Merkmalsanalyse einer Diskussionsrunde auf ARTE in französischer Sprache - Silke-Katrin Kunze - E-Book

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Silke-Katrin Kunze

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Beschreibung

Studienarbeit aus dem Jahr 2002 im Fachbereich Romanistik - Französisch - Linguistik, Note: 1,0, Technische Universität Dresden (Institut für Romanistik), Veranstaltung: Sprachwissenschaftliches HS: Français Parlé, Sprache: Deutsch, Abstract: Im Rahmen des Seminars Français Parlé, sprachwissenschaftliches Hauptseminar der Romanistik im Wintersemester 2001/2002, ging es um die Merkmals- und dialogtyp-bezogene sprachliche Analyse einiger französischsprachiger Transkriptionen. Mit Hilfe dazu passender Literatur, darunter Helmut Hennes und Helmut Rehbocks Einführung in die Gesprächsanalyse von 1995, soll im Folgenden der transkribierte Teil-Korpus DE QUOI J′ME MÊLE! POUR EN FINIR AVEC LE COMMUNISME (WAS UNS AUF DEN NÄGELN BRENNT! KOMMUNISMUS - ZEIT DER ABRECHNUNG) analysiert werden. Am 16. Oktober 2001 stand das Sendeprogramm des deutsch-französischen Fernseh-Kulturkanals ARTE unter dem Motto Kommunismus - Zeit der Abrechnung. Den Auftakt bildete 20:45 Uhr eine Politdokumentation über Linksradikalismus in Frankreich, Marx Attaque. Von 21:40 Uhr bis 21:55 Uhr folgte eine erste Diskussionsrunde, die hier präsentierte. In der hier untersuchten Diskussion, die mit einem Diktiergerät auf Deutsch und einem Videorecorder auf Französisch aufgezeichnet wurde, diskutieren vier Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, Simone Veil (Mitglied der französischen Verfassungskommission), Dany Cohn-Bendit (Europaabgeordneter), Vladimir Boukovsky und Jorge Semprun (beide Schriftsteller) unter der Leitung von Daniel Leconte und unter Einbeziehung persönlicher Erfahrungen über das Thema Kommunismus. Wie der Name schon vermuten lässt, ist Vladimir Boukovsky kein Franzose. Wider Erwarten spricht er jedoch nicht Russisch, sondern Englisch. Dany Cohn-Bendit dagegen ist Deutscher und spricht auch Deutsch, wenngleich er perfekt Französisch sprechen können soll. Aus diesem Grund fallen jedenfalls beide aus der sprachlichen Analyse heraus und werden nur unter dem Aspekt Mimik / Gestik berücksichtigt. Die drei anderen Diskussionsteilnehmer sind Franzosen und sprechen ihre Muttersprache.

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Inhaltsverzeichnis
MERKMALSANALYSE DER EINZELPHÄNOMENE

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Technische Universität Dresden Institut für Romanistik: Französisch Sprachwissenschaftliches HS: Français Parlé

Wintersemester 2001 / 2002

HAUSARBEIT

MERKMALSANALYSE EINER

DISKUSSIONSRUNDE AUF ARTE

IN FRANZÖSISCHER SPRACHE

Kunze, Silke-Katrin

7. Semester - Französisch / Englisch Lehramt Gymnasium

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EINLEITUNG: Intention & Situationskommentar

Im Rahmen des SeminarsFrançais Parlé,sprachwissenschaftliches Hauptseminar der Romanistik im Wintersemester 2001/2002, ging es um die Merkmals- und dialogtyp-bezogene sprachliche Analyse einiger französischsprachiger Transkriptionen. Mit Hilfe dazu passender Literatur, darunter Helmut Hennes und Helmut RehbocksEinführung in die Gesprächsanalysevon 1995, soll im Folgenden der transkribierte Teil-KorpusDE QUOI J’ME MÊLE! POUR EN FINIR AVEC L E COMMUNISME (WAS UNS AUF DEN NÄGELN BRENNT! KOMMUNISMUS - ZEIT DER ABRECHNUNG)analysiert werden.

Am 16. Oktober 2001 stand das Sendeprogramm des deutschfranzösischen Fernseh-Kulturkanals ARTE unter dem MottoKommunismus - Zeit der Abrechnung.Den Auftakt bildete 20:45 Uhr eine Politdokumentation über Linksradikalismus in Frankreich,Marx Attaque.Von 21:40 Uhr bis 21:55 Uhr folgte eine erste Dis-kussionsrunde, die hier präsentierte. Im Anschluss daran konnte sich der Zuschauer eine zweite französische Dokumentation,Lenin, Vater des Totalitarismusanschauen, der der zweite Teil der ersten Diskussionsrunde auf den Fuß folgte. In der hier untersuchten Diskussion, die mit einem Diktiergerät auf Deutsch (s. Anhang) und einem Videorecorder auf Französisch (s. Anhang) aufgezeichnet wurde, diskutieren vier Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, Simone Veil (Mitglied der französischen Verfassungskommission), Dany Cohn-Bendit (Europaabgeordneter), Vladimir Boukovsky und Jorge Semprun (beide Schriftsteller) unter der Leitung von Daniel Leconte und unter Einbeziehung persönlicher Erfahrungen über das ThemaKommunismus.Wie der Name schon vermuten lässt, ist Vladimir Boukovsky kein Franzose. Wider Erwarten spricht er jedoch nicht Russisch, sondern Englisch. Dany Cohn-Bendit dagegen ist Deutscher und spricht auch Deutsch, wenngleich er perfekt Französisch sprechen können soll. Aus diesem Grund fallen jedenfalls beide

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aus der sprachlichen Analyse heraus und werden nur unter dem Aspekt Mimik / Gestik berücksichtigt. Die drei anderen Diskussionsteilnehmer sind Franzosen und sprechen ihre Muttersprache. Was die Sitzordnung betrifft, so sitzen sich Jorge Semprun und Simone Veil, sowie Dany Cohn-Bendit und Vladimir Boukovsky gegenüber. Rechts bzw. links der beiden Erstgenannten hat Daniel Leconte Platz genommen. Ihm gegenüber befindet sich ein Fernsehbildschirm. Wo genau die Diskussionsrunde stattfand, ob z.B. in einem Sendestudio in Straßburg, ist leider unbekannt. Abschließend kurz, worum es in der Diskussion eigentlich geht: Wie bei einer Diskussion üblich, gibt es einen Diskussionsleiter, der in diesem Fall mit Notizen ausgestattet und somit vorbereitet ist. Zu Beginn lenkt Daniel Leconte die Aufmerksamkeit des Zuschauers von der soeben gesehenen Dokumentation auf die Diskussionsrunde und leitet sie mit seiner ersten Frage zur Begriffsbestimmung des WortesTotalitarismusein. Mit dem Ergebnis, dass nach Auffassung aller der Kommunismus totalitär war.

Daraufhin spricht Simone Veil über ihre Erfahrung mit den De-portierten, die mit ihr zusammen in Auschwitz-Birkenau waren. Da gab es z.B. das Tabu, das System zu kritisieren. Jorge Semprun, selbst Kommunist gewesen, hat 1958 erkannt, was es für einen großenKlassenunterschied,so das richtige Wort seiner Meinung nach, in der Sowjetunion gab.

Die zweite Frage, die Daniel Leconte stellt, beschäftigt sich damit, welchen Unterschied es zwischen Lenin und Stalin gab. Vladimir Boukovsky meint, es werde in den meisten kommunistischen Ländern heute akzeptiert, dass Stalin nur fortgeführt habe, was Lenin begonnen hätte. Im Gegensatz dazu aber sieht Jorge Semprun durchaus Unterschiede: Lenin sei ein Bruch gegenüber dem Marxismus und Stalin gegenüber Lenin gewesen. Dany Cohn-Bendit reagiert auf diese Aussage mit der Antwort, der Marxismus selbst hätte eine totalitäre Dimension. An diesem Punkt schreitet Daniel Leconte ein und weist darauf hin, dass es zunächst um Lenin und Stalin ginge. Das führt zu der Frage nach den Verbrechen gegen die Menschlichkeit, dies es

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auch in der Sowjetunion gab, aber entsprechend dem historischen Widerspruch, stand sie ja auf der Seite der Sieger, die über das Nazi-Deutschland zu urteilen hatten. Alsdann macht Simone Veil darauf aufmerksam, wie wichtig es sei, die historischen Fakten zu kennen, dass sie präzise definiert werden müssten und dafür zu sorgen sei, dass sie nicht vergessen würden. Abschließend geht es um den Vergleich zwischen Nazitum und Kommunismus. Zur Sprache kommen dabei die rein rassistischen Gründe der Vernichtung von Zigeunern und Juden, der zwangsumgesiedelten und fast ausgelöschtenKrimtataren,der Wolgadeutschen oder der Tschetschenier. Außerdem zitiert Daniel Leconte eine Aussage Hitlers aus dem BuchDas Ende der Illusionvon François Furet, die zeigt, dass Hitler in den marxistischen Methoden den gesamten Nationalsozialismus fand. Er musste sie lediglich weiterentwickeln. Jorge Semprun reagiert darauf mit der Aussage, man könne sowohl mit einem Kommunisten als auch einem ehemaligen Kommunisten zu Abend essen, aber weder mit einem Nazi noch einem Ex-Nazi. Nachdem Dany Cohn-Bendit dazu anmerkt, dass der Hitler-Stalin-Pakt nur möglich war, weil beide eine Zeitlang glaubten, sich die Welt aufteilen zu können, zieht Daniel Leconte einen Schlussstrich unter die erste Gesprächsrunde und informiert den Zuschauer noch über die Möglichkeit, im Internet Fragen an die Experten zu richten oder weitere Informa- tionen auf der Internetseitewww.arte-tv.comzu finden.

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MERKMALSANALYSE DER EINZELPHÄNOMENE

Bei einer Merkmalsanalyse sind verschiedene Aspekte zu beleuchten, was hier geschehen soll, indem erst Einzelphänomene, dann dialogtypische Merkmale und schließlich solche der Gestik und Mimik unter die Lupe genommen werden. Hierbei kommt es im ersten Fall nicht nur zu einer Unterteilung in einzel- und universalsprachliche Merkmale, sondern auch zu einer Untersuchung auf der textuellen, syntaktischen, lexikalischen sowie phonetischen Ebene.

Dieses Unterfangen ist interessant und herausfordernd, denn Florence Walter hat zwar die Transkription Korrektur gelesen, aber offene Stellen sind dennoch geblieben. Dazu kommt, dass manche Merkmale subjektiv eingestuft werden müssen, wenn kein Diskussionspartner zur Verfügung steht. Alle Merkmalsmarkierungen wurden nach bestem Wissen und Gewissen vorgenommen, und es ist erstaunlich, wenn korrekt, wie schnell Daniel Leconte spricht und damit Satzbrüche gut k aschiert. Das zeugt aber auch von einer gewissen Professionalität, die dieser medialen Diskussionsrunde nicht abgesprochen werden kann. Selbstverständlich ist das auch der Grund, warum einige potentielle Merkmale nicht vorkommen, doch darauf bezieht sich die Zusammenfassung.

Einzelsprachliche Merkmale

Die erste angestrebte Merkmalsanalyse, die der einzelsprachlichen Merkmale, umfasst, wie der Name schon sagt, Merkmale, die der französischen Sprache eigen sind. Dazu gehören z.B. die verschiedenenFragetypen:die Est-ce que Frage, die Inversionsfrage, die Intonationsfrage und die Wortfrage. Obwohl sicher nicht üblich, soll ihre Analyse auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden, da sie für den Dialogtyp eine weitaus größere Rolle spielen und für dieses Kapitel noch neun andere Merkmale

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in Betracht kommen, die nur hier eingetaktet werden können. Daher an dieser Stelle zumon vs. nous!Hier ist zunächst einmal die Spreu vom Weizen zu trennen, da es Beispiele fürongibt, die dem deutschenmanentsprechen, also eine generelle Bedeutung tragen (Z.: 10; 12; 16; 65; 77-79; 81; 93; 109; 131; 145; 155; 193; 202; 212; 214; 222), aber auch Beispiele, wo einnousin Frage käme (Z.: 2; 7; 9; 18; 20; 26; 45; 46; 52; 105; 139; 177; 233). Dies passiert sehr häufig in der gesprochenen Sprache, d.h. in einem authentischen Dialog sogar in durchschnittlich fünf von sechs Fällen. Man nimmt an, dass das Pronomenonmit dieser Funktion zunächst der Verbesserung des Stils diente, was schließlich dazu führte, dass es an die Stelle vonnoustrat.1

Bei den hier passendenonlässt sich ein Muster erkennen, insofern als es sich in den Z. 2; 7; 9; 18; 20; 26; 105; 139; 177; 233 auf die Gemeinschaft der zusammengekommenen Diskussionsteilnehmer bezieht, die ein bestimmtes Vorhaben umsetzen wollen und sich daher an inhaltliche Richtlinien, wie z.B. den Ausgangspunkt der Begriffsbestimmung des WortesTotalitarismus,oder den Programmablauf halten müssen. Dagegen beschreibt Simone Veil in den Z. 45; 46; 52 die Stimmung im Konzentrationslager von Auschwitz-Birkenau und welche Haltung sie selbst bzw. Mitgefangene zu anderen Mitgefangenen einnehmen mussten, doch auch das ist legitim, solange es nur den Sprecher selbst mit einbezieht!

Ein anderes Merkmal ist die für das Mündliche typischeNegation ohne ne.Sie tritt so oft auf, dass schon fast die Regel die Ausnahme ist. Daniel L econte, der an manchen Stellen sehr schnell spricht, ist mit dieser Eigenschaft der richtige Kandidat für eine Auslassung desne,denn gerade wenn man schnell spricht, schafft man gern, schon um sich nicht zu verhaspeln, das überflüssige Element ab (u.a. Z. 2). Davon wird die Verneinung schließlich noch lange nicht unkenntlich. Es ist leicht nachzuvoll-

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ziehen, dass die audiovisuellen Medien mitnenegieren sollten, weil sie ein breitgefächertes Publikum ansprechen, doch diese Diskussionsrunde ist aufgrund ihres Charakters etwas abseits davon anzusiedeln.2

Im vorliegenden Teil-Korpus gibt es zehn Negationen ohnene.Da dieses Merkmal auch für bestimmte Wortverbindungen typisch ist, nimmt es dort fast den Status einerexpression fixeein. Damit gemeint sindc’est pas(Z.: 24; 39; 57; 208) bzw.est pas(Z. 160) sowieil y a pas(Z. 83). Interessant an dem Beispiel in den Z. 46 und 47 ist, dass Simone Veil erst dasneausspricht, dann die Verneinung unterbricht und schließlich ohnene,aber diesmal mitpasfortfährt. Tut sie das, weil das für die gesprochene Sprache typischer ist? Möglich wäre es, denn sonst hätte sie einfach nur weitersprechen müssen! Jorge Semprún fügt noch zwei Vertreter hinzu:„…sinon on voitpasles différences…“(Z. 193);„…onpeut pasdîner avec un nazi…“(Z. 214). Dasnewegzulassen, ist grammatikalisch nicht korrekt, aber es klingt. Das Ohr hat sich bereits daran gewöhnt und wartet gar nicht erst darauf, wobei die Ursache in den letzten beiden Fällen das davor stehendeonsein könnte, das sich genau wieceundilan die dritte Person Singular wendet. Als nächstes folgen drei Merkmale, die mit den Zeitformen der Verben zusammenhängen: Zum Ersten ist das die Behauptung, dass dasPassé Simple in der gesprochenen Sprache nicht verwendetwürde, weil es für die Schriftsprache reserviert sei.3

Dem ist tatsächlich zuzustimmen, da einzig und allein im Zweifelsfall von Z. 192, wo wahrscheinlich etwas falsch verstanden worden ist, einPassé Simpleauftaucht. Zum Zweiten betrifft das den Einsatz sogenannterformes surcomposées.Mit diesen der Schriftsprache fast völlig fremden und selbst in der gesprochenen Sprache nicht häufigen Formen wird die Vorzeitigkeit ausgedrückt.4Leider ist hierzu keine Aussage möglich, denn unter

1vgl.: Böhmer, Heiner. WS 2001/2002.A caractéristiques universelles - (B 13) l’accord du participe passé….Dresden: 27.11.2001, VII 12-13 / 16.

2vgl.: Heiner BöhmerA - (B 13)27.11.2001, VII 13/16.

3Ebd.