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Meisterin der Geburt ist eine einfühlsame, tiefgehende Geburtsvorbereitung und spricht auch heikle Themen ganz offen an. Das Buch, welches einlädt direkt hineinzuschreiben, erlaubt der Leserin eine umfassende Selbstreflexion. In gut geführter Anleitung begibt sich die Schwangere auf eine intensive Innenschau. Sie lernt, ihre Einzigartigkeit wertzuschätzen und erfährt, wie sie geburtsblockierende Gedanken mit Hilfe des Geistes und des Gehirns verändern kann. Die Autorin zeigt auf, welch außerordentlich schönes Potenzial in einer natürlichen Geburt liegt und inspiriert mit ihrem eigenen ungewöhnlichen Weg, bisher Geglaubtes zu hinterfragen und völlig neu zu denken. Leserstimmen: "Es ist das Buch, wonach ich drei Schwangerschaften lang gesucht habe. Es spricht mit mir auf Augenhöhe, erklärt mir nicht, wie ich zu denken und zu fühlen habe, sondern lässt mich wie von selbst in meine Kraft kommen." "Nach diesem Buch hatte ich die Wehen im Griff - und nicht sie mich." "Eine Offenbarung! Meisterin der Geburt ist das erste Buch, das so intensiv mit den inneren und äußeren Einflüssen auf den Geburtsverlauf eingeht und gleichzeitig Möglichkeiten aufzeigt, diese Einflüsse bewusst und selbstbestimmt für sich zu nutzen."
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Seitenzahl: 273
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Für Dich!
Einleitung
Anfänge – Die Intention zu diesem Buch
Geburtsbericht – Meine erste Alleingeburt
Geburtsbericht – Meine zweite Alleingeburt
Vision einer neuen Geburtskultur
Eintauchen in die Grundlagen
Epigenetik und ihre Bedeutung
Neurogenese, Neuroplastizität und primäres Bewusstsein
Persönliches und kollektives Bewusstsein
TEIL 1: Das Set einer Geburt
Kenne deine Gedanken und Gefühle
Fünf Intelligenzen – Allintelligenz
Selbstwert – Was deine größten Kritiker dir schenken
Angst, Zweifel und Ja, aber
Selbstsabotage-Programme
Macht, Sicherheit & Vertrauen
Geduld – Eingreifen oder aushalten?
Umgang mit dem Tod
Kenne deine wahren Bedürfnisse
Ruhe und Stille
Ernährung: Finde heraus, was dich wirklich nährt
Kenne deinen Körper
Die weiblichen Organe
Die Körperflüssigkeiten
Sexualität
Infragestellung: Geburtsschmerz
Vier natürliche Schlüssel für schmerzfreies Gebären
TEIL 2: Das Setting einer Geburt
Wisse, wo, wann und mit wem du gebären willst
Der Geburtsort
Der Geburtstermin
Die Geburtsteilnehmer
Geheimnis Geburtslust
TEIL 3: Meditation & Manifestation
Entwickle dein geistiges Potenzial
Übung macht die Meisterin
Was ist ein Fokus?
Wir brauchen eine Gedanken-Stopp-Technik
Entscheidungen und Selbsterlaubnis
Visualisierungshilfen
TEIL 4: Inspiration
Freie Schwangerschaft & Alleingeburt
Die freie Schwangerschaft und ihre fünf besten Vorteile
Freie Geburt/Alleingeburt
Die acht Vorteile einer Alleingeburt
Die zehn häufigsten Einwände und wie du mit ihnen umgehen kannst
Schlusswort
Dank
Quellenverzeichnis
Literaturempfehlungen
Wahrscheinlich hast du dir dieses Buch gekauft, weil du aktuell schwanger bist oder planst, in nächster Zeit schwanger zu werden. Vielleicht hast du bereits eine oder mehrere Geburtserlebnisse hinter dir und spürst, dass deine Erfahrungen dich nicht bis zur Gänze ausfüllen, sondern eher ein unbefriedigtes Gefühl hinterlassen haben. Du spürst dieses innere Drängen in dir, dass eine Geburt dich bis in den letzten Zipfel deines Frauseins bereichern sollte. Eventuell gibt es auch etwas in deiner Weiblichkeit, was noch der Heilung bedarf. Ich kann mir auch vorstellen, dass du dieses Buch als Erstgebärende in den Händen hältst. Das ist auch gut so. Es ist die richtige Zeit, Bewusstsein & Selbstermächtigung, von Anfang an als Begleiter für eine beginnende Mutterschaft zu wählen.
Wenn du aufgeschlossen und neugierig bist, wird dir dieses Buch wie eine Schatzkiste erscheinen. Du wirst dir der Schätze bewusst, die du in dir selbst noch bergen kannst und ich werde dich wissen lassen, welche neuen Erkenntnisse die Wissenschaft zu dem jeweiligen Thema hat. Wesentliche Grundlage dieses Buches ist der Grundsatz der Quantenphysik, dass Geist und Materie nicht voneinander getrennt sind. Da alle Gedanken und Gefühle in uns eine Wirkung haben, beschäftigen wir uns immer wieder mit unseren inneren Einstellungen, die ich auch als „Mindset“ bezeichne.
Ich habe Wert darauf gelegt, Wissenschaftliches möglichst einfach zu erläutern, um jeder Mama ungeachtet ihres Bildungsstandes den Weg zu einer gemeisterten Schwangerschaft und Geburt zu öffnen. Trotzdem fordere ich dich auf, jedes Wort oder jede Aussage, die sich dir nicht erschließt, zu hinterfragen und in intensiver Recherche dir zu eigen zu machen. Eine Meisterschaft beginnt oft auf unbequemen Wegen und erfordert deine eigenverantwortliche Denk- und Verhaltensweise. Ich wünsche dir dabei viel Erfolg.
Die Geburt eines Kindes ist abhängig vom Set und vom Setting. Der Begriff „Set“ umschreibt die Summe aller inneren Einstellungen, während der Begriff „Setting“ die Szenerie beschreibt und alle äußeren Rahmenbedingungen meint, die wir während einer Geburt vorfinden. Mit Hilfe dieses Arbeitsbuches kannst du dir deiner Konditionierungen, Gedankenmuster und Verhaltensweisen bewusst werden und überprüfen, ob diese zu einer komplikationslosen, einfachen und schönen Geburt führen. Du kannst dieses Buch benutzen, indem du es von Anfang bis Ende durcharbeitest und wie eine Checkliste betrachtest, die dir hilft die Kernthemen vor der Geburt abzuklären. Bitte halte dafür immer einen Stift bereit.
Während die inneren Einstellungen all das umfassen, was uns selbst ausmacht, stellen der Ort, die Zeit und die Geburtsteilnehmer den äußeren Rahmen. Die Wechselwirkungen zwischen Set und Setting entscheiden maßgeblich über Geburtsfrust oder Geburtslust. Du kannst dich darüber informieren, welches Setting für dich ideal wäre. Ich werde Themen ansprechen, wie Introversion und Hochsensibilität, die in keinem Geburtsvorbereitungskurs besprochen werden. Wir betrachten den Geburtsschmerz aus einer neuen Perspektive und stellen die Geburtshilfe für gesunde Frauen infrage.
Es ist an der Zeit, Wissen zu teilen, welches die Fruchtbarkeit der Frau mit ihrem schöpferischen Potenzial nicht mehr unterdrückt, sondern anerkennt. Das aktuelle Sterben der Hebammenhilfe zeigt, wie wichtig es ist, dass die Revolution einer neuen Geburtskultur aus den zukünftigen Müttern hervorströmen muss. Wir werden viele Meisterinnen von Geburten brauchen, um die Jahrhunderte lang unterdrückten Kräfte der Weiblichkeit wieder hervorkommen zu lassen.
Dieses Buch ist eine Einladung an alle Frauen, die bereit sind, sich ihrer inneren Einstellungen bewusst zu werden und sie zu transformieren.
Es ist ein Arbeitsbuch für dich, wenn du bereit bist, dich zu verändern.
Du und dein Baby, ihr könnt Teil einer großartigen Revolution werden. Sie ist bereits im vollen Gange und dieses Selbstcoaching-Buch kann dich unterstützen,
von der Angst in die Liebe zu kommen,
von der Kontrolle in das Vertrauen und
vom Schmerz in die Freude.
Selbstermächtigung ist ein wesentlicher Schlüssel, um die Geburt deines Kindes als bewusstseinserweiternde Erfahrung zu erleben und echte Geburtslust hervorkommen zu lassen.
Begib dich also auf die Reise, entdecke dich, lerne dich lieben und deinen weiblichen Körper zu führen. Lies, welche Erkenntnisse der Quantenphysik und der Hirnforschung dir helfen können, dich selbst neu auszurichten. Nutze die einfachen aber wirkungsvollen Werkzeuge aus der Coachingpraxis und lass dich inspirieren von dem Weg einer freien Schwangerschaft und einer intuitiven Geburt.
Im ersten Kapitel dieses Buches wirst du viel über mich erfahren, ich lasse dich an meinen eigenen Geburtserlebnissen und meiner Entwicklung teilhaben. Danach machen wir uns gemeinsam an die Arbeit und begeben uns auf die Entdeckungsreise.
Im Grunde begann mein persönlicher Weg zur Meisterin der Geburt im Jahre 2002. Auf dem Höhepunkt meines medizinischen Wissens arbeitete ich als Medizinische Fachangestellte in einer sehr gut angesehenen Arztpraxis in meiner Heimatstadt. Die Vorgänge des menschlichen Körpers faszinierten mich und ich hatte sowohl die Kompetenz, komplexe medizinische Sachverhalte verständlich zu erklären, als auch die Gabe, ein Gefühl der Sicherheit zu vermitteln. Meine beste Freundin glaubte sich auf der sicheren Seite, als sie mich bat, bei der Geburt ihrer ersten Tochter dabei zu sein.
Eines Nachts rief sie mich um drei Uhr an und ich eilte voller Vorfreude zu ihr ins Krankenhaus und war gewillt, sie auf jede erdenkliche Art zu unterstützen. Als ich den Kreißsaal betrat, lag meine liebe Freundin bereits auf dem Klinikbett. Angekleidet mit einem hellblauen Kliniknachthemd, lag sie auf der Seite, das CTG am Bauch und eine Venenverweilkanüle steckte in ihrem Handrücken. Dem regelmäßigen Pochen der Herztöne lauschend, blickte ich mich um. Ich sah meine Freundin, wie sie in der Erwartung, ihr lang ersehntes Baby endlich im Arm halten zu dürfen, stolz vor sich hinlächelte. Das klinische Umfeld wirkte vertraut auf mich. Ich kannte den Duft des Desinfektionsmittels, die medizinischen Geräte und diese Schübe an der Wand, die mit Spritzen und Kanülen jeden Durchmessers bis zum Rand gefüllt waren. Für mich war alles in feinster Ordnung, ich fühlte mich ein wenig wie auf Arbeit, bis sich die diensthabende Hebamme zu uns gesellte. Nachdem wir miteinander bekannt gemacht wurden, sagte sie so etwas wie „Dann wollen wir mal schauen, wie weit Sie sind!“, entfernte mit flinken Händen das CTG vom Bauch und griff meiner Freundin zwischen die Oberschenkel. Beschämt starrte ich auf die Kacheln des Kreissaals. Sollte ich jetzt besser rausgehen? „Bleib nur hier“, sagte meine Freundin, die meine Gedanken lesen konnte. „Setz dich hier an meinen Kopf und schau dir schon mal die Videokamera an. Du musst nachher filmen!“ Ihr Partner saß derweil am anderen Ende des Kreissaals auf einem Gebärhocker. Den Kopf auf einen Arm gestützt, schien er eingenickt zu sein.
„Da tut sich noch nicht so viel!“, meinte die Geburtshelferin und griff an die kleine Stellschraube des Tropfsystems, um die Geschwindigkeit höher zu drehen. Dann verschwand sie wieder. Meine Freundin und ich redeten und lachten, aber bald bemerkte ich, dass die Situation für sie immer unangenehmer zu werden schien. Sie hatte Schmerzen und sie konnte nicht so recht damit umgehen. Deshalb beschloss sie, sich eine PDA legen zu lassen. Wir klingelten die Hebamme herbei und binnen weniger Minuten wurde der Kreißsaal richtig voll. Der Anästhesist kam, erklärte sein Vorgehen und die Risiken, während meine Freundin die Augen weitete und fragend mein zustimmendes Nicken ersuchte. In diesem Moment hielt ich inne.
„Geht so Geburt?“, fragte ich mich.
Die PDA saß gut und meine Freundin regelte mittlerweile selbst die Dosierung anhand ihres Schmerzempfindens. Sie lag auf dem Rücken, die Beine weit gespreizt, und gewährte jedem der zu Tür hineintrat den vollsten Einblick in ihre Intimität. Vom Kopfende des Bettes aus, wo ich noch immer saß, betrachtete ich alle Hereinkommenden: den Stationsarzt, den Anästhesisten, eine Hebammenschülerin und eine kleine Gruppe von Medizinstudenten. Sie stellten sich alle höflich vor und schauten nach der Gebärenden. Mit stoischer Regelmäßigkeit ertastete immer mal einer von ihnen die Öffnung des Muttermundes. Immer wieder drangen sie mit ihren Fingern in meine Freundin ein. Mir war übel. Für einen Moment überlegte ich, ob ich vielleicht gehen könnte, doch mein Gewissen plagte mich schrecklich. Ich konnte sie jetzt nicht allein lassen. Also blieb ich. Und ich fühlte. Ich fühlte, dass hier etwas fehlte. Es fehlte die Würde und eine respektvolle Umgebung für meine liebe Freundin.
Bitte lasst ihr doch ein bisschen Intimität! Deckt ihren Unterleib wieder zu! Bitte schickt ein paar Leute wieder raus! Bitte macht doch etwas! Die Schreie aus meinem tiefsten Inneren drückten sich über meine fest zusammengepressten Lippen und meine aufgelehnte Körperhaltung aus.
Meine liebe Freundin … Sie wurde behandelt wie eine Patientin. Wie ein biologischer Körper mit einer Öffnung, genannt Vagina, aus der in den nächsten Minuten ein Baby herauskommen sollte.
Ich kämpfte mit meinen Gefühlen, ich wusste tief in mir, dass hier etwas nicht stimmig ist. „Los, jetzt musst du filmen! Halte die Kamera drauf!“ riss mich meine Freundin aus meinem Gedanken-Gefühls-Karussell. Sie selbst wurde mittlerweile von der Hebamme angewiesen: „Jetzt hecheln! …und pressen! …und nochmal!“ Ich filmte und versuchte meine Gefühle auszublenden. „Pressen, pressen, pressen!“ Es wurde jetzt richtig laut im Kreissaal und dann sah ich die gebogene Schere in der rechten Hand der Hebamme. Sie schnitt. Ich blickte wie erstarrt auf den 3cm langen Schnitt zwischen Scheide und Anus.
Mir schossen die Tränen in die Augen und eine Welle der Wut erfasste mein sonst so sonniges Gemüt. Die Wut verwandelte sich in einen unbändigen Hass auf diese Hebamme. Ich wusste nicht wie mir geschah, meine Emotionen tobten in mir und ein Gedanke in mir wurde auf Dauerwiederholung gesetzt: Sie hat sie einfach aufgeschnitten! Einfach aufgeschnitten. Einfach aufgeschnitten.
Das Köpfchen des kleinen Babys drückte sich hervor, das Blut vom zerschnittenen Damm lief dem Baby ins Gesicht. Handschuhbezogene Finger der Hebamme wischten eifrig herum und drängten tiefer in die verletzte Scheide. Dann zog die Hebamme das Kind vollständig heraus.
Ich stand die ganze Zeit daneben, die Kamera in der Hand. Meine Augen waren auf das Geschehen gerichtet, doch sie schienen wie abgetrennt von meinem Empfinden. Ich hatte zu gemacht. Ich wollte das nicht mehr sehen.
Die Nabelschnur wurde getrennt und mit einem Mal brach Freude über die Ankunft des Babys aus. Alle staunten und bewunderten das kleine Wesen, welches jetzt sauber abgetrocknet auf einem gelben Handtuch lag. Ich übergab dem frisch gebackenen Papa die Kamera, der die erste Untersuchung und Vermessung seiner Tochter filmte, während ich mich wieder an das Kopfende zu meiner Freundin setzte. Der Stationsarzt nähte den Dammschnitt und scherzte darüber, ob er vielleicht doch ein bisschen enger zunähen sollte. Ich fand den Witz völlig unangebracht. Die Hebamme war gerade dabei mit einer silbernen Schüssel aus dem Kreißsaal zu rennen, da pfiff meine Freundin sie zurück. „Halt! Meine Freundin will sich das bestimmt noch mal ansehen?!“ Ich schluckte. Nein, eigentlich hatte ich genug gesehen. Weil ich nicht umgehend reagierte, kehrte die Hebamme kurzerhand zurück und zeigte mir die Plazenta. Sie versuchte mir etwas über den Mutterkuchen zu erklären, doch es drangen nur Wortfetzen zu mir durch. „…hier die vollständigen Eihäute … kindliche Seite ...“ Meine sonst so offene Neugier gegenüber der Physiologie des Körpers war irgendwie verschwunden. Ich konnte nur noch stumm nicken.
Als ich die Klinik verließ, bemerkte ich einen enormen Energieverlust. Ich fühlte mich nicht nur erschöpft, sondern zutiefst gedemütigt und verletzt. Verletzt an Körper und Seele. Betrogen um die schöne Weiblichkeit. Stellvertretend für alle Frauen dieser Welt nahm ich wahr, wie viel Schmerz in diesem und vielen anderen Kreißsälen produziert wurde. Entsetzt und erstarrt von der Gewalt und der Autorität der Geburtshelfer, fühlte ich tief in mir, dass ich so etwas nie wieder erleben wollte.
Rückblickend hatte meine liebe Freundin eine ganze Reihe medizinischer Eingriffe erlebt. Die gesamte sterile Atmosphäre, die Schnittverletzungen und der fehlende Respekt hatten mich der Magie der Geburt entfremdet.
Als ich mit meiner Mutter darüber sprach, setzte sie mit ihren eigenen zwei erlebten Geburten noch eine Demütigung obendrauf. Sie berichtete, dass der Gynäkologe sie mitten in einer Wehe anal untersuchte.1 Sie erzählte von eingeleiteten Wehen, die ihr bis in den Kopf schlugen, sodass sie Angst hatte, ihr würde der Schädel platzen. Meine Mutter empfand meine Geburt und die Geburt meines Bruders als ebenso gewaltig, dass sie uns nicht einmal sehen wollte, als wir geboren waren. Sie wollte einfach nur noch ihre Ruhe.
Noch ein paar Mal holten mich die Gedanken an Geburten ein und es gab da auch tatsächlich mal einen Mann, mit dem ich über meine Erlebnisse sprechen konnte. Allerdings ließ er mich in dem Verständnis, dass Frauen die einfachste Physik nicht verstanden hätten. Er pflegte gewöhnlich wie ein kleiner Rohrspatz zu wettern, dass Frauen selbst schuld wären, wenn sie sich denn zu einer Geburt auf den Rücken legen würden. „Ihr habt doch die Schwerkraft nicht verstanden! Steht einfach auf oder hockt euch hin, dann flutscht das Baby von alleine raus!“
Sollte es wirklich so einfach sein? Ich dachte lange darüber nach. Tatsächlich war ich keine „Leuchte“ in Physik, aber einen Gegenstand horizontal von A nach B zu bewegen ist anstrengender, als ihn vertikal der Erdanziehungskraft zu übergeben. Das erschien mir logisch.
Ich wechselte beruflich in den Vertrieb von Medizinprodukten und agierte ziemlich erfolgreich mit Ärzten und medizinischem Personal. Mit jedem Berufsjahr mehr begriff ich, wie sich die Schulmedizin gemeinsam mit den Produkten der Medizinindustrie entwickelte. Ich liebte diese Produkte, die ich verkaufte und ich hätte sie bedenkenlos an mir selbst angewendet. Dennoch ließen mich die Gedanken nicht los, warum wir überhaupt krank werden und warum wir manchen Krankheiten so hilflos und machtlos gegenüberstehen. Mir wurde bewusst, dass wir mit den angebotenen Produkten immer nur die Symptome der Krankheiten behandelten, aber niemals zur Heilung der echten Krankheitsursache vordringen konnten. Fast täglich kam ich noch in den direkten Kontakt mit Patienten und fing an, meine eigenen Reaktionen zu beobachten. Ich stellte fest, dass ich mit vielen Kranken absolut mitfühlen konnte und am liebsten eine sofortige Heilung herbeigezaubert hätte, um sie von ihren Leiden zu erlösen. Doch auf der anderen Seite erblickte ich auch, wie aus einigen Patienten absolute Tyrannen wurden. Tyrannen, die ihre Krankheit regelrecht benutzten, um andere herumzukommandieren und an ihre Grenzen zu bringen. Ich erkannte, dass Krankheit einen enormen Gewinn an Aufmerksamkeit einbrachte.
Was sowohl die leidenden Opfer als auch die Tyrannen vereinte, war die Machtlosigkeit. Die Menschen hatten ihre Krankheit akzeptiert und jegliche Verantwortung für ihren Körper an den behandelnden Arzt und das medizinische (Pflege-)Personal abgegeben. Sie hielten sich an die empfohlenen Behandlungen, nahmen ihre Termine wahr, doch ich vermisste etwas. Ich spürte, dass Krankheit etwas sehr Bedeutsames für unsere Identität darstellte. Die Symptome wirkten wie Handlungsaufforderungen und doch wurden sich die Patienten, die ich in meinen Berufsjahren mitbetreute, nicht bewusst, dass sie selbst etwas Wesentliches zur Heilung hätten beitragen können.
Mitten in diese Erkenntnisse hinein, schlich sich meine erste ungeplante Schwangerschaft. Meine Gefühls- und Gedankenwelt schwankte wie eine riesige Schiffsschaukel hin und her. Ich wollte trotzdem noch möglichst erfolgreich weiterarbeiten, denn ich hatte nicht vor, meinen schwangeren Zustand wie eine Krankheit zu betrachten. Dennoch spürte ich die Veränderungen nicht nur körperlich und schaltete mein Arbeitspensum ein paar Gänge zurück.
Natürlich führte mich der erste Gang zu einer Frauenärztin und ich ließ mich anfangs einfach darauf ein, dass sie mir sagte, wann welche Untersuchungen stattzufinden hätten. Ich vertraute blindlings auf die medizinische Expertin – bis zu jenem Tag, als ich zum ersten Mal bewusst darüber nachdachte, wo ich mein Baby entbinden könnte. Schlagartig waren die Erinnerungen an die Geburt meiner Freundin wieder präsent und mir war klar, dass mich „keine zehn Pferde“ in ein Krankenhaus bewegen könnten. Also begann ich, nach Alternativen Ausschau zu halten.
Eine Hausgeburt. Oh ja, ich fühlte mich sehr wohl in meiner damaligen Dachgeschosswohnung des alten Gründerzeithauses und konnte mir die Geburt dort sehr gut vorstellen. Leider gab es niemanden, der mich in diesem Vorhaben unterstützte. Denn jeder Mensch in meinem Bekanntenkreis war froh, dass es Krankenhäuser gab, und sah diese als einzig möglichen Ort einer Geburt an. Zudem hatte ich die feste Überzeugung, dass Geburten immer und auf jeden Fall anstrengende, laute Ereignisse waren und so nahm ich Rücksicht auf die Hausbewohner, denen ich mein Geburtsgebrüll nicht zumuten wollte. Glücklicherweise fand ich ein Geburtshaus in der Stadt, wo ich mich gut aufgehoben fühlte. Ich nahm nun die Vorsorgeuntersuchungen lieber bei den Hebammen wahr, denn hier gab es keine vaginalen Untersuchungen und keine Apparatetechnik. Hier wurde meine Schwangerschaft als völlig natürliches Ereignis betrachtet. Ich war eine dieser Sorglos-Schwangeren, die eine perfekte, schöne, komplikationslose Zeit verstreichen ließen, um sich dann kurz vor dem Geburtszeitpunkt die Frage zu stellen: Kommt jetzt der Hammer? Erwischt es mich jetzt?
Nahezu jede Frau in meinem Bekanntenkreis hatte dramatische Erfahrungen in der Schwangerschaft oder während der Geburt gemacht. In meinen Ohren klingen ihre Worte noch heute: „Ich musste vier Monate lang liegen, weil ich vorzeitige Wehen hatte. Ich hatte ständig Blutungen und Angst, mein Baby zu verlieren.“ Oder: „Ich musste jeden Tag zum CTG, weil die Herztöne so schlecht waren.“
Und die Geburten wurden kommentiert mit: „Ich hatte einen Notkaiserschnitt.“ Oder: „Mein Baby wurde mit Saugglocke geholt und ich habe noch heute Narbenschmerzen vom Dammschnitt.“ Oder: „Mein Kind wurde mit Zange geholt, seitdem bin ich inkontinent.“
Es gab keinen einzigen positiven Geburtsbericht, der mich optimistisch hätte stimmen können. So gingen mir diese Gedanken durch den Kopf, dass mich das Schicksal noch treffen könnte, nachdem ich ja nun schon neun Monate Sorglos-Tarif hinter mir hatte. Trotzdem wich ich von meinem Vorhaben, das Kind im Geburtshaus zu gebären, nicht ab. Ich war in diese Vorstellung so sehr verliebt, dass ich alles daran setzte, dass es dort auch geschehen würde. Und zwar mit einer ganz bestimmten Hebamme. Katja.
Katja war mir von Anfang an sympathisch und ihre durch und durch weibliche Ausstrahlung gab mir die Gewissheit, mit ihrer Unterstützung gebären zu können. Sie war keine Person, auf die ich herabsehen musste und auch keine, die mich zum Hinaufsehen veranlasste. Sie war eine wunderbare Frau, der ich auf Augenhöhe begegnen konnte.
Meine Fixierung auf genau diese Hebamme und genau dieses Geburtshaus erzeugte einen inneren Druck in mir, dem ich mir zu diesem Zeitpunkt nicht bewusst war. Die Hebammen arbeiteten mit einem Bereitschaftsplan, welcher sich alle drei Wochen wiederholte. So saß ich da und überprüfte immer wieder den errechneten Geburtstermin mit dem Bereitschaftsdienst, und nachdem mein Baby nicht eher als errechnet kam, sollte ich ein echtes Zeitproblem bekommen. Es gab nur noch eine einzige Woche, in der ich mit Katjas Unterstützung gebären konnte und deshalb ließ ich das gesamte Repertoire an natürlichen Einleitungsversuchen über mich ergehen. Ich trank literweise frischen Ingwertee, hielt Fußbäder mit Eisenkrautsalz, führte mir mit Nelkenöl getränkte Tampons ein und drehte an meinen Brustwarzen, weil mir dies alles als geburtseinleitend verkauft wurde. Etwas später besorgte ich mir sogar noch einen stabilen Eimer, auf dem ich sitzen konnte und hielt nun meine gesamte Scham über den Dampf heißer Kräuter. Katja bot mir noch mehrere Akupunkturen an und massierte meinen Bauch mit sonderlichen Aromaölen. Als dies alles nichts brachte, setzten wir die Einraumwohnung meines Babys mit einer glühenden Beifuß-Zigarre in Brand. Ich erlitt dabei Verbrennungen ersten Grades (ähnlich wie nach einem extremen Sonnenbad), aber ich hielt die Hitze dieser „Moxibustion“ aus, weil ich UNBEDINGT mit dieser Hebamme in diesem Geburtshaus entbinden wollte. (Als Erklärung muss ich zugeben, dass dies meine ersten Berührungspunkte mit der alternativen Naturheilkunde waren. All diese geburtseinleitenden Methoden konnten bei mir nicht wirken, da ich zu diesem Zeitpunkt einfach nicht daran glaubte.)
Die letzten zwei Tage von Katjas Bereitschaftsdienst begannen. Es waren leider auch die letzten zwei Tage, die mir das Geburtshaus anbot. Vierzehn Tage nach ET (ET= Errechneter Geburtstermin) hätte das Geburtshaus aus versicherungstechnischen Gründen keine Geburt mehr mit mir gestalten können.
Die Hebamme schickte mich zu meiner Frauenärztin zurück, die ich monatelang nicht mehr gesehen hatte. Bei ihr sollte ich abklären, wie viel Fruchtwasser mein Baby noch zur Verfügung hatte. Die Frauenärztin freute sich natürlich, mich wiederzusehen, führte eine Ultraschalluntersuchung durch und empfahl mir mehr als eindringlich, noch am selbigen Tage ins Krankenhaus zur Geburtseinleitung zu gehen. Stattdessen ging ich heulend nach Hause. Ich wusste, dass ich mich keine zehn Pferde ins Krankenhaus bewegen konnten. Katja gab mir noch einen weiteren Tag, damit sich Wehen einstellen konnten und würde als allerallerletzte Möglichkeit einen Rizinus-Cocktail vorbereiten.
Derweil wälzte meine Mutter ihren eigenen Terminkalender vor und zurück, denn auch ihr Urlaub, den sie für meine Wochenbettbetreuung eingerichtet hatte, war nun längst verstrichen. Innerlich bereitete ich mich bereits darauf vor, ganz allein in meiner Dachgeschosswohnung zu gebären und einfach nur meine Ruhe zu haben. Ich überlegte, wen ich anrufen könnte, wenn ich hungrig im Wochenbett läge. Ich kaufte mir noch ein paar Lebensmittelvorräte und Wasser ein und sammelte die Flyer sämtlicher Lieferservices. Das konnte doch nicht so schwer sein, eine Geburt und ein Wochenbett zu meistern. Immerhin wohnte ich in einer Großstadt, wo es nahezu alles gibt und dazu noch 24 Stunden am Tag. Geld hatte ich genug auf meinem Konto – also würde ich auch immer jemanden finden, der eine entsprechende Dienstleistung für mich erbringen würde. Ich sah jetzt überhaupt kein Problem in der ganzen Sache, bemerkte aber die sorgenvollen Gedanken meiner Mitmenschen, die mich in den letzten Tagen der Schwangerschaft begleiteten. Mittlerweile waren auch die täglichen E-Mails und Telefonate eine einzige Qual geworden, da jeder nur noch auf die Ankunft des Kindes wartete:
„Immer noch nicht da?“
„Willst du nicht doch lieber ins Krankenhaus gehen?“
„Beende doch die endlose Wartezeit mit einem Kaiserschnitt!“
Langsam bekam ich eine Ahnung davon, dass ich nun doch mein persönliches Drama rund ums Kinderkriegen bekommen hatte. Mir fiel jetzt tatsächlich auf die Füße, was ein Ultraschallgerät berechnet hatte. Ein geschätzter Termin. Ein errechneter Termin. Ein erratener Termin. Mir wurde schlagartig bewusst, wie nachlässig ich gewesen war, dass ich nicht einmal den Zeitpunkt der Zeugung dieses Babys nachvollziehen konnte. Ich war so trunken durchs Leben gestolpert, auf der Suche nach der großen Liebe und einem erfolgreichen Business, dass ich den Beginn meiner Schwangerschaft nicht bemerkt hatte.
Vom Verstand her konnte ich dem Termin, den das Ultraschallorakel bzw. die auswertende Frauenärztin prophezeit hatte, nicht widersprechen. Nur mein Gefühl, meine innere Stimme, veranlasste mich immer wieder, auszuhalten und geduldig zu sein. Ich WUSSTE, dass dieses Kind noch nicht fertig war.
In den Nachmittagsstunden des darauffolgenden Tages bekam ich nun tatsächlich einen Rizinus-Cocktail von der Hebamme serviert. Sie überprüfte noch einmal die Herztöne des Babys und verließ uns wieder. Ich legte mich schlafen und genoss die Ruhe. Pünktlich zum Abendfilm erwachte ich und bemerkte das krampfartige Zusammenziehen meiner Gebärmutter. Sind das Wehen? DAS sind Wehen!
Wir fuhren sofort ins Geburtshaus. Mit Drei-Minuten-Wehen musste ich mich arg konzentrieren, um meiner Mutter noch Anweisungen zu geben, wie sie mein Firmenfahrzeug bedienen müsse und welche Straße uns zum Geburtshaus bringen würde. Eine scheinbare Ewigkeit suchten wir nach einem Parkplatz, der relativ nah war, schließlich mussten wir zwei volle Reisetaschen mit Handtüchern, Bettlaken, Wäsche für mich und mein Baby transportieren. Was für ein Stress! Wäre ich doch zu Hause geblieben! Ich schob mich schnaufend die Treppenstufen nach oben ins Geburtszimmer und bemerkte noch, dass es hier nachts genauso still war, wie in meinem Wohnhaus. Sind hier eigentlich auch Anwohner, die ich durch mein Geburtsgebrüll stören könnte?
Neben der Heftigkeit der schiebenden Wellen, die über meinen Körper hineinbrachen, nahm ich wahr, dass meine Mutter und Katja herumwuselten, das Bett bezogen und Kaffee kochten. Ich hatte mir instinktiv die dunkelste Ecke des Raumes ausgesucht und benutzte die Sprossenwand zum Festhalten, während ich zwischen Stand und tiefer Hocke hin und her wechselte. Es war alles gut auszuhalten. Ich war voll auf mich konzentriert.
Erst als alle Vorbereitungen für die Geburt getroffen waren, fühlte ich mich ganz plötzlich beobachtet. Alle Augen auf mich gerichtet, stieg ein unangenehmes Gefühl in mir hoch. Auf Katjas Frage „Wollen wir mal gucken, wie weit du bist?“ folgte die Aufforderung, mich auf den Geburtshocker zu setzen. Der Hocker stand leider in der Mitte des Zimmers und repräsentierte genau das, was mir schon immer Unbehagen bereitete: im Mittelpunkt zu sein.
Während ich mich auf den Gebärhocker setzte, ging Katja vor mir in die Knie und wies meine Mutter an, sich hinter mich auf das Bett zu setzen, sodass sie mich stützen könnte. Eine zweite Hebamme war mittlerweile dazugekommen und saß etwa zwei Meter entfernt, etwas abseits in einer Ecke. Sie beobachtete auf stille Art und Weise das Geschehen und machte sich Notizen. Sechs Paar auf mich gerichtete Augen und dieses gespannte Warten seit mehr als 14 Tagen.
Ich konnte mich nicht mehr entspannen. Ich war aus meinem Konzept, seit ich die Sprossenwand verlassen hatte. In meinem Kopf ratterten Gedanken, was ich tun könnte, denn es tat so irrsinnig weh. Mir fiel ein, dass Atmung und Singen geburtserleichternd sein sollten, und wollte diesem Impuls folgen, doch im nächstfolgenden Gedanken erinnerte ich mich, dass ich gar nicht singen kann. Meine Mutter saß ja hinter mir und sie hatte immer gesagt, ich könne nicht singen. Also ließ ich es bleiben, denn blamieren wollte ich mich nicht und mein Selbstbewusstsein war unterwegs abhandengekommen.
Weil ich nichts fand, was mir den Schmerz erleichterte, und ich drohte innerlich zu zerreißen, begann ich lautstark zu schimpfen. Der aufgestaute Zeitdruck der letzten Tage ergoss sich mit voller Wucht in meine Stimme. Ich brüllte meinem Baby zu: „Verdammt! Verdammt, jetzt komm endlich!“ Meine Mutter, hinter mir sitzend, schimpfte zurück: „Kind! Du sollst doch nicht fluchen!“ Ich spürte, dass es ihr vor den Hebammen peinlich war, dass ich mich so im Ton vergriff. Etwa eine Stunde presste und drückte ich wie eine Wilde. Weil ich nicht singen konnte und auch nicht fluchen durfte, gab ich meine gesamte Kraft in meine Hände und drückte die Hände meiner Mutter zusammen. Es war so wahnsinnig anstrengend und schmerzhaft.
In einer kurzen Wehenpause registrierte ich, dass es ja mitten in der Nacht war, und da ich wusste, dass Katja selbst eine alleinerziehende Mutter war, begann ich mich gedanklich zu sorgen, wer sich jetzt in diesem Moment um ihre Tochter kümmern würde. Aufgrund meiner mangelnden Abgrenzungsfähigkeit, setzte ich mich nochmals unter Zeitdruck, mobilisierte noch einmal alle Kräfte und presste das Kind aus mir heraus.
Ich war nicht die Erste, die mein Kind berührte. Es wurde mir zugereicht. Und ich konnte es kaum halten, denn meine Hände waren durch die Anspannung so gepresst, dass ich Empfindungsstörungen hatte. Leider konnte ich auch nicht selbstständig vom Gebärhocker aufstehen, da meine Beine eingeschlafen waren. Ich konnte spüren, wie der Energiefluss meines Körpers blockiert war, und ich kam mir irgendwie abgetrennt vor.
Mein Mädchen wurde als „lebensfrisch“ mit APGAR-Werten2 10/10/10 beschrieben und beide Hebammen waren sich einig, dass sie auch noch eine gute Woche hätte drin bleiben können. Die äußeren Schamlippen waren noch nicht verschlossen und sie wies auch keinerlei Übertragungszeichen auf. Was für eine Erkenntnis! Ich wusste instinktiv, dass die Kleine noch nicht fertig war und ich ärgerte mich, diesen ganzen Einleitungsversuchungen zugestimmt zu haben, denn gerade der Rizinuscocktail hatte es in sich. Nach dem Lösen der Plazenta verlor ich so viel Blut, dass mein Kreislauf rebellierte. Ich musste mich hinlegen, wurde versorgt, genäht und mit einem Blasenkatheter entleert, doch am traurigsten war die Erkenntnis, nicht in der Lage zu sein, das eigene Baby festzuhalten. Dieses kleine, kraftvolle, lebensfrische Wesen wurde neben mich gelegt, aber ich selbst fühlte mich schwach und leer.
Nachdem ich noch einige kreislaufstabilisierende Interventionen erhalten und vier Stunden geschlafen hatte, traten wir den Heimweg an. Ich konnte kaum stehen und noch weniger laufen. Meine Mutter hatte nun zu den zwei Reisetaschen noch ein kleines Baby samt Babyschale zu bewegen und kümmerte sich rührend. Eine halbe Ewigkeit benötigten wir, um bis zum Hauseingang meines Wohnhauses zu gelangen.
Ich setzte mich auf die unterste Treppenstufe und überlegte, wie ich am besten ins Dachgeschoss kommen könnte, denn es gab keinen Fahrstuhl. Entschlossen stemmte ich die Arme hinter meinem Rücken auf die nächste Stufe und drückte mich mit dem Po eine Stufe höher. Auf dem Hintern absolvierte ich also die vier Etagen und wieder begleitete mich der Gedanke „Ach, wäre ich doch zu Haus geblieben!“
Erst später reflektierte ich die Störfaktoren meiner ersten Geburt. Zusammen mit dieser Geburt hatte ich an diesem Zeitpunkt drei Geburtserfahrungen gemacht. Meine eigene Geburt, die entsprechend den Schilderungen meiner Mutter sehr gewaltsam war, das Krankenhaus-Erlebnis mit meiner Freundin und diese schmerzhafte hebammenbegleitete Geburt meiner Tochter im Geburtshaus. Die daraus resultierenden Erkenntnisse werde ich in den weiteren Kapiteln mit dir, liebe Leserin, teilen.
Fünf Jahre später erlebte ich meine zweite Schwangerschaft. Beruflich und persönlich hatten sich einige Dinge verändert. Ich absolvierte berufsbegleitend eine Ausbildung zur Therapeutin/Coach und lernte eine Menge über die Grundmotivationen, mit denen wir Menschen etwas tun oder eben nicht tun. Ich erkannte, wie unsere Gedanken unsere Emotionen steuern und warum es uns so schwerfällt, aus alten Gedankenmustern herauszukommen. Ich fing an, mein eigenes Verhalten zu hinterfragen und suchte nach den Ursachen meines Denkens. Ich dachte tatsächlich ziemlich schlecht von mir, hatte ein miserables Selbstwertgefühl, war unfähig mich vernünftig abzugrenzen, verdrängte stets meine Sensibilität und spielte irgendwelche Rollen, von denen ich dachte, dass andere mich darin gern sehen würden.
Wie entscheidend dieses „Ich“ für den Geburtsverlauf ist, wirst du später noch erfahren.
Nachdem ich also meine eigenen Themen bearbeitet und mich von den Fesseln meiner alten Muster befreit hatte, kam ich mit dem Vater meiner erstgeborenen Tochter wieder zusammen und wir begannen eine wunderbare Beziehung, die noch heute anhält. Im weiteren Verlauf überprüfte ich auch die Beziehungen zu einigen Mitmenschen und entwickelte endlich ein Gespür für die Wichtigkeit meiner Bedürfnisse. Auch mein gut bezahlter Job fühlte sich in diesem Rahmen nicht mehr stimmig an und so stürzte ich mich ziemlich BEWUSST in mein neues, aber dennoch unbekanntes Leben. Neue Heimat, neuer Beruf, neuer Mann. Na gut, der Mann war nicht neu, da wir ja bereits ein gemeinsames Kind hatten, aber die Beziehung mit ihm war neu. Und alles nur durch das Lösen von ein paar hässlichen, alten Denkweisen, die mich teilweise schon seit Jahren nicht weiterbrachten.
Ebenso bewusst wuchs nun ein zweites Kind in meinem Bauch heran und wir waren voller Freude. Diesmal pfiff ich auf sämtliche Vorsorgeuntersuchungen. Ich wollte meinem persönlichen Drama aus der ersten Schwangerschaft kein neues Futter geben. Ich benötigte keinen Zeitdruck und keine Werte, die mir Stress bereiten würden. Natürlich versuchte ich den ungefähren Geburtstermin selbst zu bestimmen. Da ich mittlerweile mehr Bewusstsein für meinen weiblichen Körper und dessen Rhythmus entwickelt hatte, gelang mir das besser als zuvor. Jedoch ging auch diese Geburt gewaltig am erratenen Termin vorbei.
Die Veränderungen meines weiblichen Körpers und den wachsenden Bauch in aller Demut betrachtend, fragte ich mich immer wieder: Wo in aller Welt steckt der Bauplan? Wo ist der rote Faden? Wer hat die Bauanleitung für diese wundersame und zugleich wunderschöne Einrichtung, die neues Leben hervorbringen kann?
Ich konnte gar nicht umhin, mich aufgehoben und geliebt zu fühlen. Für mich war gesorgt – das fühlte ich ganz sicher. Und in der Tiefe meines Herzens wusste ich, dass ich dieses Baby allein gebären werde. Ich wusste es einfach. Das innerliche Streben, genau diese Erfahrung zu machen, war einfach nicht zu ignorieren. Die Erinnerung, dass eine Frau zum Gebären geschaffen ist, lag vor mir wie eine Perle der Weisheit. Schwangerschaft und Geburt sind die Natur der Frau. Seit Anbeginn der Menschheit haben Frauen die Fähigkeit zu gebären. Selbst heute gebären Frauen in naturverbundenen Kulturen ihre Kinder auf ganz natürliche Art. Sie können es einfach.
Dennoch, ich lebe in einer zivilisierten Welt. Und meine Prägungen der Zivilisation kann ich nicht verleugnen. Und so entdeckte ich während der Schwangerschaft Anflüge der Angst und zwar immer dann, wenn mich meine Mitmenschen mit ihren Fragen konfrontierten: “Und? In welchem Krankenhaus entbindest du?“ Meine Antwort war stets: “Ich