Meisterhaft zurück? - Fred Erikson - E-Book

Meisterhaft zurück? E-Book

Fred Erikson

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Beschreibung

Holger, Babs, Tom, Reni, Bunny, Mutti, Walt und Joe haben die Wahnsinnssaison 2023/2024, die nicht nur zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte von Bayer 04 Leverkusen die Deutsche Meisterschaft, sondern auch noch den Sieg im DFB-Pokal und den Einzug ins Finale der Europa League mitsich brachte, in vielen Spielen in den Stadien miterlebt. Und wenn nicht im Stadion, dann im Kino-Keller von Holger und Babs. Die Euphorie über das Erreichte, die Begeisterung über die Unterstützung der Werkself durch die Fans, der Zusammenhalt von Mannschaft und Anhängern – die Saison 2023/2024 war ein einziger Traum. Jetzt steht die neue Saison an. Bayer 04 wird der Gejagte sein. Die üblichen Verdächtigen werden versuchen, die personell etwas veränderte Werkself vom Thron zu stoßen. Mit Erfolg? Auch für die acht - manchmal sind es auch zehn - aus dem Keller wird es Neuerungen geben. Sie werden aber wieder mit ganzem Herzen der Werkself folgen, sie anfeuern und darauf hoffen, dass die Saison 2024/2025 feierwürdig verlaufen wird. Auf jeden Fall verspricht diese Spielzeit (wieder) spannend zu werden. Bis zum letzten Spieltag am 17. Mai 2025 darf gehofft und gezittert werden. Gelingt Bayer 04 tatsächlich die Titelverteidigung? Und was passiert international? Kann die Werkself auch die europäische Top-Liga aufmischen?

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Buch

Holger, Babs, Tom, Reni, Bunny, Mutti, Walt und Joe haben die Wahnsinnssaison 2023/2024, die nicht nur zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte von Bayer 04 Leverkusen die Deutsche Meisterschaft, sondern auch noch den Sieg im DFB-Pokal und den Einzug ins Finale der Europa League mit sich brachte, in vielen Spielen in den Stadien miterlebt. Und wenn nicht im Stadion, dann im Kino-Keller von Holger und Babs.

Die Euphorie über das Erreichte, die Begeisterung über die Unterstützung der Werkself durch die Fans, der Zusammenhalt von Mannschaft und Anhängern – die Saison 2023/2024 war ein einziger Traum.

Jetzt steht die neue Saison an. Bayer 04 wird der Gejagte sein. Die üblichen Verdächtigen werden versuchen, die personell etwas veränderte Werkself vom Thron zu stoßen. Mit Erfolg?

Auch für die acht aus dem Keller wird es Neuerungen geben. Sie werden aber wieder mit ganzem Herzen der Werkself folgen, sie anfeuern und darauf hoffen, dass die Saison 2024/2025 feierwürdig verlaufen wird.

Auf jeden Fall verspricht diese Spielzeit (wieder) spannend zu werden. Bis zum letzten Spieltag am 17. Mai 2025 darf gehofft und gezittert werden. Gelingt Bayer 04 tatsächlich die Titelverteidigung?

Und was passiert international? Kann die Werkself auch die europäische Top-Liga aufmischen?

Autor

Fred Erikson, in Leverkusen geboren.

Bayer 04-Fan seit Mitte der 70er-Jahre

Bislang erschienen: Der Tag, an dem Bayer Leverkusen Deutscher Meister werden konnte

Fred Erikson

SVB

Meisterhaft zurück?

Roman

Es ist nichts scheißer als Platz zwei.

(Erik Meijer)

Impressum

Texte: © Copyright by Fred Erikson

Umschlaggestaltung: © Copyright by Frieda Erikson

Verlag: F. Erikson

51379 Leverkusen

[email protected]

Druck: epubli – ein Service der neopubli GmbH, Berlin

Vorwort

Soll ich oder soll ich nicht?

Bereits im Schlussdrittel der Wahnsinnssaison mit unserer ersten Deutschen Meisterschaft und dem Pokalsieg kamen erste Anfragen, sinngemäß in diese Richtung formuliert: „Du schreibst doch auch über die neue Saison einen Roman, oder?“

Meine Antwort lautete lange Zeit: „Nöö.“

Dann aber, noch vor der EM, bekam ich doch irgendwie Lust, war mir aber nicht sicher, ob ein neuer Roman Sinn machen würde. Das war ich mir tatsächlich auch zu Beginn des Schreibens nicht zu 100 Prozent.

Aber dann hab´ ich´s doch gemacht. Dazu bewogen hat mich sicher auch die offen gezeigte Begeisterung für den Bayer in unserer Stadt: Ich habe noch nie so viele Menschen mit unseren Trikots in der Stadt umherlaufen sehen. Unglaublich … Und schön.

Außerdem habe ich gemerkt, dass sich meine anfängliche Skepsis, dass wir diesen Erfolg mit dem Verlust etlicher Spieler, die von anderen Vereinen weggekauft werden würden, vielleicht würden teuer bezahlen müssen, gelegt hat.

Es gab – bislang zumindest nicht – verhältnismäßig wenig Abgänge, dafür aber hochwertige Zugänge. Zumindest versprechen sie, hochwertig zu sein.

Vor dem Schreibstart musste ich jedoch warten: auf den Spielplan, der Anfang Juli veröffentlicht werden sollte; auf personelle Veränderungen in den Mannschaften, vor allem beim Bayer. Die waren bis zur Fertigstellung des Romans wahrscheinlich nicht abgeschlossen. Das große Thema: Bleibt Jonathan Tah oder wechselt er nach München.

Ich hatte auch noch am Morgen des 22. August 2024 das Gefühl, dass er gehen wird, doch dann war dem Kölner Stadt-Anzeiger zu entnehmen, dass der Verteidiger in Leverkusen bleiben wird.

Gut so.

Mit dem Roman „Der Tag, an dem Bayer Leverkusen Deutscher Meister werden konnte“ hatte ich einen Riesendusel. Dieses Glück wird sich sicherlich nicht wiederholen. Auch dieser Roman soll in erster Linie Spaß machen. Vielleicht weist er wieder die eine oder andere Parallele zur Realität auf; ich werde es sehen, Ihr werdet es lesen.

Auch dieser Roman wurde VOR dem Saisonstart der Bundesliga geschrieben.

Viel Spaß damit!

Rückblick: Dublin, Berlin, coming home

Nachdem die Meisterschale am 18. Mai nach dem Spiel gegen den FC Augsburg übergeben wurde, war die Saison für die Werkself längst noch nicht zu Ende.

Das Finale der Europa League am 22. Mai in Dublin gegen Atalanta Bergamo sowie im DFB-Pokal am 25. Mai in Berlin gegen den 1. FC Kaiserslautern standen noch an.

Für beide Endspiele hatte die Achterrunde schon lange im Voraus vorgesorgt. Sowohl für Dublin als auch für Berlin wurden noch im Jahr 2023 Hotelzimmer gebucht; jeweils mit der Option der kostenfreien Stornierung, sollte es nichts mit dem Finale werden.

Im DFB-Pokal war dieses Vorabbuchen schon ein lieb gewonnenes Ritual: Immer, wenn die Werkself die erste Runde überstanden hatte, buchte Babs, nach Rücksprache mit den anderen sieben, vier Hotelzimmer in einem Berliner Hotel. Das gab Hoffnung. Warum auch immer.

Denn meistens wurde aus dieser Hoffnung nichts. Im Jahr des „Corona-Finales“ 2020 gegen den FC Bayern München hatte Babs zwar auch die Zimmer schon vorab gebucht, aber aufgrund der Restriktionen wurde das Endspiel – wir wissen es alle noch – vor leeren Rängen ausgetragen.

In der Saison 2023/2024 hatte es aber geklappt: Die Zimmer waren schon nach dem Sieg über Teutonia Ottensen in der 1. Runde reserviert worden. Wie´s sich später herausstellte, lag das Hotel direkt „umme Ecke“ des Leverkusener Fantreffs. Dazu aber später mehr.

Dublin

- Joe bekam von seiner Freundin kein grünes Licht, „es reicht, wenn du schon nach Berlin fährst“, hatte er beim Vorbesprechungstreffen für die Finals die Worte seiner Partnerin wiederholt. Er erntete großes Mitleid aus der Runde. Holger hatte ihm noch auf die Schultern geklopft und gemeint „Dafür lässt du´s dann in Berlin richtig krachen.“
- Auch Mutti konnte nicht mit. Sie hatte ein sehr wichtiges berufliches Meeting am 23. Mai anstehen, das nicht verschoben werden konnte. Richtig traurig war sie nicht darüber, da sie befürchtete, dass die Dublin-Tour sehr bierlastig verlaufen würde. Wo sie recht hatte, hatte sie recht.
- Beim Durchlaufen des Sicherheitschecks am Flughafen wurden in Bunnys Handgepäck zwei Dosen Kölsch gefunden. Sein Argument, dass er das irische Bier nicht mögen würde und dazu aber auch noch Werbung für Kölsch auf der grünen Insel betreiben wollte, beeindruckte das Sicherheitspersonal nicht sonderlich. Bunny und Holger opferten sich und leerten das Werbematerial vor Ort.
- Tom und Bunny verpassten fast das Boarding. Die beiden hatten sich an einer Theke festgequatscht; Bunny fand die Bedienung zu süß. Dafür gab es von Reni und Holger einen kleinen Einlauf, als die beiden gesucht und gefunden hatten.
- Auf dem Flug wurden ein paar Passagiere, darunter auch der sowieso unter Flugangst leidende Walt, durch Turbulenzen der etwas größeren Art zur Wiedergabe der Magenfüllung animiert.
- Das Hotel der sechs lag am Rand des Temple Bar-Viertels, strategisch sehr günstig, wie sich am Abend nach dem Spiel herausstellen sollte.
- Vor dem Spiel wurden vier Pubs und eine Pizzeria aufgesucht. Dass Bunny kein irisches Bier mögen würde, stellte sich als von ihm selbst in Umlauf gebrachtes, letztlich absolut haltloses Gerücht heraus.
- Nur Walt hätte bis zum Anpfiff, nach deutschen gesetzlichen Vorgaben, noch Auto fahren dürfen. Er hatte die undankbare Aufgabe, seine kleine Herde auf dem Weg zum Fan-Treff im Shelbourne Park und anschließend zum Stadion beisammenzuhalten. Was alles andere als einfach war, da es viele Souvenirläden gab. Verdammt viele. Mal war Reni verschwunden, mal Babs, mal Holger und Babs. Bei Bunny und Tom musste er aufpassen, dass die beiden sich nicht wieder in irgendein Pub absetzten.
- Beim Abtasten vor dem Eintritt ins Stadion musste Reni ihre Nagelfeile abgeben, was sie partout nicht wollte, letztlich aber musste. In der Frauenschlange hinter ihr gab´s laute Zustimmung für ihre Weigerung.

„Männer schleppen Pyro mit ins Stadion; wir müssen Schönheitsinstrumente abgeben“, rief ein weiblicher Leverkusen-Fan empört.

- Walt überlegte, ob er das Spiel nicht lieber aus dem riesigen, mit Ess- und Getränkeständen versehenen Vorraum der Tribünen verfolgen sollte, beschloss dann aber doch rauszugehen.
- Tom, Bunny und Holger gönnten sich vor dem Anpfiff noch jeder zwei große Bier. Als sie diese mit auf ihre Plätze nehmen wollten, wurde ihnen der Zutritt auf die Tribüne verweigert. Babs und Reni kamen dagegen mit ihren antialkoholischen Getränken ohne Probleme auf ihre Plätze.
- Die Stimmung im Stadion war klasse. Bergamo, mit deutlich weniger Fans angereist, hatte die akustisch besseren Plätze und trotzte der numerischen Übermacht der Leverkusener Anhänger.
- Diese wurden im Laufe der Partie auch leiser, da die Werkself zum ersten Mal in dieser Saison deutlich unterlegen war und am Ende eine klare und verdiente Niederlage kassierte.
- Tom und Bunny verbrachten die letzte Viertelstunde der Begegnung an einem Getränkestand im Vorraum und schäkerten mit dem weiblichen Personal herum.
- Walt fühlte sich mit seinem im Vorfeld nur gefühlten, aber nicht geäußertem Pessimismus bestätigt; ärgerte sich, dass er seine Befürchtungen vorher nicht verkündet hatte. Nach der kleinen Auseinandersetzung mit Reni ob seiner latenten Schwarzseherei vor einigen Wochen war er vorsichtiger geworden.
- Nach der 0:3-Pleite bauten die Fans das Team lautstark auf und machten Mut für das am Wochenende stattfindende Pokalfinale.
- Während Walt nach dem Heimweg direkt ins Hotel ging, versackten die anderen fünf im Temple Bar-Pub bei Live-Musik zusammen mit vielen Iren, Italienern, Engländern, Schotten und ein paar Deutschen. Alles lief friedlich und am Ende auch fröhlich ab. Bunny hatte eine Italienerin kennengelernt, unterhielt sich mit ihr mit Händen und Füßen und trudelte erst um 06 Uhr ins Hotel ein. Sein Zimmerpartner Tom merkte nichts.
- Nachdem sich alle am nächsten Morgen mit Souvenirs eingedeckt hatten – den Vogel schoss dabei Walt mit einem bemerkenswert hässlichen Hoodie ab -, gönnten sie sich noch ein kleines Mittagessen und machten sich dann auf den Rückweg zum Flughafen.
- Der Rückflug verlief außerordentlich ruhig und war nach mächtigem Rückenwind schon nach 1:20 Stunden beendet. Joe wartete bereits mit seinem 9-Sitzer zum Abholen in Düsseldorf. Auf dem Weg nach Leverkusen schliefen, abgesehen von Walt, alle direkt ein. Joe musste auf jegliche Konversation verzichten, da Walt keine Lust hatte zu reden. Joe war aber jetzt schon gespannt, ob und wie die übernächtigten Freunde am nächsten Morgen die Zugfahrt nach Berlin auf die Reihe bekommen würden.

Berlin

- Zum Treffpunkt um 08.30 Uhr am Opladener Bahnhof standen tatsächlich ALLE pünktlich parat. Selbst Bunny. Er sah aber fürchterlich aus.
- Ihr ICE am Kölner Hauptbahnhof fuhr wundersamerweise pünktlich los. Auf dem Weg in die Bundeshauptstadt schliefen die meisten die meiste Zeit. Nur Babs und Reni blieben die ganze Fahrt über wach und berichteten Joe und Mutti über den Trip nach Dublin.
- Da in der Höhe von Hannover Personen im Gleisbett unterwegs waren, legte der Zug dort eine unfreiwillige Pause ein. Eine Stunde lang ging nichts mehr. Die Schlafenden störte das nicht. Mutti versorgte indes ihre wachen Mitreisenden mit diversen geschnippelten Gemüsesticks.
- In Berlin angekommen, fuhren die acht – Bunny sah übrigens immer noch total fertig aus – mit der U-Bahn weiter bis zum Kaiserdamm. Dort lag ihr Hotel.
- Nach dem Einchecken legte sich Bunny kurz hin und wart bis zum Abend nicht mehr gesehen. Die anderen stärkten sich in einer in einer Querstraße liegenden Trattoria erst mal, legten dann aber auch eine Pause ein.
- Am Abend ging es geschlossen zur Fan-Party im Club „Pirates“. Auf dem Weg dorthin schiffte es wie aus Kübeln; es reichten die letzten 300 Meter nach dem Verlassen der U-Bahn, um klitschnass zu werden.
- Im Club war es aber so heiß, dass alles schnell trocknete. Die Stimmung war bombig, die Location klasse; eine blendende Einstimmung auf den Folgetag mit dem Finale gegen Kaiserslautern.
- Nur Walt verließ die Party vorzeitig, doch auch da war es schon 01 Uhr. Den Vogel schoss mal wieder Bunny ab, der erst um 04 Uhr im Hotel eintrudelte, dabei aber zuerst ins falsche Zimmer wollte. Dies wurde von zwei Lauterern bewohnt, die alles andere als entspannt reagierten, als mitten in der Nacht ein sichtlich betrunkener Mann im Leverkusen-Trikot an der Tür ihres Zimmers herumfummelte. Babs und Reni, geweckt durch den Lärm auf dem Flur, gelang es, wieder Frieden herzustellen.
- Zum Frühstück erschienen nur sieben der acht Angereisten. Es fehlte: …
- Ohne Bunny ging es am späteren Vormittag dann auch zum Leverkusener Fanfest, das nur ein paar Hundert Meter vom Hotel entfernt ausgetragen wurde.
- Tausende von Bayer-Fans, bestes Wetter, beste Stimmung – die gute Laune vom Vorabend setzte sich nahtlos fort. Bevor es ins Stadion ging, ließen sich die acht – mittlerweile war auch Bunny aufgetaucht – am späten Nachmittag in der Trattoria vom Vortag nieder. Die war komplett von Bayer-Anhängern besetzt, mit denen man schnell ins Gespräch kam.
- Nach einem entspannten Essen ließ sich die Gruppe von der U-Bahn zum Olympiastadion kutschieren. Leider war die Bahn zu 90 Prozent von Lautern-Fans besetzt. „Bayer ist nervös, Bayer ist nervös, Bayer, Bayer, Bayer ist nervös“, begannen die Lauterer zu grölen, als die Leverkusener sich auf den letzten Zentimetern in den Wagen quetschten. Sie waren fortan damit beschäftigt, sich auf den (glücklicherweise nur) zwei Stationen irgendwie aneinander festzuklammern und so wenig wie möglich zu atmen.
- An der Haltestelle Olympiastadion angekommen, wurde es nicht besser. Auch da turnten zu 90 Prozent Lauterer rum, der Song über die nervösen Leverkusener breitete sich auch dort schnell aus, mitunter gewürzt mit ein paar dezent aggressiven Pöbeleien über die Monsanto-Elf, Werbemaßnahme oder den Betriebsausflug des Werks. Walt wollte jeweils mit Vorträgen auf die Anmache reagieren, was die Stimmung jedoch nur weiter beim Gegner anheizte. Also nahmen Holger und Tom ihn immer zügig aus dem Palavern heraus. Besser war das.
- Vor dem Stadion fragten sich die acht, wo denn ihr Eingang sei. Damit waren sie aber nicht allein. Andere Leverkusener mit dem gleichen Problem sprachen sie an. Ein Helfer/Volunteer war übrigens nirgendwo zu sehen.
- Durch Schlängelgitter, ähnlich wie denen der Sicherheitskontrolle am Flughafen, schlich sich die Fanmasse langsam, aber sicher Richtung Ticketeinlass. Dauer: mehr als eine Stunde.
- Glücklicherweise wurden dort vom QR-Code-Lesegerät alle Tickets der acht erkannt, was nicht selbstverständlich war. Holger&Co. hatten beobachten können, dass immer wieder einzelne Fans nicht hineinkamen, weil der Code auf ihren Tickets nicht gelesen werden konnten. Diese Fans drehten frustriert ab, mussten sich zu einer Clearingstelle begeben und anschließend wieder neu anstehen.
- Drinnen versorgte sich die Bayer-Truppe erst mal mit Getränken. Angesichts der Menschenmassen an den Ständen besorgten sich alle direkt zwei Getränke.
- Dann marschierten sie auf ihre Plätze. Die Lauterer Kurve war schon fast komplett voll; bei den Schwarz-Roten taten sich noch große Lücken auf. Kein Wunder: Wie von Tribünen-Nachbarn zu hören war, standen draußen noch Tausende Leverkusener an. Zum Teil schon fast zwei Stunden.
- Übers Spiel muss nicht mehr viel berichtet werden: Granit Xhaka erzielte das Tor des Tages; der Bayer gewann knapp, aber verdient mit 1:0.
- Lautern hatte eine geile Choreo mit einem Riesenteufel, der die bisherigen Pokalgegner des 1. FCK, inklusive Leverkusen, in einem großen Kochtopf verrührte.
- Die Siegerehrung verlief trotz des klaren Favoritenstatus, den der Bayer nun mal innehatte, euphorisch, lautstark und begeisternd. Wie schon in der Meisterschaft feierten Team und Fans so eng wie möglich miteinander.
- Der Rückweg aus dem Stadion heraus wurde, je näher man der U-Bahnstation rückte, immer chaotischer. Tausende Fans aus beiden Lagern quetschten sich vor dem Eingang zur U-Bahn, es ging weder vor noch zurück. Helfer oder die Polizei waren nicht zu sehen. Gut, dass alle Fans besonnen blieben. Babs, Reni, Mutti und die fünf Männer beschlossen, der Bahn aus dem Weg zu gehen und machten sich zu Fuß auf zum Hotel, das sie nach 40 Minuten erreichten.
- An der Hotelbar wurden noch ein paar Absacker eingenommen, dann ging es ab auf die Zimmer. Es war kurz vor Mitternacht, am nächsten Morgen mussten die Rheinländer früh aus den Federn, um ihren Zug nach Hause zu bekommen.
- Die Rückfahrt verlief, ähnlich wie die Anreise, reibungslos. Bunny und Tom mussten in Köln geweckt werden, die beiden lagen quasi im Koma, hatten sie sich doch während der Fahrt noch ein paar Bierchen gegönnt.

Coming home

- In Leverkusen angekommen, beschlossen die Jungs, direkt zum Stadion durchzustarten, auf dem Weg dorthin aber ihre Taschen bei Tom zu deponieren. Reni und Babs wollten sich zuerst bei Babs frisch machen und dann nachkommen. Das geschah allerdings nicht, da beide, nachdem sie sich eigentlich nur kurz etwas hinlegen wollten, sofort in einen tiefen Schlaf fielen. Sie hörten dabei nicht die diversen Anrufe der Männer.
- Joe und Mutti trafen sich mit den vier Nicht-Schlafenden am verabredeten Treffpunkt am Konrad-Adenauer-Platz.
- Holger, Tom, Bunny und auch Walt waren schon wieder im Partymodus, versorgten Joe mit Dosenbier; Mutti lehnte dankend ab. Die sechs warteten auf die Trucks der Mannschaft, die immer noch auf dem Weg vom Schloss Morsbroich zur BayArena waren. Tausende Menschen empfingen den Doublesieger mit Sprechchören, Pyro, Konfettikanonen: ganz großes Kino. Als die Trucks am Konrad-Adenauer-Platz vorbei waren, zeigten sich Holger &Co. begeistert jeweils ihre Gänsehaut.
- Im Stadion saßen sie auf ihren angestammten Plätzen. Beste Sicht, überdacht. Als die Mannschaft auftauchte, eskalierte die Stimmung. Die 40.000 Fans in der Arena rasteten aus; die Kicker und Coaches genossen die Party; keiner ließ sich die Laune vom plötzlich einsetzenden, aber dann auch genauso schnell wieder stoppenden Platzregen verderben. Es wurde einfach weitergefeiert. Spieler und Trainer waren klitschnass, ganz egal.
- Holger, Tom, Walt, Joe und Bunny lagen sich in den Armen, sangen/grölten alles mit, hatten wahlweise Gänsehaut auf den Armen oder Tränen in den Augen.
- Mutti weinte fast die ganze Zeit und wurde abwechselnd von jedem der Jungs in den Arm genommen.
- Babs und Reni tauchten übrigens den ganzen Abend lang nicht mehr auf.
- Als Mutti gegen 22 Uhr von den Feierlichkeiten bei der Lev-Szene nach Hause ging, blieben die Jungs noch da. Sehr lange. Gut, dass am nächsten Tag jeder Urlaub genommen hatte.
- Die Schlussworte des Abends sprach erstaunlicherweise Walt: „Wir brauchen keinen Rathaus-Balkon, wir haben unser Stadion.“

Vorbereitung

Sie trafen sich am Mittwoch vor dem ersten Saisonspiel in Mönchengladbach zum ersten Mal in der Saison 2024/2025 in Holgers und Babs´ Kino-Keller.

Nach den Testspielen gegen Rot-Weiß Essen (2:1), Arsenal London (1:4), RC Lens und dem Supercup-Duell mit dem VfB Stuttgart (4:3 nach Elfmeterschießen) stand noch die erste Runde im DFB-Pokal gegen Carl-Zeiss Jena an. Durch den Supercup musste der Bayer allerdings erst nach dem 1. Bundesligaspieltag nach Jena zum Pokalspiel.

Die Werkself der neuen Spielzeit sah bislang personell nur minimal etwas anders aus als die Meistertruppe: Josip Stanisic musste zurück nach München, Noah Mbamba war zu Fortuna Düsseldorf in die 2. Liga verliehen worden.

Adam Hlozek wechselte nach Hoffenheim; Gustavo Puerta sollte auch noch abgegeben werden.

Bei Jonathan Tah gab es eine unsäglich lange Hängepartie, da Tah nach München wechseln wollte, sich die beiden Vereine aber nicht einigen konnten, München plötzlich ein nachlassendes Interesse zeigte, Tah weiter in der Vorbereitung in Leverkusen eingesetzt wurde. Bis kurz vor dem ersten Saisonspiel am 23. August in Mönchengladbach gab es offiziell keine Klarheit, aber die hiesigen Zeitungen vermeldeten, dass Tah bleiben würde.

Die Verträge von Timothy Fosu-Mensah und Borja Iglesias waren nicht verlängert worden.

Als Neuzugänge wurden der französische U21-Nationalspieler Jeanuel Belocian, Xabi Alonsos Landsmann Aleix Garcia, der französische Angreifer Martin Terrier, das italienische Top-Talent Andrea Natali (für die Jugend) verpflichtet.

Die Mannschaft wurde also, wenn man Zu- und Abgänge gegenüberstellt, quantitativ etwas ausgedünnt, qualitativ wohl verstärkt.

Auch der Kino-Keller hatte sich verändert. Babs und Holger hatten die wichtigsten Zeitungsartikel der letzten Monate über den Tag, als der Bayer gegen Werder Bremen die Meisterschaft klarmachte sowie die Schalenübergabe vom 18. Mai, das Pokalendspiel vom 25. Mai sowie die Coming home-Feier vom 26. Mai, gesammelt – auch die von überregionalen Zeitungen, und diese Ausschnitte als Collagen in Bilderrahmen angeordnet und pro Ereignis aufgehangen. Dazu hatte Holger mit Unterstützung von Bunny und Tom eine Wand des Kellers in Schwarz und Rot gestrichen.

Ein absoluter Blickfang war aber der Spind von Arthur Augusto de Matos Soares, genannt Arthur. Holger hatte ihn bei der Aktion des Fanprojekts Leverkusen ersteigert.Da die Umkleide der Werkself komplett neugestaltet worden war, hatte der Verein alle alten Spinde der Spieler dem Fanprojekt zur Verfügung gestellt. Von dort aus wurden die Spinde, die alle persönlich vom bisherigen Nutzer signiert worden waren, versteigert.

Holger hatte Blut und Wasser geschwitzt, ehe er Arthurs Spind sein Eigen nennen konnte.

Babs wusste von dieser Aktion nichts und wurde erst nach der erfolgreichen Ersteigerung von Holger informiert. Entgegen Holgers Befürchtung bejubelte seine Frau den ersteigerten Spind und hatte sofort eine klare Vorstellung, wo dieser im Keller seinen Platz finden würde.

Gut, das war nicht der Platz, den Holger eigentlich dafür vorgesehen hatte.

„Egal, so ist Babs jetzt auch glücklich. Die Hauptsache ist, dass ich das Ding im Keller stehen habe“, dachte er sich.

Nachdem das Teil seinen Platz gefunden hatte, wandelte Holger die in Buche gehaltenen Seitenteile mittels schwarzer und roter Klebefolie in die Vereinsfarben um.

Zur Saisonvorbereitung der Keller-Truppe: Wie im letzten Jahr wollten sie schon vor dem ersten Bundesligaspieltag ihre Saisontipps durchspielen. Das war immer eine recht zeitintensive Angelegenheit mit viel Diskussionsbedarf und noch mehr Frotzeleien.

Außerdem musste noch der Gewinner der Meister-Saison geehrt werden. Er oder sie würde übrigens an diesem Pokal-Abend von Letzten der Tipprunde den ganzen Abend bedient werden. Auch das war ein Ritual der Truppe.

Und: Holger hatte keinem aus der Runde vom Arthur-Spind erzählt; er und auch Babs waren riesig auf die Reaktionen der anderen gespannt.

Der Spind stand an der rot-schwarz bemalten Wand, rechts und links von ihm hingen die Collagen an der Wand, befanden sich auch die Modelle der Meisterschale und des DFB-Pokals.

Als Erste traf Mutti ein. Sie trug einen Korb mit sich, aus dem es verführerisch roch.

„Gott, riechst du gut, Mutti. Hast du ein neues Parfüm?“

Babs verdrehte bei den Worten ihres Mannes theatralisch die Augen.

Mutti war dagegen verwirrt.

„Was?“

„Du riechst himmlisch! Zum Anbeißen.“

Mutti sah Babs hilflos ab; die machte den Scheibenwischer und wandte sich an Holger.

„So einen Spruch habe ich von dir in all den Jahren unserer Ehe nie gehört. Muss ich jetzt eifersüchtig sein?“

Holger grinste, näherte sich Muttis Korb und linste hinein.

„Was ist denn da drin?“

„Gefüllte Pizzabrötchen.“

Jetzt fiel bei Mutti der Groschen.

„Och man, Holgi; du bist manchmal einfach zu blöd. Aber was kann man von einem Mann auch erwarten. Stell ihm was zu essen vor die Nase und alle anderen Sinne setzen aus.“

Babs seufzte nach Muttis Sätzen.

„Da sagst du was.“

Holger wollte nun aber auf seine neue Errungenschaft aufmerksam machen und stellte sich neben Mutti.

„Fällt dir nichts auf?“

Mutti sah sich um.

„Die Wand ist bemalt, es hängen Bilder an ihr. Und da steht so ein komisches Teil, was auch immer das ist. Das passt nicht hier rein.“

Während Babs versuchte, sich ein aufkommendes Kichern zu verkneifen, sah Holger konsterniert auf die neben ihm stehende, deutlich kleinere Mutti herab.

„Wie, das passt hier nicht rein.“

„Sagte ich doch. Das Teil ist hässlich. Haste das vom Sperrmüll?“

Holger war fassungslos.

Babs liefen unterdessen Tränen die Wangen hinunter.

Mutti latschte zum noch unerkannten Spind.

Währenddessen klingelte es an der Haustür.

„Ich mach auf“, rief Babs und rannte mit hochrotem Gesicht aus dem Keller ins Erdgeschoss.

Als Mutti vor dem Spind stand, betraten Tom und Bunny den Kellerraum. Sie bemerkten sofort den Spind.

„Sag bloß, Holgi! Hast du echt einen bekommen?“

Bunny brüllte fast.

Mutti erschrak und drehte sich um.

„Was hat er bekommen? Meinst du dieses Ding hier?“

Tom konnte nicht reden. Er näherte sich schon fast feierlich dem Spind, streckte vorsichtig eine Hand aus und berührte zärtlich die Leder-Sitzfläche.

„Ich fasse es nicht“, murmelte er und sah mit Tränen in den Augen Holger an.

„Darf ich mich mal setzen?“

Holger nickte.

„Natürlich, du Honk. Dafür ist das Ding doch da.“

Mutti beobachte überfordert die Reaktionen ihrer Kumpels, die nun alle direkt an diesem Teil standen.

„Kann mich hier endlich mal jemand aufklären? Ist das der Heilige Gral vom Bayer? Fallt ihr jetzt alle auf die Knie und betet das Ding an?“

Tom antwortete: „Das ist ein Originalspind.“

„Hä?“

Mutti verstand immer noch Bahnhof.

Holger versuchte konkreter zu werden.

„Ich habe den Spind von Arthur Augusto de Matos Soares ersteigert; er steht jetzt für immer hier im Keller.“

„Von wem?“

Muttis Gesicht bestand nur noch aus Fragezeichen. Also symbolisch.

„Meeeensch, Mutti! Von Arthur, unserem jungen Brasilianer, an dem wir in den nächsten Jahren noch viel Spaß haben werden. Schau mal, da oben steht noch seine Trikotnummer vom letzten Jahr. Und da ist seine Unterschrift.“

„Ach so. Aber wieso?“

Diese Frage Muttis brachte Holger aus der Fassung.

„Wie, wieso?“

„Was willst du mit dem Teil? Schön ist´s doch nicht.“

Jetzt redeten alle Männer gleichzeitig auf Mutti ein.

„Das ist ein Zeitzeugnis!“ (Tom)

„Das ist ein Meisterspind!“ (Holger)

„So was kriegst du nie wieder!“ (Bunny)

„Ein Kulturgut!“ (Walt)

„Immateriell von unschätzbarem Wert!“ (Tom)

„Er wird uns immer an diese unglaubliche Saison erinnern!“ (Bunny)

„Fühlst du denn gar nichts?“ (Holger)

Mutti sah Babs hilflos an. Die sah sich bemüßigt, die Jungs zu bremsen.

„Ist ja schon gut, die Herren. Ich kann Muttis Reaktion teilweise nachvollziehen. Aber auch eure. Schön ist das Ding nun mal wirklich nicht und es passt auch vom Stil her nicht in den Raum.“

Mutti nickte.

Babs war aber noch nicht fertig: „Aber es ist zugleich auch eine Erinnerung an diese Wahnsinnssaison. So etwas hat sonst wohl keiner – außer den neuen Besitzern der anderen Spinde - und wird für uns immer etwas Besonderes sein.“

Auch jetzt nickte Mutti.

„So langsam verstehe ich.“

Wieder klingelte es, dieses Mal eilte Holger nach oben und kam kurz darauf mit Joe und Reni wieder runter. Heute kamen alle in Grüppchen. Ungewohnt.

Joe und Reni blieben im Eingang zum Kellerraum stehen und starrten die anderen an, die immer noch vor dem Spind standen. Besser gesagt: Tom saß auf dem Sitzpolster, hatte die Augen geschlossen und schien vor sich hin zu träumen.

Reni wusste sofort Bescheid; sie hatte in der Zeitung von der Auktion der Spinde gelesen.

„Hammer! Von wem ist der denn?“

„Arthur.“

Holger konnte seinen Stolz nicht verbergen.

Joe raffte erst mal nichts.

„Was ist von Arthur?“

„Der Spind, du Dödel“, lautete Renis Antwort, ehe sie auch zu den anderen Spindbewunderern latschte.

Holger nahm Joe in den Arm und zog ihn zur Gruppe, die um das Arthur-Andenken herumstand.

Tom hatte mittlerweile die Augen geöffnet.

„Wenn ich mir ausmale, wer in den letzten Jahren sonst noch alles hier saß, sich hier umgezogen hat; das ist schon grandios. Die Teile standen ja schon etliche Jahre in der Kabine unserer Jungs. Dieser Spind ist Geschichte zum Anfassen“, meinte Tom und erhob sich von der schwarzen Sitzgelegenheit.

Reni ließ sich vorsichtig auf die von Toms Hintern vorgewärmte Stelle nieder.

„Kann einer ein Foto von mir machen?“

Sie hielt ihr Handy hoch; Bunny nahm´s und schoss eine kleine Fotoserie von Reni auf Arthurs Ex-Sitz.

Anschließend pflanzte sich jeder aus der Gruppe mal auf das Polster und ließ sich fotografieren.

„Wenn das nicht mal ein gutes Omen für die neue Saison ist, dann weiß ich es auch nicht“, schwadronierte Bunny.

„Wir werden mindestens Meister und holen auch die Champions League“, trompetete er weiter in gewohnter Lautstärke.

„Ist klar. Mindestens“, meinte Walt und schüttelte den Kopf. Seine Kumpels begannen schon wieder abzudrehen.

„So, Leutchen; gebt gleich eure Saisontipps ab. Vorher möchte ich aber noch den Sieger der letzten Saison küren.“

Holger kramte einen total zerknüddelten Zettel aus der Hosentasche und entfaltete ihn mühsam.

Die anderen nahmen am Tisch - der Tafelrunde - Platz.

„Aaaalso, aufgepasst: Es gab ungewöhnlich viele Treffer bei den Tipps. Wie ihr euch vielleicht noch erinnert, hatten gleich fünf den Bayer als Meister getippt. Glückwunsch für euren Riecher.“

Die fünf Angesprochenen klatschten sich ab.

„Ein Sonderlob gebührt außerdem noch Bunny, der als Einziger den Effzeh als direkten Absteiger vorhergesehen hat.“

Bunny erhob sich, verneigte sich in alle Richtungen und holte sich eine Mini-Welle der Runde ab.

„Achtmal lagen diejenigen goldrichtig, die Darmstadt als direkten Absteiger getippt hatten.“

„War ja keine Kunst“, wandte Walt ein.

„Klappe, Walt!“, antwortete Reni.

Holger holte tief Luft: „Und jetzt zum Gesamtsieger. Oder wie ich genauer formulieren muss: zur Gesamtsiegerin.“

„Och nöö; nicht schon wieder“, nölte Bunny und legte seinen Kopf mit einem resigniert klingenden Seufzer auf die Tischplatte ab.

„Es ist eine Überraschung. Aber die wenigsten Abweichungen bei den Platzierungen hat …“

Holger zog sein Handy aus der Hosentasche und fummelte hektisch herum. Es knackte laut aus den Boxen, die neben dem Riesen-TV platziert waren.

Als ein Trommelwirbel ohrenbetäubend laut aus den Hightech-Boxen in den Raum dröhnte, schraken alle zusammen. Bunny fiel vom Stuhl.

Auf jeden Fall hatte Holger jetzt die ungeteilte Aufmerksamkeit aller Anwesenden. Babs schüttelte grinsend ihren Kopf. Sie hatte ihrem Mann am Morgen noch geraten, den Trommelwirbel vorab zu testen.

Holger hatte das mit den Worten „Vertrau dem Technikexperten“ abgetan.

„So so, der Technikexperte“, flüsterte sie.

„Also, die Siegerin ist …“

Holger ließ noch mal den Trommelwirbel ertönen; dieses Mal aber leiser.

„…MUTTI!!!“

Aus Evelyns Mund kam ein Laut, der irgendwie Ähnlichkeit mit dem eines Hundewelpen hatte, der nach Tagen sein Herrchen oder Frauchen wiedersah. Es war ein lautes Quietschen, begleitet von einem jauchzenden Schluckauf.

„Iiiiiich?“

Mutti riss beide Arme hoch, sprang von ihrem Stuhl auf und hüpfte durch den Raum.

Babs hatte schnell ihr Handy videobereit gemacht und filmte den Jubelauftritt ihrer Freundin.

„Und du hast tatsächlich richtig gerechnet?“

Diese Anmerkung kam von Walt.

Holger war auf so etwas vorbereitet gewesen, schließlich kannte er seine Pappenheimer.

„Ja, Jung; habe ich. Ich habe sogar alles zweimal gegengerechnet. Es ist so, wie es ist. Ich bin selbst etwas fassungslos, dass Mutti dieses Mal gewonnen hat.“

Bunny begann zu grölen: „Kellermeister ist nur die Evelyn, nur die Evelyn, nur die Evelyn.“

Alle anderen stimmten ein; Evelyn alias Mutti strahlte vor Glück.

Babs hatte derweil eine Flasche Meister-Sekt, die der Leverkusener Weinhändler Klaus Klein auf den Markt gebracht hatte, aus dem Schwarz-Roten Retro-Kühlschrank – eine weitere Neuerung im Keller, die aber angesichts des Spindes noch niemandem aufgefallen war – geholt, einen Karton mit Sektflöten geöffnet und die Gläser auf dem Tisch verteilt.

Die Sekt-Pulle drückte sie ihrem Mann in die Hand.

„Da! Mach mal auf.“

Holger tat, wie ihm aufgetragen war und verteilte dann den Inhalt der Flasche in die Gläser.

„Wie sind denn die anderen Platzierungen?“

Die Frage kam von Walt.

„Erst mal stoßen wir auf Mutti und die neue Saison an, dann erzähle ich den Rest. Okay?“

Holgers Antwort stellte alle zufrieden. Alle bis auf Walt.

Aber er wollte nicht schon zu Beginn der neuen Spielzeit wieder als Störenfried gelten. Also schluckte er die Kröte.

„Mutti, du musst jetzt eine Rede halten auf deine Meisterschaft!“

Babs schaute bei ihren Worten aufmunternd zu ihrer Freundin.

Mutti wurde rot und sah Babs entsetzt an.

„Aber ich weiß gar nicht, was ich sagen soll.“

„Mach´s wie in Hollywood und bedank dich erst mal bei allen möglichen Menschen und erzähl dann mit Tränen in den Augen, dass du nie, aber auch nie mit so einem Erfolg gerechnet hättest; dass du den Preis für immer im Herzen behalten willst, und so weiter.“

Dieser Rat kam von Bunny und war mit einem dicken Grinsen verziert.

Mutti starrte Bunny wie einen Alien an.

„Ihr seid doch alle bekloppt“, stammelte sie.

Holger erlöste die Tipp-Siegerin.

„Schluss damit! Hoch die Gläser und noch mal herzlichen Glückwunsch für deinen Meistertipp. Auf Mutti!“

„Auf Mutti!“, schlossen sich die anderen fast einstimmig an.

„Es kann jetzt nur noch schlechter werden. Der Bayer wurde zum ersten Mal Meister, ich habe zum ersten Mal den Tipp gewonnen; was soll jetzt noch kommen?“, bremste Mutti die gerade herrschende Hochstimmung – von Walt mal abgesehen – direkt wieder aus.

„Sei nicht so destruktiv. Manchmal findet ein blindes Huhn nicht nur ein Korn“, meinte Tom augenzwinkernd zu Mutti.

Nachdem die Sektflöten geleert waren, nannte Holger die restlichen Platzierungen.

„Zweite wurde Babs, dann kamen Tom, Joe, Reni, Bunny, meine Wenigkeit und als Schlusslicht und damit als heutiger persönlicher Betreuer von Mutti hat sich Walt herauskristallisiert. Das allerdings nur ganz knapp hinter mir.“

Bunny schlug Walt auf die Schulter.

„Nimm´s nicht schwer, Walt. Nächstes Jahr erwischt es einen anderen. Oder auch nicht.“

Grinsend drehte Bunny ab und ließ den verdutzt-verärgerten Walt stehen.

„So, fangt schon mal mit den neuen Saisontipps an. Und vergesst nicht: Köln könnt ihr dieses Jahr nicht als Absteiger tippen.“

Babs, Reni und Walt setzten sich an den Tisch der Tafelrunde, wie der große Tisch im Keller von den acht genannt wurde, und begannen an den dort ausliegenden drei Laptops alle Spiele der Saison 2024/2025 zu tippen.

Das von Walt erstellte Programm errechnete dazu automatisch die Punktestände und Platzierung.

Als die drei fertig waren, tippten Bunny, Tom und Mutti. Danach waren Holger und Joe dran.

Holger druckte schließlich alle Abschlusstabellen aus, setzte sich kurz damit in den Spind von Arthur und fasste auf einem Zettel ein paar Ergebnisse zusammen.

„Leiht mir noch mal kurz eure geneigten Ohren, meine Lieben!

Wie immer haben wir auch dieses Jahr ein paar kuriose Tipps. Wenig überraschend ist, dass der Bayer gleich sieben Mal als Meister getippt wird; nur einer aus der Runde sieht das anders.“

Wie auf Kommando schauten sechs Gesichter Richtung Walt; nur Holger verhielt sich neutral.

„Was denn? Ich bin halt etwas skeptischer, da die Mannschaft doch einige Änderungen zu verarbeiten hat und Gegner wie München oder Dortmund schwer aufgerüstet haben. Daher kommt bei mir am Ende auch Dortmund als Meister raus.“

„Danke Walt. Jetzt brauche ich nicht mehr zu erklären, dass Dortmund nur bei einem hier Meister wird.“

Holger zwinkerte Walt zu.

„Wie sieht´s mit den Absteigern aus?“

Tom wollte sich nicht nur mit den Titelprognosen beschäftigen.

„Sieben Mal wurde Kiel als direkter Absteiger getippt, sechs Mal Pauli, zwei Mal Bochum und einmal Heidenheim.“

„Und die Relegation?“

Die Frage kam von Reni.

„Dreimal Pauli, zweimal Bochum, einmal Augsburg, einmal Heidenheim, einmal Stuttgart.“

„Stuttgart?“

Mutti verschluckte sich fast.

„Die haben so viele Top-Leute abgeben müssen; das werden sie erst mal verkraften müssen“, meinte Walt.

„Okay, dann wissen wir ja auch, wer diesen Tipp abgegeben hat.“

Babs grinste.

Holger warf einen Blick auf die Wanduhr im Bayer-Design.

„Ich würde sagen, wir quatschen noch ein Stündchen, dann sollte aber Schluss sein. Schließlich müssen wir alle morgen wieder früh raus. Das Wochenende startet erst in zwei Tagen.“

Und so war es dann auch.

Also fast.

Es war nach 23 Uhr, als in Tom und Bunny auch die letzten das Haus von Babs und Holger verließen.

Spieltag 1: A, Mönchengladbach

Als am 04. Juli der Spielplan für die neue Saison veröffentlicht worden war, hatten viele Bayer-Fans aufgestöhnt. Sie hatten mit einem Heimspiel zum Auftakt gerechnet. So hatte es die Liga über viele Jahre gehalten: Der Meister eröffnet die neue Saison mit einem Heimspiel. Dies bedeutete, dass viele Jahre lang immer Bayern München vor heimischer Kulisse den Auftakt gemacht hatte. Der Vorteil des Serienmeisters.

Daher wurde dieses Vorgehen in der Saison 2021/2022 erstmalig geändert, als München in Mönchengladbach antreten musste. Auch die dann folgenden Spielzeiten bestritten die Bayern bei ihrem ersten Auftritt auswärts.

Da Bayer 04 aber München als Meister abgelöst hatte, waren viele Leverkusener davon ausgegangen, dass die alte Regelung wieder Inkrafttreten würde.

Pustekuchen!

Also hieß es: Ab nach Mönchengladbach am Freitagabend. Das galt auch für Babs, Holger, Reni, Bunny, Mutti, Tom, Walt und sogar auch für Joe. Er hatte Glück, dass seine Freundin auf einem Mädelswochenende und Joes Zeit nicht verplant war.

Zusammen mit 42 anderen Fans und in bester, feuchtfröhlicher Stimmung ging es mit einem gecharterten Bus von Opladen aus zum Stadion am Borussia-Park.

Sämtliche Bayer-Songs dröhnten aus der im Bus thronenden Party-Box. Erstaunlich, was sich da vor allem im letzten Jahr entwickelt hatte. Da die Geschmäcker bekanntlich verschieden sind, gab es bei einzelnen Songs auch im Bus unterschiedliche Meinungen zu den Songs, aber je länger der Bus unterwegs war, bzw. je mehr Flüssigkeit konsumiert wurde, desto mehr sangen die Businsassen alles mit. Gerne auch mehrfach.

Über „Bayer 04, wir stehn zu Dir“ von Peter Lorenz, „Leverkusen – Die Hymne“ von Dirk Maverick, „Wir für euch (und ihr für uns)“ von Stärke 04, „Meisterkusen“ von Einmalique, „Wir sind Deutscher Meister“ von Department of Rock, „Xabi Alonso“ von Liederkusen, „Farbenstadt in schwarz und rot“ von Dirk Maverick, den „Bayer Leverkusen Song“ von Philip Parker bis zu „Leverkusen im Blut“ von Wir Farbenstädter.

Bunny, Joe und Tom standen total auf „Leverkusen im Blut“, weil „das mal was anderes ist“, wie Bunny meinte.

Die Mädels bevorzugten die klassischen Hymnen von Peter Lorenz und Dirk Maverick, aber was die Hymnen anging, gab es bei den Acht eh andere Meinungen: Holger, Babs, Walt und Tom bevorzugten die Lorenz-Hymne. Joe, Bunny, Mutti und Reni standen eher auf die Maverick-Ausgabe.

Letztlich war es egal, denn mitgegrölt wurde alles. Von allen im Bus.

Mit einem breiten Grinsen stiegen fast alle der Busreisenden am Borussia-Park aus dem Bus; nur ein paar Wenige hatten schon so viel getankt, dass sie sich auf ihre Schritte konzentrieren mussten und daher ernst und konzentriert dreinschauten.

Der Gästeblock war ausverkauft; knapp 5.500 Bayer-Fans begleiteten ihre Mannschaft, den Deutschen Meister an den Niederrhein.

Die Stimmung in beiden Fanlagern war prächtig: Die Borussia hatte sich mit einigen Routiniers verstärkt, konnte unter anderem in Kleindienst vom FC Heidenheim einen starken Torjäger verpflichten.

Leverkusens Anhänger schwammen immer noch auf der Euphoriewelle der vergangenen Spielzeit; hofften auf eine Verlängerung der Serie der Unbesiegbarkeit in der Bundesliga; hofften auf eine erneute Top-Platzierung in der Liga; viele sogar auf die Titelverteidigung.

Pyro leuchtete in beiden Fan-Sektionen auf, der Rauch waberte in dichten Schwaden durchs Stadion. Das Spiel wurde mit zwei Minuten Verzögerung angepfiffen. Babs&Co. hatten Plätze mit guter Sicht. Sitzplätze.

Zum Sitzen sollten sie während der etwas mehr als 90 Minuten aber nur selten kommen.

Der eben erwähnte Kleindienst nutzte gleich seine erste Chance, nachdem er mustergültig vom anderen Mönchengladbacher Zugang Stöger in Szene gesetzt wurde und köpfte den Ball aus acht Metern unhaltbar für Bayer-Keeper Hradecky ins Tor.

0:1. Und das nach nur zwei Minuten.

Für einen kurzen Moment herrschte betroffenes Schweigen im Bayer-Block. Aber nur für einen kurzen Moment.

Die nächsten 20 Minuten powerte der Gäste-Anhang, was die Stimmbänder hergaben. Dann gab es jedoch die nächste kalte Dusche.

Wieder war es Kleindienst; dieses Mal traf er vom Strafraumrand aus, nachdem sich zwei Leverkusener Abwehrspieler nicht darauf einigen konnten, wer den Angreifer attackieren sollte.

0:2. Und es waren gerade mal 22 Minuten gespielt.

Dieses Mal hielt die Stille im Fanlager der Farbenstädter länger an. Auch bei Holger und den sieben anderen.

„Mensch, da geht ja bislang gar nichts zusammen. Vorne keine Chancen, hinten zweimal gepennt. Was für ein Kackbeginn“, moserte Bunny.

Walt nickte.

Kurz vor der Pause hielt Hofmann an alter Wirkungsstätte aus 25 Metern drauf, doch der Ball rauschte locker fünf Meter am Kasten der Borussia vorbei. Höhnischer Applaus aus dem Gladbacher Lager.

Halbzeit.

Aufseiten der Gastgeber gab es lautstarken Jubel, aus der Bayer-Kurve schallte ein ebenso lautes „Auf geht´s Bayer, kämpfen und siegen“ Richtung der Mannschaft, die sich gerade auf dem Weg ins Innere des Stadions befand.

Während der Pause wurde überall hitzig und auch mit großer Verwunderung ob der Nicht-Leistung der Werkself diskutiert.

Die Jungs von Coach Alonso wirkten mitunter nicht anwesend; oft reagierten sie zu spät und zu unkonzentriert. Sowohl in der Abwehr als auch im Spiel nach vorne.

Einzige Konstante: Keeper Lukas Hradecky.

„Ich bin gespannt, was der Trainer in der Kabine erzählt“, meinte Mutti.

„Da wäre ich jetzt gerne Mäuschen“, ergänzte Reni.

„Ich geh mal Bier holen. Wer will noch?“

Bunny wandte sich praktischen Dingen zu.

Alle Jungs meldeten sich, dazu noch Babs.

So hatte sich keiner den Saisonstart vorgestellt.

Keiner.

„Es kann nur noch besser werden“, stellte Walt fest, als Bunny mit dem Nachschub eingetroffen war und das Bier verteilt hatte.

„Und das aus deinem Mund. Jetzt mache ich mir wirklich Sorgen“, antwortete Holger auf die tatsächlich ungewohnten Worte der sonstigen Ober-Unke Walt.

Und es wurde besser.

Zwar hatte Coach Alonso nicht gewechselt, doch schien er die richtigen Worte gefunden zu haben.

Die Werkself zeigte wesentlich mehr Biss, stand enger bei den Gegenspielern, presste früher, eroberte nun deutlich häufiger den Ball und konnte sich auch mehr Chancen erarbeiten.

Zuerst säbelte Schick, der dieses Mal für Boniface in der Startelf stand und diese Chance für sich unbedingt nutzen wollte, nach feinem Zuspiel von Wirtz im Strafraum am Ball vorbei und ärgerte sich gewaltig über die vergebene Möglichkeit.

Kurz darauf, nur einen Angriff später, chipte Xhaka die Kugel von halbrechts an den linken Pfosten; Adli war herangestürmt und beförderte das Spielgerät zentimetergenau - an den Pfosten. Coach Alonso und der Rest der Bank waren schon aufgesprungen, um zu jubeln, doch anstelle von hochgerissenen Armen wanderten die Hände, geführt von Fassungslosigkeit, vor die Gesichter.

Ähnlich erging es den Bayer-Supportern. Beim Pass auf Adli standen alle bereit zum Torschrei. Doch der blieb in den Hälsen stecken.

„Fuuuuuck!“ (Bunny)

„Das gibt´s doch nicht!“ (Walt)

„Ich kotze!“ (Tom)

„Och nöö!“ (Mutti)

„Maaaaan!“ (Holger)

All diese Äußerungen vermischten sich zu einem unverständlichen verbalen Durcheinander.

Aber zehn Minuten danach gab es endlich Anlass zur Freude, zur Eskalation.

Hofmann – ausgerechnet Hofmann – jagte den Ball aus zentraler Position aus 25 Metern aus vollem Lauf Richtung Tor der Gastgeber. Ein Gladbacher Verteidiger brachte sein Bein in die Flugbahn der Kugel und lenkte sie unhaltbar für seinen Keeper in die linke Torecke, während der Schlussmann schon unterwegs in die andere Ecke war.

„Jaaaaaaaaaaa!“

Alle brüllten, alle sprangen, alle tobten.

Sofort wurde wieder gezündelt, sofort wurde gesungen.

Merkwürdigerweise war von der Dominanz der Borussen nicht mehr viel zu sehen. Stattdessen wurde Bayer immer sicherer, immer drückender, immer zwingender.

Dieses Mal mussten die Fans der Werkself nicht bis in die Nachspielzeit zittern, wie´s so oft in der Meistersaison der Fall gewesen war.

„Schon“ in der 85. Minute traf Schick mit einem wuchtigen Kopfball nach Flanke von Palacios zum 2:2.

Der Tscheche lief mit seinem typischen Jubelmove zur Bayer-Kurve und ließ sich dort von Fans und seinen herbeisprintenden Mitspielern feiern.

Die letzten Minuten der Begegnung verliefen ereignislos. Keines der beiden Teams erarbeitete oder erspielte sich noch eine Torchance; es blieb beim 2:2.

Angesichts der Leistung aus der ersten Hälfte und des 0:2-Rückstandes fühlte sich das Remis fast wie ein Sieg an.

Und so fiel auch der Jubel der Werkself-Anhänger lautstark und ausdauernd aus.

30 Minuten nach Spielende saßen alle wieder im Bus, der sich durch den Stau rund ums Stadion zurück nach Leverkusen quälte.

Für ein Bier in einer der Opladener Kneipen war es für die acht zu spät; alle waren geschafft und freuten sich auf ihre Betten.

Spieltag 2: H, Leipzig

Es war ein ungewohnter Anblick in der Tabelle: Bayer 04 stand nicht an der Spitze. Zum ersten Mal nicht mehr seit dem 14. Spieltag der vergangenen Saison.

Leipzig, Dortmund, München und auch Stuttgart hatten ihre Auftaktbegegnungen gewonnen und waren vor Leverkusen platziert.

Aber es war ja erst der erste Spieltag; die Tabelle hatte noch keine Aussagekraft. Und trotzdem musste man sich an den Anblick gewöhnen.

Irgendwie suchte man auch noch ab und zu nach dem Nachbarn aus Köln, um dann immer wieder erfreut festzustellen, dass der Effzeh ja eine Liga tiefer beschäftigt war.

Schadenfreude ist mitunter, wie in diesem Fall, auch eine schöne Freude.

Die Truppe aus dem Kinokeller hatte sich bei schönstem Wetter im Bax-Biergarten getroffen. Schon drei Stunden vor Spielbeginn. Bis auf Joe, der daheim noch einiges zu erledigen hatte, waren alle da. Auf dem Tisch standen schnell diverse Gläser und dann auch noch Pommes- und Würstchen-Teller.

Bis auf Walt zeigten sich alle optimistisch und waren zuversichtlich, dass es gegen die starken Leipziger zum ersten Sieg in der Saison und zur Fortsetzung der niederlagenfreien Serie kommen würde.

„Ich habe heute ein ganz dumpfes Gefühl“, orakelte Walt und nuckelte an seinem Kölschglas.

„Wann hast du das mal nicht?“, konterte Babs.

„So schlimm bin ich gar nicht mehr. Ich habe mich schon letzte Saison gebessert“, beschwerte sich Walt.

Die anderen schauten sich erstaunt an. Hatten sie was verpasst?

Babs wollte aber kein Öl ins Feuer gießen und stimmte ihrem Kumpel vorsichtig zu.

„Ja, hast du tatsächlich hier und da.“

Bevor Walt wieder etwas erwidern konnte, schritt Holger ein.

„Raus mit euren Tipps für heute! Wer genau tippt oder am nächsten dran ist, kann das nächste Spiel im Keller auf dem Spind-Sitz die Partie verfolgen.“

Bunny: „3:2 für uns.“

Reni: „Das wollte ich auch nehmen. Hmm, dann sage ich eben 2:1 für den Bayer.“

Tom: „1:1.“

Babs: „Ich sag mal 3:1 für uns.“

Mutti: „4:4.“

Walt: „Nie und nimmer fallen acht Tore. Das gibt maximal ein 4:3 für Leverkusen.“

Holger: „Das ist jetzt nicht wahnsinnig weit von Muttis 4:4 entfernt, du Schlaumerker.“

Walt: „Immerhin ein Tor weniger.“

Holger: „Viel bleibt jetzt ja nicht übrig. Ich tippe auf ein glattes 2:0 für uns.“

Holger hatte alle Tipps in sein Handy eingegeben.

Mittlerweile war es im Biergarten mächtig voll geworden; die Schlangen an den Theken gingen viele Meter in den Sitzbereich hinein. Angesichts des schönen Wetters und des zu erwartenden offensiven Schlagabtauschs mit den starken Leipzigern war die Erwartungshaltung der Fans auf ein schönes Spiel hoch. Entsprechend gut fiel die Stimmung aus; hier und da wurden Lieder angestimmt.

Auch „Deutscher Fußballmeister, Deutscher Fußballmeister, Deutscher …“ war wieder zu hören.

45 Minuten vor Spielbeginn machten sich die sieben auf den Weg ins Stadion; das Anstehen zum Einlass sowie die Nachschubbesorgung an flüssigen und festen Nahrungsmitteln an den Schaltern im Stadion einberechnet, würden sie auf jeden Fall zur Hymne auf ihren Plätzen sein.

So war es dann auch.

Inzwischen war auch Joe eingetrudelt.

Die BayArena war im Heimbereich wieder ausverkauft; im Gästesektor klafften jedoch Lücken. Wie immer, wenn die „Dosen“ in Leverkusen aufschlugen.

Die Partie der beiden Mannschaften hielt von Beginn an, was sie versprochen hatte. Ein hohes Tempo hüben wie drüben; Chancen für beide Teams, wobei die besseren aufseiten der Werkself vorlagen.

Schon nach fünf Minuten hätte Tella das 1:0 machen müssen, als er allein aufs Tor des Gegners zustürmte, sich vom Keeper aber zu weit nach außen abdrängen ließ und beim Abschluss nur das Außennetz traf.

Tella raufte sich ob der vergebenen Chance die Haare, von den Tribünen war ein kollektives Aufstöhnen zu hören.

„Der ist halt noch jung“, entschuldigte Mutti den Fehlschuss des Engländers.