Maximilian aus dem Spiegel - Thomas Ziebula - E-Book

Maximilian aus dem Spiegel E-Book

Thomas Ziebula

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Beschreibung

Der Umfang dieses Buchs entspricht 163 Taschenbuchseiten.

Max Kasimir, neun Jahre alt und ein wenig schüchtern, ist ein ganz normaler, unauffälliger Junge. Damit ist es vorbei, als eines Abends sein Spiegelbild aus dem Spiegel steigt. Das nennt sich Maximilian, gleicht Max selbstverständlich bis aufs Haar und mischt sich unverschämter Weise in Max' Leben ein: sagt dem Nachbarn die Meinung, streitet mit dem Vater, schreibt Liebesbriefe, protestiert gegen die Bebauung einer schönen Weiherwiese. Kurz: Maximilian aus dem Spiegel traut sich all das, was Max niemals zu tun wagen würde. Als er endlich wieder in seiner Spiegelwelt verschwindet, ist Max ein anderer geworden.

Eine spannende und zugleich witzige Geschichte für junge Leser ab 9 Jahren, in der Kinder zusammenhalten, Tiere eine gute Figur machen und Erwachsene manchmal ziemlich alt aussehen.

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Thomas Ziebula

Maximilian aus dem Spiegel

Cassiopeiapress Junior

BookRix GmbH & Co. KG81371 München

Maximilian aus dem Spiegel

von Thomas Ziebula

 

Der Umfang dieses Buchs entspricht 163 Taschenbuchseiten.

 

Max Kasimir, neun Jahre alt und ein wenig schüchtern, ist ein ganz normaler, unauffälliger Junge. Damit ist es vorbei, als eines Abends sein Spiegelbild aus dem Spiegel steigt. Das nennt sich Maximilian, gleicht Max selbstverständlich bis aufs Haar und mischt sich unverschämter Weise in Max' Leben ein: sagt dem Nachbarn die Meinung, streitet mit dem Vater, schreibt Liebesbriefe, protestiert gegen die Bebauung einer schönen Weiherwiese. Kurz: Maximilian aus dem Spiegel traut sich all das, was Max niemals zu tun wagen würde. Als er endlich wieder in seiner Spiegelwelt verschwindet, ist Max ein anderer geworden.

Eine spannende und zugleich witzige Geschichte für junge Leser ab 9 Jahren, in der Kinder zusammenhalten, Tiere eine gute Figur machen und Erwachsene manchmal ziemlich alt aussehen.

 

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

© by Author

© dieser Ausgabe 2015 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

www.AlfredBekker.de

[email protected]

Coverillustration: Coco Ruch

Coverlayout: Sabine Strauß

Der Kerl aus dem Spiegel

Die Geschichte von Max und Maximilian begann vor einem alten, ovalen Spiegel. Frau Kasimir, Max’ Mutter, hatte ihn von ihrer Großmutter geerbt. Ein dunkelbrauner, wulstiger Holzrahmen umgab ihn. Und groß war er, beinahe so groß wie Max. Und Max war damals der Zweitgrößte in seiner Klasse.

Dieser Spiegel hatte es in sich. Das hatte man ihm wirklich nicht angesehen, bevor die Geschichte losging. Ganz harmlos hing er über dem Waschbecken in Max’ Zimmer an der Wand. Jahrelang, und nie stieg da irgendetwas oder irgendeiner heraus. Nie! Bis zu dem Abend nach diesem verkorksten Tag, an dem Max vor seinem Großmutterspiegel stand und wie ein Wilder seine Zähne scheuerte. Da passierte es. Erst der verkorkste Tag, dann der Wutspruch aus Zahnpasta, dann der Berta-Traum, und dann der Kerl aus dem Spiegel.

Doch der Reihe nach. Max putzte also seine Zähne. Die weiße Zahncremespucke spritzte nach allen Richtungen. Bis ins Terrarium zu den Molchen und dem neuen Frosch, der dicken Berta.

Mit der Faust umklammerte Max die Zahnbürste. Er stocherte und scheuerte, als gelte es, Hals und Gehirn gleich mit zu putzen. Sein blondes, strähniges Haar flog ihm bei jeder Bürsten-Bewegung um die knallroten Ohren. Fünf Minuten ging das schon so.

Aus verheulten Augen starrte er in die verheulten Augen seines Spiegelbildes. Plötzlich riss er die Zahnbürste aus dem Mund, spuckte ins Waschbecken und schnitt seinem Spiegelbild eine böse Grimasse. Heulen musste er nicht mehr, nein. Aber im Bauch spürte er sie noch, die Wut. Wie ein heißes stachliges Tier kroch sie in Max’ Magen herum. Und Wutbilder schwirrten in seinem Kopf hin und her wie angriffslustige Wespen.

Plötzlich schossen die Wutbilder aus Max’ Kopf in seinen Arm hinunter und das heiße Stacheltier stieg aus seinem Bauch herauf. Höher und immer höher, bis sich beide in Max’ Finger trafen. Der Finger musste in die weiße Zahncremespucke eintauchen. Der Finger musste an den verspritzten Spiegel schreiben:

ERWACHSENE SIND BLÖD

"Blöd, jawohl, saublöd!" Grimmig und fast ein wenig zufrieden buchstabierte er seinen Wutspruch. "Sogar die Frau Kreuzbein ist blöd!" Genau! Ihretwegen war dieser Tag von Anfang versaut gewesen.

Frau Kreuzbein war Max’ Lehrerin. Eine sehr gute Lehrerin, sagte seine Mutter oft. "Ein bisschen alternativ angehaucht. Aber keine schlechte Lehrerin", antwortete sein Vater dann meistens. Mochte ja sein. Aber eine gute Meckertante war sie leider auch.

Heute hatte sie Max angemeckert. Sehr laut und ganz zu unrecht. Das kam so:

Emily und Lisa – beide saßen neben Max – wollten ihm mal wieder irgendetwas Wichtiges zuflüstern, während Frau Kreuzbein gerade an die Tafel schrieb, was 100 mal 50 ist.

Normalerweise ließ sich Max ganz gerne etwas zuflüstern. Besonders von Lisa. Die hatte er nämlich gern. Außerordentlich gern sogar. Und ich kann ihn verstehen: Richtig süß sah sie aus mit ihren dunklen Zöpfen und ihren großen, braunen Augen. Doch jetzt gerade war Max gespannt auf die Rechenaufgabe.

"Psst!", zischte er also die beiden Quasseltanten an, "seid mal ruhig!" Genau in dem Augenblick drehte sich Frau Kreuzbein um und guckte ihn ganz beleidigt an. So wie sie einen immer anguckt, bevor sie meckert. Doch sie meckerte noch nicht, sondern wandte sich wieder der Tafel zu und begann einen Fünfzigeuroschein zu zeichnen.

Zwar hielten Emily und Lisa nun ihre Plappermäuler, aber sie dachten gar nicht daran, Max all ihre wichtigen Sachen zu verschweigen. Sie schrieben kleine Briefchen. Jonas ist in Emily verknallt, Kommst du heute zu mir?, Mein Wellensittich ist krank, und lauter solches Zeug.

Max aber wollte unbedingt auf Frau Kreuzbein achtgeben, die gerade einen Fünfhunderteuroschein an die Tafel malte. Immerhin gehörte er mit Jonas und Marco zu den drei besten Rechnern der dritten Klasse. Er war es sich sozusagen schuldig aufzupassen. Darum nahm er einen Zettel und wollte an Emily schreiben: Dein blöder Wellensittich interessiert mich nicht.

Gerade, als er geschrieben hatte: Dein blöder Welensittich indresiert mich, drehte sich Frau Kreuzbein wieder um. Obwohl sie mit dem Fünfhunderteuroschein noch gar nicht fertig war. Sie schoss auf Max zu, riss ihm das Briefchen unter dem Bleistift weg und schimpfte so laut und so lange, dass Max allen Mut verlor sich zu verteidigen.

Den fand er erst nach der Schule wieder, zu Hause im Hof. Dort holte er nämlich seine Malkreide aus dem Schuppen und malte eine Ziege mit weit offenem Maul auf die Buntsandsteinplatten vor dem Hintereingang. Unter die Ziege schrieb er: Frau Kreuzbein ist eine ... Weiter kam er nicht. Denn mittlerweile war das Auto von Herrn Rockinger in den Hof gefahren.

"Genau, Herr Rockinger, der ist noch viel blöder!" Max malte ein großes Ausrufezeichen auf den Spiegel. Er war nun überzeugt, dass allein der Rockinger schuld war an diesem unglückseligen Tag.

Herr Rockinger war pensionierter Schulrektor. Deswegen hatte er wohl so schnell kapiert, was Max’ Zeichnung bedeuten sollte. Seit drei Jahren gab er keinen Unterricht mehr. Stattdessen tat er den ganzen Tag lang das, wofür er vorher nur einen halben Tag lang Zeit gehabt hatte: Schach spielen, seinen Hund dressieren und stellvertretender Bürgermeister sein.

Herr Rockinger war genau in dem Jahr pensioniert worden, als Max in die Schule kam. Das war so ziemlich das einzige, was Max an ihm sympathisch fand. Außer seiner Schäferhündin Asta natürlich. Zu allem Überfluss wohnten die Rockingers direkt unter Kasimirs.

Herr Rockinger fuhr also mit seinem silbergrauen Auto in den Hof, ließ die arme Asta aus dem Kofferraum und stand nun hinter Max. Der war völlig vertieft in sein Werk. Erst als er schreiben wollte eine sehr gute Meckerziege, bemerkte er Herrn Rockinger hinter sich.

"Unverschämtheit! Respektlose Schmiererei! Wegwischen, augenblicklich!"

Während Herr Rockinger sich eine Zigarette anzündete, musste Max Wasser vom Gartenschlauch und einen Lumpen vom Schuppen holen und seine schöne Ziege abschrubben. Er biss dabei die Zähne zusammen und sagte kein Wort, obwohl ihm tausend Worte durch den Kopf blitzten. Sehr hässliche Worte.

Aus den Augenwinkeln sah er den Rockinger über sich stehen: Steinerne Miene und so steif und gerade, als hätte er ein Lineal verschluckt.

Als Max nur noch die Worte ist eine abzuwaschen hatte, wandte sich Herr Rockinger ab und stolzierte zum Hauseingang. Asta zog er hinter sich her. Er öffnete die Haustüre und befestigte sie mit dem Haken an der Wand des Treppenhauses, denn es war warm. Er hatte eben die erste Stufe der Treppe genommen, da geschah es.

Max wollte es gar nicht sagen, wirklich nicht. Aber hütet mal tausend wütende Worte, die alle aus dem Kopf wollen. Da kommt es schon mal vor, dass eins auf die Zunge springt und herausschlüpft.

"Idiot!", stieß Max hervor. Jawohl: Idiot.

Herr Rockinger blieb wie festgefroren stehen. Als hätte er vergessen, wie man den Fuß auf die nächste Treppenstufe setzt. Ganz starr. Dann drehte er sich sehr langsam um. Aus zusammen gekniffenen Augen starrte er Max an. Asta war inzwischen schon die Treppe hochgelaufen und zerrte an ihrem Rockinger. Der erwachte schließlich aus seiner Erstarrung, wandte sich ruckartig von Max ab und stach die Treppen hinauf. So zackig, wie Max ihn selten hatte laufen sehen. Immerhin war Herr Rockinger fast sechzig und angeblich herzkrank. Jedenfalls sagte Max’ Vater das. Seine Mutter allerdings hielt es für ein Gerücht.

Niemals würde Herr Rockinger irgendwo beim Mittagessen stören. Doch ihr könnt euch sicher denken, wer gleich nach der Mittagsruhe, schlag drei Uhr, an Kasimirs Wohnungstür klingelte.

Max saß gerade auf dem Klo, doch der Wortschwall, mit dem Herr Rockinger seine Mutter über die Missetat ihres Herrn Sohn in Kenntnis setzte, hätte Max selbst bei laufender Klospülung verstanden.

Selbstverständlich verließ Max die Toilette nicht, bevor er sicher sein konnte, dass der Rockinger wieder abgezogen und seine Mutter in der Küche verschwunden war. Eigentlich wollte er leise in sein Zimmer schleichen, aber ihr wisst ja, wie das mit Müttern ist. Sie kriegen alles mit. Vor allem das, was sie besser nicht mitkriegen sollten. Frau Kasimir öffnete die Küchentür, sah ihren Sohn mit hochgezogenen Augenbrauen an und atmete tief und geräuschvoll durch die Nase. "Musste das sein?", seufzte sie.

Herr Kasimir machte ein fürchterliches Theater, als er nach Hause kam und von der Sache erfuhr. Er zitierte Max in die Küche und tobte und schrie so verrückt, dass selbst Frau Kreuzbein noch etwas hätte lernen können.

Dazu muss man wissen, dass Herr Kasimir und Herr Rockinger im selben Schachclub spielten. Herr Rockinger als Vorsitzender und Herr Kasimir als Kassierer. Und man sollte vielleicht noch wissen, dass Max’ Vater einen stellvertretenden Bürgermeister, nun wie soll ich sagen, irgendwie besonders fand.

Jedenfalls verlangte Herr Kasimir, dass Max sich bei Herrn Rockinger entschuldigte und verhängte für den Rest des Tages Hausarrest über seinen Sohn.

"Mist! Warum muss man Eltern haben? Warum?" Der wahre Schuldige an seiner Wut war sein Vater. Jetzt stand es fest.

Verzweifelt blickte Max zu Berta hinunter. Unbeweglich saß sie am Tümpelrand des Terrariums. Gestern erst hatten sie den großen Grasfrosch gefangen. Max, sein Vater und Friedel, Max’ großer Bruder. Das war ein Spaß! Sein Vater, der doch sonst nur im Schachclub oder vor dem Fernseher hockte – gestern hatte er sich den ganzen Sonntag für seine beiden Jungen Zeit genommen.

Aber heute war Montag. Heute hatte er sich blöd benommen. Saublöd. Man sollte ihm Berta unter die Bettdecke stecken. Heute Nacht, im tiefsten Schlaf!

Seufzend stieg Max in sein Bett und beschloss, stattdessen wegzulaufen. Genau, abhauen würde er. Seine Mutter würde heulen, "mein liebes Mäxchen, komm doch zurück". Sein Vater würde händeringend in der Wohnung hin- und herlaufen, alle Leute anrufen. Sogar die Polizei. Schließlich würde er eine Entschuldigung im BACHBOTEN drucken lassen:

Ich war so doof zu dir, mein lieber, kleiner Max und es tut mir so leid und komme bitte, bitte zurück.

Und über seiner Entschuldigung würde ganz schwarz und dick stehen: "Ungerecht behandelter Junge verlässt seine Eltern". Ja, genau so würde es sein. Grimmige Freude verdrängte das stachlige Wuttier aus Max’ Bauch. Er schlief ein. Und träumte.

Im Traum stand Max vor dem Terrarium und betrachtete zufrieden seinen neuen Frosch. Die fette Berta glotzte ihn reglos an. Und plötzlich spürte er es wieder: Das stachelige Wuttier. Heiß und wild rumorte es in seinem Bauch herum. Berta fing an zu wachsen. Max’ Zufriedenheit steigerte sich zu grimmigem Vergnügen. Laut lachend stieß er einen Kampfschrei aus, nahm Berta, die inzwischen so groß wie ein junges Kätzchen war, aus dem Terrarium und schlich ins Schlafzimmer seiner Eltern. Dort steckte er sie seinem Vater unter die Bettdecke. Direkt auf den Bauch. Sie hatte jetzt die Größe einer ausgewachsenen Katze. Grinsend blieb Max stehen und wartete. Sein Vater räkelte sich, zuckte, zuckte stärker, riss sich die Bettdecke vom Körper und fuhr hoch. Berta, inzwischen gut halb so groß wie Asta, saß auf seinen Oberschenkeln, klappte ihr riesiges Froschmaul auf und zu und glotzte ihn gelangweilt an. Max prustete los vor Lachen. Blitzartig sprang sein Vater aus dem Bett und brüllte: "Du unverschämter Bengel, na warte!"

Doch als er sich eben bedrohlich vor Max aufgebaut hatte, fing dieser an zu wachsen. Wuchs und wuchs, bis er so groß war, dass ihm sein Vater nur noch bis zum Bauchnabel reichte. Fassungslos blickte der zu seinem Sohn herauf.

Jetzt war auch seine Mutter aufgewacht. Sie streichelte Berta und lächelte Max fröhlich zu. Der stemmte seine Hände in die Hüften, sah seinen Vater streng an und schimpfte los: "Und nun, mein lieber Herr Papa werde ich dir mal was sagen. Was fällt dir eigentlich ein, nach Hause zu kommen und mit deinen armen Kindern zu schreien? Du weißt doch überhaupt nicht, was sie erlebt haben an so einem versauten Tag? Ergreifst einfach Partei für den Rockinger, diesen Idioten! Nur weil du Angst vor einem Streit mit ihm hast! Statt ihm zu verbieten mit deinem kleinen Sohn zu meckern! Pfui Teufel! Und damit du's weißt – niemals werde ich mich bei ihm entschuldigen ..."

Sein Vater konnte ihm schon nicht mehr in die Augen gucken. Er senkte betreten den Blick, wahrscheinlich fühlte er sich schuldig. Das gefiel Max ziemlich gut und er wollte weiterschimpfen. Doch plötzlich hüpfte Berta mit einem weiten Satz vom Bett auf den Nachttisch. Die Nachttischlampe fiel auf den Boden, und von dem Geschepper wachte Max auf.

Obwohl der Traum zu Ende war, schepperte es weiter. Max rieb sich die Augen und lauschte.

Es kam vom Waschbecken. Als wäre der Zahnbecher von der Konsole gefallen. Jetzt schlugen mehrere Gegenstände dumpf auf den Teppichboden auf. Die Seife? Die Handbürste? Nun war es Max, der erschrocken im Bett hochfuhr. Im Mondlicht konnte er mühelos die Umrisse der Möbel im Zimmer erkennen. Auch das Waschbecken. Was er dort sah, ließ seinen Atem stocken: Einer stieg aus dem Spiegel. Ja, aus dem Spiegel.

Der Kerl stand schon mit dem linken Bein im Waschbecken. Mit beiden Händen hielt er sich am Holzrahmen des Großmutterspiegels fest und zog sein rechtes Bein heraus. Er drehte sich um, kletterte vorsichtig aus dem Waschbecken und sah zu Max. Wirklich, er sah zu Max, der, wie gesagt, starr und kerzengerade in seinem Bett saß!

Die Haare standen Max zu Berge und ein Eisschauer nach dem anderen rieselte seinen Rücken hinunter.

Jetzt kam der Kerl auf ihn zu. Es war ein Junge, nicht größer als er. Direkt vor Max’ Bett blieb er stehen, steckte beide Hände in die Hosentaschen und – grinste. Jawohl, er grinste! Max konnte es deutlich erkennen.

Wenn einer grinst, kann er schon kein Monster oder Einbrecher sein. Ein Vampir vielleicht? Max’ Augen suchten den grinsenden Mund des Jungen nach Vampirzähnen ab. Aber er konnte keine erkennen. Nur eine große Zahnlücke rechts oben. Genau wie bei ihm selbst.

Der Schrecken in Max’ Gliedern verflog allmählich. Er staunte nur noch. Der Kerl aus dem Spiegel drehte sich um und ging zur Tür. Max saß noch immer im Bett und starrte zur Tür, als der Kerl längst weg war. Nanu? Schritte im Hof? Sofort war Max am Fenster. Im Mondlicht erkannte er den Jungen aus dem Spiegel. Der winkte ihm zu und schlich durch den Hof in den Nachbargarten. Dort hatten Hallers, die neuen Nachbarn, erst vor kurzem einen Gartenteich angelegt.

Bald tauchte die Gestalt des Jungen wieder zwischen den Büschen auf. Er huschte über den Hof zurück ins Haus.

Max huschte zur Tür und öffnete sie leise. Irgendwas hatte der Kerl in der Hand gehalten. Da schob sich sein Schatten auch schon zur Wohnungstür herein. Leichtfüßig lief er über den Flur, die gewölbten Hände aufeinander gepresst, als würde er einen zerbrechlichen Schatz oder einen jungen Vogel darin bergen. Statt zurück in Max’ Zimmer zu kommen, verschwand er im Schlafzimmer seiner Eltern.

Max hielt den Atem an. Was hatte der Kerl dort verloren? Im selben Augenblick kam er schon wieder heraus, schloss leise die Schlafzimmertür, sprang auf Max zu, schob ihn ins Zimmer und zischte: "Schnell, ins Bett!"

Max gehorchte widerspruchslos, so überrascht war er. Als er sich die Bettdecke über den Bauch zog, sah er im Mondlicht die Gestalt des rätselhaften Jungen aufs Waschbecken und dann in den Spiegel steigen.

Auf seine Ellenbogen gestützt, beobachtete Max durch das Dämmerlicht hindurch das Waschbecken. Nichts rührte sich mehr. Der Kerl war weg. Max konnte keinen klaren Gedanken fassen. Völlig durcheinander blinzelte er zum Spiegel.

Ein Schrei! Aus dem Schlafzimmer? Da - noch einer und wie laut! Die Stimme seines Vaters. Dann ein Poltern und Schimpfen, so heftig wie gestern, als er wegen Herrn Rockingers Beschwerde herumtobte. Jetzt ging die Schlafzimmertür auf. "Verdammte Sauerei! Dieser elende Rotzbengel! Na warte!"

Schnell ließ Max sich ins Kopfkissen fallen, zog die Decke über sein Gesicht und stellte sich schlafend. Sein Herz pochte bis zum Hals. Schon wurde seine Zimmertür aufgerissen. Licht ging an und sein Vater stürzte herein. "Maximilian!"

Oh weh, Maximilian. So nannte sein Vater ihn nur, wenn er ganz besonders sauer war.

"Jetzt stellt er sich auch noch schlafend! So eine Frechheit hätte ich mir meinem Vater gegenüber nie erlaubt!"

Herr Kasimir schrie so laut, dass vermutlich sogar der schwerhörige Herr Meier im Erdgeschoß davon aufwachte. Max spürte, wie ihm die Decke weggezogen wurde. Es blieb ihm gar nichts anderes übrig, als die Augen zu öffnen. Groß und bedrohlich ragte sein Vater am Bettrand auf.

Max blinzelte zu ihm hinauf. Au weia – die Adern an seinem Hals waren geschwollen, er kochte vor Wut. Und hörte gar nicht mehr auf zu brüllen. Ständig wedelte er mit der rechten Hand vor Max’ Nase herum. Und als Max genau hinschaute, war ihm alles klar: Sein Vater hielt einen dicken Grasfrosch in der Hand.

"Paul, es ist mitten in der Nacht! Du weckst noch das ganze Haus auf!" Max’ Mutter stand mit verstrubbelten Haaren im Türrahmen.

"Ich möchte dich mal erleben, wenn deine Söhne dir Frösche ins Bett stecken!" Herr Kasimir schimpfte schon eine Spur leiser. "Den ganzen Sonntagvormittag habe ich mir um die Ohren gehauen, um ihm diesen Dingsbumsfrosch, diesen Grasfrosch zu fangen!" Er warf einen finsteren Blick auf den sprachlosen Max, dessen Augen voller Staunen zwischen dem Frosch und dem Gesicht seines Vaters hin und her wanderten. "Und jetzt überfällt er mich damit im Schlaf! Undankbare Brut!"

Schimpfend schlurfte Herr Kasimir zum Terrarium. Er öffnete es und wollte gerade den Frosch einsetzen, da stutzte er. Er starrte auf die dicke Berta, dann auf den Grasfrosch in seiner Hand, dann wieder zu Berta. Frau Kasimir ging zu ihm und beugte sich über das Terrarium.

"Ich war das nicht, Papa, ehrlich." Die Eltern schauten ungläubig zu ihrem Max. "Ich war das nicht, ich schwör's", beteuerte der noch einmal mit belegter Stimme.

Misstrauisch untersuchte Herr Kasimir Max’ Hausschuhe nach Gras und seine Hände nach Feuchtigkeit. "Wir sprechen uns morgen", knurrte er, als er keinen Beweis für Max’ Schuld fand. Brummend zog er ab.

Bevor Max’ Mutter das Licht ausmachte, warf sie ihrem Sohn mit hochgezogenen Augenbrauen einen kritischen Blick zu. "Ich war's wirklich nicht", murmelte Max und zog sich die Decke über die Schultern. "Gute Nacht." Sie löschte das Licht und ging.

Ärger im Schulbus

Max hatte schlecht geschlafen. Lange war er wach gelegen und hatte nicht aufhören können, seine verwirrten Gedanken zu denken. Das wäre euch an seiner Stelle wohl genauso gegangen. Jedem wäre das so gegangen.

Er betrat die Küche. Sein Bruder und sein Vater stritten sich. Aus dem Radio auf der Kommode tönte wie jeden Morgen klassische Musik, ein Flötenkonzert. "Du glaubst doch nicht im Ernst, dass ich dir einen Frosch ins Bett stecken würde!“ Friedel tat entrüstet. „Das wäre ja Tierquälerei!"

Herr Kasimir setzte seine Kaffeetasse so heftig ab, dass es klirrte. Der Kaffee schwappte über. Frau Kasimir zog die Augenbrauen hoch. "Wirklich sehr witzig, Friedel."

Durch seine runde Nickelbrille zwinkerte Friedel seinem kleinen Bruder zu. Seine klugen, braunen Augen lachten. Die dunklen, struppigen Locken standen wirr nach allen Seiten ab. Max nahm schweigend Platz und begann, sich ein Brot zu schmieren. "Guten Morgen, Max", lächelte seine Mutter ihn an, Gott sei Dank!

"Morgen, Mama."

Nachdem alle eine Weile wortlos vor sich hin gekaut hatten, räusperte sich Herr Kasimir. "Hast du mir nichts zu sagen, Maximilian?" Au weia, „Maximilian“ – wie das schon klang. Als würde er vor Gericht stehen. Max sah seinen Vater an. Blass war der und dunkle Ringe hatte er unter den Augen. Vermutlich hatte er genauso schlecht geschlafen wie Max selbst.

"Ich frage dich, Maximilian, hast du mir etwas zu sagen?"