Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Gefährlich und verantwortungslos! Keine andere Gebärform unterliegt dieser strengen Vorverurteilung, wie die Geburt eines Kindes ohne Hebamme und ohne Arzt. Allgegenwärtig wird Schwangeren von einer Alleingeburt abgeraten, aber zurecht? Die Wahrheit über Alleingeburten ist das Resultat einer unabhängigen Beobachtungsstudie und gibt erstmalig Antworten auf die konkreten Fragen: Wie viele Frauen gebären auf diese Weise und vor allem, warum? Welches Gebärmedium, welchen Raum und welche Gebärhaltung bevorzugen sie? Wie häufig treten Komplikationen auf und wie reagieren die Betroffenen? Welche Ergebnisse zeigen sich für Mutter und Kind? Wie unterscheiden sich die Raten der Geburtsverletzungen, notwendiger Interventionen und Kaiserschnitte, im Vergleich zur klinisch und außerklinisch praktizierten Geburtshilfe?
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 151
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Haftungsausschluss
Die im Buch veröffentlichten Inhalte wurden von der Verfasserin sorgfältig erarbeitet und geprüft. Alle Angaben erfolgen ohne Gewähr. Eine Haftung der Verfasserin und ihrer Beauftragten für eventuelle Nachteile oder Schäden, die aus Rückschlüssen dieser Publikation resultieren, ist ausgeschlossen.
Von Herzen dankend all meinen Unterstützerinnen und teilnehmenden Müttern, welche mit ihren selbstermächtigten Geburtserfahrungen die Grundlage dieser wichtigen Arbeit schufen.
Wie ich dazu kam und warum es mir so wichtig ist
Gesamtaufstellung der analysierten Alleingeburten
Alleingeburten deutschsprachiger Mütter in der Länderübersicht
Alleingeburten pro Jahr
Geplante und ungeplante Alleingeburten
I. Vor der Alleingeburt
Was sind das für Frauen und warum tun sie das?
Welche Gründe und Motivationen lagen dem Plan einer Alleingeburt zugrunde?
Mit oder ohne Risikofaktor? Wie gesund sind Alleingebärende?
Beim wievielten Kind eine Alleingeburt?
Geburtslagen der Kinder
Welches Bildungsniveau haben Alleingebärende?
Wie ernähren sich Alleingebärende?
Welcher Weltanschauung folgen Alleingebärende?
Alter der Alleingebärenden
II. Die Alleingeburt
Geburtsbeginn
Fruchtblasenriss/Fruchtblasensprung
Grünes Fruchtwasser
Die natürliche Geburt
Intuitive Handlungen der Alleingebärenden
Gebärorte
Gebärmedium
Gebärpositionen
Alleingeburt ganz allein
Alleingeburt mit Doula
Dauer der Alleingeburt
Einmal Alleingeburt, immer Alleingeburt?
Schmerzfreie Geburten und Geburtsorgasmus
III. Nach der Geburt des Kindes
Plazentageburt
Zeitspanne zwischen dem Kind und der Plazentageburt
Wenn die Plazenta nicht kommt oder unvollständig ist
Plazentaanomalie
Abnabeln oder Lotusgeburt
Ergebnisse der Mütter
Nachgeburtliche Blutungen (postpartale Hämorrhagie)
Geburtsverletzungen
Sterblichkeit der Mutter (Mortalität)
Ergebnisse der per Alleingeburt geborenen Kinder
Nabelschnur
Kopfumfang
Geburtsgewicht
Gestationsalter
Erkrankungen der Kinder (Morbidität)
Sterblichkeit der Kinder (Mortalität)
IV. Es hat nicht geklappt. Abgebrochene Vorhaben einer Alleingeburt
V. Wie gefährlich ist eine Alleingeburt?
VI. Geburtsurkunde und Probleme mit den Behörden
VII. Zusammenfassung
Minoritäteneinfluss
Die Alleingebärende als Provokateurin
Quellen und Rohdaten
Abkürzungsverzeichnis
Bücherliste zur Thematik Alleingeburt
Schreiben soll man nur, wenn man in sich einen absolut neuen und wichtigen Inhalt fühlt, der einem selbst klar, den anderen unverständlich ist, und wenn einem das Verlangen, diesen Inhalt darzustellen, keine Ruhe lässt.
Leo N. Tolstoi
„Ich bekomme mein Kind zu Hause und lade dafür keine Hebamme ein, denn ich gebäre allein!“ Im Jahr 2011, dem Jahr meiner zweiten Schwangerschaft, fiel mir in der Vorbereitung auf meine erste eigene Alleingeburt auf, dass meine Mitmenschen kontinuierlich Aussagen tätigten, die meinem Empfinden nicht entsprachen. Egal, ob in persönlichem oder schriftlichem Austausch, ich fühlte mich für die Wahl meiner Art, gebären zu wollen, regelmäßig abgewiesen. Mit Blick auf meinen runden Bauch wurde die Frage: „Wo gehst du entbinden?“, nur gestellt, um den Ort des auserwählten Krankenhauses zu erfahren. Meine Antwort: „Zuhause!“, wollte niemand gern hören. Auf die Frage, welche Hebamme denn hier in der Gegend noch Hausgeburten betreuen würde, und meine Antwort: „Keine! Mach ich allein!“, entgleisten dem Fragenden oftmals die Gesichtszüge. Für weitere erklärende Worte oder Rechtfertigungen wurde mir schon gar kein Raum mehr gegeben. Zu schnell war das Urteil gefällt. „Das ist gefährlich und verantwortungslos!“, dann wendete sich mein Gesprächspartner ab, bevor eine Diskussion überhaupt beginnen konnte. Totschlagargumente nennt man sie. Klassische Argumente, die eine Diskussion totschlagen, bevor sie überhaupt begonnen hat.
Die häufigsten entgegengebrachten Argumente zur Alleingeburt waren:
Das ist gefährlich und verantwortungslos.
Das kann nicht im Sinne des Kindes sein.
Eine Hausgeburt ist schon rückständig, und dann auch noch ohne Hebamme!
Absolut fahrlässig!
Wie kann eine Mutter nur so egoistisch sein!
Früher sind Mütter und Kinder bei der Geburt gestorben.
In Afrika sterben sie noch heute, weil sie keine Geburtshilfe haben.
Gemeint ist bei diesen Argumenten, dass eine Geburt ohne Hebamme/Arzt gegenüber einer Geburt mit Hebamme/Arzt gefährlicher wäre und nur die moderne westliche Geburtshilfe sicher und zuverlässig sei. Meine größten Kritiker behaupteten sogar, dass Frauen unter der Geburt überhaupt nicht zurechnungsfähig seien. Und darüber hinaus sei eine Laiin auch nicht in der Lage, einen Geburtsfortschritt und eventuelle Geburtskomplikationen adäquat einzuschätzen: Wie willst du wissen, wann du pressen musst? Was ist, wenn es stecken bleibt? Willst du das Kind dann mit der Salatzange rausziehen? Und wie willst du das mit der Nabelschnur machen? Also eine Hebamme sollte schon mindestens dabei sein! All diese Gespräche hatten wohl zum Zweck, mich abzuschrecken und zur Besinnung kommen zu lassen, doch stattdessen stellte ich mir die Frage: Was wissen wir denn über Geburten, die Mütter allein bewerkstelligt haben? Wer kann darüber berichten?
Für alles, was wir aus der Geschichte kennen, für alles, was je überliefert wurde, bedurfte es eines externen Beobachters. Jemand, der etwas beobachtet und wiedergegeben haben muss: als Malerei an der Höhlenwand, geritzt in Holz oder Gestein, ein mit Kohle gezeichnetes Bild, später in Öl oder Acryl, eine mit Tinte und Feder handgeschriebene Aufzeichnung und nach Erfindung des Buchdrucks jedes Schriftstück in irgendeiner Form. Nicht zu vergessen, die Weitergabe von Beobachtungen, Eindrücken und Erfahrungen über Lieder, Gedichte und Märchen sowie das Hörensagen. Aber für etwas, was niemand beobachtet hat, wie eine Alleingeburt, gab es keine Zeugen. Niemand konnte davon ein Bild zeichnen oder ein Lied singen, darüber, wie die Alleingebärende sich bewegte, ob sie stand, ob sie hockte oder am Boden lag; wie ihr Gesicht dabei aussah; ob sie ihr Kind mit ihren eigenen Händen empfing oder es ins Gras plumpsen ließ. Wir wissen noch nicht einmal, ob eine werdende Mutter in früherer, vorzivilisierter Zeit einen besonderen Ort zum Gebären aufsuchte. Wir kennen nur jene Settings, die beobachtet wurden. Die unbeobachteten Geburten wurden nicht dokumentiert. Historische Bilder, welche eine Gebärende im Kreis von anderen (helfenden) Frauen zeigen, bedeuten, dass jemand diese Geburt beobachtet und wiedergegeben haben muss. Es bedeutet aber nicht, dass sich alle Gebärenden stets in Obhut anderer Frauen befanden. Vielleicht war es in einigen Kulturen kultureller Brauch, wenn die alten Mütter die Neumütter mit ihrem Wissen und ihren Handlungen unterstützten, dennoch bedeuteten sie nicht, dass die Gebärenden die Geburt nicht auch allein hätten meistern können und selbst nicht wussten, wann es Zeit sei, sich zurückzuziehen und ihr Kind hervorzubringen.
Wann immer ich darüber sinnierte, kam ich zu der Ansicht, dass es schon immer Alleingeburten gegeben haben muss, zum Beispiel bei Frauen, die aus ihrer sozialen Struktur ausgestoßen wurden, nach einer unwürdigen Liebschaft, unehrenhaftem Verhalten oder einer Gefährdung ihres Stammes; bei Frauen, die freiwillig und von sich aus eine soziale Struktur verließen und sich anschließend als Einsiedlerin durchkämpften, oder bei Frauen, die sich schwanger verirrt, verlaufen hatten oder allein auf einer einsamen Insel gestrandet waren. Ebenso muss die Geburt ohne Hilfe auch all jenen Frauen gelungen sein, denen man im späteren Verlauf vorwarf, schwanger gewesen zu sein und ihr Kind ausgesetzt oder getötet zu haben, weil sie aufgrund ihrer sozialen Stellung oder der Tatsache, dass sie nichts weiter besaßen, als die Kleider an ihrem Leib, nicht wussten, wohin mit dem (unehelichen) Kind. In Gretchenträgodien1 beschreibt die Autorin Marita Metz-Becker knapp einhundert solcher Schicksale, welche sich im Zeitraum 1770 bis 1870 im Gebiet des heutigen Bundeslandes Hessen ereigneten. Demzufolge muss allein in diesem Gebiet in diesem Zeitraum mindestens eine Alleingeburt pro Jahr stattgefunden haben, die niemand beobachtet hatte.
Noch weiter in der Geschichte der Menschheit zurückblickend muss es doch irgendwie den weiblichen Menschen auf dieser Erde gelungen sein, eine Vielzahl von Nachkommen zu gebären, und zwar unabhängig von jeweils vorherrschenden Zeitqualitäten, Kulturen und Errungenschaften, so dass die Weltbevölkerung auf eine Milliarde Menschen geschätzt wurde, noch bevor die ersten Accouchierhäuser2 betrieben wurden, die Geburtszange und der Kaiserschnitt auf der Weltbühne Einzug hielten.
Vergleichende Studien, wie Geburten mit oder ohne Hilfe in der Vergangenheit abliefen, gibt es leider nicht. Auch gibt es keine Statistiken, die nochmals unterschieden hätten zwischen Alleingeburten, die aus der Not heraus geschahen bei ungewollter
Schwangerschaft bis hin zu verdrängter oder verheimlichter Mutterschaft, mit all jenen Alleingeburten, wo das willkommene Kind einfach so geboren wurde, weil die Bedürftigkeit von einer Geburtshilfe (noch) nicht präsent war.
Aber lassen wir den Vergleich mit früher einmal beiseite, kommen in der jetzigen Zeitqualität an und stellen uns die Frage: Was würde wohl heute die Mehrheit der Ärzte zu der Idee einer Alleingeburt sagen? Ganz klar, sie würden den Frauen davon abraten! Doch würden sie abraten vor dem Hintergrund ihrer eigenen Arbeit. Ärzte, die ausschließlich mit Geburten konfrontiert werden, bei denen sie - warum auch immer - gebraucht werden, würden mit aller Wahrscheinlichkeit abraten, eine Geburt ohne sie zu versuchen. Allerdings bekommen Ärzte keine Geburten zu Gesicht, wo sie nicht gebraucht werden. Ärzten bieten sich keine Gelegenheiten, einer unbeobachteten, störungsfreien Geburt ohne fachliche Hilfe beizuwohnen, da sie als personifizierte Retter bereits im Mittelpunkt des Geschehens stehen. Jene alleingebärenden Frauen, die in der heutigen Zeit komplikationslos ihr Kind geboren haben, suchen später keinen Arzt auf, wenn es dafür keinen Grund gibt. Auf diese Weise können sich Ärzte in ihrer Betrachtungsweise, dass die Geburt eines Menschenkindes der gefährlichste Moment in dessen Leben sei, kaum zu einer anderen Sichtweise gelangen. Die ärztliche Grundannahme, die der verzerrten Wahrnehmung des Berufsbildes entspringt, führt zur Voreingenommenheit.
Doch nicht nur Ärzte raten von einer Alleingeburt ab. Hebammen tun das auch. Und auch sie tun es aufgrund ihrer eigenen Berufung, in welcher sie sich als die „Baby-in-Empfang-nehmende-Heb-Amme“ identifizieren und mit all ihren Handlungen vor, während und nach einer Geburt als unentbehrlich betrachten. Von daher fällt es den meisten Hebammen ebenfalls schwer, sich vorzustellen, dass die Kunst des Gebärens auf der Seite der Schwangeren zu verorten ist und das Meisterwerk der Geburt vielleicht auch ohne ihr Zutun oder ihre Anwesenheit gut gegangen wäre.
Obwohl mir klar war, dass auch ich mit meinem Plan einer Alleingeburt bereits an entsprechender Voreingenommenheit litt und die Dinge nur mit meiner rosaroten Brille betrachten wollte, - bewusst, weil ich mit meiner überzeugten inneren Haltung genau jene ungeheuerlich gute Geburt manifestieren würde - ließ es mir trotzdem keine Ruhe, ständig mit solchen Totschlagargumenten überschüttet zu werden. Es kostete mich jedes Mal kostbare Ressourcen, mich nach jeder Vorverurteilung wieder zu zentrieren, und mein rationaler Verstand fragte immer wieder diese eine Frage: Wie konnte es sein, dass eine Gebärform, deren Sicherheit noch gar nicht genau untersucht und erforscht ist, zum Scheitern verurteilt wurde?
Es gab keine offizielle Zahlen, wie viele Alleingeburten pro Jahr stattfanden, geschweige denn Studien über deren Ausgang. Warum gab es die nicht? Wer hätte eine solche Studie finanzieren wollen? Oder zumindest ein echtes Interesse daran haben können? Hatte die gebärende Frau jemals eine stärkende Lobby im Hintergrund?
Da ist doch wahrlich niemand, der Interesse daran hat, dass wir Frauen einfach so gebären. Ohne Hilfsmittel, ohne Produkte und ohne Fachpersonal. Völlig frei von Kosten. Mit einer Geburt, die nichts braucht, außer der Gebärenden selbst, kann man nichts verdienen. Daher gab es auch keine Studien.
Hinsichtlich dessen, dass Alleingebärenden, sofern eine offene und sachliche Diskussion überhaupt stattfindet, im weiteren Verlauf verschiedenste Geburtskomplikationen in Aussicht gestellt und sie dann gefragt werden, wie sie denn auf einen Geburtsstillstand, eine Schulterdystokie oder eine Atonie reagieren würden, steht die zusätzliche Frage im Raum, ob es denn überhaupt im Alleingeburtsgeschehen zu solchen Komplikationen kommt. Oder ob diese lediglich Folgeerscheinungen praktizierter Geburtshilfe sind, wie zum Beispiel, die Geburt medikamentös einzuleiten, die Frau hinzulegen, ihr eine Gebärposition zuzuweisen und damit das großartige hormonelle Zusammenspiel der Natur zu manipulieren.
Mit dem Beginn meiner eigenen Studie über Alleingeburten fühlte ich mich geleitet von einem starken inneren Verlangen, diese Frage nach dem Erfolg von Alleingeburten zu erforschen, nicht zuletzt, weil ich Teil dieser Minderheit von Frauen bin, die all die uns entgegengebrachten Argumente der gefährlichen Verantwortungslosigkeit nie so ganz nachvollziehen konnten, da wir es selbst ganz anders erlebt und erfahren hatten.
Die erste Idee einer Zählung von Alleingeburten hatte nicht ich, sondern Mary, eine freiheitsliebende dreifache Alleingeburtlerin, die sich nach einem Zeitungsinterview der Frage ausgesetzt sah, wie viele Frauen es eigentlich gebe, die das Gebären allein durchziehen würden. Ich mochte Marys erste Diagramme, die nach Jahreszahlen gestaffelt, in bunten Türmchen, einen schönen Anstieg darstellten. Wir waren zu dieser Zeit eine klitzekleine Minderheit. Und doch jubelte ich insgeheim jeder Frau zu, die sich in Marys Umfrage eintrug. Ich weiß noch genau, dass wir 2012, dem Jahr meiner ersten eigenen Alleingeburt, zwölf Frauen waren, die sich für diesen Weg entschieden hatten. Ich bat jede Frau, von deren Alleingeburt ich erfuhr, sich in diese Umfrage einzutragen. Mir wurde diese Erfassung immer wichtiger und als ich wahrnahm, dass Mary sich anderen Themen widmete, ihre Heimat, die Schweiz, verließ, um mit ihrer Familie die Welt zu bereisen, begann ich meine eigene Excel-Tabelle zu erstellen.
Aus der Excel-Tabelle entwickelte sich eine Dauererhebung, eine kumulative, sich aufsummierende Erfassung. Ich erstellte Fragebögen für geplante Alleingeburten, Fragebögen für ungeplante Alleingeburten und Fragebögen für Alleingeburten, die abgebrochen und ins Krankenhaus verlegt wurden. Ich las, ich recherchierte und durchforstete alle möglichen Plattformen des weltweiten Internets und fand sie: Die Frauen, die allein geboren hatten. Und es wurden immer mehr. Ich veröffentlichte regelmäßig monatliche Updates und zusammenfassende Jahresberichte auf meiner Webseite, welche nun in diesem Gesamtwerk über 1460 Geburten eine Zusammenfassung geben sollen.
In den folgenden Kapiteln trage ich nun schwarz auf weiß zusammen, wie sich die Wahrheit über diese Alleingeburten mir zeigte. Ich möchte Antworten geben auf die konkreten Fragen:
Wie viele Alleingeburten gibt es überhaupt? Gibt es einen Trend? Welche Frauen entscheiden sich für eine Alleingeburt und aus welchen Gründen? Wie viele Alleingeburten werden unter der Geburt abgebrochen und wie gestaltet sich der weitere Verlauf? Welche Komplikationen treten auf? Wie viele Alleingeburten gehen schief und wie viele gehen gut aus? Was bedeuten die Ergebnisse der Geburt ohne Geburtshelfer im Vergleich zum klinischen und außerklinischen Geburtssetting mit Geburtshelfern?
Starten wir mit einer Gesamtaufstellung der 1.460 analysierten Alleingeburten.
1 Marita Metz-Becker: Gretchentragödien, Kindsmörderinnen im 19. Jahrhundert, Psychosozial-Verlag, 2016
2 Entbindungshaus, Gebäranstalt, abgeleitet aus dem französischen „accoucher“ für entbinden
Der überwiegende Teil der erfassten Alleingeburten fand in Deutschland statt. Hier wurden 1.226 Geburten erfasst. Mit den Nachbarländern Österreich und Schweiz gingen jeweils 61 und 56 Geburten in die Erfassung ein.
Im übrigen Ausland wurden weitere 117 Geburten durch deutschsprachige Mütter bewerkstelligt, welche sich zum Zeitpunkt der Geburt in folgenden Ländern aufhielten: Ägypten (1), Argentinien (1), Australien (1), Belgien (2), Brasilien (2), Bulgarien (1), Costa Rica (4), Dänemark (1), Dominikanische Republik (1), England (3), Frankreich (11), Guatemala (4), Indien (1), Irland (3), Italien (7), Kanada (1), Kolumbien (1), Kroatien (1), Malaysia (1), Malta (1), Marokko (6), Mexiko (3), Namibia (1), Neuseeland (2), Nicaragua (1), Panama (1), Paraguay (3), Peru (2), Portugal (6), Rumänien (1), Schweden (10), Sizilien (1), Slowenien (2), Spanien/Spanische Inseln (9), Südafrika (1), Tansania (1), Thailand (4), Trinidad (1), Tunesien (2), Türkei (3), Ukraine (1), USA (6) und Zypern (2).
Die vielfältigen Länder deuten auf die Grundausrichtungen einiger alleingebärender Frauen hin, denn reisend fremde Länder erkunden und dort einige Zeit zu leben, erfordert eine bestimmte innere Haltung, die geprägt ist von Neugier und Offenheit für das Unbekannte. Ebenso passen auch die unbändige Sehnsucht nach Freiheit und das Streben nach absoluter Unabhängigkeit zu der Idee einer freien Geburt. Man könnte sagen: Diese Mütter gebären so, wie sie leben.
Die Summe der insgesamt erfassten Alleingeburten beträgt 1460 und verteilt sich auf die Jahre 1959, 1969, 1990, 1991, 1997 und 2002 bis 2022. Dem aufmerksamen Betrachter dürfte sofort der Geburtenknick im Jahr 2019 ins Auge springen. Es ist sehr gut möglich, dass ich als Alleinrecherchierende für den Einbruch der Zahlen in 2019 selbst verantwortlich bin, da es in diesem Jahr einen persönlichen Grund gab, mich dieser Erfassung nicht genauso hingebungsvoll widmen zu können wie in den anderen Jahren. Ebenso ist auch das Jahr 2022 ganz sicher nicht die absolute Zahl aller statt gefundenen Alleingeburten, denn zum Zeitpunkt Januar 2023, dem Schreiben dieses Buches, lagen Geburtsmeldungen des letzten Quartals 2022 noch nicht vor. Ich veröffentliche diese Grafik, um zu zeigen, dass die Alleingeburt, nicht wie angenommen, ein modischer Trend ist, denn allein gebärende Frauen gab es schon vorher und es muss wohl Zufall gewesen sein, dass Frauen höheren Alters meine kleine kumulative Studie entdeckten und mich daraufhin anschrieben, dass sie bereits 1959, 1969 und in den Neunzigern ihr Kind ohne Hebamme geboren hatten, den Begriff Alleingeburt jedoch gar nicht kannten.
Schauen wir uns die letzten zehn Jahre etwas genauer an, sehen wir, dass sich die Anzahl der geplanten Alleingeburten nach Erscheinen des gleichnamigen Buches Alleingeburt3 (2014) in den darauffolgenden Jahren 2015 zu 2016 zunächst mehr als verdoppelte und etwa gleichbleibend hoch auf diesem Plateau blieb.
Abb. 4
Eine spannende Erkenntnis, denn offensichtlich hatte diese Gebärform plötzlich einen Namen, der nicht nur intern in kleinen Untergruppen eines Internetforums verwendet wurde, sondern sogar in den Regalen der Bücherläden stand. Bald darauf erschienen weitere Bücher zur Thematik, viele vor Glück triefende Geburtsberichte auf Blogs und Webseiten, Gebärvideos auf Videoplattformen und alles ging einmal durch sämtliche Social-Media-Kanäle, idealerweise mit dem Hashtag #Alleingeburt versehen. Somit war keine neue Gebärform und auch kein neuer Trend, sondern lediglich eine treffende Bezeichnung geboren, von der nun auch der Mainstream erfuhr. Einzig die Etikettierung, eine Alleingeburt sei gefährlich und verantwortungslos, hielt sich aufrecht. Die Fülle an wunderschönen Gebärberichten und -videos inspirierte zwar, ließ aber weiterhin offen, wie erfolgreich diese Geburtsform sein könnte. Ohne wissenschaftliche Grundlage begannen jedoch die Geburtskliniken, Frauenärzte und Hebammen vor der Alleingeburt zu warnen.
Definition: Eine Alleingeburt ist eine Geburt, die ohne Hinzuziehung einer Hebamme oder eines Arztes durchgeführt wird. Die Gebärende muss dazu nicht zwangsläufig allein sein, es können Ehemann, Partner(in), bereits vorhandene Kinder, nahe Angehörige, Freundinnen oder eine freie Doula anwesend sein. Eine Alleingeburt definiert sich nicht über das Alleinsein, sondern über die Abwesenheit einer Fachperson, die für die Begleitung von Geburten ausgebildet, staatlich zugelassen und versichert ist. Die Alleingebärende übernimmt die alleinige Verantwortung für die Geburt.
3 Schmid, Sarah: Alleingeburt, edition riedenburg, 2014
Die eingeschlossenen Geburten dieser Analyse gehen zu 74 % auf geplante und 25 % ungeplante Alleingeburten zurück. Von fünf Geburten, die als Alleingeburt stattgefunden hatten, war der Plan nicht bekannt.