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Die derzeitigen Impfstrategien sind nicht nur am Wohlergehen unserer Kinder ausgerichtet, sondern gleichermaßen geprägt von Gemeinwohl, Eigenwohl und wirtschaftlichen Interessen. Viele Kinderärzte haben aber oft weder die Zeit für ausführliche Impfgespräche noch wagen sie sich auf dieses dünne Eis. Mit diesem Buch sind Eltern endlich in der Lage, Hintergründe zu verstehen und damit eine verantwortungsvolle und individuelle Impfentscheidung für ihr Kind zu treffen. Die Impf-Frage heißt nicht „ja oder nein?“ sondern muss lauten: "Impfen – gegen was, warum und wann?" Dr. med. Stefan H. Nolte zeigt Wege zu einem maßvollen, risikoorientierten Impfen auf und nimmt Eltern die Angst vor dieser großen Entscheidung.
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Seitenzahl: 271
Der Autor
Dr. med. Stephan Heinrich Nolte ist Kinder- und Jugendarzt. Er war leitender Oberarzt an der Universitäts-Kinderklinik M---arburg, bevor er sich 1992 in eigener Praxis niederließ. Als Prüfarzt in Impfstoffzulassungsstudien erhielt er vertiefte Einblicke ins Impfwesen. Der Lehrbeauftragte an der Philipps-Universität Marburg schrieb mehrere Ratgeber für Kindergesundheit und viele Artikel in Fachzeitschriften.
Das Buch
Mit der Position »So viel impfen wie nötig – so wenig wie möglich« hilft der erfahrene Kinder- und Jugendarzt Stephan Heinrich Nolte Eltern dabei, Vor- und Nachteile der empfohlenen Impfungen abzuwägen und die individuell richtige Impfentscheidung zu treffen. Mit leicht verständlichen Hintergrundinformationen zeigt er Wege zu einem maßvollen Impfen und nimmt Eltern die Sorge vor dieser Entscheidung.
Die Neuausgabe des erfolgreichen Elternratgebers enthält die neuesten Entwicklungen zum Thema Impfen mit aktualisierten Impfempfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) einschließlich der Neuerungen zum Masernschutzgesetz sowie Informationen über die Impfung gegen das Coronavirus.
DR. MED.
STEPHANHEINRICHNOLTE
Maßvoll
impfen
Risiken
abwägen und
individuell
entscheiden
Kösel
Hinweise
Die Ratschläge/Informationen in diesem Buch sind von Autor und Verlag sorgfältig erwogen und geprüft, jedoch kann eine Garantie nicht übernommen werden. Eine Haftung des Autors beziehungsweise des Verlages und seiner Beauftragten für Personen-, Sach- und Vermögensschäden ist ausgeschlossen.
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5., aktualisierte und erweiterte Neuausgabe 2022
Copyright © 2016, Kösel-Verlag, München,
in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München
Umschlag: Weiss Werkstatt München
Umschlagmotiv: © Tom Chance / plainpicture.com
Redaktion: Ralf Lay, Mönchengladbach
Satz und E-Book Produktion: Satzwerk Huber, Germering
ISBN 978-3-641-18083-6V004
www.koesel.de
Inhalt
Vorwort zur Neuausgabe
Einführung
Impfen im Praxisalltag
Das Impfgespräch
Die Ausführung der Impfung – ganz praktisch
Wie funktioniert eine Impfung?
Eine Impfung ist eine Immunisierung
Die Lebendimpfung
Totimpfstoffe
Kombinationsimpfstoffe
Nebenwirkungen und Komplikationen
Arztwahl ist Vertrauenssache
Generelles zu Impfungen
Die Ständige Impfkommission (STIKO) und die öffentlichen Impfempfehlungen
Impfen im internationalen Kontext
Die Impfstrategie der WHO
GAVI – die Impfallianz
Die Impfungen im Einzelnen
Tetanus
Diphtherie
Kinderlähmung (Poliomyelitis)
Keuchhusten (Pertussis)
Hämophilus influenzae B (HIB)
Hepatitis B
Pneumokokken
Meningokokken
Masern
Mumps
Röteln
Windpocken
Rotavirus-Enteritis
Humane Papillomaviren (HPV)
Influenza
Meningoenzephalitis (FSME)
Die Impfungen in Kombinationen
Der Sechsfachimpfstoff (TDaP-IPV-HIB-Hep)
Der Fünffachimpfstoff (DTaP-IPV-HIB)
Der Vierfachimpfstoff DTaP-IPV
Der Vierfachimpfstoff TdaP-IPV
Der Dreifachimpfstoff DTaP und TdaP
Der Dreifachimpfstoff Td-IPV
Zweifachimpfungen
Reiseimpfungen und reisemedizinische Beratung
Gelbfieber
Meningokokken
Hepatitis A
Typhus
Cholera
Tollwut
Japanische Enzephalitis
Malaria
Dengue-Fieber
Ebola
Reisediarrhö
Nicht (mehr) durchgeführte Impfungen
COVID-19 – die Krankheit, SARS-CoV-2 Virus, der Erreger
Die Impfung gegen SARS-CoV-2
Vorbestehende Immunität gegen COVID-19
Die Pandemie der Angst beenden
Impfung von Kindern
Und die Zukunft?
Gegenwärtige Bilanz
Abwägungen für eine individuelle Impfgestaltung
Die offizielle Meinung der Kinderheilkunde
Können Kinder und Jugendliche auch gegen den Willen der Eltern geimpft werden?
Diskussion über eine allgemeine Impfpflicht
Eine Impfpflicht soll Kinder vor Masern schützen – und Erwachsene ebenso
Kritik am Masernschutzgesetz
Einfallstor für andere verpflichtende Impfungen?
Impfungen aus Sicht der Homöopathie
Das Geschäft mit den Impfungen
Was wissen Ärzte von Impfungen?
Impfen – Aufgabe des öffentlichen Gesundheitswesens?
Impfstoff-Zulassungsstudien in privater Hand
Am Impfen verdienen alle Beteiligten
Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg auch keinem andern zu
Impfstoffe und die Pharmaindustrie
Ungute Verflechtungen: STIKO, EMA, WHO und GAVI
Die Abhängigkeit von Impfprogrammen
Aspekte der Sicherheit
Meldung von unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW) nach Impfungen
Verdacht auf Impfschaden – wie ist dieser nachweispflichtig?
Adjuvanzien: Das »schmutzige Geheimnis« der Impfung
Impfungen und Autoimmunität
Unspezifische Auswirkungen von Impfungen auf den allgemeinen Gesundheitszustand
Können Impfungen Allergien auslösen?
Was richten wir mit Impfungen an?
Impfen birgt Risiken – für Arzt und Patient
Hilfestellung bei der Impfentscheidung
Impfen nach der STIKO-Empfehlung
Später impfen
Reduziertes Impfschema
Auffrischimpfungen
Schlussbemerkung: Halte Maß und bedenke die Folgen
Dank
Anhang
Ausgewählte Web-Adressen
Literatur
Register
Vorwort zur Neuausgabe
Seit dem Ersterscheinen des Buches 2016 hat sich in den Impffragen einiges getan. Nicht so sehr, dass neue Impfungen auf den Markt gekommen oder besondere Erkenntnisse dazugekommen wären, sondern in der allgemeinen Einstellung zum Impfen, die polarisiert ist wie schon lange nicht mehr.
An Gründen dafür ist in erster Linie das Masernschutzgesetz zu nennen, welches am 1. März 2020 in Kraft getreten ist. Zum ersten Mal seit der Einstellung der Pockenschutzimpfung im Jahr 1976 ist damit eine allgemeine öffentliche Verpflichtung zu einer Impfung gesetzlich vorgeschrieben. Dazu mehr im Kapitel »Eine Impfpflicht soll Kinder vor Masern schützen – und Erwachsene ebenso«.
Das zweite Ereignis war das Auftreten der Coronavirus-Erkrankung COVID-19 in einem pandemischen Ausmaß. Nach anfänglicher Sorge um die Kapazitäten der Gesundheitssysteme zur Behandlung und Aufnahme der Patienten, in der Öffentlichkeit als Mangel an Beatmungsgeräten, Schutzausrüstungen und Desinfektionsmitteln wahrgenommen, wurde durch die Unabsehbarkeit der Länge der Pandemie nach und nach der Ruf nach einer raschen Impfstoffentwicklung immer lauter. Dies hinterließ den Eindruck, dass das Ende der Seuche nur durch eine Impfung zu erreichen sei. Inzwischen gibt es verschiedene Impfstoffe, ohne dass dadurch ein Ende der Pandemie absehbar scheint. Die derzeit notfallmäßig zugelassenen erfolgreichen Impfstoffe basieren auf einer neuen Technologie. Sie haben die hohen Erwartungen nicht erfüllt. Zum einen, weil sie zwar schwere Verläufe, nicht aber die Infektion und die Weiterverbreitung verhindern können. Zum zweiten, weil das Virus mutiert, sich abschwächt und sich durch Veränderungen des Spike-Antigens den abwehrenden Antikörpern entzieht, sodass Impfstoffe ständig angepasst werden müssen. Mehr dazu im Kapitel »COVID-19 – die Krankheit, SARS-CoV-2 Virus, der Erreger«.
Man hat sich zu Recht sehr schwer damit getan, diese Impfung für gesunde Kinder überhaupt zu empfehlen, zumal diese durch die Coronainfektion selbst nicht sehr gefährdet sind. Das hat die »Task Force« der Deutschen Gesellschaft für Kinderheilkunde im September 2022 bestätigt: Auch sie setzt das Risiko durch die gegen Corona gerichteten Maßnahmen höher an als das Risiko der Erkrankung und lehnt anlasslose Testungen und Kita- und Schulschließungen ab. Über Sinn und Unsinn der Impfungen lässt sie sich allerdings nicht aus und überlässt dies der unter starkem politischen Druck stehenden Ständigen Impfkommission (STIKO).
Es wird Zeit, diese Pandemie, die nur noch eine Pandemie der Angst ist, für beendet zu erklären, denn das Virus ist, wie frühere Coronaviren auch, endemisch geworden und wir werden damit leben.
Laufend neue Erkenntnisse und Informationen können schnell dazu führen, dass sich die Perspektiven ändern. Diese Aussagen sind daher nicht als in Stein gemeißelt zu betrachten. Es bleibt Ihnen, liebe Lesende, nicht erspart, sich über den tagesaktuellen Stand zu informieren, etwa über die im Anhang genannten Links.
Dr. Stephan Heinrich Nolte
Marburg, im September 2022
Einführung
Liebe Eltern, liebe an Impffragen Interessierte, liebe Kinder und Jugendliche,
fragt man Erwachsene nach ihrer Kinderärztin oder ihrem Kinderarzt, kommen in der Regel, so auch bei mir, mehr oder weniger dramatische Erinnerungen an das Impfen hoch. Alle anderen Erfahrungen sind verblasst. Jedenfalls tat es weh. Und es tut auch mir weh, dass meine Tätigkeit in erster Linie mit dem Zufügen von Schmerz in Verbindung gebracht wird, denn natürlich wünsche ich mir, dass meine Hingabe an die Kleinen und Kleinsten eher mit positiver Beziehung, liebevollem Verstehen und Verantwortungsbewusstsein verknüpft wird.
Dieses Buch ist aus dem Alltag meiner täglichen Beratung in einer Kinder- und Jugendarztpraxis entstanden und soll Ihnen helfen, Impfungen besser zu verstehen, um mit Ihrem betreuenden Arzt oder Ihrer Ärztin Impffragen informiert besprechen zu können. (Der besseren Lesbarkeit wegen wird in diesem Buch im Weiteren nur das männliche grammatische Geschlecht verwendet, gemeint sind dabei natürlich immer alle Geschlechtsformen.) Kein Buch kann das persönliche Gespräch ersetzen, eine vertrauensvolle Beziehung zu Ihrem Arzt ist dazu Voraussetzung.
Unser Leben, vor allem aber die heutige Medizin ist in hohem Maße von Leitlinien und wissenschaftlicher Evidenz (Wirkungsbeweisen) geprägt, obwohl es zu vielen Alltagsfragen keine wissenschaftliche Antwort gibt. Die meisten Fragen, die Eltern an mich stellen, sind Fragen des Umgangs mit dem Kind in gesunden und kranken Tagen und nicht wissenschaftlich, sondern eher allgemein menschlich zu beantworten. Der Umgang mit Kindern ist stark kulturell geprägt, und so werden die gleichen Fragen in verschiedenen Kulturen ganz verschieden beantwortet. In unserer kulturell bunter und individueller gewordenen Landschaft muss die Antwort darauf eben auch bunt und individuell ausfallen, etwas, das von »der Gesellschaft« trotz aller Beteuerungen der Individualität und Beschwörungen der Einzigartigkeit nicht gern gesehen wird. Dieses Buch soll Ihnen helfen, für einen winzigen Ausschnitt der Medizin, nämlich die Impfungen, eine für Ihr Kind und Sie gute Lösung zu finden.
Seit 30 Jahren bin ich nach zehnjähriger Tätigkeit in Kliniken nun als Kinder- und Jugendarzt niedergelassen und habe in dieser Zeit fast 40 000 kleine und größere Patienten betreut, mal nur kurz im Notdienst, mal über viele Jahre. Ich bemühe mich, in erster Linie dem Kind, seinen Eltern und seiner Entwicklung nicht zu schaden, weder körperlich noch seelisch. Das hört sich banal an, ist aber die ethische Minimalforderung, die nicht nur an eine ärztliche Tätigkeit gestellt wird. Wir haben eine große Verantwortung für ein hoffentlich langes und gesundes vor den Kindern liegendes Leben und stellen Weichen – nicht nur für den Umgang mit dem Körper, seiner Gesundheit und seinen Krankheiten, sondern auch für Geist und Gemüt. Sicher habe ich nicht immer alles richtig und gut gemacht; was den einen zu wenig war, war anderen schon zu viel, und 40 Jahre Erfahrung kann auch heißen, 40 Jahre dieselben Fehler wiederholt zu haben. Dennoch ist das Prinzip »So viel wie nötig, so wenig wie möglich« Richtschnur meines Handelns. Und in Anlehnung an ein Zitat des berühmten Frauenarztes Prof. Dr. Willibald Pschyrembel kann man sagen: »Man muss viel wissen, um wenig zu tun.« Dieser Satz gilt auch für das Impfen.
Impfen im Praxisalltag
Das Impfgespräch
Ein Impfgespräch soll der Entscheidungsfindung dienen und keine Überredung zum Impfen sein. Der Begriff »Aufklärung« umfasst das Klären von Fragen, das Erhellen und schließlich das Übernehmen von Verantwortung. Nach Erhebungen haben zwei Drittel aller Eltern nicht das Gefühl, vor einer Impfung ihrer Kinder »aufgeklärt« worden zu sein – sie wurden lediglich informiert, dass eine Impfung ansteht. Wenn aber eine Beratung nicht ergebnisoffen erfolgt, sondern die Entscheidung von vornherein feststeht, hat keine wirkliche Beratung stattgefunden, sondern es wurde ein Ratschlag, eine Empfehlung, wenn nicht gar eine schon fast einem Befehl nahekommende dringende Ermahnung gegeben. Dabei sollte ein Rat zunächst eine unverbindliche Unterstützung bei der Entscheidungsfindung sein, mögliche Wege mit Vor- und Nachteilen darstellen, aber noch nicht die endgültige Lösung eines Problems aufzeigen.
Der beste Zeitpunkt für ein Impfgespräch
Nach den Erfahrungen, die ich in vielen Jahren mit Informationsabenden für Schwangere gemacht habe, halte ich es für wichtig, sich schon vor der Geburt mit der Frage der Impfungen zu beschäftigen. Ursprünglich hatte ich das Thema aus den Informationsveranstaltungen ganz heraushalten wollen, weil es meines Erachtens weit wichtigere Themen gibt, mit denen sich die werdenden Eltern auseinandersetzen sollten, etwa: Wie wollen wir unser Kind erziehen, wie sind wir selbst groß geworden, was wollen wir genauso oder gerade eben ganz anders machen, wie wir es selbst erlebt haben? Diese Aktualisierung der eigenen Kindheit halte ich für ganz wesentlich. Aber es ist nun mal so, dass ein Gutteil der Fragen, die vor der Geburt an den Kinderarzt gestellt werden, sich um das Impfen dreht. Und wenn es schon einmal Thema ist, sollte man sich am besten dann damit beschäftigen, wenn man noch vergleichsweise viel Zeit und Ruhe hat: im Mutterschutz und während der Wartezeit vor der Geburt. Viele Eltern denken, dass das Kind erst einmal gesund auf die Welt kommen soll und man sich dann mit diesen Fragen beschäftigen kann. Sie übersehen dabei aber, dass sie nach der Geburt von den Ereignissen förmlich überrollt werden und kaum noch Zeit zum Lesen, Informieren und zum Nachdenken bleibt. Denn in der Neugeborenenzeit sind die jungen Eltern fast 24 Stunden mit dem Baby beschäftigt, und der erste Arztbesuch, in der Regel zur Vorsorgeuntersuchung U3 mit vier Wochen, ist nicht nur durch all das völlig überfrachtet, was dann gemacht werden soll, sondern das Kind ist vielleicht unruhig, hungrig und schreit; und so geraten die jungen Eltern schnell in Stress und können all ihre Fragen gar nicht loswerden.
Vor der Geburt die Kinderarztpraxis aussuchen – und aufsuchen
Sehr hilfreich empfinde ich es für alle Beteiligten, wenn Eltern schon vor der Geburt mit der sie möglicherweise betreuenden Kinderarztpraxis Kontakt aufnehmen. Dann herrscht eine entspannte Atmosphäre, man kann sich gegenseitig in Ruhe »beschnuppern« und sich mit den gegenseitigen Anschauungen bekannt machen, denn in den ersten Jahren ist die Beziehung zum Kinderarzt häufig eine recht intensive und braucht viel Vertrauen. Der Arzt kann schon einige Tipps und Anregungen geben, den Vorsorgeplan vorstellen und auch über kinderärztliche Notdienstregelungen sprechen, um zu vermeiden, dass junge Eltern panisch irgendwelche ungeeigneten Notdienste aufsuchen, noch bevor sie ihren Kinderarzt zum ersten Mal kennengelernt haben. Und schon jetzt ist die Möglichkeit gegeben, auch, aber bitte nicht nur, über den empfohlenen Impfplan zu sprechen, über den Impfstatus der Eltern, der auch für das Kind wichtig ist, und über die Einstellungen zum Impfen. Ich betone diese vorgeburtliche Kontaktaufnahme ausdrücklich, weil ich es oft erlebe, dass Eltern, die zum ersten Mal mit ihrem vier Wochen alten Baby zur U3 zum Kinderarzt kommen, gar nicht aufnahmefähig sind vor lauter Neuem und all dem, was bei dieser Untersuchung ansteht. Und weil nach der Empfehlung der STIKO (der Ständigen Impfkommission am Robert Koch-Institut) die Impfungen schon mit sechs Wochen losgehen können, bleibt dann nicht viel Zeit für eine ruhige und besonnene Auseinandersetzung mit dem Thema.
Sich kennenlernen ist wichtig
So habe ich es am liebsten, wenn ich die werdende Familie vor der Geburt kennenlerne und schon dann etwaige Ängste und Befürchtungen, wie etwa durch in der Schwangerschaft erhobene beunruhigende Befunde oder Erfahrungen und Einstellungen zum Impfen, kenne und besprechen kann. Außerdem ist dann der Weg gebahnt, um bei nach der Geburt eintretenden Fragen und Auffälligkeiten »niedrigschwellig« Kontakt aufzunehmen, das heißt ohne die Hürde, dass man sich noch gar nicht kennt. Außerdem bieten viele Kinderärzte an, dann für die erste Untersuchung, sofern sie nicht in der Klinik bereits vorgenommen wird, nach Hause zu kommen. Das macht die Hemmschwelle für eine ambulante Geburt niedriger: Wenn Mutter und Kind wohlauf und eine häusliche Betreuung durch eine Hebamme sowie weitere Hilfe gewährleistet sind, spricht nichts dagegen, schon ein paar Stunden nach der Geburt nach Hause zu gehen. Denn erfahrungsgemäß geht es den jungen Familien im eigenen häuslichen Umfeld besser, das Stillen im heimischen Milieu fällt bei guter Anleitung leichter, und die Kinder erreichen schneller wieder das Geburtsgewicht.
Wenn der Kontakt zur Familie gut ist und man sich gegenseitig schon kennt, ist ein Impfgespräch leichter zu führen. Lerne ich die Familie erst bei der U3 kennen, biete ich immer einen eigenen Termin für ein Impfgespräch an.
Der eigene Termin für das Impfgespräch
Beim ersten Kind oder beim ersten von mir betreuten Kind biete ich einen eigenen Termin für ein Impfgespräch zwischen der U3 und der U4 im Alter von sieben, acht Wochen an, rechtzeitig genug, um beim – bei mir eher seltenen – Wunsch nach zeitgerechter Standardimpfung diese auch pünktlich durchführen zu können. Ich bitte darum, dass möglichst beide Elternteile und andere Entscheidungsträger dazu anwesend sind. Das geht dann auch mal im Spätnachmittag, wenn der Papa von der Arbeit zurück ist. Ich lege Wert darauf, dass beide Eltern dabei sind. Denn wie ich dann zu sagen pflege, ist Impfung Körperverletzung, und da müssen sich alle einig sein, wenn sie glauben, dass der Nutzen den Schaden überwiegt.
Ich hatte bereits bei den ersten Terminen den aktuellen Impfkalender der STIKO (Ständige Impfkommission am Robert Koch-Institut; siehe Kapitel »Die Ständige Impfkommission (STIKO) und die öffentlichen Impfempfehlungen«) mitgegeben, und zwar nicht als Firmenprospekt eines Impfstoffherstellers, sondern als neutrale Broschüre der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA, Web-Adresse im Anhang). Die von den Pharmafirmen in großer Zahl verbreiteten und auf neutral erscheinenden Webseiten zitierten Broschüren sind oft doch zu platt, optimistisch und schlichtweg einseitig. Auch die über das Deutsche Grüne Kreuz vertriebenen Impfaufklärungsblätter sind trotz ihrer neutral und offiziell gehaltenen Aufmachung nicht interessenfrei, denn diese Organisation ist keinesfalls eine halbstaatliche Instanz, wie der Name vermuten lässt, sondern eine industriefinanzierte Firma. Da es so schwierig ist, ausgewogenes, nicht allzu fortschrittsgläubiges, nicht allzu umfangreiches und differenziertes Informationsmaterial weiterzugeben, habe ich mich zum Schreiben dieses Buches entschlossen.
Beim Impfgespräch frage ich zunächst nach der Haltung zum Impfen, nach den eigenen Impferfahrungen und Vorerkrankungen sowie dem Impfstatus der Mutter, da diese für bestimmte Impfentscheidungen wichtig werden können. Dann frage ich nach den geplanten Aufwachsbedingungen des Kindes, insbesondere, ob eine frühe Fremdbetreuung geplant ist. Anschließend stelle ich anhand des Impfplans die STIKO-Empfehlung komplett vor, mit eingehender Begründung bei Nachfragen. Danach gebe ich die Gelegenheit, Fragen zu stellen, bevor ich mit den individuellen Empfehlungen für das spezielle Kind unter seinen persönlichen Lebensumständen fortfahre. Die wichtigsten Fragen einer individuellen Impfberatung sind die nach Weltanschauung und Vorerfahrung der Eltern, Stillen, Rauchen, Geschwistern, Fremdbetreuung und besonderen spezifischen Risiken oder Kontraindikationen.
Da zu dem Termin selbst noch keine Impfung ansteht, fühlen sich die Eltern auch nicht unter Druck gesetzt, sofort Entscheidungen treffen zu müssen. Ich betone immer, dass die Eltern Zeit, viel Zeit für diese Entscheidungen haben, und versuche, sie nicht zu überrumpeln. Fragen können auch beim nächsten Mal noch geklärt werden. Der Zeitaufwand ist nicht unbeträchtlich, und finanziert wird er im Rahmen der gesetzlichen Krankenversorgung gar nicht, weil nur bei einer Impfleistung selbst die entsprechende Aufklärung geringfügig vergütet wird. Aber er lohnt sich, erspart viele spätere Diskussionen und ist eine nachhaltige Grundlage für die noch junge und daran wachsende Familie-Arzt-Beziehung, die in den ersten Jahren doch recht intensiv ist.
Aufklärung – auch über Alternativen – ist Patientenrecht
Nach der neuen Patientenrechtegesetzgebung (Paragraf 630e BGB: Aufklärungspflichten) wird bestimmt: »Bei der Aufklärung ist auch auf Alternativen zur Maßnahme hinzuweisen, wenn mehrere medizinisch gleichermaßen indizierte und übliche Methoden zu wesentlich unterschiedlichen Belastungen, Risiken oder Heilungschancen führen können.« Dazu muss der Arzt die Alternativen allerdings erst einmal selbst kennen. Damit ist nicht nur die »alternative Medizin« gemeint, sondern eine individuelle Risikoabschätzung, das Abwägen der Standardempfehlung gegenüber anderen Impfkalendern sowie das Einholen einer Zweitmeinung. Auf diese von Ärzten oft misstrauisch beäugte Möglichkeit wird durch die Gesetzgebung ausdrücklich hingewiesen. Sich weiter und anderenorts zu informieren wird damit vom Misstrauensantrag zur Regel befördert, und das ist gut so. Bei konsequenter Anwendung und Verinnerlichung der Patientenrechtegesetzgebung kann der ärztlichen Selbstgerechtigkeit eine deutliche Grenze gesetzt werden, damit bei den Kindern und Eltern das Gefühl, ausgeliefert zu sein, dem einer vertrauensvollen Zusammenarbeit weicht.
Die Ausführung der Impfung – ganz praktisch
Wie gesagt: Impfung ist Körperverletzung. Mir selbst tut jeder »Pikser« weh, und ich bemühe mich schon allein deswegen, andere so wenig wie möglich zu »piksen«. Vor allem wenn mir die Kinder so vertrauensvoll in die Augen blicken: Ich schaue sie an – und füge ihnen willentlich und wissentlich Schmerzen zu. Das ist ein Vertrauensmissbrauch. Jetzt kann man das als Lehre für das Leben, als frühe Erfahrung der Alltagsrealität abtun: Die Menschen scheinen freundlich zu sein – und dann stechen sie zu. Aber damit allein kann man die Skrupel nicht überwinden. Ich muss schon sehr überzeugt sein von meiner Tat, um sie ungestraft und ohne Reue im Wissen um die Wohltätigkeit der Maßnahme vorzunehmen.
Zwei Pikser sind manchmal einer zu viel
Mehrere Impfungen an einem Termin vorzunehmen wird von der STIKO vorgeschlagen und scheint vom Prinzip her unbedenklich. Als impfender Arzt muss ich immer wieder feststellen: Einmal ist keinmal, aber zweimal ist einmal zu viel. Der erste Piks wird von Säuglingen meist nur mit Staunen wahrgenommen, der zweite tut dann richtig weh, weil die Schmerzwahrnehmung schon sensibilisiert ist. Dass man dann aber drei Impfungen an einem Termin vornehmen soll, wie bei der Einführung der Meningokokken-B-Impfung vorgeschlagen, kann ich vielleicht bei einem Studenten in der reisemedizinischen Beratung verstehen, nicht aber bei einem Säugling, auch wenn Kollegen in pharmafinanzierten Videos und Blogs das als gänzlich unbedenklich darstellen und propagieren.
Manchmal sind die Begründungen für zwei Pikser ganz absurd: Nachdem festgestellt wurde, dass der Vierfachimpfstoff Masern-Mumps-Röteln-Windpocken (MMRV) bei der Erstimpfung im Alter von elf bis vierzehn Monaten gehäuft fieberhafte Reaktionen und Fieberkrämpfe hervorruft, wurde vorgeschlagen, ihn separat zu impfen – aber nicht an verschiedenen Tagen, sondern an verschiedenen Stellen an einem Termin. Diese merkwürdige Strategie beseitigt nicht das Problem der gleichzeitigen Anwendung von vier Lebendimpfungen, ist aber zulassungsrechtlich abgesichert.
Sie können mit Ihrem Arzt besprechen, ob Sie nach dem Motto »Einmal ist keinmal« lieber pro Termin nur eine Impfung wünschen oder durch zwei oder mehrere Impfungen an einem Termin Arztbesuche sparen wollen.
Nach dem Impfen kommt das Trösten
So versuche ich zu erklären, auch schon bei den ganz Kleinen, dass es jetzt kurz wehtue und das notwendig und richtig sei und viel Leid erspare. Und dann müssen die Kinder getröstet werden.
Als wir formal ein Qualitätsmanagement (QM) in unserer Praxis einführen mussten, sprachen wir im Team über den Ablauf einer Impfung: von der Bestellung und Bevorratung der Impfstoffe über die Kühlschranktemperatur bis hin zur Entsorgung von Kanülen und Dokumentation der Chargennummern, um das Vorgehen verbindlich und schriftlich festzuhalten. Die QM-Beraterin fragte dann, was nach dem Impfen käme – und wollte hören: Kanülenabwurf, Eintrag in den Impfpass und so weiter. Aber ich sagte, nach dem Impfen komme das Trösten. Ungläubig schaute sie mich an und fragte, ob ich das ernst meine, was ich natürlich bejahte. Kopfschüttelnd vermerkte sie es in der Arbeitsanweisung und sagte, das sei ihr ja noch nie untergekommen. »Dann halt jetzt zum ersten Mal«, antwortete ich. Nach dem Impfen kommt das Trösten, und das kann manchmal, vor allem bei Säuglingen, der Arzt besser als die aufgeregte oder aufgelöste Mutter.
Es wird mit fortschreitendem Alter nicht leichter
Was Eltern, die zurückhaltend impfen wollen, nicht klar ist: Es wird nicht leichter mit fortschreitendem Großwerden. Kleinkinder kreischen, Kindergartenkinder weinen, Schulkinder verstecken sich, und die Jugendlichen kommen erst gar nicht. Letzteres war der Grund für die STIKO, die Hepatitis-B-Impfung mit der Grundimmunisierung zu kombinieren und gleich ins Säuglingsalter zu verlagern, obwohl hier die Infektionsgefahr minimal ist. Jugendliche kommen vielleicht einmal, aber dann nicht wieder zur Auffrischimpfung. Und die, die kommen, sind nicht die, die es nötig haben – das ist das große Problem der Jugendmedizin allgemein. Ich sage dann oft zu den Eltern, dass sie später froh sein werden für alles, was sie bereits hinter sich haben, denn je älter die Kinder werden, desto schwieriger wird es, ein Impfprogramm zeitgerecht durchzuführen. Während Säuglinge und Kleinkinder durch den straffen Vorsorgeplan häufiger gesehen werden, dünnen sich bei älteren Kindern die Gelegenheiten aus und versiegen schließlich ganz.
Subkutan oder intramuskulär
Es gibt Impfstoffe, die in den Muskel gespritzt werden müssen (intramuskulär), und andere, meist Lebendimpfstoffe, die unter die Haut injiziert werden (subkutan). Letztere sind weniger schmerzhaft, brennen manchmal, während intramuskuläre Injektionen, vor allem mit größeren Flüssigkeitsmengen, ordentlich schmerzen können. Manche Impfstoffe kommen außerdem mit fest eingebauten, viel zu dicken Kanülen daher. Oft lassen sie sich entfernen und durch dünnere ersetzen, manchmal sind sie fest ins Glas eingeschmolzen. Bei Säuglingen erfolgt die intramuskuläre Impfung in die seitliche Oberschenkelmuskulatur nach dem ersten Lebensjahr oder später, wenn die Oberarmmuskeln besser entwickelt sind, in den Deltamuskel des Oberarms. Subkutane Impfungen werden in der Regel ebenfalls am Oberarm vorgenommen, der gut zu fassen und zu halten ist. Das kann bei häufig vor Schreck wegzuckenden Kindern von großer Bedeutung sein. In den Po, den Gluteusmuskel, wird gar nicht mehr gespritzt, zu groß ist die Gefahr der Schädigung des Ischiasnervs. Mir ist es vor 25 Jahren noch passiert, dass Kinder, die ich ordnungsgemäß in den seitlichen Oberschenkelmuskel geimpft hatte und bei denen eine Lokalreaktion auftrat, notfallmäßig bei anderen Ärzten vorgestellt wurden, die den Injektionsort verständnislos bestaunten und kopfschüttelnd kommentierten. Auch heute noch sieht man auf meist von Agenturen aufgekauften Abbildungen in Fachzeitschriften, dass Kinder in den Po geimpft werden.
Kurz und schmerzlos
Nach der Erhebung der Vorgeschichte und des gegenwärtigen Gesundheitszustandes sowie einer orientierenden Untersuchung spielt sich die eigentliche Impfung wie folgt ab: Die Haut wird kurz durch einmaliges Abwischen mit einem getränkten Tupfer desinfiziert, dann etwas gespannt und gegenüber der darunterliegenden Muskelschicht verschoben, um nach dem Einstich und dem Loslassen den Stichkanal durch Übereinandergleiten der Gewebeschichten verschließen zu lassen. Grundsätzlich sollte man immer die dünnstmögliche Kanüle verwenden, auch damit der Impfstoff nicht durch den Stichkanal zurückfließt und unter die Haut gerät. Das Ganze sollte möglichst schnell gehen, Untersuchungen zufolge ist das am wenigsten belastend. Langsames und vorsichtiges Bohren oder Anziehen des Spritzenstempels, um auszuschließen, in einem Blutgefäß gelandet zu sein, sind eine unnötige Belastung.
Man wird die Impfstelle mit einem weiteren Tupfer abwischen und die Einstichstelle mit einem Pflaster schützen. Das ist nicht unbedingt nötig und dient eher dem Schutz der Wäsche bei einer kleinen nachfolgenden Blutung. Man kann auch die Einstichstelle fünf Minuten leicht massieren und auf ein Pflaster ganz verzichten. Ich rate in jedem Fall, das Pflaster bald wieder zu entfernen, damit keine Hautreaktionen beziehungsweise Pflasterallergien auftreten. Manchmal sieht man bei Schulkindern auch nach Wochen noch das Pflaster kleben, weil sie Angst vor dem Abziehen haben – und nicht selten erhebliche reaktive Hautveränderungen.
Nach der Impfung
Sie können den weiteren Alltag uneingeschränkt fortsetzen, Ihr Kind unbesorgt spielen und toben lassen, lediglich starke körperliche Belastungen sollten vermieden werden. So ist ein Marathonlauf sicher nicht indiziert, kommt aber in der Beratung auch nicht so häufig zur Sprache. Auch können die Kinder normal ihre Tageseinrichtung oder Schule besuchen. Lediglich bei Säuglingen nach der Sechsfachimpfung kann es vorkommen, dass es, meist nach sechs bis acht Stunden, relativ plötzlich zu einer Reaktion kommt, die sich durch Unruhe, unstillbares Schreien, Schwellung, Rötung und Übererwärmung des Beines, in seltenen Fällen auch durch Apathie und Reaktionslosigkeit äußern kann. Wissen die Eltern um diese Reaktion, werden sie nicht den Notarzt rufen oder eine Notaufnahme aufsuchen; es sollte Bestandteil der Impfaufklärung sein, auf diese möglichen Folgen hinzuweisen.
Die Behandlung besteht in Tröstung, Spazierengehen, Ablenken, Stillen und Auflage eines kühlen Umschlages bei örtlichen Beschwerden an der Impfstelle. Ruhe bewahren und dem Kind Halt geben sind die wichtigsten Ratschläge.
Die »Fieberzäpfchen«
Man sollte sie lieber »Schmerz-Fieberzäpfchen« nennen, denn die Wirkstoffe sind Schmerzmittel. Sie werden häufig empfohlen, manchmal sogar vorbeugend. Dazu ist zu sagen, dass sie zwar effektiv wirken, aber auch den Impferfolg schmälern können. So hat man weniger Reaktionen, doch auch weniger Wirkung. Ich rezeptiere im Vorfeld der Impfung ein solches Schmerz-Fieberzäpfchen mit dem Wirkstoff Paracetamol, 15 bis 25 Milligramm pro Kilogramm, oder Ibuprofen, 10 bis 15 Milligramm pro Kilogramm (also zum Beispiel 75-Milligramm-Paracetamol-Zäpfchen für etwa vier bis sechs Kilogramm schwere Säuglinge, darüber 125 Milligramm als einmalige Gabe), rate jedoch ausdrücklich, es nicht zu geben – es sei denn, die Eltern stehen kurz davor, den Notarzt zu rufen oder die Notaufnahme der Klinik aufzusuchen. Dieses Vorgehen hat sich sehr bewährt; denn wenn solch ein Medikament vorhanden ist, wissen die Eltern sich in der Sicherheit, es geben zu können, wenn es notwendig sein sollte. Ist es aber nicht vorhanden, und die Eltern suchen in der Not nachts um 23.00 Uhr die diensthabende Apotheke auf, wird es natürlich auch verabreicht – sonst wäre man ja umsonst gerannt. Das pure vorsorgliche Vorhandensein eines solchen Medikaments ist der beste Grund, es nicht geben zu müssen.
Die beste Tageszeit zum Impfen
Die Möglichkeit einer unvorhersehbaren Reaktion bei Säuglingen ist für mich der Grund, sie nur morgens und vielleicht nicht gerade an einem Freitag zu impfen, weil man dann den Tag noch vor sich hat und ich auch noch gut erreichbar bin, falls nach sechs, acht Stunden eine beunruhigende Reaktion eintreten sollte. Impft man dagegen um 17.00 Uhr, kommt es vielleicht um Mitternacht zu einer derartigen Komplikation, und nachts ist alles viel schlimmer als bei Tageslicht. Bei größeren Kindern ist der Impfzeitpunkt eher zu vernachlässigen. Schulkinder können natürlich auch am Nachmittag geimpft werden. Auch Lebendimpfungen wie etwa Masern-Mumps-Röteln können jederzeit verabreicht werden. Sie verursachen keine unmittelbare Reaktion, sondern eine kleine Erkrankung mit verkürzter Inkubationszeit nach fünf bis etwa zwölf Tagen. So kann man auch hier nicht von der Impfung an sich sprechen, sondern sollte genau differenzieren, von welcher und von welchem Alter gesprochen wird.
Wie funktioniert eine Impfung?
Eine Impfung ist eine Immunisierung
Allgemeines Ziel von Impfungen ist der Erwerb einer stabilen und dauerhaften Abwehr gegen Krankheitserreger. Der Organismus soll gegen sie Immunität erwerben, sie unschädlich machen und beseitigen. Das ist Aufgabe des Immunsystems. Setzt es sich mit körperfremden Eiweißbausteinen auseinander – mit sogenannten Antigenen, wie sie Krankheitserreger und ihre Bestandteile enthalten –, kann es sie entweder tolerieren oder als ihm feindlich gesinnt erkennen und bekämpfen.
Dazu stehen ihm allgemeine und spezielle Abwehrfunktionen zur Verfügung. Die speziellen haben eine Gedächtnisfunktion. Ziel einer Immunisierung ist, dieses Gedächtnis zu erzeugen, zum einen durch die Bildung von Antikörpern, Eiweißen, die Fremdsubstanzen (Antigene) erkennen und unschädlich machen, oder durch Blutzellen, weiße Blutkörperchen (T-Lymphozyten), die die Erreger beseitigen. Die Fähigkeit eines solchen immunologischen Gedächtnisses ist die Voraussetzung für die Schutzwirkung bei einem erneuten Kontakt mit dem Erreger. Es muss allerdings von jedem Menschen neu erworben werden und wird nicht vererbt. Lediglich das Neugeborene ist in den ersten Monaten durch mütterliche Antikörper noch gefeit, es hat einen »Nestschutz«. Aber es gibt auch eine Art kollektives immunologisches Gedächtnis gegenüber bestimmten Seuchen. So haben die Masern bei ihrem ersten Auftreten in einer Bevölkerungsgruppe diese fast ausgelöscht, während sie in daran gewöhnten Populationen recht harmlos verlaufen. Der einstmals so gefürchtete Scharlach verläuft zurzeit sehr mild, und auch die sogenannte Schweinegrippe hat, bedingt durch die Immunisierung durch frühere, ähnliche Epidemien, nicht wie befürchtet gewütet.
Wie eine Schutzwirkung gegen Krankheiten erzielt werden kann, was das Immunsystem bekämpfen oder tolerieren muss, ohne aktiv zu werden, ist für den Organismus keine einfache Aufgabe. Das Problem liegt darin, dass der Körper ja nur fremde Stoffe, nicht aber sich selbst als fremd erkennen und bekämpfen soll. Haben Krankheitserreger oder Impfstoffe antigen wirkende Bestandteile, die auch der Organismus enthält, kann das Immunsystem die Abwehr auch gegen körpereigene Antigene richten. Der Körper bekämpft sich selbst, und so entstehen die heute sich immer mehr ausbreitenden Autoimmunerkrankungen (siehe Kapitel »Impfungen und Autoimmunität«).
Die Lebendimpfung
Bei einer Lebendimpfung setzt man den Organismus einem abgeschwächten Erreger aus, der gezähmt, »attenuiert« oder dem ursprünglichen Krankheitserreger verwandt ist. Diese Impfungen mit lebenden, vermehrungsfähigen Erregern nennt man »Lebendimpfungen«, etwa die Masernimpfung. Sie werden recht schmerzarm unter die Haut (subkutan) gespritzt und verursachen selten Brennen oder schmerzhafte örtliche Reaktionen. Allgemeinsymptome treten nach einer solchen Impfung nicht unmittelbar, sondern erst nach einer gegenüber der Wildinfektion meist verkürzten Inkubationszeit auf und entsprechen einem sehr milden Verlauf der Krankheit, vor der man schützen möchte.
Theoretisch reicht eine Impfung aus, in der Regel werden Lebendimpfungen aber zweimal gegeben, falls die erste nicht »angegangen« ist. Dies kann mehrere Gründe haben, die am Impfstoff oder an der Abwehrlage des Organismus liegen können. Feste Impfabstände sind hier nicht vorgeschrieben, eine Ergänzungsimpfung sollte aber frühestens nach vier Wochen erfolgen. Lebendimpfungen können nicht »überimpft« werden. Ist der Organismus bereits immun, wird das Immunsystem lediglich erinnert und wehrt die Erreger ab. Aus diesem Grunde können Lebendimpfungen in Impfstoffkombinationen auch dann verabreicht werden, wenn eine der vorzubeugenden Krankheiten schon durchgemacht wurde, also zum Beispiel Röteln bei einer notwendigen Masern-Mumps-Röteln-Impfung.
Lebendimpfungen dürfen bei immungeschwächten Patienten nicht eingesetzt werden, da die abgeschwächten Erreger sich bei ihnen unkontrolliert vermehren und zu schwereren Krankheitsbildern führen können. Auch in der Schwangerschaft sind sie kontraindiziert. Lebendimpfungen, die unter Umgehung des natürlichen Infektionsweges gespritzt werden, gelten als nicht ansteckend. Kontaktpersonen, auch Schwangere, sind nicht gefährdet.
Bei Neugeborenen und Säuglingen sind Lebendimpfungen nicht anzuwenden, weil die mütterliche Leihimmunität die gewünschte Auseinandersetzung des Organismus mit den abgeschwächten Erregern verhindert. Die Abwehrfunktion eines Säuglings hängt von der Immunitätslage der Mutter ab, dem Nestschutz. Der kann äußerst effektiv sein, etwa bei Masern, wenn die Mutter selbst noch die Krankheit durchgemacht hat, oder sehr schwach, zum Beispiel bei Windpocken.
Totimpfstoffe
Eine weitere Möglichkeit, eine Immunität zu erzeugen, besteht darin, diejenigen Erregerbestandteile zu injizieren, die für das Immunsystem eine eindeutige Erkennungs- und damit Bekämpfungsmöglichkeit bieten. Diese nennt man »Antigene«, und sie sind nicht vermehrungsfähig. Es kann sich dabei um Giftstoffe (Toxine) handeln, die der Erreger produziert, etwa bei Tetanus oder Diphtherie, oder abgetötete, inaktivierte Erreger oder Teile des Erregers. Die Kunst besteht darin, dass einerseits das Immunsystem diese fremden Antigene nicht einfach toleriert und keine Abwehr aufbaut, auf der anderen Seite diese Antigene keine Ähnlichkeit mit körpereigenen Eiweißen haben dürfen, damit die Abwehr sich nicht gegen den eigenen Körper richtet. Manchmal müssen Antigene für das Immunsystem erst erkennbar gemacht werden, indem sie an andere, stärker immunisierende Substanzen angehängt werden (Konjugatimpfstoffe).