Meine Zweifel können mich mal! - Karina Rey - E-Book

Meine Zweifel können mich mal! E-Book

Karina Rey

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Beschreibung

Rede- und Auftrittsängste hängen oft mit dem eigenen Selbstbild zusammen und entstehen durch Unsicherheiten und Selbstzweifel. Das heißt aber auch: Der Schlüssel zu einer starken und überzeugenden Kommunikation liegt in dir, und deine eigene Strahlkraft hast du in der Hand. Karina Rey, bekannt aus Film und Fernsehen unter dem Künstlernamen Karina Thayenthal, zeigt dir, wie du kleine und große Auftritte meisterst und alle für deine Sache begeisterst. Sie erzählt Geschichten aus ihrem Leben über das, was sie selbst zurückgehalten und was sie vorangebracht hat – als Schauspielerin, Regisseurin, internationale Dozentin und Trainerin. Anhand zahlreicher praktischer Tipps und Übungen zu Präsenz, Körpersprache und Selbstwertgefühl vermittelt sie dir die essentiellen Lektionen für jede Redesituation. Ihr Buch ist dein wertvoller Wegbegleiter zu selbstbewussten Worten mit authentischem Charisma – egal ob im Beruf oder im Alltag. Mit Vorworten von Hermann Scherer und Sabina Kocherhans

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Karina Rey

Meine Zweifel können mich mal!

Wie du selbstbewusst auftrittst und alle überzeugst

Campus VerlagFrankfurt/New York

Über das Buch

Rede- und Auftrittsängste hängen oft mit dem eigenen Selbstbild zusammen und entstehen durch Unsicherheiten und Selbstzweifel. Das heißt aber auch: Der Schlüssel zu einer starken und überzeugenden Kommunikation liegt in dir, und deine eigene Strahlkraft hast du in der Hand.Karina Rey, bekannt aus Film und Fernsehen unter dem Künstlernamen Karina Thayenthal, zeigt dir, wie du kleine und große Auftritte meisterst und alle für deine Sache begeisterst. Sie erzählt Geschichten aus ihrem Leben über das, was sie selbst zurückgehalten und was sie vorangebracht hat – als Schauspielerin, Regisseurin, internationale Dozentin und Trainerin.Anhand zahlreicher praktischer Tipps und Übungen zu Präsenz, Körpersprache und Selbstwertgefühl vermittelt sie dir die essentiellen Lektionen für jede Redesituation. Ihr Buch ist dein wertvoller Wegbegleiter zu selbstbewussten Worten mit authentischem Charisma – egal ob im Beruf oder im Alltag.Mit Vorworten von Hermann Scherer und Sabina Kocherhans

Vita

Karina Rey ist unter dem Künstlernamen Karina Thayenthal aus über 300 Produktionen in Film und Fernsehen bekannt. Sie ist Trägerin des deutschen Fernsehpreises. Heute ist sie gefragte Speakerin, Unternehmensberaterin, Universitätsdozentin und Trainerin für Auftrittskompetenz und kulturelle Verständigung.

Für dich

Übersicht

Cover

Titel

Über das Buch

Vita

Inhalt

Impressum

Inhalt

Vorwort von Hermann Scherer

Vorwort von Sabina Kocherhans

TEIL I

Gehe deinen Ängsten und Zweifeln auf den Grund

Einführung: Die Geschichte mit dem Richter

Kapitel 1

Die Angst, nicht gut genug zu sein: Impostor, Perfektionismus und Selbstzweifel

Das Impostor-Syndrom

Das Worst-Case-Szenario

Negative Glaubenssätze verwandeln

Sechs Tipps gegen das Gefühl, nicht zu genügen

Von »Hilfe, ich bin nicht gut genug« zu »Schaut mal, ich bin gut genug!«

Kapitel 2

Die Angst vor der Bühne: Lampenfieber und Auftrittsängste

Atmung – oder: ein Zeh schaut in die Luft

Weitere Gedanken zu Lampenfieber

Die technische Vorbereitung für deinen Auftritt

Dein Auftritt

Lampenfieber gibt Energie

Kapitel 3

Die Angst, sich zu zeigen: Dein inneres Kind und deine Begeisterung

Das innere Kind

Die Verletzungen unseres inneren Kindes

Das öffentliche und das private Selbst

Lass deine Begeisterung das Eis brechen

»Heute ist der Tag!« oder Lektionen aus dem Leben in Kamerun

Hilfe annehmen

Bodyshaming

Leichtigkeit und Akquise – oder die Kunst, deine Nase zu verkaufen

Kapitel 4

Die Angst, im Mittelpunkt zu stehen: Trau dich, dir Raum zu nehmen

»Ich bin halt kein Frontmensch«

Es ist egal, ob du introvertiert oder extrovertiert bist!

Kapitel 5

Die Angst, nicht geliebt zu werden: Von Anerkennung und Selbstliebe

Das Schönheitsideal

Der Wunsch nach Zugehörigkeit

Resilient gegen Bewertungen

TEIL II

Entwickle deine kraftvolle und überzeugende Kommunikation

Einführung: Hab den Erfolg, den du dir wünschst – oder: Vom Erfolg zur Erfüllung

Kapitel 6

Deine Wahrnehmung: Der Schlüssel zur Kommunikation

Kapitel 7

Deine innere Kraft: Entdecke, was in dir steckt

Kapitel 8

Strukturierte Inhalte: Emotionale Geschichten und wirkungsvolle Präsentationen

Kapitel 9

Körpersprache und Stimme: Viel mehr als Worte allein

Kapitel 10

Weg vom Ich, hin zum Du! – Authentische Verbindungen schaffen

Danksagung

Anmerkungen

Weiterführende Literatur und Onlineressourcen

Die Autorin

Vorwort von Hermann Scherer

Liebe Leserin, lieber Leser,

als ich zum ersten Mal von Karina Reys Plan hörte, ein Buch über die Überwindung von Ängsten und Zweifeln zu schreiben, war ich begeistert! In unserer schnelllebigen Gegenwart, in der Perfektion oft als das Maß aller Dinge angesehen wird, sind es genau diese allzu menschlichen Empfindungen, wie Ängste und Zweifel, die uns am meisten beschäftigen und herausfordern. Ich gehe sogar so weit, zu sagen, dass Zweifel und deren Überwindung den Unterschied zwischen erfolgreichen und erfolglosen Menschen ausmachen. Während meiner Veranstaltungen für angehende Speaker erhalten die Teilnehmenden oft eine Packung »Zweifelfrei akut«. Das sind Scherz-Tabletten als Einladung, ihren Zweifeln weniger Raum zu geben und stattdessen mutig und voller Zuversicht der Welt das mitzuteilen, was sie zu sagen haben. Doch nicht allen gelingt das mithilfe von ein paar Scherz-Tabletten. Denn bei vielen von uns sitzen die Ursachen unserer Ängste und Zweifel sehr tief.

Karina zeigt dir in diesem Buch, dass auch strahlende und selbstbewusste Persönlichkeiten nicht vor Zweifeln und Ängsten gefeit sind. Sie öffnet ihr Herz und erzählt schonungslos ehrlich, wie auch sie im Laufe ihres reichhaltigen Lebens, das sie von der Filmbranche bis in den Regenwald Kameruns geführt hat, unzählige Kämpfe mit ihren Unsicherheiten und Ängsten ausgefochten hat. Mehr noch, sie nimmt dich mit auf ihre Reise und eröffnet dir ganz unverfroren, wie sie diese Herausforderungen auf mitunter tragikomische Weise gemeistert hat. Sie stellt eindrucksvoll unter Beweis, dass die Überwindung dieser so hemmenden Ängste und Selbstzweifel nicht nur möglich ist, sondern oft den ersten und wesentlichen Schritt zu wahrer Größe darstellt. Sei es im Gespräch oder auf all den täglichen Bühnen, auf denen wir uns bewegen: privat, beruflich oder gar öffentlich.

Karina gibt dir eine ganze Reihe wirkungsvoller und sehr leicht umsetzbarer Übungen, Reflexionen und Anregungen für positive Veränderungen an die Hand. Sie schenkt dir zusätzlich zu ihren berührenden Geschichten wirkungsvolle Werkzeuge, Tipps und Tricks, die sie von der einst angstvollen Anfängerin zur heute selbstbewussten Schauspielerin, Rednerin und Mentorin gemacht haben.

Doch dieses Buch ist weit mehr als eine Sammlung von kurzweiligen persönlichen Geschichten und wirkungsvollen Techniken. Es ist auch eine freudvolle Einladung zur Wiederentdeckung des Humors im Umgang mit uns selbst und zum Lachen über die Absurditäten des Alltags, die uns in Summe so unter Druck setzen können. Witzig und spannend, aber nie albern erzählt Karina offen, wie sie das geschafft hat und immer wieder schafft: im entscheidenden Moment nicht zu blockieren, weil man sich zu wichtig nimmt. Und genau darum geht es. Dass auch du es allen Herausforderungen zum Trotz schaffst, immer dein inneres Lächeln zu bewahren.

Es ist Zeit, die Bühne deines Lebens zu betreten, das Licht anzumachen, deinen Ängsten und Zweifeln »Goodbye!« zu sagen und die Hauptrolle zu übernehmen. Denn wer, wenn nicht du, spielt die Hauptrolle in deinem Leben?

Viel Spaß beim Lesen und Entdecken

Hermann Scherer

Vorwort von Sabina Kocherhans

Liebe Leserschaft,

»Meine Zweifel können mich mal!« – ein Titel, der mit kraftvoller Klarheit die Essenz des Buches zusammenfasst. Dieses Werk ist weit mehr als ein Ratgeber für Auftrittskompetenz, voller leicht umsetzbarer Übungen und Reflexionen; es ist eine emotionale Zwischenbilanz eines bisher sehr reichen Lebens, das gleichermaßen geprägt ist von inspirierenden Erfolgen, Entbehrungen und Schicksalsschlägen.

Karina Rey ist auf der Bühne und im Leben eine leidenschaftliche Persönlichkeit. Heute geht sie mutig und unerschütterlich ihren Weg, stets bestrebt, Authentizität, innere Stärke und den Glauben an die eigene Kraft zu fördern.

Die Jahre in Kamerun, wo Karina längere Zeit arbeitete und lebte und eine besondere Liebe zu Land und Leuten entwickelte, waren sehr prägend. Sie selbst bezeichnet diese Zeit als erweiterte Lebensschule voller einzigartiger, wertvoller Erfahrungen, die ihren Horizont vergrößerten und ihr eine Fülle neuer Perspektiven eröffneten. Dieses und andere Kapitel in ihrem faszinierenden Lebensbuch haben Karina zu der inspirierenden Kommunikationsexpertin gemacht, die sie heute ist. Sie vermittelt ihre Lektionen und Fähigkeiten an Menschen in Entscheidungspositionen, hilft Diplomat:innen und Führungskräften, die Kraft authentischer Kommunikation zu entdecken und stets den richtigen Ton zu treffen.

Ich habe Karina als Brückenbauerin zwischen Menschen verschiedenster Kulturen, Altersstufen, Religionen, Geschlechtern, Hautfarben und sozialen Hintergründen erlebt. Ganz besonders beeindruckt mich ihre Fähigkeit Brücken zwischen den eigenen Sonnen-und Schattenseiten zu bauen. Diese Eigenschaft verbindet uns tief, da Authentizität und Selbstakzeptanz auch mein zentrales Thema sind.

Dieses Buch ist ein Wegweiser, der die Hoffnung schenkt, dass jede und jeder von uns die innere Kraft besitzt, jeden Tag mehr zu sagen, was er oder sie denkt, und jeden Tag etwas mehr gehört zu werden. Es inspiriert dazu, uns selbst treu zu bleiben und anderen Menschen mit echter, kraftvoller Authentizität zu begegnen.

Ich wünsche dir beim Lesen wertvolle Erkenntnisse und Ermutigungen!

Herzlichst

Sabina Kocherhans

TEIL I

Gehe deinen Ängsten und Zweifeln auf den Grund

Einführung: Die Geschichte mit dem Richter

Herzlich willkommen! Ich freue mich, dass du da bist. Lass uns über Zweifel und Ängste reden, sodass du am Ende des Buches sagen kannst: »Meine Zweifel können mich mal!«

Ich möchte mit einer persönlichen Geschichte beginnen:

Als ich 17 Jahre alt war, zeigte mich eine Person aus meinem näheren familiären Umfeld bei der Polizei wegen »Drogenkonsum und Gruppensex« an. Meine Mutter und mein Großvater waren gerade innerhalb eines Monats gestorben und meine Großmutter lag im Krankenhaus. Meine Eltern waren geschieden und mein Vater lebte als Dirigent im Ausland. Er kannte mich wenig und reiste viel. Ich hatte einiges zu bewältigen, doch Drogen und Gruppensex gehörten definitiv nicht dazu. Wie diese Person damals auf diese absurde Idee kam, weiß ich bis heute nicht. Ich wurde zur Vernehmung gerufen, erst zur Polizei, dann vor Gericht. Der Richter hatte aufgrund der Anklage zu prüfen, ob er mich in ein Heim für schwer erziehbare Jugendliche stecken oder mich stattdessen für verfrüht volljährig erklären sollte. Als ich die Vorladung erhielt, war ich wie paralysiert. Geschockt über das verletzende Verhalten eines Menschen, dem es offensichtlich mehr um das Erschleichen von Erbschaftsgütern, als um ehrliche Sorge ging, fühlte ich, wie eine eisige Welle der Angst mir den Rücken hinunterlief, mir die Kehle zuschnürte, während mein Herz raste und meine Hände zitterten. Meine Gedanken wirbelten chaotisch umher, die Welt um mich herum schien zu verschwimmen, als würde ich durch einen dichten Nebel blicken. Ich spürte, wie meine Knie weich wurden, ich musste mich setzen, um nicht zu fallen. Ein Gefühl der Ohnmacht überkam mich, ich konnte kaum noch atmen. Mir war, als würde ich tiefer und immer tiefer in ein riesiges Loch fallen.

Ich hatte Angst, unbändige Angst! Sie wurde mein permanenter Begleiter. Wie ein schwerer Stein auf meiner Brust war sie da, wenn ich morgens aufwachte. Sie saß mir im Nacken, während ich mich durch den Schultag quälte. Und schließlich flüsterte sie mir – unerbittlich und lähmend – vorm Einschlafen bedrohliche Dinge ins Ohr: »Es liebt dich keiner, du schaffst das nicht, du bist nicht gut genug.« Ich wollte nicht in ein Heim. Ich wollte nicht weg – aus der Stadt, die meine war; aus den Gassen, die mir vertraut waren; aus der Schulklasse, zu der ich dazugehörte. Ich hatte Angst vor dem Richter. Angst vor seiner Ablehnung. Angst, nichts und niemandem zu genügen, seine Erwartungen nicht zu erfüllen. Ich hatte Angst, zu versagen. Angst, meine tote Mutter zu enttäuschen. Angst, der Richter würde meine panische Körpersprache falsch deuten, meine Furcht spüren und mir daher nicht glauben. Angst, nicht die passenden Worte zu finden. Angst, nicht anständig genug auszusehen, stecken zu bleiben, durchschaut zu werden, zu stottern, in Ohnmacht zu fallen. Ja, ich hatte Angst, zu sterben.

An den Tag meiner Verhandlung erinnere ich mich noch, als wenn es heute wäre. Das Bezirksgericht der Gemeinde Mödling bei Wien war ein dunkles Gebäude mit kalten, in die Höhe ragenden Räumen. Zuerst musste ich an einem Pförtner vorbei, der mich in den dritten Stock in den Raum 216 schickte. Den Brief mit der Vorladung in der Hand stieg ich eine steinerne Treppe hinauf. Überall liefen Erwachsene mit Akten und Taschen geschäftig umher, sagten aber keinen Ton, würdigten mich keines Blickes. Ich schien nicht weiter aufzufallen, so beruhigte ich mich etwas. Oben angekommen, suchte ich die Nummern an den schweren hohen Holztüren ab. Der Gang führte mich immer weiter in die unergründlichen Tiefen des dunklen Gebäudes. Der Holzboden unter meinen Füßen knarzte bei jedem Schritt. Nach einem schier endlosen Weg entdeckte ich die Nummer 216 – in schwarzer Schrift auf weißem Grund. Ich holte einmal tief Luft, gab mir einen Ruck und klopfte. Ein Mann, er war nur wenige Jahre älter als ich, öffnete die Türe einen Spalt, schaute kurz auf mein Dokument, das ich ihm entgegenstreckte, und schickte mich ins Wartezimmer. Obwohl es Hochsommer war und die Hitze schwer über dem Städtchen lag, drang kein Sonnenstrahl durch die kleinen Fenster. Es war kühl und dunkel, und es fröstelte mich in meinem Sommerkleid, als ich mich mit klopfendem Herzen auf einen der acht Stühle im leeren Wartezimmer setzte und mir nervös auf meine Unterlippe biss. Eine Christusfigur hing an der einen Wand, das Bild des damaligen österreichischen Bundespräsidenten an der anderen. Eine Uhr tickte. Außer mir war niemand da. Ich zupfte nervös mein Kleid zurecht und wartete.

Viele Wochen lang hatte ich mich auf diesen Termin vorbereitet. Aber jetzt war ich bleich, zittrig und schwach. Ich wusste tief in mir drinnen, wie entscheidend es für mich war, dass der Richter mir vertraute. Ich wollte nicht in ein Heim, ich wollte die Freiheit. Wer auch immer dieser Richter war, ich musste ihn für mich gewinnen, ihn überzeugen. Ja, ihn ermutigen, die Verantwortung dafür zu übernehmen, mir zu vertrauen und mich in die Welt der Erwachsenen zu lassen. Mein ganzes Sein, meine Kleidung, Ausstrahlung, Gestik und Mimik und meine Augen mussten das unterstützen, was ich mir an Worten zurechtgelegt hatte. Instinktiv ahnte ich, dass ich nur etwas präsentieren konnte, was ich in meinem Inneren ganz stark fühlte. Die Gewissheit über meine Schuldlosigkeit musste sich somit in meinem Auftreten widerspiegeln.

Da durchbrachen Schritte auf dem knarzenden Parkettboden die Stille und der junge Mann, der mich eingelassen hatte, nickte mir zu, während er die Tür zum Verhandlungsraum öffnete. Ich stand auf, atmete durch, straffte meine Schultern und war bereit, meine Zukunft zu verteidigen.

Ich betrat den Verhandlungsraum und setzte mich. Die anderen anwesenden Personen nahm ich zunächst überhaupt nicht wahr. Meine Augen hielt ich gefasst auf die gegenüberliegende Wand gerichtet, bis der Richter hereinkam. Dieser war ein ernster, korpulenter Mann, dunkel gekleidet, mit einer Brille, die seine Augen sehr groß erscheinen ließ. Ich hatte das Gefühl, einem Menschen zu begegnen, der jede kleinste Unwahrheit mit seinem durchdringenden Blick auf hundert Meter Entfernung erkennen konnte. Ich wusste, er würde über meine Zukunft entscheiden. Nun räusperte er sich und begann mit einer kurzen Beschreibung »des Falls«, bevor er Fragen stellte. Unser Gespräch dauerte annähernd eine Stunde. Er wollte ganz genau wissen, wie ich mir mein Leben vorstellte, welche Freunde und Freundinnen mich umgaben und was ich mir für meine Zukunft wünschte. Ich erzählte ihm meine Version der Geschichte. Die, die wirklich stimmte:

»Meine Freunde haben mir beim Ausräumen der Wohnung meiner Mutter geholfen. Jedes Möbelstück, jeder Teller und jeder Topf, jedes Kleid, jeder Strumpf und jedes Buch musste irgendwo hingeschafft werden. Da stand dieser Mensch plötzlich vor der Tür. Er war aufgebracht und wollte reinkommen. Ich hatte ihn lange nicht gesehen, ich hatte Angst vor ihm und wollte ihn nicht reinlassen, doch er stellte den Fuß in die Türe, sodass ich nicht mehr schließen konnte. Mit Drogen und Gruppensex hatte das nichts zu tun. Bitte glauben Sie mir. Ich möchte meiner Mutter und mir beweisen, dass ich die Schule fertig machen und studieren kann. Ich will auf meinen eigenen Beinen stehen. Ich schaffe das.«

Tief in meinem Inneren wusste ich, dass ich stark, mutig und lebenshungrig war. Ich wollte die Herausforderung annehmen. Wollte meinen Weg ins Leben finden und in der Welt der Erwachsenen, die wie ein Donnerschlag über mich hereingestürzt war, bestehen. Eine enorme Kraft erfüllte mich, während ich mit meinen Worten, mit meinem Auftreten, mit Herz und Seele für mich kämpfte. Und so wurde ich mit 17 Jahren für volljährig erklärt. Es fühlte sich schmerzvoll an, auch ein bisschen einsam, aber ich hatte den Richter überzeugt und konnte von nun an mein Leben selbst gestalten.

Ich erzähle dir diese persönliche Geschichte, weil ich dir sagen möchte, dass ich Angst – tiefe, große, erdrückende Angst – kenne. Ich habe sie erlebt und mit all meinen Sinnen gespürt, bis ins tiefste Mark hinein. Ich weiß und habe erfahren, wie Angst unsere Kommunikation beeinflussen und hemmen kann. Viele meiner Ängste habe ich überwunden; mit einigen verbliebenen Ängsten lebe ich noch immer. Aber vielleicht bin ich in meinem Leben deshalb so oft Risiken eingegangen, weil ich mir selber beweisen wollte, dass ich stärker bin als meine Ängste und Zweifel.

Damals hatte ich zudem erkannt, dass mir mein Ziel wichtiger war als meine Angst. Ich spürte eine Kraft in mir, die ich seither immer in mir habe und die mich über jedes Hindernis hinweg begleitet hat. Und daher möchte ich diese sowie weitere Geschichten mit dir teilen. Denn wir alle tragen eine solche Kraft in uns, eine unerschütterliche Stärke, eine Fähigkeit, über uns hinauszuwachsen, weil wir so viel mehr sind als unsere Ängste und Zweifel.

Angst ist in der heutigen Zeit ein dominierendes Thema und nimmt stetig an Relevanz zu. Verschiedene Organisationen wie zum Beispiel das amerikanische UKG Workforce Institute befassen sich mit den Ängsten der Generation Z und zeigen auf, dass Angst von dieser Generation als ausschlaggebendes Hindernis für ihre berufliche Zukunft gesehen wird.1 In einem aufschlussreichen Interview mit dem Psychoanalytiker Dr. Wolfgang Schmidbauer, das Claus Peter Simon für die Zeitschrift GEO führte, werden weitere Facetten dieser Thematik beleuchtet. Betont wird hier, dass unter anderem der Anstieg an Entscheidungsmöglichkeiten und die Annahme, dass wir noch nie zuvor so viel zu verlieren hatten wie heute – nämlich unsere Sicherheit, unseren Wohlstand und unsere Zukunftschancen –, mit dem Anstieg von Ängsten in Verbindung gebracht werden könnten.2 Dr. Schmidbauer führt weiter aus: »Wir gehen zu Vorsorgeuntersuchungen, die möglichst früh Gefahren entdecken sollen, von denen wir noch gar nichts ahnen. Wir hören Experten zu, die uns auf Risiken aufmerksam machen, an die wir normalerweise nicht einmal denken. Wir sind gegen alles Mögliche versichert, vom Verlust des eigenen Lebens bis zum Verlust der Zahnprothese. Aber all das macht uns nicht fröhlich oder angstfrei, sondern führt uns erst vor Augen, was alles passieren kann.«3 Ängste sind allgegenwärtig.

Der Begriff Angst kommt von dem lateinischen Wort »angustus« und bedeutet eng, schmal, schwierig. Ängste und Zweifel sind eng miteinander verbunden. Ängste kommen aus der Tiefe, aus dem Bauch, aus einem instinktiven, emotionalen Teil unseres Selbst. Sie basieren oft auf traumatischen Ereignissen oder auf biologisch vererbten Verhaltensweisen unserer Ahnen. Sie können heftige körperliche oder psychische Reaktionen hervorrufen, die unser gesamtes Wohlbefinden oder auch unsere Handlungsfähigkeit beeinflussen. Wobei es wichtig ist zu beachten, dass es auch professionell diagnostizierbare Angstzustände gibt, welche behandelbar sind und im Zweifelsfall abgeklärt werden sollten. Zweifel sind kognitiv – sie entstehen im Kopf, durch Überlegungen oder Unsicherheiten –, sie sind somit mit einem bewussten Denkprozess verbunden.

Ängste sind tief in uns verankert und wir müssen lernen, mit ihnen zu leben statt uns von ihnen beherrschen zu lassen. Zweifel hingegen können durch Reflexionen beeinflusst, beruhigt, neu bewertet und sogar aufgelöst werden. Wie dir das gelingen kann, das erfährst du in diesem Buch.

Ich lade dich ein, tief in dich hineinzuschauen, deine Zweifel und Ängste zu erkunden, ihnen bewusst Raum und Zeit zu widmen, indem du sie prüfst, analysiert, akzeptierst oder loslässt. Du hast die Wahl, ob du mit ihnen leben oder dich von ihnen befreien willst. In diesem Buch stecken persönliche Geschichten, anregende Gedanken, inspirierende Einsichten und praktische Übungen, die dir helfen mögen, deinen ganz persönlichen Weg zu deiner Kraft zu finden. Mein Ziel ist es, dir Wege aufzuzeigen, wie du diese innere Stärke erkennen, umarmen und nutzen kannst, um dein Leben und damit auch deine Kommunikationsfähigkeiten mit mehr Selbstvertrauen und Entschlossenheit zu meistern.

Im ersten Teil des Buches werden wir unseren tiefsten Ängsten und Zweifeln auf den Grund gehen. Wir betrachten eine Angst, die sich durch Selbstzweifel und Perfektionismus äußert, nämlich die, nicht zu genügen. Hier geht es auch um das Lampenfieber, das uns immer im Weg steht. Wir graben in unserer Kindheit nach den Wurzeln unserer Verletzlichkeit, widmen uns der Herausforderung, im Mittelpunkt zu stehen und beleuchten unsere Angst, nicht geliebt zu werden. Das wird dir helfen, deine zukünftigen Interaktionen – sei es bei Vorträgen, Small Talks, Bewerbungsgesprächen, Reden, Meetings oder bei alltäglichen Gesprächen mit Familie, Freund:innen, Partner:innen oder sogar an der Supermarktkasse – spielerisch und mit Freude zu gestalten.

Im zweiten Teil des Buches erkunden wir, wie wir unsere Wahrnehmung schärfen, unserer Intuition vertrauen und unser Inneres stärken können, um eine kraftvolle und überzeugende Kommunikation zu entwickeln. Wir erforschen die Kunst, durch strukturierte und emotionale Geschichten im Gedächtnis zu bleiben, unsere stimmliche Präsenz zu festigen und unsere Körpersprache so zu nutzen, dass sie unsere Botschaften wirkungsvoll unterstützt. Jedes Kapitel wird uns tiefer in die Geheimnisse einer überzeugenden Kommunikation führen, um unsere Auftritte zum Leuchten zu bringen. Im letzten Kapitel werden wir dann unser Gegenüber genauer betrachten. Ohne starkes Ich gibt es kein starkes Du, und ohne ein starkes Du gibt es kein starkes Wir.

Also schnapp dir eine Tasse deines Lieblingsgetränks, mach es dir gemütlich und lass uns gemeinsam prüfen, ob nicht die einzige Einschränkung für deine Verwirklichung von morgen deine heutigen Zweifel sein könnten. Ich freue mich, wenn ich dich ein kleines Stück auf deinem Weg hin zu einem Leben begleiten darf, das zwar vermutlich nie völlig frei von Ängsten und Zweifeln sein wird, in dem du aber erkennst, dass du jederzeit die Entscheidung hast, wie du mit ihnen umgehst.

Kapitel 1 Die Angst, nicht gut genug zu sein: Impostor, Perfektionismus und Selbstzweifel

Das Impostor-Syndrom

Ich war bereits als Schauspielerin erfolgreich als ich die weibliche Hauptrolle in einer neuproduzierten Fernsehserie übernahm. An sich war es eine schöne und sehr vielschichtige Rolle an vielen spannenden Drehorten, auch mit tollen Kolleg:innen als Gäste. Doch vom ersten Moment an triggerte mich mein direkter Spielpartner. Egal, ob er morgens in die Maske kam und ein paar halbseidene, leicht zynische Witze verzapfte, oder ob wir an unserem Text arbeiteten und dann miteinander unsere Szenen spielten – er legte mir gegenüber eine solch süffisante Ironie an den Tag, die mich bis ins Mark verunsicherte. Anzüglich, schnippisch, überheblich. Bemerkungen wie »Wo hast du gelernt? An der Schauspielschule in Österreich? Darum!« – »Das ist jetzt mal ein Kostüm, das dir steht! Du solltest dich privat nicht so mütterlich kleiden!« – »Wie kriegst du eigentlich Karriere und Familie – wie viele Kinder hast du – zwei(?) – unter einen Hut?« trafen mich in meinem Innersten. Ich war einige Jahre jünger als er und fühlte mich an seiner Seite wie ein kleines Kind: unfähig, talentfrei, als hätte ich mir diesen Beruf und alle Auszeichnungen erschlichen. Diese Zweifel nagten an mir und als logische Konsequenz spielte ich tatsächlich weniger gut.

Kannst du dir vorstellen, dass man täglich vor der Kamera steht und sich trotzdem nicht präsent fühlt? Ich lieferte zwar meinen Text ab, gab also alle Stichworte für seine Show, war aber selber nicht in meiner Kraft. Mehr und mehr stieg in mir die Überzeugung auf, dass ich den völlig falschen Beruf gewählt haben musste, dass ich nur durch Glück tolle Rollen und nur durch Zufall den Deutschen Fernsehpreis verliehen bekommen hätte. Eine nagende Gewissheit fraß sich in mein Selbstbild ein: Dass ich es nur meiner Beharrlichkeit oder, mehr noch, meiner absoluten Sturheit zu verdanken hätte, so weit gekommen zu sein.

Nachdem die ersten sechs Folgen der Serie abgedreht waren, ging es in die Winterpause. Gerade rechtzeitig für mich, denn mittlerweile war mein Körper von Pusteln übersät. Juckende, brennende, hässliche Bläschen auf Brust, Bauch, der Innenseite von Armen und Beinen. Ich sah aus wie ein wandelnder Streuselkuchen. Meine Selbstzweifel hatten sich in einen gelb-orange-roten Ausschlag verwandelt. Nach langen Untersuchungen wurde eine Autoimmunkrankheit diagnostiziert mit dem Namen Lichen Ruber Planus. Die niederschmetternde Diagnose: wirkliche Heilung ausgeschlossen; lebenslang Kortison. Ich hatte damals zwei kleine Kinder, einen äußerst labilen Partner, ich musste Geld verdienen, ich musste arbeiten. Aber wie? Und was? Und vor allem: in welchem Beruf?

Heute gibt es einen Namen für meine damalige Krise, Impostor-Phänomen, wie es richtigerweise heißt. Oder Impostor-Syndrom, wie es hieße, wäre es eine offiziell anerkannte Krankheit, also das Gefühl, ein Blender, ja ein Hochstapler zu sein. Davon wusste man damals nur wenig, ich nichts.

Heute wissen wir, dass das Impostor-Syndrom die Angst beschreibt, als unzulänglich entlarvt zu werden. Es betrifft vor allem Menschen, die in einem System leben, das sie nicht unterstützt. Als Konzept funktioniert das Hochstapler-Phänomen wie ein emotionaler Aktenschrank, der eine Vielzahl von belastenden Gefühlen organisiert, die wir erleben können, wenn wir versuchen, drei Aspekte unserer Persönlichkeit in Einklang zu bringen: wie wir uns selbst erleben, wie wir uns der Welt präsentieren, wie die Welt dieses Selbst an uns zurückspiegelt. Das Impostor-Syndrom ist kein vereinzelt auftretendes Phänomen, sondern weitverbreitet. Es betrifft Menschen quer durch alle Berufe und Lebenslagen, besonders in Momenten neuer Herausforderungen oder Veränderungen. Frauen sind anfälliger als Männer, da sie oft hohe Ansprüche an sich selbst stellen und gleichzeitig dazu tendieren, ihre eigenen Leistungen zu hinterfragen.

Eine meiner Klientinnen arbeitet als Anwältin. Sie wird das Gefühl nicht los, dass ihr Erfolg unverdient sei und nicht auf ihren wahren Fähigkeiten beruhe, sondern dass sie einfach Glück gehabt hätte und andere gut täuschen könne. Ständig zweifelt sie an ihrer Kompetenz und hat Angst, als unfähig entlarvt zu werden. Absurderweise macht sie sich wegen kleinster Fehler große Vorwürfe, während sie über die Patzer der anderen ganz locker hinwegsieht.

In der Öffentlichkeit gelingt es ihr jedoch, ein sehr souveränes und kompetentes Bild von sich zu präsentieren. Und dieses Bild entspricht den äußeren Fakten nach der Wirklichkeit, denn sie hat ein enormes fachliches Wissen, eine schnelle Auffassungsgabe, denkt analytisch, ist belastbar und arbeitet gern lange und hart. Sie geht offen und direkt auf Menschen zu, verfügt über eine hohe Überzeugungskraft und ein klares strategisches Denkvermögen.

Gespiegelt bekommt sie eine sehr gute Auftragslage, eine ansehnliche Liste bereits gewonnener Gerichtsverhandlungen, Kolleg:innen, die gern mit ihr zusammenarbeiten, und Kund:innen, die ihr vertrauen. Sie erhält sehr viel Anerkennung, aber diese objektiven Beweise für ihre Fähigkeiten stehen in einem totalen Kontrast zu ihren inneren Zweifeln. Paradoxerweise führt das positive Feedback sogar zu einer Verstärkung ihrer Ängste, da sie dieses als unverdient und erschlichen betrachtet. Ein Teufelskreis – und damit ist sie nicht allein!

Die meisten vom Impostor-Syndrom Betroffenen leiden in aller Stille darunter und realisieren gar nicht, was da vor sich geht, weil sie es nicht anders kennen. Und ja, tatsächlich ist es schwierig, sich selbst objektiv zu betrachten. Das wäre so, als wollte ich meine eigene Nasenspitze sehen. Keine Chance! Doch das Syndrom und seine Auswirkungen für die Betroffenen gelangt immer mehr an die Öffentlichkeit.

Viele prominente Sportler:innen und Schauspieler:innen haben dieses Phänomen durch ihr öffentliches Bekenntnis, davon betroffen zu sein, nahbarer und damit gesellschaftlich anerkannt gemacht. Der mehrfache Oscargewinner Tom Hanks hat in Interviews erwähnt, dass er sich manchmal frage, wann die Leute herausfinden würden, dass er kein »echter« Schauspieler sei. Die britische Schauspielerin Emma Watson, bekannt für ihre Rolle als Hermine in den Harry-Potter-Filmen, hat öffentlich darüber gesprochen, wie sie sich mehrfach selbst infrage gestellt habe als Schauspielerin und Aktivistin für Frauenrechte und Geschlechtergleichheit. Auch Anke Engelke hat in einigen Interviews erklärt, dass sie sich zuweilen unsicher fühle und Angst habe, ihre selbst gesteckten Erwartungen und die anderer nicht zu erfüllen. Sportler:innen trifft dieses Phänomen ebenfalls. Die Tennislegende Serena Williams hat in Pressegesprächen mehrfach über Selbstzweifel und den Druck gesprochen, immer auf höchstem Niveau spielen zu müssen.

Da ich von all dem nichts wusste, als ich damals von oben bis unten mit diesen juckenden und brennenden Pusteln übersät war und einen enormen finanziellen Druck seitens meiner Familie verspürte, für mich aber feststand, mich auf keinen Fall einer lebenslangen Kortisontherapie hinzugeben, entschied ich mich rasch und verzweifelt dafür, es mit Homöopathie und Gesprächstherapie zu versuchen. 

Es war wie ein Wunder und für mich unfassbar, aber die Pusteln waren nach drei Wochen mit dem richtigen homöopathischen Medikament weg – und sind es bis heute. Psychotherapeutisch arbeitete ich damals den ganzen Winter lang intensiv weiter an meiner Herausforderung. Was da alles an Ängsten und Kindheitstraumata zum Vorschein kam, füllte viele Taschentücher. Im darauffolgenden Frühjahr standen die nächsten sechs Folgen für die Serie an. Ich war noch nicht ganz in meiner vollen Kraft, aber es ging mir deutlich besser und ich konnte nun souveräner mit meinem immer noch herausfordernden Kollegen umgehen. Nach weiteren zwei Jahren therapeutischer Begleitung, gepaart mit intensivem Kampfsport, entwickelte ich mich langsam zu einem Menschen, der sich und anderen vertraut und der auf beiden Beinen in der Welt steht. Heute bin ich dieser Krise sehr dankbar. Sie war eine Chance für einen enormen Entwicklungsschritt. Weitere Krisen und Entwicklungsschritte folgten – und dürfen auch noch weiter folgen.

Das Worst-Case-Szenario

Eine Strategie zur Überwindung des Impostor-Syndroms besteht darin, ein konkretes Worst-Case-Szenario durchzuspielen; diese sehr analytische Herangehensweise hilft oft, Panikgefühle zu lindern.4 Bei der jungen Anwältin würde das bedeuten, zuerst die schlimmste Situation, die auftreten könnte, zu definieren. Also beispielsweise, dass ein Kunde nach einer verlorenen Verhandlung ihre vermeintliche Unfähigkeit öffentlich macht.

Im nächsten Schritt wird dieses Worst-Case-Szenario ausgiebig analysiert und auf Herz und Nieren geprüft. Stimmt diese Annahme tatsächlich? Ist es wahrscheinlich, dass das passiert? Würde dieser Schritt eine bereits ansehnliche Karriere wirklich kaputtmachen? Würde nicht die Liste bereits erreichter Erfolge ausreichend beweisen und sicherstellen, dass Kompetenz und Talent vorhanden sind und weitere Aufträge nachfolgen werden? Anstatt sich von vagen Befürchtungen überwältigen zu lassen, bietet diese Analyse der Anwältin eine Basis für eine realistische Einschätzung der Situation. Sie kann erkennen, dass selbst das Schlimmste, was passieren könnte, nicht das Ende ihrer Karriere bedeuten muss.

Danach werden Bewältigungsstrategien entwickelt, die im Fall des Worst-Case-Szenarios greifen können. Beispiele wäre für die Anwältin ein Netzwerk aus Kolleg:innen, Ressourcen und Strategien zu etablieren, um neue Aufträge und Projekte zu bekommen. Abschließend ist noch folgende Überlegung hilfreich: Wie wahrscheinlich ist das Worst-Case-Szenario überhaupt angesichts ihrer Kompetenzen und bisherigen Erfolge? Ist es tatsächlich realistisch, als völlig unfähig entlarvt zu werden?

Hast du schon einmal bemerkt, dass Frauen bei Bewerbungen oft zögern, wenn sie nicht alle Kriterien erfüllen? Studien und Erhebungen zeigen, dass sich Frauen meist erst bewerben, wenn sie denken, 100 Prozent der Anforderungen zu erfüllen, Männer hingegen bewerben sich bereits bei 60 Prozent Übereinstimmung der Qualifikationen.5 Dennoch wissen wir heute, dass mehr und mehr auch Männer vom sogenannten Hochstapler-Syndrom betroffen sind. Kam es bei dir schon vor, dass du dich auf eine Stelle nicht beworben hast, weil es eine einzige Qualifikation gab, die nicht ganz mit deinen Kenntnissen übereinstimmte?

Das Bewusstsein für das Impostor-Phänomen und seine Auswirkungen ermöglicht uns, nicht nur unsere eigenen inneren Zweifel kritisch zu hinterfragen, sondern auch die Strukturen, die solche Muster fördern oder verstärken könnten. Wenn wir diese Gegebenheiten erkennen und aktiv angehen, finden wir bestimmt Wege, um unser wahres Potenzial zu entfalten – ganz unabhängig davon, ob wir zu den 100 oder zu den 60 Prozent der Stellenausschreibung passen.

Negative Glaubenssätze verwandeln

Es muss nicht gleich das Impostor-Phänomen sein, wenn wir uns im Laufe unseres Lebens immer wieder die Frage stellen:

Exkurs

Bin ich gut genug?

Reflektiere einen Moment: Wie oft hast du dich das schon gefragt? Weniger als 10-mal? Mehr als 10-mal? 100-mal? Stelle dir jetzt diese Frage noch einmal. Wie antwortest du? Bist du in deiner vollen Kraft; bist du überzeugt von dem, was du machst und wie du dich der Welt zeigst; oder nagen Selbstzweifel an deinem Sein?

Der Ursprung negativer Glaubenssätze liegt bereits tief in unserer Familiengeschichte und setzt sich durch Erlebnisse in der Schule fort. In unserer Herkunftsfamilie erleben wir meist und hoffentlich viel Schönes. Doch leider erfahren wir nicht nur bedingungslose Liebe, sondern auch die ersten Formen von Bewertung und Vergleich. Eltern, Geschwister und andere Bezugspersonen, die in ihrer eigenen Dynamik gefangen waren und sind, prägen unsere Wahrnehmung von Selbstwert und Anerkennung.

In der Schule setzt sich dieser Prozess zum ersten Mal außerhalb der Familie fort und verdichtet sich. Wir werden gemessen, beurteilt, durchleuchtet, verglichen, kritisiert und meist viel zu wenig gelobt und gefördert. Die meisten Menschen, mit denen ich arbeite, finden den Ursprung ihrer Ängste dort. Leistungsdruck, Noten, Prüfungsangst und die Vorstellung, dass Noten nicht nur die Intelligenz eines Menschen widerspiegeln, sondern auch dessen Wert, verstärken das Gefühl, den Erwartungen nicht zu entsprechen, zu enttäuschen und daher nicht gut genug zu sein. 

In meinen Coachings erkunde ich mit den Klient:innen deren individuelle Erfahrungen in Familie und Schule, um diese Muster bewusst zu machen. Gemeinsam arbeiten wir daran, ein neues Verständnis für die eigene Wertigkeit zu entwickeln, Selbstliebe zu fördern und den Weg zu einer positiven Selbstwahrnehmung zu ebnen. Die Reise der Selbstakzeptanz ist oft anspruchsvoll, aber auch erfüllend und befreiend, wenn man beginnt, sich selbst als gut genug zu empfinden.

Das, was wir damals über uns selbst glauben gelernt haben – also unsere Glaubenssätze –, hat einen enormen Einfluss darauf, wie wir uns heute sehen und wie wir unser Leben gestalten. Glaubenssätze sind feste Überzeugungen über uns und die Welt. Sie prägen unsere Wahrnehmung und beeinflussen, wie wir denken, fühlen und handeln. Zudem haben sie die lästige Angewohnheit, sich permanent einzumischen. Aber das Gute ist: Wir können sie überschreiben! Indem wir unsere alten, einschränkenden Überzeugungen hinterfragen und neue, ermächtigende Glaubenssätze wählen, entdecken wir plötzlich, dass Selbstakzeptanz und ein erfülltes Leben nicht nur anderen vorbehalten bleiben. Viel Spaß beim Ausprobieren anhand der folgenden Übung!

Übung

Übung zum Verwandeln negativer Glaubenssätze

Nehmen wir wieder den Glaubenssatz: »Ich bin nicht gut genug.«

Gehe diesem Satz auf den Grund. Stimmt er wirklich? Wer bestimmt, was »gut« ist? Und wofür nicht gut genug? Du wirst erkennen: Objektiv, analytisch und wissenschaftlich ist diese Aussage nicht beweisbar, sondern nur ein Satz, den du glaubst beziehungsweise zu glauben gelernt hast. Wenn du also gelernt hast zu glauben, dass du nicht gut genug bist, dann kannst du auch lernen zu glauben, dass du gut genug bist!

Nun überlege dir, was in deinem Leben einfacher oder leichter wäre, wenn du diesen Glaubenssatz loslassen würdest, und schreib es auf! Zum Beispiel: »Es würde mir leichter fallen, meinen Job zu machen.« »Es würde mir leichter fallen, neue Freund:innen zu finden.«

Als Nächstes schreib eine Liste deiner Erfolge und Stärken, etwa: »Ich kann gut zuhören. Ich kann gut organisieren. Ich kann gut Mitgefühl zeigen.« Spüre die Kraft, die von diesen Bestätigungen ausgeht, und drehe den ursprünglich negativen in einen positiven Glaubenssatz um. Somit wird aus »Ich bin nicht gut genug« dann »Ich bin gut genug.« Anschließend stelle daraus positive Affirmationen zusammen!

Affirmationen sind kleine Sätze, die du dir gedanklich immer und immer wieder sagen kannst. Je mehr Affirmationen du sammelst, desto mehr wirst du erkennen, dass du gut bist, so wie du bist. Wenn du nun deine Stärken in positive Affirmationen umwandelst, könnten sie heißen:

Neuer Glaubenssatz: »Ich bin genug, so wie ich bin.«

Affirmation: »Ich akzeptiere mich vollkommen und erkenne an, dass ich genug bin, so wie ich bin. Ich habe die Fähigkeiten, die ich brauche, um die Anerkennung zu bekommen, die ich mir wünsche.«

Neuer Glaubenssatz: »Ich kann gut zuhören.«

Affirmation: »Meine Fähigkeit zuzuhören, ist eine meiner größten Stärken. Ich nehme mir die Zeit, die Perspektiven anderer zu verstehen.«

Versuche immer wieder positive Glaubenssätze zu entwickeln, die zu deinem täglichen Mantra werden dürfen:

»Ich kann gute Vorträge halten und präsentiere klar, zugewandt und voller Überzeugung.«