Jewa Petrowna: - Rauhnacht - Eispalast - Ruf der Sterne - Raben - Wärme mein Herz Diese Ausgabe entählt Illustrationen, Copyright: Tanja Meurer Achtung: dieses Buch ist eine Gesamtausgabe, die auch das Buch "Rauhnacht" beinhaltet! "Rauhnacht" ist zuvor beim Welteschmiede Verlag erschienen. Das eBook enthält ca. 60 Seiten Leseproben zu weiteren Geschichten um Anabelle, Zaida und Jewa, sowie zu meiner Steamfantasy-Reihe "Dies Stadt der Maschinenmagie" und Juliane Seidels "Herz aus Kristall".

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Table of Contents

Titelseite

Über das Buch

Die Autorin

Impressum

Vorwort

Rauhnacht

Erfroren

Eis in den Knochen

Angst

Blutrausch

Madame Petrowna

Wärme

Snegurotschka

Planung und Vorbereitung

Arthur Hailey und Eddy Masters

Kälte in mir

Kurzgeschichten

Eispalast – Jewas Geschichte

Ruf der Sterne

Raben

Bonusgeschichte

Wärme mein Herz

Leseproben

Mord ohne Leiche

Roter Staub

Alpträume

Danksagung

Reihen

Die Seelenlosen

Die Körperlosen

 

 

Tanja Meurer

 

Maschinenseele

 

 

Ein Anabelle-Talleyrand-Roman

 

 

 

Über das Buch

 

Ein eisiger Winter hält London fest im Griff. Die Temperaturen fallen stetig, Erfrierungsopfer stehen auf der Tagesordnung. Doch die Leiche, die Anabelle in Augenschein nehmen soll, sieht aus, als sei sie zu Tode erschreckt worden. Blankes Entsetzen steht ihr ins Gesicht geschrieben. Als Anabelle von einem körperlosen Geschöpf aus Wind und Eis angegriffen wird und die Tote sich erhebt, ist klar: Hier geht etwas nicht mit rechten Dingen zu.

Zusammen mit ihrer Freundin Zaida, einer begabten Magierin, geht sie den mysteriösen Vorkommnissen auf den Grund und stößt dabei auf eine alte Sagengestalt aus Russland.

 

Das Buch beinhaltet eine Sammlung aller Geschichten um die Wissenschaftlerin Anabelle Talleyrand, ihre Gefährtin, die angolanische Magierin Madame Zaida und die stumme, "eiskalte" Gräfin Jewa Petrowna:

 

- Rauhnacht

- Eispalast

- Ruf der Sterne

- Raben

- Wärme mein Herz

 

Die Autorin:

 

Tanja Meurer, geboren 1973, in Wiesbaden, ist ge­lernte Bauzeichnerin aus dem Hochbau, arbeitet seit 2001 in bauverwandten Berufen. Nebenberuflich ist sie als Autor und Illustrator für verschiedene Verlage tätig.

Bevorzugten Genre sind Mystery, Horror, Thriller, Krimi, Steampunk, Steamfantasy und Fantasy – vor­wiegend im schwullesbischen Bereich.

 

Mehr über Tanja findet ihr unter:

http://www.tanja-meurer.de

https://www.facebook.com/Schattengrenzen

Impressum

Copyright © 2020 by Tanja Meurer.

Umschlaggestaltung: Manuela Ancutici www.ancutici.de

Buchgestaltung: Tanja Meurer

Copyright © Illustrationen: Tanja Meurer

Lektorat (für Rauhnacht): Tobias Keil

Korrektorat: Juliane Seidel

Buchsatz und eBook-Erstellung: Jana Walther (https://t1p.de/montechiaro)

 

Alle Rechte vorbehalten.

 

 

ISBN: 9798613524570

Imprint: Independently published

 

 

Vorwort

 

Zum ersten Mal liegt euch hiermit eine Zusammen­fassung aller bislang existenten Geschichten um das sehr unterschiedliche Gespann Anabelle Talleyrand, Madame Zaida und Gräfin Jewa Petrowna vor.

Um Rauhnacht überhaupt entstehen zu lassen, waren Kurzgeschichten wie Ruf der Sterne, Raben, Eispalast und Wärme mein Herz, die Grundlage. Al­lein deshalb wollte ich sie euch nicht vorenthalten und habe sie in dieses Buch aufgenommen. Früher oder später möchte ich hierzu auch gerne die länge­ren Versionen schreiben, insbesondere zu Raben, denn der Mythos, dass das Britische Empire zugrun­de geht, sollten weniger als sechs Raben im Tower von London geben, reizt mich immer noch sehr.

Ein paar wichtige Einzelheiten gibt es allerdings noch, insbesondere zu Eispalast. Diese Geschichte ist aus Jewas Sicht erzählt. Zum Zeitpunkt ihres Todes weiß sie nicht, was sie tötet und in Besitz nimmt. Aber das klärt Rauhnacht.

Wärme mein Herz ist das Original, aus dem Rauhnacht entstanden ist. Zum ersten Mal konnte man die Geschichte als Geschichte auf der Homepage im Adventskalender meiner Frau Juliane lesen unter www.like-a-dream.de. Wundert euch also nicht, solltet ihr viele Parallelen zu Rauhnacht feststellen.

Aber es gibt viel mehr, als nur die Kurzgeschich­ten aus dem Universum um die drei Damen. Deswe­gen könnt ihr in weitere Leseproben hineinlesen, denn es gibt noch viel zu Ana, Zaida und Jewa zu er­zählen. Habt viel Spaß mit der Vorgeschichte Das Gewicht einer Seele, in der sich Ana und Zaida ken­nenlernen und dem zweiten Buch und Nachfolger zu Rauhnacht:Mord ohne Leiche. Roter Staub unter­scheidet sich eindeutig von den anderen Büchern. Bei diesem Roman treten Ana, Zaida und Jewa in den Hintergrund und bieten den beiden Offizieren Chris­topher Cumberland und Jeevan Verma die Bühne.

Zusätzlich gibt es noch zwei Leseproben aus Die Seelenlosen und Die Körperlosen, aus meiner Steam­fantasy-Krimi-Reihe Die Stadt der Maschinenmagie, wovon der zweite Band März 2020 bei DeadSoft er­scheint.

Habt viel Spaß beim Lesen.

 

Liebe Grüße,

Tanja

 

 

 

 

Rauh

Nacht

 

Erfroren

 

 

Anabelle hob Mantel und Röcke an, um sich vor der Toten niederzuknien.

Der Anblick des wächsern bleichen Gesichts be­saß etwas Erschreckendes. Unter den eisverkrusteten Brauen standen die Augen weit offen, sodass die Au­genwinkel beinah ausgerissen zu sein schienen. Die Iris wirkte fahl und zugleich stark erweitert. Auch wenn sich das feine Geäst geplatzter Äderchen unter dem Reif nur erahnen ließ, so musste sie im letzten Augenblick ihres Lebens nahezu rote Augen gehabt haben. Zugleich hielt sie die Nase kraus gezogen und die Zähne aufeinander gepresst.

Wahrscheinlich ließen sich die Kiefer selbst im aufge­tauten Zustand mit nichts mehr auseinander­zwingen.

Was immer sie getötet hatte, war sicher nicht nur die Kälte gewesen. Eher schien sie zu Tode erschro­cken worden zu sein oder hatte in ihren letzten Augenbli­cken versucht, sich ihres Angreifers zu erweh­ren.

Anabelle konnte den Blick kaum von dem Gesicht ab­wenden. Dieses Entsetzte, Maskenhafte in ihren wächser­nen Zügen besaß eine beinah hypnotische Wirkung.

Nein, sie musste sich konzentrieren. Hailey hatte nicht Zaida und sie rufen lassen, weil die Tote prak­tisch in ihrem Vorgarten lag.

Anabelle schloss die Augen, um alle anderen Ein­drücke von sich zu schieben, was gar nicht so einfach war, denn selbst jetzt starrte die rotäugige Leiche sie aus der Dunkelheit an.

Seufzend schüttelte Anabelle dieses Bild ab und hob die Lider. Es brachte ihr rein gar nichts, wenn sie sich davon beeindrucken ließ.

Erneut neigte sie sich über die Tote. Diese verzerr­te Mimik deutete darauf hin, dass ihr Schreckliches begegnet war – mindestens jemand wie das legendä­re Duo Burke und Hare, deren grausamer Ruhm als Mörder und Leichenhändler noch immer über Britan­nien lastete. Gleichgültig wie, sie mussten gewusst haben, dass ihre letzte Stunde geschlagen hatte. Nicht abschweifen!

Anabelle riss sich von dem verzerrten Gesicht los und betrachtete die Leiche in ihrer Gesamtheit. Es lag nah, dass es sich bei ihr um eine sehr einfache und arme Frau handelte. All ihre Kleider trug sie in Schichten übereinander. Es war die praktikabelste Weise, sein Hab und Gut mit sich zu führen, wenn man keinen festen Wohnsitz hatte und selbst um das Bisschen bangen musste. Überdies diente es im Win­ter als Schutz vor der Kälte.

Arm – oui, naturellement.

Aus dem geflochtenen Knoten hatten sich einzel­ne Strähnen ihres verdreckten sowie von Nah­rungsresten, Speichel und Grind verklebten Haars ge­löst. Sicher war es einst sehr schön gewesen. Einzel­ne Locken hatten sich um ihre Arme und Hände ge­schlungen.

Sacht hob Anabelle die Finger der Toten, befreite sie und zog ihr die schmutzigen Handschuhe aus, die sich bereits selbst auflösten. Unter den rissigen Nä­geln saß Dreck. Die Haut zeigte Stellen fahler Erfrie­rungen und die Kuppen hatten sich bereits schwarz verfärbt; eine Nekrose durch die Kälte? Die Erfrierun­gen musste sie vor ihrem Tod erlitten haben. Aber das ließ sich momentan kaum mit Sicherheit sagen.

Sie hob wieder den Blick zu der entstellten Toten­maske. Unter ihren weit zurückgezogenen, blassblau­en Lippen schimmerten gesunde, makellos weiße Zähne. Die wenigsten Menschen, die in Ostlondon lebten, besa­ßen solch ein gesundes und gepflegtes Gebiss.

Wie alt sie wohl sein mochte?

In dem Zustand, in dem sich der Körper befand, konnte Anabelle nur schätzen. Die Haut unter dem Kinn und am Hals war noch recht glatt und gut erhal­ten. Unter den Ohren fand sie keine Fältchen. Auf den Händen fehlten Altersflecken. Wenigstens stand fest, dass sie bestenfalls verbraucht und vom Leben in Ar­mut gezeichnet worden war, nicht aber vom Al­ter.

Wie stand es um ihre Vitalität? Die Kälte raffte viele durch Lungenentzündungen und Grippen dahin. Davon abgesehen richteten Gin und die Arbeit in Fa­briken die Menschen nieder. Leber, Lunge und Herz versagten auch bei jungen Leuten schnell. Anhand des Gesamtbildes hatte sie sich wohl zu Tode er­schreckt. Womit die Option des schwachen Herzens wieder zutreffen konnte.

Für genauere Untersuchungen musste die Leiche an einen wärmeren Ort gebracht werden, sodass sie auftaute und sich ihre Kleidung lösen ließ. Außer Fra­ge stand bislang nur, dass sie von vorn erstochen oder erschossen worden war.

Möglich, dass es sich um Gift handelte oder eine der geistverwirrenden Drogen. Das erklärte vielleicht das Entsetzen. Im Todeskampf verzerren sich Ge­sichter oft nicht anders.

Eventuell ließ sich etwas feststellen. Sie näherte sich dem Gesicht der Frau und roch an ihren Lippen.

Kein Opiat oder irgendein anderes wahrnehmba­res Gift. Also fiel ein Täter wie der jüngst in der Zei­tung er­wähnte Giftmörder aus Glasgow aus. Mögli­cherweise ergab sich dahingehend bei der Obduktion noch etwas.

Interessanter war, dass von den Lippen nicht der geringste Hauch von Tabak oder Alkohol aufstieg. Die Frau lebte wahrscheinlich noch nicht lang in die­ser »Situation«, das erklärte auch ihr immens langes Haar. Viele Frauen schnitten es sich ab und verkauf­ten es an Perückenmacher. Goldblondes, dichtes und gewelltes Haar war wertvoll.

Anabelle zog sich zurück.

Mon dieu, du gibst mir Rätsel auf, Madame incon­nu.

Vielleicht wurde sie irgendwo vermisst? Leider wirkte sie extrem entstellt. Ob das für eine Beschrei­bung ausreichte? Sollte sie ein entlaufenes Großbür­ger- oder Adelstöchterchen sein, zog die gehobene Gesellschaft es doch zumeist vor, die lieben Anver­wandten in der leblosen, steifen Form nicht mehr zu kennen. Das folgende Gerede und die Presse wären sicher verheerend.

Aber so heruntergekommen, wie die Frau aussah, bestand für derartige Annahmen kaum Grund.

Vorsichtig griff Anabelle in die Manteltasche der To­ten. Der schäbige Wollstoff knisterte, als die feine Eis­schicht splitterte. Bis auf ein paar Pence und einen Knopf, waren beide Taschen leer. Anabelle hatte nichts anderes erwartet, trotzdem wäre es schön gewesen Brief, Billet, Taschentuch mit Monogramm, Ring mit Widmung oder Medaillon, in dem sich das Bild eines nahestehenden Verwandten verbarg zu finden.

Es wäre zu einfach gewesen; solch ideale Zufälle passierten ausschließlich in Romanen wie denen von Wilkie Collins und Charles Dickens.

Zu schade aber auch.

Trotzdem passte dieses gesunde Gebiss nicht zum Rest der Erscheinung. Übereilig Schlüsse zu ziehen war unklug. In spätestens einem Tag lagen sicher Er­gebnisse der Leichenschau durch Coroner und die Po­lizeiärzte vor. Auf Fakten ließ sich besser aufbauen, anstatt sinnlos zu theoretisieren. Langsam richtete sie sich wieder auf und schüttelte mit beiden Händen den Schnee aus ihrem Rock.

»Seltsam, nicht wahr?«, fragte Inspecteur Hailey. Seine Stimme klang undeutlich. Gegen die irrsinnige Kälte trug er seinen Schal um Nacken und Mund ge­schlungen. Der Bowler saß tief in seiner Stirn. Bis auf seine prominente, mehrfach gebrochene Nase ver­schwand das markante Relief seines Kopfes in den Schatten seiner Kleidung. Anabelle ließ ihren Blick über die vom Schnee befreiten Wege des Hyde Parks gleiten, während sie nickte. »Haben Sie noch Fußspuren sichern können, Monsieur le Inspecteur?«, fragte sie.

Er schwieg, beobachtete sie einen Moment lang, schüttelte jedoch den Kopf. »Dazu war es zu windig. Die Leiche lag unter dem Schnee, als Chief Constable Godley gerufen wurde.«

Anabelle seufzte. »Quel dommage!« Hailey sah sie fragend an. »Schade«, wiederholte sie in hoffentlich für ihn akzeptablem Englisch. Ihr Blick glitt wieder von der Toten zu den Passanten. »Wer hat die arme Frau gefunden?«

Er stieß die Luft durch die Zähne aus.

»Eine Gouvernante mit den Kindern ihrer Herr­schaft.«

»Ausgerechnet Kinder«, flüsterte Anabelle. Ihr Blick verlor sich bei den wenigen Schaulustigen. Aus­nahmsweise gab es für Godleys Männer kaum etwas zu tun. Selbst die Reporter blieben aus; was für Lon­don eher ungewöhnlich war. Aber nahezu jeder mied die intensive Winterkälte.

Auch der Leichenfund zählte zu den Absonder­lichkeiten der vergangenen Wochen. Erneut musterte Anabelle die Leiche.

Was hatte sie hier zu suchen gehabt bevor sie ge­storben war?

Aus Mayfair stammte sie nicht. Das Gesicht war Anabelle fremd.

Hatte sie hier jemand gesucht? War sie vielleicht eine der vielen Bediensteten in den hier ansässigen Haushalten gewesen, jemand der durch den Hausher­ren schwanger geworden war?

Wenn all das nicht zutraf, hatte diese Frau hier wenig verloren.

Zut alors! Warum bastelte sie schon wieder an Theorien, die gar keine Grundlage besaßen?

Aus dem Augenwinkel sah sie zu dem Inspecteur.

Wenn Scotland Yard Hailey entsandte und dieser auf die Hilfe von Madame Zaida und ihr angewiesen war, entsprach nichts der Norm.

Was erwartete das Yard? Der Schneesturm in der vergangenen Nacht hatte alle verwertbaren Spuren effektiv vernichtet.

Hailey trat auf der Stelle. Ihm schienen die Füße einzufrieren. »Finden Sie denn etwas, Miss Ana­belle?«

Nachdenklich betrachtete sie die Tote. »Offen­sichtliche Unstimmigkeiten – leider nicht mehr.«

Er nickte. »Äußere Verletzungen gibt es keine; zu­mindest nicht nach dem ersten Eindruck.«

Anabelle wiegte den Kopf und schob beide Hände in die Taschen ihres Mantels, bevor das Hydrauliköl einfror. »Das wird die Untersuchung zeigen, Mon­sieur le Inspekteur.« Obwohl ihr normalerweise die Kälte wenig ausmachte, knirschten ihre Gelenke. Wie stark mussten die Temperaturen gesunken sein? Wenn sie nicht sehr bald in einen geheizten Raum kam, würden früher oder später auch die umstehen­den Polizisten mitbekommen, dass ihr Körper aus Metall, Schläuchen und Pumpen bestand.

»Wird wieder Docteur Vance gerufen?«

Hailey nickte schwerfällig. Auch er schob die Hände tiefer in die Taschen und trampelte im Schnee auf und ab. »Wahrscheinlich. Der stellt die wenigsten Fragen, wenn ihm was Seltsames bei einer Untersu­chung auffällt.«

Abwesend nickte sie. Langsam wurde es zu kalt. Ewig würde ihr Körper nicht mehr mitmachen. Leider musste sie auf Zaida warten.

Nervös sah sich Anabelle nach ihr um. Die elegan­te, schlanke Gestalt der angolanischen Magierin hob sich wie ein schwarzer Schattenriss gegen den farblo­sen Himmel ab; Schwarze Haut, schwarzes Haar, die Kleidung aus dunkelgrauer Wolle. Sie wirk­te wie eine Statue. Die Kälte schien sie gar nicht zu berühren.

Reglos stand sie auf dem Weg. Die angespannte, konzentrierte Haltung Zaidas verriet, dass sie etwas entdeckt haben musste. Über ihr schwebte einer ih­rer beiden Raben, der zweite hüpfte dicht neben der Leiche von einer Bank in den tiefen Schnee und ver­schwand darin.

Hailey regte sich neben Anabelle. »Sie scheint et­was gefunden zu haben. Dann ist sie hier«, er nickte zu der Leiche, »vielleicht von einem Geist zu Tode erschreckt worden?«

Anabelle vermied es zu nicken. Geister konnten entsetzlich aussehen, aber an dem resultierenden Schock starben die Wenigsten. Was immer Zaida ge­funden hatte, es musste ihr unbekannt sein, sonst hätte sie sich bereits über Details ausgelassen.

»Und, was meinen Sie, Miss Anabelle?«

Sie wandte sich Hailey zu und fing seinen neugie­rigen Blick auf. »Ich denke«, entgegnete sie vage.

»Sir?«, fragte Constable Masters, der sich leise sei­nem Vorgesetzten genährt hatte. »Können wir die Tote abtransportieren lassen?«

Dunstwölkchen stiegen von seinen Lippen auf.

Hailey zog den Schal von seinem Gesicht. Die Hitze, die sein massiger Körper verströmte, wurde zu feinem Nebel, der sich unter der Krempe seines Hu­tes staute. Offenbar schwitzte er unter seinen Kleidern.

Hailey wies zur Straße. »Holt den Leichenwagen hier her. Ich will nicht, dass die Tote durch die Ge­gend getragen wird. Das könnte in Mayfair nur Pro­bleme bedeuten.«

»Verstehe, Sir, falsche Gegend.« Edward Masters wandte sich dem Tor zu und winkte dem Kutscher. Offensichtlich schien der Mann froh zu sein, sich wieder bewegen zu dürfen. Sein Pferd weniger, es ging extrem steifbeinig.

Zut! Wie kalt war es wirklich?!

Insgeheim beschloss Anabelle, zu Hause die Au­ßentemperatur zu messen. Sie besaß kein Wär­me-Kälte-Empfinden, was ihr jede Einschätzung unmög­lich machte. Im schlimmsten Fall froren die Schläu­che, Fette und Öle in ihrem Körper ein. Das war nichts, was sie auf dem gleichen Weg wie ein Mensch wahrnehmen konnte. Vom Verstand erfasste sie es, spürte aber nichts. Die meisten Menschen um sie herum vermummten sich bis zu den Augen, zit­terten, lamentierten und wurden krank.

Eine Böe wirbelte lockeren Schnee auf. Für einen winzigen Moment glaubte Anabelle eine darin ver­borgene Monstrosität zu erkennen. Doch die Schleier aus Eisstaub legten sich sofort wieder.

Beunruhigt versuchte sie, Zaidas Blick einzufan­gen. Die Aufmerksamkeit ihrer Freundin richtete sich ausschließlich auf jene Stelle, an der die leichte Schneeverwehung Gestalt angenommen hatte.

Anabelle wandte sich zu Hailey um. Schrecken lag in seiner Mimik. Verspätet reagierte ihr Körper mit einem Zucken.

Hailey sah etwas? Normalerweise bemerkte der Inspecteur selten die Auswirkungen solcher Phäno­mene. Dieses Mal spürte er sie.

Offenbar bildete sie sich diese Erscheinung nicht ein. Vielleicht war es das, was die Frau zu Tode er­schreckt hatte?

Haileys abstoßend hässliche Boxervisage verzerrte sich vor Anstrengung. Anabelle sah, wie Schweiß aus seinen Poren trat und sein rotes Gesicht mit einer schimmernden Schicht überzog. Seine kleinen Schweinsaugen weiteten sich.

Gefahr!

Anabelle fuhr herum. Im gleichen Moment raste eine unbeschreibliche Scheußlichkeit auf sie zu!

Für realen Schrecken blieb nicht die Zeit, lediglich das Abbild dessen klammerte sich fest.

In einer fließenden Bewegung wich Anabelle zu­rück. Sie fühlte wie Hailey seine Arme um ihre Taille schlang und sie instinktiv herumwirbelte. Eine orkan­artige Böe erfasste sie und schleuderte beide zu Bo­den. Sie brachen durch den eisüberzogenen Schnee. Wuchtig schlugen sie auf. Hailey stöhnte gequält. Er­schrocken sah sie zu ihm.

Glücklicherweise kam sie nicht direkt auf dem In­specteur zu liegen. Mit ihren 240 Pfund Gewicht hät­te sie seine Knochen sicherlich zertrümmert. Stöh­nend rollte er sich auf die Seite und umklammerte seinen Arm.

Merde! Sie hatte ihn verletzt.

Allerdings kam sie nicht dazu, sich um ihn zu kümmern.

Erneut wirbelte Schnee auf. Sie sah sich einer un­durchdringbaren Wand aus Eiskristallen gegenüber, die in flirrender Bewegung waren.

Angriffslustig senkte sie den Kopf und ballte beide Fäuste. Sie wusste, wie wenige Chancen sie mit kör­perlichen Attributen gegen ein Geschöpf aus inkon­sistenter Nässe und Kälte hatte. Dennoch versuchte sie, alle Klauen und Sporne in ihrem Körper zu akti­vieren.

Was normal eine Angelegenheit des puren Willens war, scheiterte. Das feine Knacken der dünnen Eis­schicht verriet ihr, dass just in diesem Moment alle Triebfedern ihrer körpereigenen Waffen einfroren.

Entsetzt hob sie den Blick.

Vor ihr baute sich etwas Gewaltiges, Massiges auf. Ein riesiger Schädel pendelte auf einem stierna­ckigen Hals. Leere Augenhöhlen starrten zu ihr her­ab. Das Maul klaffte auf und entblößte fingerlange Reißzähne. Eiseskälte schlug ihr entgegen.

Mehr ärgerlich als entsetzt presste sie ihre Kiefer aufeinander. Schleier der Schneeflocken wehten zu ihr. Es schien, als berührten hunderte tastender Finger ihr Gesicht. Der Wind ähnelte eher einer Art Flüssig­keit, die sich überall hin auszubreiten ver­mochte. Winzige Flocken krochen unter ihre Kleider. Einen Moment später gruben sich tausend Klauen und Zähne in ihre künstliche Haut.

Obwohl Anabelle eine Maschine war, tat es weh.

Sie kniff die Augen zusammen und ballte ihre Fäuste. Instinktiv zog sie sich weiter zurück. Sie schlang die Arme um ihren Leib. Offenbar tastete das Wesen sie ab und suchte nach Informationen über ihre Schwachpunkte. Anabelle schrie auf, als die Eis­finger über ihre Herzplatte krochen, hinter der ihre Essenz brodelte. Die Angst, noch einmal zu sterben, breitete sich in ihr aus, krochen mit unbarmherziger Gewalt in ihren Verstand und vernebelte jeden klaren Gedanken.

Unwillkürlich aktivierte sie die unaussprechliche, unangetastete Magie, mit der ihre Seele in die Maschi­ne transferiert wurde. Der innere Schutzmecha­nismus erwachte zu funkensprühendem Leben. Sie wusste, dass etwas vollkommen Unmögliches ge­schah.

Blut, mit Magie vermischt, rann über ihre Stirn, si­ckerte in die Brauen und ihre Augen, um über Nasen­spitze und Kinn auf den Mantel zu tropfen. Ein paar rote Tropfen sammelten sich im Schnee. Ihre Schuhe füllten sich mit Feuchtigkeit. Gleichzeitig bildete sich um sie herum eine Sphäre aus vielfarbigem Licht, dass an die Kristallfacetten erinnerte, in denen ihre Seele einst gefangen gewesen war.

Der Angriff verebbte. Anabelle taumelte zurück. Sie hob den Blick. Das Wesen überragte sie um fast das Doppelte. Der Schnee, aus dem sein Leib be­stand, befand sich in zielloser Fluktuation. Sie konnte keine festen Formen ausmachen. Sein Schädel neigte sich. Einen Moment später riss er das Maul auf. Eine Orkanböe traf Anabelle. Sie stemmte sich mit aller Kraft dagegen. Die Sphäre um sie flackerte. Sie spür­te, wie das Magiegewebe schwächer wurde. Auf­rechterhalten konnte sie es nicht – schließlich war nicht sie die Magierin. Sie konnte diesem Geschöpf nichts entgegen setzen. Einzig ihr stählerner Leib würde sie schützen.

»Zaida!«

Anabelle riss beide Arme hoch und ballte ihre Hände zu Fäusten. Schwach konnte sie die schwarze Magierin ausmachen. Zaida hob sich kaum noch von ihrer Umgebung ab.

Was tat sie – zaubern?

Die Nähe eines unsichtbaren, menschlichen Kör­pers strich an ihr vorüber …

Zwei schwarze Schemen stoben aus dem Himmel herab. Federn wirbelten auf.

Ein Laut, der zwischen einem hohen Kreischen und unbändigem Gebrüll lag, drang in Anabelles Ge­hör. Das Monster schrie seinen Hass heraus. Orkan­böen bildeten unkontrollierbare Windhosen. Schnee wirbelte zu undurchdringlichen Schleiern auf. Mes­serklingen aus Kälte jagten durch den Sturm.

Zugleich donnerte Zaidas rauchige, dunkle Stim­me über den Orkan hinweg. Sie wob ihre finstere Magie, veränderte die Energie, die Anabelles Wesen und Körper durchströmte, zu neuer Form.

Ein tiefes Zittern und Beben durchlief Anabelle. In diesem Moment konnte sie empfinden und erleben wie ein wirklicher Mensch. Eine Mischung aus Wär­me, Ehrfurcht und Aufregung rann in ihre Essenz und verbreitete sich.

Das Spektakel wahrer, starker Zauberei berührte ihre Seele in der Maschine zutiefst. Sie hob den Blick. Das Winterwesen bäumte sich gegen Zaidas Macht, während die beiden gewaltigen Kolkraben erneut herab stießen. In ihrer Mitte flammte ein rotgoldener Flammenball auf. Je näher sie dem Geschöpf kamen, desto stärker schmolz die Feuerkugel den Schnee zu winzigen, schimmernden Tropfen, die sofort in der arktischen Kälte zu Eiskristallen gefroren. Weidwund heulte das Wesen auf und zerfiel zu weißen Flocken, die herabrieselten.

 

 

 

Eis in den Knochen

 

 

Anabelle saß vor dem Kamin in Zaidas Salon. Die Wärme des Feuers reichte kaum aus, ihre gefrorene Mechanik wieder anzutauen.

Auf irgendeinem Weg musste Feuchtigkeit unter ihre Haut und in die Gelenke eingedrungen sein. Bei jeder noch so kleinen Bewegung kratzten und knirschten sie. Mit jedem Ticken der Standuhr schie­nen sie steifer zu werden. Es war wie verhext. Trotz des Feuers nahm ihre Geschmeidigkeit ab.

Was war die Ursache hierfür?

Zut alors – an dem einzig gut beheizten Raum im Haus konnte sie sich nicht untersuchen, da Hailey praktisch neben ihr auf dem Kanapee saß und miss­mutig in die Flammen starrte. Als Zaida mit Ver­bandszeug eintrat, hellte sich seine Mimik auf. Ana­belle folgte ihr mit Blicken. Als sie sich neben Hailey setzte, zog sich ihre Essenz zusammen. Zugleich lag der lange, forschende und eindeutig besorgte Blick ih­rer Freundin auf Anabelle. Nur langsam wandte sie sich zu dem Inspecteur, der sich – so wie der Kno­chen unter den Manschette hervorstand – sein Hand­gelenk gebrochen hatte. Dass er von Zaida versorgt wurde, schien ihm ausnehmend gut zu gefallen. Er sonnte sich in ihrer Aufmerksamkeit, folgte ihr mit Blicken bei jeder noch so kleinen Bewegung, strei­chelte sie beinah damit. Seine Art der Beobachtung besaß etwas Obszönes aber Zaida ließ es zu.

Diese Art der Nähe verursachte in Anabelle ein beinah menschliches Verlangen, ihn umzubringen.

Zaida war nichts für einen Parvenu wie ihn. Dazu besaß sie zu viel Verstand und Niveau. Er stand in je­der Weise weit unter ihr: gesellschaftlich, geistig und in seinem Wesen, immerhin stammte er aus Ostlon­don. Zaida hatte wiederum bereits in ihrer Heimat als Dame gegolten und war eine von den Portugiesen und Angolanern gleichermaßen hoch angesehene Frau. In England hatte sie zu Anfang sicher nicht den Respekt gefunden, der ihr zustand, und einige Perso­nen der oberen und gehobenen Gesellschaftsschicht konnten sich nicht mit der schwarzen »Dame« des britischen Empires abfinden, aber in den höfischen Kreisen, speziell von Ihrer Majestät, erhielt sie Anse­hen und festes Vertrauen.

Mon dieu und jetzt saß ihr dieser stiernackige Par­venu gegenüber und begaffte ihren Körper mit seinen lüsternen Blicken!

Für einen Moment stach diese brennende Eifer­sucht in ihre Eingeweide. Wie hatte sich das damals angefühlt, als sie noch ein Mensch gewesen war?

Nicht viel anders, zerreißend, quälend erfüllte die­ses Gefühl auch diesmal ihre Essenz.

Zaida hob kurz den Kopf und warf ihr einen Blick zu. Die Wärme in ihren großen, schwarzen Augen sorgte für ein Beben in Anabelles Essenz. Der Blick berührte und streichelte sie. Über ihre vollen, dunk­len Lippen huschte ein liebevolles Lächeln.

In dem Moment sah Hailey auf und räusperte sich. Der Blickkontakt riss ab.

Oh, kann Hailey nicht einfach verschwinden?!

Schneidende Kälte blieb mit brennender Wut zu­rück.

Non, natürlich nicht. Zaida hatte ihren Namen und ihren Ruf dafür eingesetzt, dass Hailey nichts ge­gen Anabelle unternahm. Was für ein Tausch … Nur weil er das Geheimnis um die Maschine »Anabelle Talleyrand« kannte, musste Zaida ihm nicht noch mehr als die notwendige Aufmerksamkeit zollen.

Aber Zaida betrachtete ihn als Freund.

Freund …

Dieser Mann würde alles geben eine Nacht an Zaidas Seite zu liegen und …

Anabelle verdrängte die Konsequenz aus diesem Gedankengang. Es war nie gut seiner Fantasie freien Lauf zu lassen.

Ein Freund – war er das oder nutzte er die Beziehun­gen schamlos aus? Sie arbeiteten zusammen. Das muss­te reichen. »Mögen« stand auf einem anderen Blatt.

Seufzend richtete Anabelle sich auf und ging mit knarrenden Gelenken zur Tür.

Haileys Blick folgte ihr. »Miss Anabelle, Ihre Me­chanik hört sich nicht gut an.«

Langsam wandte sie sich um. Schnelle Bewegun­gen machte ihr Körper nicht mit. In seinen kleinen Schweinsaugen schimmerte etwas. Möglicherweise nur die Spiegelung des Feuers? Er hielt die Lippen zu­sammengepresst, kniff nun die Lider zusammen, bis von seinen Augen kaum mehr als ein schmaler Spalt übrig blieb.

Lag darin tatsächliche, ernst gemeinte Sorge?

Bêtises! Vollkommener Unfug.

Trotzdem war es sinnlos ihn zu belügen. Hailey würde schnell merken, dass ihr Körper ihr nicht mehr gehorchte. Sie nickte und verließ den Raum.

 

Anabelle verschloss gründlich die Zwischentür zum Büro und der Bibliothek. Aus dem Salon drangen lei­se Geräusche. Das Knarren von Federn und das Ra­scheln von Zaidas Rock, der über Dielen und Teppich schliff.

»Was hat sie, Madame Zaida?« Haileys Stimme klang gedämpft.

Die Antwort blieb aus, dafür klapperte ein Holz­kästchen.

Anabelle lehnte sich gegen die Wand neben der Tür und schloss die Augen.

Mit einiger Verspätung antwortete Zaida: »Der Angriff hat etwas in ihrem Körper beschädigt. Aller­dings weiß ich nicht was.«

Dieses Mal antwortete Hailey nicht.

Die Geräusche von Scherblättern und Stoff erklan­gen.

Verarztete sie ihn?

Zaida war zu gut zu ihm.

Mit einiger Willensanstrengung hob Anabelle die Lider und stieß sich von der Wand ab.

Bekam dieser Ostlondoner überhaupt etwas mit? Realisierte er, dass er störte und Zaida seine Gefühle nicht erwiderte?

Non, er schien nichts zu begreifen, obwohl er doch wusste, dass er keinerlei Chancen bei Zaida hatte.

Empfand er sie denn nicht als Konkurrenz? Oder nahm er Anabelle als solche gar nicht wahr?

Er bewegte sich so entsetzlich selbstsicher und be­saß auch noch die Dreistigkeit, sich um Anabelles Probleme Sorgen zu machen …

Zut alors! Allein deswegen fühlte sie sich nicht gut. Er sorgte sich und sie empfand es als aufdring­lich. Momentan war es egal. Es gab wichtigeres als Arthur Hailey!

Es wurde Zeit, sich die Schäden an ihrem Körper anzusehen; ohne einen Arthur Hailey, der in ihrem Kopf umherspukte! Hoffentlich verschwand er bald aus dem Salon, damit sie Zaida die Schäden zeigen konnte.

Umständlich legte sie den Hausmantel ab, knöpfte mit steifen Fingern die kleinen Perlknöpfe an ihrer Bluse auf, streifte sie ab und zog die Bändchen an ihrem Miederhemd auf.

Der Anblick war gewohnt und zugleich absto­ßend. Laid comme un crapaud. Solange hochge­schlossene Kleidung die Hautlappen über ihren Ge­lenken und die große blau schimmernde Kristallplatte über dem Dekol­letee auf Höhe des Herzens verdeck­te, wirkte sie menschlich. Alles an ihr sah perfekt aus – bis sie sich entkleidete. Schlimmster aller Schand­flecken war der misslungene Kautschuküber­zug ihrer Hände, genau­genommen die Handinnenflä­chen. Dar­an erkannte je­der auf den ersten Blick, was sie war.

Andererseits musste sie immer wieder an ihren Gelenken die Schrauben nachziehen und die Schläu­che austauschen. Öle griffen Kautschuk an. Aber wozu musste sie besonders schön aussehen? Der Sinn ihrer Existenz bestand fraglos nur noch in Wis­senschaft, Kampf und Ermittlungen.

Sie zog einen »Hautlappen« hoch. Er war erstaun­lich flexibel, ganz im Gegensatz zu den Kugeln und Federn. Trotzdem wies die Kunsthaut Risse und Schnitte auf. Sie wirkte beinah wie überdehnte Seide, die Fäden zog.

Anabelle ließ sich in Zaidas grünen, lederbezoge­nen Schreibtischstuhl sinken.

Das Gefühl von Erschöpfung nistete sich ein, trotz allem unterschied es sich von der normalen geistigen Ermüdung. Dieses Mal ließ sich nicht leugnen, dass es sich um einen rein körperlichen Eindruck handelte.

Sie ließ die Arme auf die hölzernen Lehnen sin­ken. Matt registrierte sie all die Kratzer und Löcher, die sicher von den Krallen der beiden Raben stamm­ten.

Der Gedanke verlor sich in diffusem Grau.

Nein, nicht der Müdigkeit nachgeben! C’est terri­ble.

Mühsam drängte sie die Erschöpfung zurück. Blieb nur zu hoffen, dass sie im Anschluss überhaupt wieder auf die Füße kam. So sicher schien das mo­mentan nicht zu sein.

Langsam stemmte sie sich gegen die Versteifung ihrer Glieder, raffte den Rock und rollte die Strümpfe herab.

Erschreckend, dass die Kälte und der Angriff auch hier Schaden angerichtet hatten. Wie an den Armen hingen überdehnte Hautlappen herab. Kupfer und Stahl lagen frei und das Maschinenfett glänzte feucht. Aus einem Riss sickerte Öl und verteilte sich durch den Stoff auf ihrem Bein. Etliche Hydraulikleitungen waren beschädigt. Die Kälte hatte nicht nur den Fe­dern und Zahnrädern in ihren Gelenken geschadet.

Dieses Resümee gefiel ihr nicht. Sie konnte unter keinen Umständen in diesem Körper bleiben.

Merde! Nun fiel es ihr sogar zu schwer überhaupt die Strümpfe wieder aufzurollen! Konnte das denn sein? Einige Bewegungen waren nicht mehr möglich, oder sie erlahmten sofort wieder. Alle Gelenke knirschten von Eisablagerungen und Nässe.

Sinnlos es zu versuchen.

Wenn Zaida doch Hailey endlich loswerden konn­te … Langsam brauchte sie ihre Hilfe.

Zut alors!

Umständlich hakte sie das Korsett auf, um zumindest das einzige nicht von Kunsthaut Überzo­gene zu untersuchen – die Herzplatte. Der nahezu unzerstörbare, blaue Kristall wirkte trüb. Feine Sprünge spannten sich von der Mitte bis zum Mes­singrahmen, der ihn in ihre Brust einfasste. Das nebu­lös wogende Gas im Zentrum ihres Körpers war An­trieb und zugleich Hauptsubstanz der zentralen Ge­hirnsteuerung. Sollte die Platte zerbersten, starb sie – dieses Mal unwiderruflich. Das musste nicht sein. Immerhin hatte sie mit diesem Körper eine zweite Chance zu leben geschenkt bekommen.

Sie musste dringend mit Zaida reden. Umständlich kleidete sie sich wieder an. Korsett und Bluse konnte sie nicht mehr schließen. Dazu fühlten sich ihre Fin­ger zu unbeweglich an. Umständlich schlang sie sich den Hausmantel um.

Wenn Hailey doch endlich ginge …! In seiner An­wesenheit konnte sie ihren Körper nicht gegen einen anderen wechseln. Obwohl er nur davon wusste, be­saß allein dieses Wissen zu viel Intimität. Hätte er es nicht vor Jahren selbst herausgefunden, wäre sie bis heute nicht bereit gewesen, ihm davon zu erzählen.

Lange würde sie diese Farce nicht mehr aufrecht­erhalten können. Er musste endlich verschwinden.

 

Als sie zurückkehrte, saß der Beamte vergleichsweise unglücklich auf dem dunkelroten Kanapee an der Südwand, machte aber auch keine Anstalten, sich zu verabschieden. Leider! Andererseits hegte sie nicht den Hauch von Mitleid mit ihm. Schließlich stand es ihm frei, jederzeit zu gehen.

Als er ihren Blick bemerkte, rutschte er tiefer in die Polster und wandte sich Zaida zu, die gerade frisch zu­bereiteten Tee in eine zierliche Porzellantas­se goss.

Wahrscheinlich lag Haileys krampfhaftes Abstand halten an der Situation, seiner Verletzung, der gesam­ten, unglücklichen Lage und Konstellation oder schlicht an dem Wetter, was ihm sicher auch in den Knochen saß.

Bon, das grenzte das Ratespiel stark ein. Er war schlicht wütend, dass er sich verletzt hatte.

Ausnahmsweise hatte sie eigene Probleme, auch wenn Hailey sie nicht erahnen konnte.

Oh Zaida, bitte … wenn es keine Neuigkeiten zu der Toten gibt, setz ihn vor die Tür, nur einmal, mir zu­liebe. Das konnte Anabelle unmöglich ausspre­chen. Sie warf ihrer Freundin einen flehenden Blick zu.

»Wenn Sie Schnaps oder Gin haben, Madame, ist mir das eigentlich lieber als Ihr Tee«, gestand Hailey.

Zaida hob die Brauen und stellte ihm das Täss­chen auf einem nicht weniger zierlichen Unterteller auf den Tisch. Im Vergleich zu seinen riesigen, kräftigen Händen wäre wahrscheinlich auch die Kanne zu klein gewesen.

Sie setzte sich an seine Seite und machte sich an dem recht abenteuerlich gewickelten Verband zu schaffen. Er verzog kurz das Gesicht.

»Tee wärmt, betäubt aber den Geist nicht, Arthur. Wenn Sie trinken wollen, gehen Sie in einen Pub.«

Bei diesem Kommentar stöhnte er leise auf. Zaida lä­chelte spöttisch. Er wusste, dass sie ihn nicht ernst nahm.

Ungerührt verschnürte sie den Verband.

»Gin bekommen Sie in den Pubs im Eastend, Monsieur Hailey. Hier sollten Sie vielleicht ein wenig auf die Etikette achten«, knurrte Anabelle.

Sein starker Alkoholkonsum war ihr zuwider. Trotzdem lag auf der Hand, wieso er trank. Seine Ar­beit nahm ihn mit. Er hatte es fast ausschließlich mit Morden zu tun und begegnete gewissenlosen, grau­samen Männern und Frauen. In erster Linie musste er ihre Taten nachvollziehen können, in sie hinein schlüpfen, denken, wie sie denken; und alles nur, um die »braven« Bürger Londons vor ihnen zu schützen.

Ganz zu schweigen von dem, was jenseits der ein­fachen Tötungen lag und in den Bereich des Über­sinnlichen oder zumindest Unerklärlichen fiel.

Wahrscheinlich betäubte er sich speziell davor. Es gab viel, was das Fassungsvermögen eines gläubigen Menschen sprengte. Vermutlich lag im Alkohol die einzige Möglichkeit mit all den unheimlichen Er­scheinungen klarzukommen, mit deren Klärung er von Scotland Yard beauftragt wurde. Schließlich war es nicht sein Wunsch, Sonderdienst für seine Vorge­setzten zu leisten.

»Nach dem, was da passiert ist, wäre mir eine Fla­sche Gin noch zu wenig.« Seine Stimme klang dumpf.

Anabelle ging an ihm vorüber und drehte sich zu ihm um. Ihre Glieder kratzten. Der Wiederstand nahm zu. Ihre Bewegungen konnten auch für Hailey nicht mehr flüssig wirken. Glücklicherweise verlor sich sein Blick in den prasselnden Flammen des Ka­mins.

»Monsieur Hailey?«, fragte sie vorsichtig.

Langsam, als fiele es ihm besonders schwer seinen Blick vom Feuer zu lösen, hob er den Kopf. Müdig­keit sprach aus seinen kleinen, rot geränderten Au­gen. Er atmete schwer durch.

Etwas lag ihm auf der Seele. Die Begegnung von vorhin oder sein verletzter Arm?

»Miss Anabelle, was war das?«, fragte er hilflos.

Sie schüttelte langsam den Kopf. Eine Antwort da­rauf hatte sie nicht.

Zaida zog sich auf die gesellschaftlich anerkannte Mindestdistanz zurück, schlug die Beine übereinan­der und faltete die Hände über dem Knie. »Ich möch­te vermuten, dass dieses Wesen eine Art Naturgeist ist. Vermutlich liegt hierin auch begründet, warum die Londoner das Gefühl haben, in Sibirien zu le­ben.«

Hailey sah sie an. »Sie meinen, die Kälte hat etwas mit diesem«, er zögerte, offenbar fand er kein passen­des Syn­onym für den Grund seiner Hilflosigkeit, »…Ding zu tun?«

Zaida nickte sacht. »Für genauere Definition müss­te ich recherchieren.«

»Zumindest wissen wir nun, was die arme Frau getötet hat. Nur was wollte sie ausgerechnet hier?« Anabelle verschränkte die Arme vor der Brust. »Und wir wissen auch nicht, woher sie stammt. Sie muss doch einen Bezug hier her nach Mayfield haben.«

»Ich überprüfe gleich mit Masters, ob sie hier in einem der Haushalte gearbeitet hat, bevor sie abge­rutscht ist«, schlug Hailey vor.

Zaida wiegte den Kopf. »Seien Sie nicht ganz so vorschnell.«

»Gibt es denn noch andere Möglichkeiten?«

Sie zuckte die Schultern. »Sicher. Solang wir aber keine Hinweise auf ihre Identität haben, liegt diese Theorie nah.«

Er warf ihr einen skeptischen Blick zu. »Miss Ana­belle, was denken Sie?«

Gute Frage. Generell traf Haileys Annahme sicher zu. Aber was, wenn diese Frau nicht umsonst direkt gegenüber im Park gestorben war? Was wäre, wenn ihr Ziel dieses Haus gewesen war?

»Vielleicht wollte sie Hilfe von uns.«

Er runzelte die Stirn. Folgen konnte er anschei­nend. Seiner Mimik war zu entnehmen, dass er genau wusste, worauf Anabelle hinaus wollte.

»Das würde mit dem Erscheinen dieses Dings zu­sammenpassen. Stimmt schon. Jemand, der auf der Flucht vor dem Eisgeschöpf Hilfe und Zuflucht bei der Hexe Madame Zaida sucht …«

»Magierin!«, korrigierte sie ihn beiläufig, stand dann aber auf.

»Aber wie hätte dieses arme Ding Sie bezahlen können, Zaida?«

Das war mit Sicherheit nicht die klügste Reaktion gewesen. Zaida übernahm auch Fälle, die ihr finanzi­ell nichts einbrachten. Sie mochte es nicht auf eine reine Detektivin reduziert zu werden, deren Hauptin­teresse in der Beschaffung von Geld lag.

Anabelle musterte sie. In der Mimik ihrer Freundin hatte sich etwas verändert. Kälte sprach aus ihren Zügen. Sie legte die Hände ineinander. »Arthur, Sie sollten mich besser kennen.« Auffordernd trat sie zur Tür. Dieser Hinweis war nicht dezent, sondern deutlich. Hailey beugte sich der Hausherrin.

»Falls Sie doch schon etwas unternehmen sollte, unterrichten Sie uns?«, fragte Zaida.

Er nickte, während er versuchte, die Manschette seines Hemdsärmels über dem Verband zu schließen. Mit seinen riesigen Pranken funktionierte es nicht. Zaida half ihm.

Annabelle beobachtete ihre Freundin einige Se­kunden lang, bevor sie den Blick durch das Zimmer gleiten ließ.

Die verwaiste Vogelstange, auf der sonst Songa und Manikongo hockten, verdeutlichte, dass Zaida nicht den Hauch einer Ahnung besaß, was sie gerade angegriffen hatte.

Beide Raben dienten ihrer Herrin als Späher. Viel­leicht würden sie mit ihren außergewöhnlichen Fä­higkeiten das Winterwesen ausfindig machen kön­nen.

Langsam schritt Anabelle zu dem Fenster, durch das sie über die stille Straße in den Hyde Park sehen konnte. Sie hatten in der vergangenen Nacht beide nichts wahrgenommen. Seltsam … und wie war es diesem Geschöpf gelungen, Zaidas täglicher Suche nach gestaltgewordenen Mythen zu entgehen? Dar­aus ergab sich die Frage, mit was sie es überhaupt zu tun hatten. War das Wesen vielleicht mächtig genug, um sich vor Zaida zu schützen?

Es hatte so leichtes Spiel mit ihr. Selbst Zaidas starke Magie reichte  gerade mal dazu, es zu vertrei­ben.

Feuchtigkeit kondensierte an der Scheibe. In den Ecken kristallisierten die feinen Tröpfchen bereits zu Eis.

»Wie kalt ist es?«, fragte Anabelle.

Hailey räusperte sich. »Heute früh waren es -22°F. Wie weit die Temperaturen nun abgesunken sind, weiß ich nicht.«

Anabelle nickte. In den letzten Wochen war es mit jedem Tag etwas kälter geworden. Sie kannte solch ein Wetter weder aus London noch aus Paris. Ihr Kör­per war nicht darauf ausgelegt.

Sie wandte sich um. »Wann ist der Winter so aus dem Gleichgewicht geraten?«

Zaida stand wieder neben der Tür. »Ich glaube vor etwa zwei Monaten.«

Anabelle setzte sich wieder an den Kamin. Gab es einen Termin, der eine besondere, magische Nacht ankündigte?

Ihr fielen nur Legenden und zumeist deutschstäm­mige Märchen über die Rauhnächte ein.

Die Zeit zwischen dem 21. Dezember und dem 1. Januar galten als die Zeit des Todes oder der Ruhe. In jener ersten Nacht sollte Odins wilde Jagd stattgefun­den haben, ebenso wie die Legende Frau Holles ge­nau auf die Spanne dieser zwölf Tage fiel. Langsam fuhr sie sich mit dem Daumen über die Unterlippe und nagte darauf herum. Eigentlich gab es daran we­der etwas Romantisches, noch etwas besonders Un­heimliches. Aus wissenschaftlicher Sicht klang die Er­klärung eher unspektakulär. Aber vielleicht lag auch darin ein Teil des Geheimnisses.

Dank der höheren Mondrotation zu Erde und Sonne entstand eine Art Stunden- und Tagesüber­stand, der sich rein astronomisch auf die letzten ei­neinhalb Dezemberwochen festlegte. In etlichen Kul­turen bedingte sich daraus das Weihnachts- bezie­hungsweise Julfest.

Stellte sich nun die Frage, ob es hierbei vorkom­men konnte, dass dunkle Geister einen Weg auf die Erde fanden, wie es sonst eher in der Sam­hain-Nacht üblich war?

»Was vermutest du?«, fragte Zaida mitten in ihre Gedanken.

Anabelle zuckte zusammen. Sie sah zu ihrer Freundin. »Ich versuche gerade eine Verbindung zwi­schen den Vorkommnissen und den jeweiligen My­then über die Raunächte herzustellen.«

Hailey hob seine unverletzte Hand. »Verzeihung, meine Damen, das ist Ihre Aufgabe. Ich kann zu My­then und Legenden wenig beitragen.« Er drückte die Klinke herab. »Ich nehme Madame Zaidas Rauswurf in dem Fall gern an.«

Anabelle sah ihn vorwurfsvoll an. »Monsieur!«, er­eiferte sie sich, obwohl sie froh war, dass er sich an­schickte zu gehen. »Erst ziehen Sie uns zu diesem Fall hinzu und dann wollen Sie sich an der Überlegung nicht beteiligen?«

»Im Augenblick ist die Tote einfach nur eine erfro­rene Frau, die unglücklicherweise im Hyde-Park ge­funden wurde …«

»Sind denn in den vergangenen Tagen ähnliche Vorkommnisse aktenkundig geworden?«, unterbrach Zaida ihn.

Hailey zuckte mit den Schultern. »Mir sind keine zu Ohren gekommen.«

»Wäre es zu viel verlangt«, fragte Zaida, »wenn Sie entsprechende Nachforschungen betreiben könnten, Hailey?« Sie ließ sich in ihrem Stuhl sinken, während sie ihn ansah.

Er runzelte die Stirn. »Wenn ich etwas habe, mel­de ich mich«, knurrte er, wobei er die Klinke herab drückte. »Einen guten Tag!«

 

Anabelle sah ihm nach, bis er ihr Sichtfeld verlas­sen hat­te. Eine halbe Minute später schlug die Ein­gangstür zu.

»Ma cher, du hast ihn beleidigt.«

Zaida nickte. »Anders kann man seine Dickfellig­keit auch kaum durchdringen.« In einer fließenden Bewegung erhob sie sich und trat an das Fenster. »Es tut mir jedes Mal leid, ihn zu verletzen, um die Gren­zen neu abzustecken. Er ist schließlich ein enger Freund.«

Anabelles Fäuste schlossen sich mühsam. Hitze stieg in ihr auf und negierte ihre Worte.

Enger Freund? Was verstand Zaida im Zusammen­hang mit diesem Mann unter Freund? Begriff sie denn seine Gefühle nicht? Je dichter sie ihn an sich heranließ, desto mehr schürte sie seine Gefühle. Merde! Warum ließ Zaida zu, dass er ihr so nah kam? Wollte sie diese Vertrautheit? Er liebte sie schließlich!

Möglicherweise unterwanderte das stechende Zie­hen in ihrem Herz – ach nein, es war ja nur noch rei­ne Essenz – jeden Rest Logik, aber allein die Bezeich­nung »enger Freund« tat weh.

Am liebsten hätte sie Zaida all das gesagt, was eine einzige, kleine Bemerkung in ihr auslöste, aber jetzt war nicht die passende Zeit dafür. Mühsam würgte sie den Ärger hinunter und folgte Zaida.

Anabelle lehnte sich in den Rahmen und ver­schränkte die Arme vor der Brust. Die Gelenke knirschten bedenklich. Sie wollte nicht weiter über Hailey nachdenken müssen und seine Reaktion dis­kutieren. »Was hältst du von meinem Denkansatz?«

»Die Raunächte?«, fragte Zaida überflüssigerwei­se, während sie sich mit beiden Händen auf das Fens­terbrett stützte.

»Genau.«

Zaida feuchtete ihre Lippen an. »Deine Vermu­tung dürfte zutreffen. Der Kälteeinbruch begann nach Samhain. In der Nacht des 31. Oktober muss etwas die Grenzen hierher überschritten haben.

---ENDE DER LESEPROBE---