Mein holpriges Leben, einige Missgeschicke, und wie ich schließlich die große Liebe fand - Gerhard Krumschnabel - E-Book

Mein holpriges Leben, einige Missgeschicke, und wie ich schließlich die große Liebe fand E-Book

Gerhard Krumschnabel

0,0

Beschreibung

Mein Name ist Bruno. Ich liebe Regina und Regina liebt mich, doch sie weiß es noch nicht. Aber ich bin entschlossen, sie davon zu überzeugen und wenn Sie meine Lebensgeschichte kennenlernen, mit all den Missgeschicken, denen ich dabei begegnete, werden Sie verstehen, dass ich ein Nein nicht einfach hinnehmen werde.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 207

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Gewidmet meinen Geschwistern, wie schön, dass es uns alle immer noch gibt.

You Can´t Always Get What You Want.M. Jagger/K. Richards

Dieses Leben scheint unerträglich, ein anderes unerreichbar.F. Kafka

Inhalt

Verstörung

Bruno

Kontakt (mein eingebildeter Mord)

Schule des Lebens (Ein Kind)

Der Großvater

Mein erstes Missgeschick (eine Freundschaft)

Auf der Erde und in der Hölle

Emma

Der Schein trügt

Holzfällen

Die Königin

Die Ursache – eine Andeutung

Zwischenspiel

Die Billigesser

Die Rosen der Einöde

Die Annäherung

Konkurrenten

Unter dem Eisen des Mondes (mein erster Mord)

Ciorbă de burtă

Rache – ein Nachlass

Albert

Korrektur

Auslöschung (mein zweiter Mord)

Frost

Ein Kind

Ungenach (mein dritter Mord)

Ja

Das Duell der Selbstmörder

Beton

Der Untergeher

Die Kälte. Eine Isolation

Der Atem. Eine Entscheidung

Verstörung

Ich war etwas früher gekommen und wartete bereits eine knappe halbe Stunde, als sie endlich am Ausgang erschien. Ich hatte mich auf der anderen Seite der Straße postiert, so dass sie mir nicht gleich am Eingang in die Arme laufen würde, – das hielt ich für zu forsch, zu aufdringlich, schließlich würde sie mich ja nicht erwarten – aber ich stand doch so, dass sie mich unweigerlich entdecken müsste, noch kurz Zeit hätte, sich zu sammeln, und, so hoffte ich wenigstens, ihre Freude zu zeigen, ehe sie auf mich zukommen würde. Die ganze Zeit über hatte ich konzentriert das Portal im Auge gehabt, um ihr nur ja im entscheidenden Moment mein Lächeln schenken zu können und keinesfalls, gerade woandershin blickend, wie nur zufällig anwesend zu wirken. Das war mir gar nicht so leicht gefallen angesichts der zahlreichen jungen Krankenschwestern und Ärztinnen, die ständig mein Gesichtsfeld kreuzten, viele davon durchaus reizvoll in ihren engen weißen oder blauen Hosen und Oberteilen. Und auch in anderer Hinsicht bietet ein Krankenhaus zahlreiche Möglichkeiten der Ablenkung, scheint als Ort prädestiniert für die Aufführung kleiner Dramen, sowohl im Inneren als auch in seinem äußeren Umfeld. So konnte ich beobachten, wie ein älterer Mann im weißen Kittel aus dem Gebäude kam, die Hände in die Taschen gesteckt, und sich mit schnellen Schritten vom Eingang entfernte, offenbar auf ein Nachbargebäude zusteuernd. Nur wenige Sekunden später trat ein junger Mann in Straßenkleidung durch die Tür, blickte sich suchend um, entdeckte den ersten Mann und eilte ihm etwas Unverständliches rufend hinterher. Nachdem er ihn rasch eingeholt hatte, riss er ihn am Kittel, worauf sich der ältere Mann ihm zuwandte und die beiden miteinander redeten, der junge Mann aufgeregt gestikulierend, der ältere abwechselnd nickend und verneinend den Kopf schüttelnd. Dann drehte sich der ältere Mann, den ich nunmehr für einen Arzt zu halten begann, wieder um und setzte seinen Weg fort. Doch nur wenige Sekunden später schon wiederholte sich das eben Gesehene, der jüngere Mann lief dem älteren nach, holte ihn ein, zerrte ihn erneut am Kittel und wieder drehte sich der mutmaßliche Arzt zu ihm hin. Diesmal sprach er lauter mit dem jüngeren, schrie vielleicht sogar, man konnte nun seine Stimme hören, ohne aber zu verstehen was gesprochen wurde. Und dann riss er sich wiederum los und ging raschen Schrittes fort vom jüngeren Mann. Dieser folgte ihm nun nicht mehr nach, sondern blieb scheinbar unschlüssig stehen, ließ seinen Kopf langsam nach vorne sinken und machte mit hängenden Schultern kehrt. Und während er sich langsam zurück zur Eingangstür schleppte, sah man seinen Körper wiederholt erbeben, in unregelmäßigen Abständen von einem Weinkrampf gebeutelt, bis er durch die Tür ins Gebäude trat und wieder aus meinem Blickfeld verschwand.

Ich war gerade noch dabei, das beobachtete Drama einzuordnen, die Geschehnisse zu deuten, als ich sie plötzlich dort stehen sah. Sie war direkt am Eingang stehen geblieben, eine braune Ledertasche über die Schulter gehängt, an ihrer offenen beigen Jacke nestelnd, und sie würde jeden Moment zu mir herüberschauen und sich unser beider gemeinsames Schicksal entscheiden, endlich. Für einen Moment schien sie noch abgelenkt, sie wandte sich halb um und hob winkend ihre linke Hand, es hatte ihr wohl jemand einen Abschiedsgruß nachgerufen aus dem Inneren des Gebäudes. Dann begann sie ihre Jacke zuzuknöpfen und ließ währenddessen ihren Blick schweifen, ganz offenkundig ohne besondere Konzentration auf irgendetwas, bis sich unsere Blicke trafen. Sie schien kurz irritiert, ihre Stirn legte sich in Falten, wohl im Versuch das Gesehene zu verarbeiten, und im nächsten Moment weiteten sich ihre Augen, ein Ausdruck des Erstaunens lag auf ihrem Gesicht und ich grinste breit, bereit sie zu empfangen, sie vielleicht sogar in meine Arme zu schließen. Doch statt sich mir zu nähern, machte sie plötzlich kehrt, ging zurück durch den Eingang und verschwand im Krankenhaus.

Perplex verzog sich mein Lächeln zu einer Grimasse des Zweifels, ich blieb unschlüssig stehen, überlegte, was das bedeuten konnte. Hatte sie etwas vergessen, war sie nur kurz zurückgegangen in ihre Station, um es zu holen und in wenigen Sekunden oder Minuten wieder am Eingang zu erscheinen, um mir endlich gegenüberzutreten? Musste sie vielleicht sogar etwas holen, das mich betraf, etwas, das ihr bei meinem Anblick eingefallen war, das mir zu bringen und zu geben bei unserer ersten Begegnung ihr ein Anliegen war? Auch wenn ich mir nicht ausmalen konnte, was dies sein könnte, trat ich nervös von einem Bein auf das andere, wartete ich zunehmend ungeduldig, während Minute um Minute verstrich und sie nicht am Ausgang erschien, wartete und wartete, bis mir doch langsam Zweifel kamen. Würde sie gar nicht wieder kommen? Hatte sie mich vielleicht gar nicht gesehen? Hatte ich mich geirrt und ihr erstaunter Blick hatte nicht mir gegolten, sondern war das Resultat ihrer plötzlichen Erkenntnis gewesen, etwas vergessen zu haben? Oder hatte sie vielleicht einen unerwarteten Anruf bekommen, einen Klingelton hätte ich auf diese Entfernung kaum wahrgenommen, ein lautloses Vibrieren ihres Handys unmöglich registriert.

Ich wartete trotzdem noch eine Weile, ließ eine halbe Stunde verstreichen, dann eine weitere Viertelstunde, bis ich enttäuscht beschloss aufzugeben, zu akzeptieren, dass etwas dazwischen gekommen war und unser erstes Zusammentreffen an diesem Tag nicht Realität werden würde. Ich müsste es wohl am nächsten Tag wieder versuchen, auch da wäre ihr Dienstschluss um dieselbe Zeit vorgesehen, und diesmal würde ich erfolgreich sein. Meine Zuversicht, dass wir dem vom Schicksal vorgezeichneten gemeinsamen Weg unserer beider Leben nicht entkommen konnten, blieb ungebrochen.

Bruno

Mein Name ist Bruno, aber nicht wenige Frauen kennen mich unter dem Namen Julian. Weil ich mich ihnen als Julian vorgestellt habe und nicht als Bruno. Es ist nicht so, dass mir Bruno nicht gefällt, im richtigen Kontext ist Bruno ein guter Name, zum Beispiel, wenn man im Nachnamen Romano heißt, Bruno Romano, das klingt gut und passend, fast wie ein Schauspieler oder ein Popstar. Ein Bekannter aus dem Gymnasium, das ich besuchte, hieß Bruno Romano, sein Vater, Leonardo Romano, war ein italienischer Einwanderer, das ist stimmig, mit diesem Hintergrund ist Bruno Romano ein sehr guter Name. Bruno war zwar nicht hässlich, aber auch nicht gerade ein Schönling, trotzdem hatte er immer großen Erfolg bei den Frauen und im Leben allgemein, er war beliebt, cool, alles, was man sich wünschen kann, und ich glaube, dass sein Name ihm dabei geholfen hat.

Ich heiße Bruno Jelinek, mein Vater Jakob, meine Mutter Heidrun, nichts davon qualifiziert mich dazu, Bruno zu heißen. Meine Eltern hätten mich Hermann, Paul oder Alexander nennen können, jeder dieser Namen wäre passender. Bruno Jelinek, das ist falsch, das klingt sogar in meinen eigenen Ohren nach Möchtegern, nach Betrug, nach Anmaßung. Aber für meine Mutter klang es großartig, für sie schwang mit dem Namen der Klang des Erfolgs mit, von Internationalität, von Coolness. Meine Mutter verband mit dem Namen Bruno die Attribute des in ihren Augen so gut aussehenden und populären Fußballers Bruno Pezzey, einem österreichischen Meister, Nationalspieler, Deutschlandlegionär und später sogar UEFA-Cupsieger. Eine ganze Weile lang warb er im Fernsehen für ein Waschmittel, und dann ist er plötzlich mit 39 an einem Herzinfarkt verstorben, völlig überraschend. Damals schien das für alle unerklärlich, aus heutiger Sicht eher ein Zeichen dubioser Trainingspraktiken. Wer weiß schon, was man den damaligen Sportskanonen so alles verabreicht hat, um sie fit zu machen. Aber egal, Pezzey ist jedenfalls auch ein italienischer Name, wird zwar eher Pezzei geschrieben, aber trotzdem, auch Bruno Pezzey klingt okay, Bruno Jelinek nicht.

Und deshalb nenne ich mich Julian. Oder besser gesagt, nannte ich mich Julian, derzeit habe ich keine Verwendung dafür. Dabei wäre es im Grunde egal gewesen, weil mich die Frauen sowieso nur mit dem Vornamen kennen gelernt haben, da wäre Bruno auch gegangen, aber Julian gefiel mir besser. Auch Julian Jelinek würde gehen, wenn man sich doch einmal besser kennen lernen sollte, und weil ich mir für die Plattform sowieso eine neue Persona zulegen wollte, konnte ich auch gleich meinen Wunschnamen annehmen.

Was meinen Beruf angeht, log ich nicht, beschönigte aber die Tatsachen ein wenig. Ich arbeitete schon damals als selbständiger Computerfachmann, als Mädchen für alles, machte Installationen, kleine Hardware-Reparaturen, organisierte Software und richtete Netzwerke ein. Alles Dinge, die so manch Computerfreak ebenso kann, nur kennt nicht jeder so einen, wenn er einen braucht, und da engagiert man dann eben mich. Aber für die Frauen auf der Plattform war ich Programmierer, Netzwerkadministrator, einfach ein Computer-Tausendsassa, das machte sich viel besser, und ein bisschen von alledem mache ich ja tatsächlich. Was andere Dinge betrifft, Vorlieben, Hobbys und sogar die ideale Partnerin, blieb ich weitgehend vage. Mein Zugang war der, möglichst interessant zu wirken, aber zugleich offen zu bleiben für vieles, mich nicht allzu sehr festzulegen und dadurch selbst einzuschränken. Folglich mochte ich zwar Musik, was ja durchaus der Wahrheit entspricht, war aber nach Bedarf genauso bereitwillig Klassikfan wie ein Freund der Volksmusik oder gängiger Popmusik. Nur Heavy Metal und dergleichen, das ist mir so zuwider, dass ich mit Freude riskierte die wenigen weiblichen Fans zu vergraulen, die sich für diese Störgeräusche erwärmen. Auch für Filme und Bücher bekundete ich Interesse, so wie 90 % aller weiblichen Plattformbewohner. Ob das andere Männer ebenso häufig zu ihren Hobbys rechneten, konnte ich nicht sehen, aber ich vermute es eher nicht. Darüber, über welche Art von Filmen und Büchern ich mich begeistere, ließ ich mich wiederum nicht näher aus, dies sollte je nach meinem Gegenüber „Verhandlungsmasse“ sein, die eine Gemeinsamkeit betonen oder beeindrucken würde. So konnte ich zumindest theoretisch für seichte Liebesfilme und Kitschromane genauso aufgeschlossen sein wie für anspruchsvolle gesellschaftskritische Filme, tiefschürfende dramatische Romane oder auch Klassiker, in mir sollte eine jede Frau jemanden zum regen Austausch über das zu finden sich erhoffen dürfen, was sie in ihrem Innersten bewegte.

Etwas überraschend fand ich, dass man beim Registrieren auf der Plattform auch zu sexuellen Vorlieben befragt wurde, wo der vorgebliche Zweck des Ganzen doch der war, jemanden fürs Herz zu finden. Für Bettgeschichten waren ja ganz andere Plattformen zuständig, kostenfrei und, ja, auch frei von Gefühlen. Nicht, dass man gefragt wurde, welche Stellung man im Bett bevorzugte oder ob überhaupt das Bett der Lieblingsort des Geschehens wäre, oder vielleicht doch eher die Dusche oder die freie Natur, nein, das war es nicht. Aber über den Stellenwert von Sex in einer Beziehung und eine ungefähre erwünschte Frequenz wurde man befragt, und wie bei den anderen Dingen, versuchte ich mich auch in dieser Hinsicht nicht allzu sehr festzulegen, weder sexsüchtig zu wirken noch wie ein Sexmuffel.

Ansonsten gab ich mich auch noch als einigermaßen sportlich aus und interessiert an Aktivitäten im Freien, selbst wenn das gar nicht mehr so richtig stimmte für mich, oder eigentlich gar nie gestimmt hat. Denn wie so viele Männer meines Alters war ich über die Jahre etwas träge geworden, konnte ich mich nur mehr selten dazu aufraffen, etwas für meine Fitness zu tun. Eineinhalb Stunden Fußball jede Woche mit einigen zum Teil wirklich nicht mehr sehr fitten Altersgenossen, das war alles an Sport, das ich meinem Körper noch zumutete. Die ständige Arbeit am Computer hat daher tatsächlich schon Spuren an meiner Physis gezeitigt, und ich muss zugeben, dass statt eines Sixpacks inzwischen ein kleines Bäuchlein meine Vorderseite ziert. Aber im Vergleich zu vielen Typen, die ich im Schwimmbad ihre mächtigen Bäuche vor sich hertragen sehe, habe ich mich trotzdem noch ganz gut gehalten. Außerdem habe ich gelesen, dass viele Frauen einen „Dad Bod“, wie die Amerikaner das bezeichnen, sogar sexy finden, so gesehen tue ich einfach mein Bestes, sie nicht zu enttäuschen.

Als nicht gänzlich unsportlicher, computermäßiger Voll-Checker, der sein eigenes Business hat, offen ist für alles Mögliche und auf den schönen und irgendwie interessanten Namen Julian hört, habe ich mich also in die Schlacht geworfen.

Kontakt (mein eingebildeter Mord)

Mein Einstieg in die digitale Welt des Kennenlernens gestaltete sich holprig, und ich musste so manche Schmach und Demütigung hinnehmen, ehe ich begriffen hatte, wie die Kommunikation in dieser seltsamen Welt funktioniert. Im Bewusstsein, wie unzuverlässig die Angaben auf der Dating-Seite zu den eigenen körperlichen und geistigen Vorzügen waren - ich hatte schließlich selbst mein Bild ein wenig geschönt und dem gedachten Ideal angenähert - kontaktierte ich anfangs ausschließlich hübsche Frauen und ignorierte sämtliche anderen ihrer Eigenschaften. Mir war klar, selbst die anfangs nur verschwommen sichtbaren Bilder meines jeweiligen Gegenübers – eine klare Ansicht der Fotos musste man sich nach dem Kennenlernen erst gegenseitig freischalten – mussten nicht unbedingt vertrauenswürdig sein, es konnten alte Schnappschüsse sein, die eine Ahnung verblasster Schönheit vergangener Zeiten widerspiegelten, oder aufwendig inszenierte, professionelle Portraits, die für den Alltag höchst untypische Eindrücke vermitteln würden. Wer die entlarvenden „Supermodel Soundso ungeschminkt!“-Fotos aus dem Boulevard kennt, der weiß, in welchem Ausmaß uns die Frauen mit einigem Aufwand zu täuschen vermögen. Aber trotzdem schienen mir selbst diese verschwommenen Bilder noch die ehrlichste Repräsentation der Person am anderen Ende der digitalen Verbindungsschnur, das, was letztlich am wenigsten der willkürlichen Manipulation zugänglich war. Außerdem stehe ich auf hübsche Frauen, wer tut das nicht, und die hässlichen könnte ich ja immer noch anschreiben, wenn sich mit den schönen so gar nichts ergeben würde.

Ich schrieb also ausschließlich den schönen Frauen, ungeachtet ihrer vorgeblichen Hobbys, Vorlieben und der geäußerten Partnerwünsche, und versuchte sie, sofern sie reagierten, dann möglichst schnell zu einem direkten Treffen zu bewegen. Im Zuge einer solchen Begegnung, so meine Überlegung, würden sich die rein menschlichen Dinge rasch klären, charakterliche Unvereinbarkeiten mit eingeschlossen, und sollte sich trotz allem tatsächlich eine hässliche Frau mein Interesse erschwindelt haben, so wäre die Angelegenheit in Windeseile erledigt und ich würde mir eine langwierige digitale Annäherung für diesen ohnehin nicht lohnenden Fall ersparen. Aber gerade die auf den Fotos scheinbar attraktivsten Frauen erwiesen sich oft als besonders widerspenstig, als am schwierigsten zu einem Treffen zu überreden und als am schnellsten bereit, den endlich hergestellten Kontakt einfach wieder abzubrechen.

Mein forscher Vorstoß „Wie wäre es, wenn wir uns gleich morgen im Café treffen? Jede weitere Minute der Trennung und jede weitere Zeile eines bloß schriftlichen Austauschs scheint mir reine Zeitverschwendung, ich habe ein sehr gutes Gefühl was uns beide betrifft!“ wurde mit einem „Du Freak! – Kontakt abgebrochen“ oder einem einfachen „Die Teilnehmerin ist nicht länger erreichbar“ gekontert. Aber selbst geduldigere Annäherungen führten vorerst nicht zum Ziel, mein mangelnder Wille, auf die oft seltsamen Fragen der Schönen einzugehen, schien allzu deutlich aus meinen Antworten erkennbar und verleidete so manchen von ihnen offenbar den weiteren gedanklichen Austausch. Doch ehrlich, was soll man schon schreiben, wenn die schöne, aber offenbar hohle Blondine fragt: „Magst du nicht auch so gerne wie ich romantische Sonnenuntergänge, Spaziergänge am Strand und Liebesfilme, bei denen man einfach mitweinen muss?“ Kann bloße Schönheit eine Anbiederung an so etwas wert sein?

Ich musste nach einigen Enttäuschungen in der Folge meine Strategie etwas anpassen, nahm zumindest ein wenig Rücksicht auf die Interessen der von mir Auserkorenen und fand mich damit ab, dass offenbar ein Mindestmaß an gegenseitigem Kennenlernen über dem Computer nicht gänzlich unvermeidbar war. Nichtsdestotrotz blieb ich dabei, mich selbst flexibel zu zeigen, was meine vorgeblichen Interessen betraf, schließlich fand das echte Leben ja nicht in den Kinofilmen oder Büchern statt, für die man sich erwärmte, und was die ideale Urlaubsdestination betraf – auch so ein typisches Kennenlern-Thema – war ich tatsächlich sehr unvoreingenommen und flexibel. Es war mir egal, ob das Hotelzimmer, in dem wir uns 14 Tage dem Vögeln hingeben würden, an einem Strand, am Rand einer Skipiste, oder im Zentrum einer „kulturell interessanten“ Stadt stehen würde.

Daher blieb ich auch bei der so sportlichen und einigermaßen attraktiven Karla sehr geduldig und stellte meine eigene Sportlichkeit durchaus etwas größer dar, als es der Wirklichkeit entsprach. Karla schien anfangs überaus unkompliziert, schaltete mir rasch ihre Fotos frei mit dem Hinweis „Ein bisschen müssen wir uns ja schon gegenseitig gefallen, wenn es mehr als eine bloße Bekanntschaft werden soll, es gibt schließlich auch ein Leben jenseits der Berge“, und verzückte mich mit ihrem durchtrainierten, schlanken Körper, ihrem flachen Bauch und den kleinen, aber wie ich vermutete, festen Brüsten, die sich unter dem engen Tanktop abzeichneten, mit dem sie vor einer Kletterwand posierte. Ihre langen brünetten Haare hatte sie streng zurückgebunden und so war ihr ovales Gesicht mit der vielleicht etwas zu großen Nase und den etwas zu schmalen Lippen deutlich sichtbar, was das betraf, war sie keine Schönheit, aber immer noch herzeigbar.

„Ich klettere für mein Leben gerne, aber das mag nicht jeder, und das verstehe ich. Aber genauso gerne gehe ich auf ausgedehnte Bergwanderungen, und weil du ja sportlich bist, könnte das etwas sein, wo wir uns gut verstehen und zusammenfinden.“

Dieser Unterstellung hatte ich nicht widersprochen, auch meine Naturverbundenheit hatte ich wohl etwas übertrieben dargestellt, und wir hatten uns im lockeren Plauderton schon ein paarmal ausgetauscht, als sie die Initiative ergriff und vorschlug, gemeinsam eine Bergtour zu unternehmen.

„Wir hätten ausführlich Zeit, uns besser kennenzulernen, insbesondere, wenn wir eine Tour gehen, bei der wir eine Übernachtung einplanen können. Ich habe da schon eine Idee! Da sehen wir dann, wie fit du wirklich bist und ob du hältst, was du versprichst!

;-)“

Sie schickte mir einen Link, der mir die vorgeschlagene Route zeigte, und als ich nach einiger Suche im Web Details dazu fand, erschrak ich. Die Tour war wahrhaft eine Tortur, einschlägige Foren betonten, wie schön, aber auch überaus anspruchsvoll die Strecke sei, und dass sie für den ungeübten Wanderer „ein Ding der Unmöglichkeit“ darstellen würde. Tatsächlich hatte Karla mich bereits gefragt, ob ich wohl auch alle nötigen Utensilien besäße, feste Bergschuhe sowieso, aber auch ein eigenes Seil und Karabiner, Zeug, das ich noch nie in meinem Leben in der Hand gehalten, geschweige denn benutzt hatte. Zweimal erreichte ich daher eine Verschiebung des gemeinsamen Ausflugs, schob einmal einen beruflichen Wochenendtermin vor und ein andermal eine leichte Verkühlung. Schon mehrmals war ich in meinem Kopf das Szenario durchgegangen, hatte durchgespielt, wie ich die anstrengende Tour durchstehen und letztlich zu einem Erfolg bringen könnte. Doch nie ging die Geschichte gut aus, nie führte sie zu dem ersehnten glücklichen Ende in Karlas Armen, ja nicht einmal einen ersten Schritt dorthin vermochte ich herbeizuphantasieren.

„Das ist doch wirklich wunderschön, findest du nicht? Dieser einzigartige Ausblick, dieses gewaltige Panorama, und diese gute, saubere Luft. Du musst tief einatmen, deine Lungen füllen und damit den Dreck der Stadt verdrängen, den wir dort unten zurückgelassen haben!“

Mit diesem oder einem ähnlich pathetischen Spruch würde sie mit weit ausholender Geste über die Landschaft unter uns streichen, sich zu mir drehen und mich dort verschwitzt und völlig außer Atem stehen sehen.

„Wenn du jetzt schon schlapp machst, werden wir es sicher nicht an unser Ziel schaffen“, würde sie kopfschüttelnd und mit einem leicht verächtlichen Seufzer fortfahren. „Ich denke, du hast schamlos übertrieben, was deine Fitness betrifft. Aber das dachte ich mir eigentlich gleich, als ich dich endlich ‚in echt‘ vor mir sah, besonders sportlich siehst du nämlich nicht aus.“ Sie würde kurz auflachen und dann fortsetzen: „Und selbst, wenn wir es bis zur Hütte schaffen sollten, würdest du dort wohl kaum mehr fähig sein, noch das zu leisten, was ich mir mit einem fitteren Mann eigentlich vorgestellt hätte.“ Sie würde pausieren, sich selbst zustimmend nicken und sagen: „Daher glaube ich, wir sollten ans Umkehren denken, ich habe nämlich keine Lust, dich später in der Dämmerung nach unten zu schleppen, nur weil du dann gar nicht mehr weiter gehen kannst.“

Und mit einer geschickten Bewegung würde sie eine Landkarte aus einer der vielen Seitentaschen ihrer Hose hervorholen, diese entfalten, und weitere entwürdigende Kommentare murmelnd einen geeigneten Heimweg suchen.

„Hm, was wäre denn der kürzeste Weg, wie kann man einen Anfänger ungefährdet in die Ebene bringen…“

Und ich, in wachsende innere Unruhe versetzt durch dieses überhebliche und herablassende Gerede, bereits verärgert über ihren schon auf dem Weg dorthin gezeigten Unwillen, ein halbwegs akzeptables langsameres Tempo vorzulegen, und nicht zuletzt auch angewidert von ihrem schmalzigen Gesülze über Natur und Fitness und den ganzen Scheiß, würde schnell einen Schritt auf sie zu machen, meine letzten Kräfte sammeln, und sie mit einem gewaltigen Stoß über die Kante des Steigs befördern. Überrascht davon, wie leicht mir das gefallen war, und zugleich die Genugtuung verspürend, dieser beschämenden Situation ein Ende bereitet zu haben, würde ich den spitzen Schrei vernehmen, mit dem sie davonfliegt, den dumpfen Aufprall hören, mit dem sie auf dem ersten Bergvorsprung landet, schließlich noch sehen, wie sie sich überschlagend weiterfällt über schartige Felsen, auf denen auch noch die letzten intakten Knochen zerbersten und ihre so naturverbundene Seele ihrem geschundenen Körper entweichen würde.

Das alles würde ich selbstverständlich nicht wirklich machen, sonst wäre ich ja ein Psycho. Aber es schien mir besser, mich erst gar nicht in Versuchung zu führen. Als sie den Vorschlag, die Tour zu machen, dann zum dritten Mal machte, fiel mir daher spontan nichts mehr ein, was ich zurückschreiben sollte, und ich zögerte mit meiner Antwort. Offenbar hatte sie damit gerechnet, denn schon am nächsten Tag kam sie mir zuvor:

„Lieber Julian, entschuldige, wenn ich so offen bin, aber mir scheint, du willst gar nicht auf diese Tour gehen mit mir. Dabei wäre das nur die erste gewesen von hoffentlich ganz vielen, die noch gefolgt wären, wenn es mit uns funktioniert hätte. Für mich ist das aber ganz wesentlich, ohne den Bergsport und das Klettern bin ich kein kompletter Mensch, ohne das kann ich einfach nicht sein!

Du wirkst wie ein durchaus netter Mensch und ich hätte gerne gewusst, wie du wirklich bist. Aber bloß hier im Tal, da wird das nichts mit uns. Nur wer bereit ist, mit mir in die bergigen Höhen zu steigen, kann mit mir auch andere Höhen erklimmen. Ich wünsche dir trotz allem viel Glück bei der weiteren Suche, Karla“

Das musste ich wohl schweren Herzens akzeptieren, meine Wunschträume davon, wie sich dieser durchtrainierte Körper nackt unter und auf mir räkeln würde, begraben, und mit meinen Zugeständnissen, was gemeinsame Hobbys betraf, in Zukunft doch etwas vorsichtiger umgehen.

Schule des Lebens (Ein Kind)

Der Grund dafür, warum ich auf dieser Plattform gelandet war, war ganz einfach: ich konnte auf andere, konventionellere Art keine Frauen mehr kennenlernen. Ich hatte durchaus schon verschiedene Freundinnen gehabt in meinem Leben. Eigentlich waren es nur zwei, aber es hätten auch mehr sein können, es gab Gelegenheiten, ich hatte mich bloß noch nicht öfter zu einer Beziehung entschließen können, fand das Leben als Single zumindest die meiste Zeit über angenehmer, auf alle Fälle wesentlich unkomplizierter. Aber manchmal wünschte ich mir dann doch eine Frau an meiner Seite, nicht nur, um Sex mit ihr zu haben, das war nur einer der Gründe, vor allem aber als jemanden, mit dem man gemeinsam etwas unternimmt, redet oder auch einfach nur abhängt. Ein Leben allein bietet die größtmögliche Flexibilität und Selbstbestimmung, man muss keine Kompromisse eingehen bei dem, was man tut, isst, konsumiert oder wie man wohnt. Zugleich aber kann das Single-Leben auch sehr einsam sein, und wenn man dann jeden Tag Pizza oder Nudeln isst und dazu einen Actionfilm schaut oder eine Komödie, wird es doch irgendwann langweilig. Die Freiheit der Wahl, wenn sie so absolut besteht und jederzeit, verliert ihren Wert und man sehnt sich nach einem anderen Menschen, mit dem man eine gemeinsame Wahl treffen kann. Zumindest habe ich mir das bisher immer so vorgestellt, denn ich muss zugeben, dass ich es noch gar nicht in dieser Form erlebt habe. In letzter Zeit war es jedenfalls zunehmend schwieriger geworden, jemanden zu finden, vor allem, seit ich nicht mehr als Angestellter in einer Firma arbeitete, sondern selbstständig geworden war, vorwiegend