Minecraft. Das Dorf - Max Brooks - E-Book

Minecraft. Das Dorf E-Book

Max Brooks

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Beschreibung

Mitten ins Unbekannte zu reisen, kann ganz schön Angst machen. Aber zusammen schaffen Guy und Summer alles. Auf der Suche nach einem neuen Zuhause durchstreifen die beiden die merkwürdige blockige Oberwelt, die gezeichnet ist von gefroren Einöden und glühenden Wüsten. Bis sie endlich ein Dorf finden und dort neue Freunde. Doch der Friede hält nicht lang. Monströse Mobs tauchen auf und Dorfbewohner verschwinden. Etwas Böses treibt hier sein Unwesen. Guy und Summer müssen all ihr Abenteurer-Wissen auspacken, um auch nur die geringste Chance zu haben.Können sie beschützen, was sie sich so schwer erbaut haben? Mehr vom Minecraft-Erfolgsautor Max Brooks: Minecraft. Die Insel (Band 1) Minecraft. Der Berg (Band 2)

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Seitenzahl: 437

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Bisher von Max Brooks bei Schneiderbuch erschienen:

MINECRAFT Roman: Die Insel (Band 1)

MINECRAFT Roman: Der Berg (Band 2)

MINECRAFT Roman: Das Dorf (Band 3)

Deutsche Erstausgabe

© 2024 Schneiderbuch in der

Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg

Alle Rechte für die deutschsprachige Ausgabe vorbehalten

© 2023 by Mojang AB. All rights reserved. Minecraft, the Minecraft logo, the Mojang Studios logo, and the Creeper logo are trademarks of the Microsoft group of companies.

Originaltitel: »The Village«

Erschienen bei: Del Rey, an imprint of Random House,

a division of Penguin Random House LLC, New York.

Del Rey UK, an Imprint of Cornerstone,

a division of Penguin Random House UK.

Covergestaltung: Achim Münster, Overath

nach einem Entwurf von M. S. Corley

E-Book-Produktion von GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN E-Book 9783505151828

www.schneiderbuch.de Facebook: facebook.de/schneiderbuch Instagram: @schneiderbuchverlag

Widmung

Für die Kriegskinder. Mögen eure Kinder nur Frieden kennen.

Einführung

EINFÜHRUNG

Ich bin’s, Summer, Karls praktisch denkende Partnerin. Diesen Absatz schreibe zur Abwechslung ich, damit Karl in Ruhe für unsere bevorstehende Reise packen kann. Keine Sorge, das ist immer noch seine Geschichte – aber ich werde mich später auch noch einmal melden. Ich will dir von den neuen Lektionen erzählen, die uns dieses Abenteuer beschert hat, denn genau wie in Karls vorigen zwei Büchern haben wir auch auf dieser Reise einiges dazugelernt. Und falls du die beiden Vorgängerbände noch nicht kennst, macht das gar nichts – dafür sind schließlich Einführungen da!

Erstens musst du wissen, dass Karl vor einer ganzen Weile in dieser seltsamen, kantigen Welt erwacht ist – ohne Gedächtnis und ohne die geringste Ahnung, wie man in ihr überlebt. Deshalb drehte sich im ersten Teil auch alles um das Leben auf seiner Insel und wie er gelernt hat, sich auf eigene Faust durchzuschlagen. Und nicht nur, weil er herausfand, wie man Werkzeug herstellt und Feuer macht, sondern auch, indem er eine Menge über sich selbst lernte: Wie er denkt und sich verhält und … na ja, eben, wie er sozusagen zu einer »ganzen« Person werden kann. Und von all den Lebenslektionen, die er auf der Insel gelernt hat, lautete die letzte, dass er nicht dauerhaft an Ort und Stelle verharren darf und irgendwann weiterziehen muss. Oder wie er es ausdrückt: »Um als Mensch zu wachsen, darfst du es dir nicht in deiner Komfortzone gemütlich machen. Du musst aus ihr ausbrechen.« Also machte er sich auf, um mehr über diese Welt zu lernen und vielleicht sogar zurück nach Hause zu finden. Er ruderte übers Meer und stieß auf ein neues, gefrorenes Land, wo wir uns begegneten.

Genau wie Karl war auch ich einfach so in Rechtwinkelland (oder wie es auch heißen mag) aufgetaucht und musste ums Überleben kämpfen. Nur habe ich dabei keine weltbewegenden Erkenntnisse gewonnen. Wie gesagt, ich bin ein eher praktisch denkender, geradliniger Mensch, während Karl dazu neigt, über alles nachzudenken und zu reden. Und zwar viel und oft.

Unsere allererste Begegnung verlief übrigens nicht so gut. Anfangs haben wir uns richtig schwergetan, uns anzufreunden. Aber nach unseren gemeinsamen Abenteuern in meiner Bergbasis und im Nether wurden wir irgendwann unzertrennlich. Das ist auch der Grund, warum ich den schwierigen Entschluss fasste, Karl zu folgen, als für ihn die Zeit kam, weiterzuziehen. Genau da setzt diese Geschichte ein – bei den ersten Schritten unserer neuen Reise.

Jetzt bist du dran, Karl …

Kapitel 1

KAPITEL 1

»Sind wir auf dem richtigen Weg?«

Das war Summers erste Frage, kaum dass wir ihre Festung unter dem Berg verlassen hatten. Es war eine gute Frage und ich wünschte, ich hätte eine gute Antwort gehabt.

»Ich weiß nicht.« Ich zuckte mit den Schultern. »Aber diese Richtung hat mich zu dir geführt, also scheint sie mir so gut wie jede andere zu sein.«

Wir liefen nach Westen, mit dem eisigen Wind im Rücken und dem knirschenden Schnee der Taiga unter den Füßen.

»In die Richtung bin ich auch geschwommen, als ich auf meine Insel stieß«, fuhr ich fort, »und als ich sie verließ, habe ich denselben Weg eingeschlagen und kam bei dir an.«

»Gutes Argument.« Summer nickte und ließ den Blick über die vor uns liegende Landschaft schweifen: »Bis Sonnenuntergang haben wir einen weiten Weg vor uns«, bemerkte sie.

Unser Plan für Tag eins lautete, die Taiga und den sich daran anschließenden Wald zu durchqueren, um dann am Waldrand zu rasten, bevor wir uns die nächste Taiga vornehmen wollten. Tag zwei sollte uns bis zum Dschungel führen, den Summer schon vor einiger Zeit entdeckt hatte. Er war der weiteste von ihrer Heimatbasis entfernte Punkt. Dahinter lag das große Unbekannte.

Es war ein simpler, leicht ausführbarer Plan … sofern wir unterwegs nicht auf Ärger stießen. Allerdings hatte es zu schneien angefangen, was unsere Sichtweite einschränkte und sämtliche Creeper und andere nächtliche Wesen verbarg, die das Glück hatten, unter einem einsamen Baum Zuflucht gefunden zu haben.

Sie waren auch der Hauptgrund, warum Summer so still war. Es lag nicht daran, dass sie inzwischen mehr als genug über unsere gemeinsame Entscheidung nachgegrübelt hatte – sie wollte nur ihre ganze Aufmerksamkeit auf potenzielle Risiken konzentrieren. Monster waren hier draußen nämlich nicht die einzige Gefahr. Überall konnten verborgene »Schneefallen« lauern – wie die, in der ich während meiner ersten Nacht auf diesem Kontinent gelandet war. Die Erinnerung daran ließ mich erschaudern … das verdeckte Loch im Boden, der eisige Teich und das Skelett, das aus der Dunkelheit auf mich geschossen hatte.

Da draußen lauerten mit Sicherheit noch mehr solcher Gefahren … und wahrscheinlich massig neue. Diese Welt veränderte sich nämlich ständig – mindestens zweimal, seit ich Summer begegnet war. Neue Tiere, neue Pflanzen und im Nether sogar ganz neue Umgebungen, die uns fast umgebracht hätten.

Ob sich die Taiga in letzter Zeit verändert hatte? Falls ja, hätten wir das jedenfalls verpasst. Wir waren so damit beschäftigt gewesen, den gesamten Berg mit Redstone-Lampen zu »verdrahten«, dass wir nicht einmal für einen kurzen Sprung in den Eisfluss ins Freie gegangen waren. Aber falls sich die Welt an der Oberfläche verändert hatte, würden wir es bald herausfinden. Sorgen machte ich mir keine. Ich wusste, wir würden mit allem klarkommen, was uns erwartete. Schon auf meiner Insel hatte ich gelernt: Wenn die Welt sich ändert, musst du dich mit ihr verändern.

Genau das hatte ich getan, und zwar jedes Mal. Die erste Veränderung hatte mir die Möglichkeit beschert, einen Schild anzufertigen, den ich seither fast ständig am linken Arm trug. Die jüngste hatte mir die Armbrust eingebracht, die ich in der Rechten hielt. Die neue Waffe war mir richtig ans Herz gewachsen – so sehr, dass ich sie dem guten alten Bogen inzwischen vorzog. Zum einen, weil ich sie im geladenen Zustand mit mir herumtragen konnte, sodass ich im Ernstfall keine Zeit mit dem Spannen der Sehne und dem damit verbundenen verlangsamten Schritttempo verschwendete. Und zweitens – für mich noch wichtiger – eine Armbrust war keine Schnellfeuerwaffe. Das mag wie ein Nachteil klingen, aber zu dem Zeitpunkt hatte ich kaum noch Pfeile übrig.

Warum nicht einfach neue machen? Gute Frage, vor allem, wenn du nicht die letzten beiden Bücher gefunden hast, die ich für andere Abenteuersuchende zurückgelassen habe. Die Antwort ist einfach: Ich töte keine Tiere mehr, um an Nahrung zu kommen. Nachdem ich meine Hühnerschar auf der Insel abgeschlachtet hatte, hatten mich schreckliche Gewissensbisse geplagt. Seitdem versuchte ich, nicht zu viel darüber nachzudenken, aber seit Kurzem kamen die Erinnerungen wieder hoch. Mein Pfeilvorrat von damals ging langsam zur Neige, und wie du vielleicht weißt – oder auch nicht, falls du neu in dieser Welt bist –, kann man ohne Hühnerfedern keine Pfeile herstellen.

Was hätte ich tun sollen? Etwa wieder damit anfangen, Vögel umzubringen? Oder mir Federn aus Summers Vorrat zu nehmen? Ich hatte schon vor einiger Zeit gelernt, dass man manchmal Kompromisse eingehen muss, um seine Prinzipien zu bewahren, aber für diesen Kompromiss war ich noch nicht bereit. Also sparte ich mit der Armbrust Pfeile in der Hoffnung, die gewonnene Zeit möge ausreichen, um mich zu einer Entscheidung durchzuringen.

Ich hoffe, ich langweile dich nicht mit meinen vermeintlich willkürlichen Abschweifungen. Glaub mir, das sind sie nicht. Genau wie ich wirst du noch sehen, wie wichtig dieses moralische Dilemma später wird. An dem Morgen jedoch beschäftigten uns einzig die potenziellen Gefahren, die uns erwarteten. Zu unserem Glück gab es keine.

Weder neue Monster noch unbekannte Pflanzen und Tiere und vor allem keine altbekannten Gefahren, wie zum Beispiel ein dünner Teppich aus »Treibschnee«, der dich dazu einlädt, ihn zu betreten und ins Nichts zu stürzen. Ohne Zwischenfälle passierten wir den Iglu, wo ich Summer zum ersten Mal begegnet war, und liefen dann in den Wald, der sich an das weiße Ödland anschloss.

Wir machten Halt an den Süßbeerenbüschen, die nach der letzten Veränderung gewachsen waren, um uns einen köstlichen Imbiss zu gönnen. Wir hatten zwar mehr als genug Nahrung mitgenommen, aber es ist trotzdem sinnvoll, sich wenn möglich von dem zu ernähren, was die Umgebung zu bieten hat. Ich für meinen Teil war froh, dass Summer sich den Bauch mit Beeren vollschlug, anstatt ihren Hunger mit der nächstbesten Nahrungsquelle zu stillen, die an uns vorbeilief.

»Muuuhh.«

Kühe. Die Herde, die ich schon kannte – genau wie meine beste Freundin Muh von der Insel. Zugegeben, es war nicht besonders originell, meine muhende Gefährtin »Muh« zu nennen … andererseits hatte Summer mich Karl getauft, weil ich ein Kerl bin. Simpel, klar, aber auch bedeutsam. Wie der Name, den ich mir für sie ausgedacht habe, weil mich ihr Lachen an eine warme Sommerbrise erinnert. Und das sind nur Vornamen! Wart’s nur ab – später kommen wir sogar dem Geheimnis auf die Spur, wie Leute an ihre Nachnamen kommen!

Bis dahin dauert es aber noch eine ganze Weile. In dem Moment zählten nur die Kühe vor unseren Augen – und die anderen Tiere hinter ihnen.

»Määh.«

»Hallo, Herde«, begrüßte ich die Schafe. »Ist schon ein Weilchen her.« Ich war froh zu sehen, dass die Herde vollzählig war – inklusive Chippie, das braune Lamm, zu dessen Geburt ich beitrug, indem ich seine Eltern fütterte, kurz nachdem ich ihnen begegnet war. Weniger Schafe hätten bedeutet, dass sich in der Gegend wieder Wölfe herumtrieben, aber Summer und ich hatten das letzte Rudel vor einiger Zeit eliminiert, und zum Glück hatte die jüngste Veränderung keine neuen Wölfe hergeführt.

An dieser Stelle möchte ich anmerken, dass ich sehr wohl weiß, dass man sich nicht ins natürliche Gleichgewicht eimischen sollte: Wenn man Tier A ausrottet, welches Tier B frisst, wird sich Tier B bald unkontrolliert ausbreiten. Aber diese Regel trifft nur auf unsere Welt zu. In dieser hier sprach die Tatsache, dass sich die Herde nicht vergrößert hatte, dafür, dass ich das Gleichgewicht gewahrt hatte, als ich die Räuber eliminierte. »Du musst mir nicht danken«, informierte ich Chip. »Ich bin froh, dass sich die Wildnis hier nicht verändert hat.« In dem Moment sah ich einen weißen Fuchs vorbeihuschen. »Übrigens dachte ich, es gibt doch Eisbären, nicht wahr? Vielleicht bringt uns die nächste Veränderung Grizzlys oder … wie heißen noch diese mythischen Affenkreaturen, die angeblich in den Wäldern hausen? Yetis? Bigfoot?«

»Sei nicht so paranoid«, schalt Summer, schluckte und steckte sich gleich die nächste Beere in den Mund.

»Hey, ich will nur vorbereitet sein, falls uns … je Tiger begegnen«, erwiderte ich und musste kichern. »Kapiert? Je-Ti? Yeti?«

Alle starrten mich schweigend an: Summer, die Kühe und die Schafe.

»Schwieriges Publikum«, kommentierte ich achselzuckend. »Ein guter Grund, weiterzugehen.«

»Warte noch«, sagte Summer und erklomm einen kleinen Hügel.

»Wo willst du hin?«, rief ich ihr hinterher und wedelte mit den Armen. »Wir verlieren wertvolles Tageslicht.«

»Es dauert nicht lange«, antwortete sie über die Schulter.

Ich wollte gerade fragen, wozu der Umweg dienen sollte, als mir auffiel, dass es nicht mehr schneite. Und als sie oben auf dem Hügel ankam, wurde mir klar, was sie vorhatte.

Summer drehte sich zu ihrem Berg um und machte erst ein paar Schritte vorwärts, dann rückwärts. Zu einer der vielen Eigenarten dieser Welt zählt, dass Objekte in weiter Entfernung wie in Nebel gehüllt erscheinen. Im ersten Moment sieht man überhaupt nichts, und einen Schritt weiter taucht plötzlich etwas am Horizont auf. Genau das machte Summer in dem Moment – sie übertrat immer wieder die unsichtbare Linie, die ihren Berg in der Ferne auftauchen und wieder verschwinden ließ.

»Sie verabschiedet sich«, erklärte ich Chippie. »Wie in diesem einen Buch … oder auch mehreren? Vielleicht war es auch ein Film. Ich weiß noch, der Schauspieler war unglaublich gut in dieser Szene.«

»Mäh?«, fragte das braune Schäfchen.

»Ah, richtig«, antwortete ich. »Den kennst du wahrscheinlich nicht. Es ist ein Fantasyfilm, in dem sich ein paar kleine Leute auf ein großes Abenteuer begeben, und in einer frühen Szene sagt dieser wirklich brillante Schauspieler so etwas wie: ›Wenn ich noch einen Schritt mache, bin ich so weit von Zuhause fort wie noch nie zuvor.‹«

»Mäh.«

»Stimmt, das ist nicht ganz mit dieser Situation vergleichbar«, räumte ich ein. »Genau genommen verlässt Summer ihr Zuhause ja nicht, sondern zieht los, um ihr wahres Ich zu finden. Aber dieser Berg hat ihr alles bedeutet. Sie hat ihn ausgehöhlt, eingerichtet, mit Wärme und Licht ausgestattet und gemütlich gemacht. Er hat sie am Leben erhalten und ihr für lange Zeit Sicherheit gegeben, und nun lässt sie all das zurück …«

»Mäh.« Bei Chips Antwort zog sich mein Magen schmerzhaft zusammen.

»Was soll das heißen, falls sie all das zurücklässt? Sie begleitet mich. Wir waren uns einig. Sie …«

»Mäh.«

Ich seufzte. »Du hast ja recht. Ich habe mir auch immer neue Ausreden einfallen lassen, um meine Insel nicht verlassen zu müssen, und als ich mich dann endlich aufgerafft hatte, wäre ich fast umgekehrt und zurückgerudert. Jetzt, wo ich so darüber nachdenke, fällt mir wieder ein, dass Summers und meine Freundschaft beinahe zerbrochen wäre, weil sie zu viel Angst hatte, ihre Komfortzone zu verlassen.«

Ich betrachtete meine Freundin, die allein auf dem Hügel stand, den Blick starr nach Osten gerichtet – in die Vergangenheit.

»Ich muss mit ihr reden«, sagte ich zu Chip. »Sicherstellen, dass sie keine kalten Füße kriegt, und sie daran erinnern, dass man als Mensch nur wächst, wenn man aus seiner Komfortzone ausbricht!«

»Muh!« Das war die Kuh, die sich in unser Gespräch einmischte.

»Wer hat dich gefragt?«, schimpfte ich ungehalten. »Was soll ich denn deiner Meinung nach tun? Sie einfach wieder gehen lassen?«

»Muh«, beharrte die Kuh und klang dabei genauso weise wie meine Inselfreundin Muh.

»Du hast ja recht«, grunzte ich. »Freunde respektieren ihre jeweilige Lebensweise.« Ich wandte mich vom Hügel ab, um Summer ein bisschen Privatsphäre zu geben. »Sie konnte den Berg nur verlassen, weil sie die Entscheidung getroffen hat, und genauso muss sie auch selbst entscheiden, ob sie weitergehen will. Es ist ihr Leben. Ihre Entscheidung.«

»Da bin ich ja froh.«

»Was-oh-hiii …!« Ich wirbelte herum. »Ich habe nur … ähm …«

»Ich weiß«, gab sie trocken zurück. »Ich konnte da oben dein ganzes Gespräch hören. Du hast recht, ich habe mich in der Tat verabschiedet.«

»Oh, a-also …«, stammelte ich.

»Also dann, gehen wir«, trällerte sie und marschierte in den Wald. »Bis Sonnenuntergang müssten wir die andere Taiga erreicht haben.«

»Äh, ja, genau«, murmelte ich verlegen und folgte ihr.

»Übrigens, Karl«, sagte sie, ohne sich noch einmal umzudrehen, »Danke.«

Ich antwortete nicht. Ich wusste, dass sie in dem Moment Stille brauchte. Summer ist einfach nicht der Typ Mensch, der immer gleich seine ganze Seele entblößt. Was ich sofort verstand, nachdem sie mir von ihren ersten Tagen in dieser Welt erzählt hatte. Schon im letzten Buch habe ich erwähnt, dass ich nicht sicher bin, ob ich an ihrer Stelle überlebt hätte – gespawnt in einer eisigen Taiga, mit nichts als Zombiefleisch, um den Hunger zu stillen (und ohne Milch, um es hinunterzuspülen), und sich durch jeden Tag kämpfen zu müssen, um den nächsten überhaupt zu erleben. Gefühle waren ein Luxus, den sie sich nicht hatte erlauben können. Also hatte sie ihr Herz mit einer zähen, harten Schicht umschlossen und versiegelt. Deshalb drängte ich sie nicht zum Reden, neckte sie nicht und versuchte auch nicht, sie dazu zu bewegen, über ihre Gefühle zu sprechen. Ich war einfach nur froh, dass sie immer noch entschlossen war, mit mir mitzukommen.

Wenige Minuten später verpuffte diese Erleichterung.

»Wir können nicht weiter.«

Wir hatten den Waldrand fast erreicht. Sie war ein Stück vorausgelaufen und stand auf einem flachen Vorsprung.

»Was? Wieso das?« Meine Stimme klang wie ein schrilles Jaulen. Diesmal konnte ich mich nicht kontrollieren. Ich dachte, wir hätten alles geklärt. Warum hatte sie ihre Meinung doch noch geändert, und obendrein so schnell?

»Sieh selbst«, antwortete Summer und winkte mich mit dem kantigen Arm herüber.

Ich eilte zu ihr und erkannte, dass es die Welt war, die sich geändert hatte, und nicht Summers Meinung. Die nächste Taiga war verschwunden, ersetzt durch eine Barriere aus hohen Hügeln. Schweigend bestaunten wir die steilen Hänge, an denen hier und dort von grellen Schneeblöcken umgebene Fichten wuchsen.

»So viel zu ›vor Sonnenuntergang kommen wir durch‹«, kommentierte Summer, als sie sich von der Überraschung erholt hatte. Prompt sah sie sich nach einer geeigneten Stelle für unsere Betten um. »Was sagst du: Iglu oder Höhle?«

»Wie wäre es mit einer Holzhütte?«, schlug ich vor. »Die wäre gemütlicher, würde eventuellen Vorbeireisenden besser ins Auge fallen, und außerdem« – ich breitete die Arme aus, um auf die umstehenden Bäume hinzuweisen – »hatten wir gesagt, wir würden alle möglichen Ressourcen mitnehmen, die wir unterwegs finden, oder?« Damit meinte ich unsere Langzeitstrategie, uns wenn möglich mit dem zu versorgen, was die Umgebung zu bieten hatte. Denn während wir alles vom Essen übers Werkzeug bis hin zu nützlichen Dingen wie Fackeln und Lohenruten dabeihatten, konnten wir nicht wissen, wann uns unsere endlichen Vorräte ausgehen würden.

»Ganz deiner Meinung«, antwortete Summer nickend und zückte den neuesten Zuwachs dieser sich ständig verändernden Welt: eine Axt aus Netherit. Das war ein neues Material … besser gesagt eine Legierung. So nennt man das, oder? Wenn man mehrere Materialien miteinander vermischt? Genau das hatten wir nämlich getan – Goldbarren mit Platten aus diesem mysteriösen Erz aus dem Nether verschmolzen. In dem Buch aus der Netherbastion fanden wir eine Anleitung, wie man einen Schmiedetisch herstellt, und den benutzten wir, um die so entstandenen Netheritbarren mit Summers Diamantaxt zu kombinieren. Das Resultat war ein Werkzeug, mit dem sie fast so schnell wie eine Maschine Holz hacken kann.

»In Kürze haben wir alles, was wir brauchen«, rief sie, um das Hackgeräusch zu übertönen. »Kümmere du dich um den Schornstein.«

Jetzt war ich dran, ein »netherifiziertes« Superwerkzeug zu benutzen … und zwar meine verzauberte Diamantspitzhacke, die ich in genau derselben Bastionsruine im Nether gefunden hatte wie das Netherit. Sie war nicht nur genauso schnell und effizient wie Summers Axt – ihr magischer Schimmer verhieß obendrein, dass es da draußen noch mehr verzauberte Gegenstände zu finden gab … womöglich sogar die Möglichkeit, selbst welche zu verzaubern. Doch dafür war später noch Zeit. In dem Moment war ich einfach dankbar dafür, wie schnell und leicht sich mein Werkzeug in das Gestein des nahe gelegenen Hügels fraß. Kaum eine Minute später hatte ich mehr als genug Bruchstein für den Schornstein unserer zukünftigen Hütte beisammen.

»Nicht übel«, meinte Summer und stellte die erste Schicht unserer sieben mal neun Blöcke großen Hütte auf. »Der Rest sollte im Handumdrehen erledigt sein.«

Sie behielt recht. Zuerst zogen wir die Wände hoch, dann setzten wir eine Tür ein und bauten zum Schluss ein schräges Flachdach aus Fichtenbrettern.

»Ich suche nach Sand«, kündigte ich an, als wir die letzten Bretter platzierten. »Du weißt schon, für die Fenster.«

»Lass das lieber«, gab Summer zu bedenken. »So kurz vor Sonnenuntergang kommt mir das alles andere als sicher vor.«

»Sicherheit ist genau das, was ich dabei im Hinterkopf habe«, konterte ich. »Wenn wir uns so fensterlos, wie er ist, in den Holzkasten einschließen, können wir morgen früh nicht nachsehen, ob ein Creeper an der Tür auf uns lauert.«

Summer schwieg nachdenklich. »Wie wäre es mit Fenstern aus Falltüren?«, schlug sie vor.

»Hm?« Ich verstand nur Bahnhof.

Wir setzen anstatt Glas einfach Falltüren in die Fensterrahmen ein», erklärte sie. »Die klappen wir zu, um die Kälte draußen zu halten, und wieder auf, wenn wir rausschauen wollen.«

»Gute Idee.« Ich nickte, und nachdem ich ihre Worte richtig verarbeitet hatte, ergänzte ich: »Sogar eine richtig gute Idee.«

»Danke.« Summer kletterte die Leiter hinunter, die wir am Schornstein befestigt hatten, und ich folgte ihr. Gemeinsam machten wir uns daran, der Hütte den letzten Schliff zu verpassen und die Fenster einzusetzen.

»Du hast mich auf einen Gedanken gebracht«, kommentierte ich, während wir die zukünftigen Fensterrahmen in die Wände schnitten.

»Nicht dein Ernst!«, spöttelte Summer. »Du? Gedanken?«

»Haha«, machte ich humorlos. »Im Ernst … das, was wir hier mit den Fenstern tun – also, etwas Altes zu benutzen, um etwas Neues zu erschaffen … und die neuen Hügel. All das hat mich darauf gebracht, dass uns die Veränderung der Welt auch neues Werkzeug bescheren könnte.«

»Möglich«, räumte Summer ein und platzierte eine Falltür. »Ich freue mich schon aufs Experimentieren, sobald wir Zeit dafür finden.«

»Wie wäre es mit jetzt gleich?« Ich legte einen Nethersteinblock in den Kamin, zündete ihn mit meinem Feuerzeug an und stellte mich davor, um die Kälte aus meinem Körper zu vertreiben.

Und meine Güte, war diese Kälte kalt. In dieser Welt konnte man zwar nicht erfrieren, aber die angespannten Muskeln, stechenden Augen und klappernden Zähne in Kombination mit der brennenden Taubheit in Ohren, Nase und Fingern waren alles andere als lustig! »Hmm«, knurrte ich wohlig, während die Flammen die Eiszapfen schmolzen, die in meinem Rücken zu stecken schienen. »Die Hütte ist fertig, die Sonne geht unter. Es gibt nichts mehr zu tun.«

»Doch. Schlafen.« Summer stellte ihr Bett an einer langen Wand auf. »Ich weiß ja nicht, wie es dir geht, aber ich habe keine Lust, morgen den irren Hang da draußen zu erklimmen, ohne so ausgeruht wie nur möglich zu sein.«

»Da hast du recht«, gab ich zu und stellte mein Bett gegenüber ihrem auf.

»Gute Nacht, Karl«, sagte sie und schlüpfte unter die Decke.

»Gute Nacht, Summer«, antwortete ich und legte mich ebenfalls hin.

Aber ich konnte nicht schlafen. Es war einfach zu verlockend, über neue Herstellungskombinationen nachzudenken. Und über die beiden vorigen Weltveränderungen. Weder Summer noch ich hatten in der Zeit auch nur ein einziges Experiment unternommen. Wir waren zu sehr mit all den Vorbereitungen und Herausforderungen beschäftigt gewesen, die unsere Reise mit sich gebracht hatte. Aber jetzt …

Nur ein paar Versuche, versprach ich der Werkbank im Stillen und legte ein paar Materialien darauf ab, während Summer friedlich hinter mir schnarchte. Vielleicht kann ich ja endlich einen Pulli herstellen … oder ein langärmeliges Hemd! Nur ein, zwei Probe-Kombos, dann lege ich mich schlafen.

Ha, als ob!

Fünf Minuten und mehrere Dutzend Kombinationsversuche später entfuhr mir ein »Wow!«, das Summer eigentlich hätte wecken müssen. Aber sie schlief weiter.

Die Kombination war simpel – nur eine Ansammlung aus Stöcken, Holzstämmen und Kohle, die zusammen eine der frühesten Erfindungen der Menschheit ergaben.

Ein Lagerfeuer!

Genau wie die Fackeln war es kühl und inaktiv, wenn man es bei sich trug, aber im Kamin erwachte es knisternd zum Leben. Und genau wie Fackeln hörte es niemals auf zu brennen! Warm und hell loderte es und roch so viel besser als das … ähm, sagen wir, Badezimmer-Aroma, das brennender Netherstein von sich gab.

»Summer!«, rief ich. »Sieh dir das an!«

Sie zuckte nicht einmal. Kurz erwog ich, sie wachzurütteln (als könnte ich das in dieser Welt tun) oder sogar so weit zu gehen, ihr das Bett unterm Körper wegzuhauen. Sie wäre zweifellos sauer, aber dieser Durchbruch war zu wichtig, um ihn nicht auf der Stelle mit ihr zu teilen. Oder?

Bedeutete ein Lagerfeuer überhaupt, dass es noch mehr neue Erfindungen zu entdecken gab, oder hatte ich einfach ein altes Rätsel gelöst, das uns bisher entgangen war?

»Es gibt bestimmt noch mehr«, sagte ich zu meiner schlafenden Freundin. »Ich muss nur weiter herumprobieren!«

Gesagt, getan. Zu gern hätte ich dir an dieser Stelle von all den unglaublichen Entdeckungen dieser Nacht erzählt – zum Beispiel Laserwaffen und Jetpacks –, aber leider führten meine Experimente lediglich zu einer Reihe verschiedener neuer Werkbänke, die mir auf den ersten Blick wenig nützlich vorkamen.

Manche von ihnen sahen aus wie Variationen von dem, was ich bereits besaß: einen kleinen, kompakten Behälter, der wie ein Fass aussah, eine steinerne Variation eines Ambosses und einen supermächtigen Ofen, der herauskam, als ich einen normalen Ofen in die Werkbank legte und mit Eisenbarren und glatten, doppelt gebrannten Steinen kombinierte.

Die anderen Blöcke sahen aus wie leichte Verbesserungen von dem, was ich bereits gebaut hatte – darunter eine Werkbank, an der man aus Wolle und Färbemitteln verschiedenste Banner herstellen konnte, und ein Steintisch mit Kreissäge, an dem man Steine zu … na ja, hübscheren Steinen zuschneiden konnte.

»Nett, recht nett«, zwitscherte ich wie Cäsar in der Kultkomödie, aus der die Zeile stammte. »Nicht wahnsinnig erregend. Aber nett.«

Ich machte weiter. Nach und nach warf ich alles auf die Werkbank, was ich bei mir trug, und fand die Rezepturen für noch zwei Werkbänke, mit denen ich nichts anfangen konnte. Die erste sah aus wie noch ein Behälter, aber ohne Deckel, und hineinlegen konnte ich auch nichts. Die zweite sah der eigentlichen Werkbank ähnlich, allerdings hingen an ihren Seiten Bögen, Pfeile und Ziele anstatt der üblichen Werkzeuge.

Okay, kurzes Timeout. Wenn du schon lange auf dieser Welt lebst und längst weißt, wie man all diese Gerätschaften benutzt, schön für dich, aber hab ein bisschen Geduld mit mir, okay? Es ist nicht so, als stünde mir eine Bibliothek zur Verfügung, in der ich alles nachlesen könnte. Meine Vorgehensweise bestand aus Versuch und Irrtum … obwohl mir der Prozess eher wie die Suche nach dem unvermeidlichen Irrtum vorkam.

Ich war drauf und dran aufzugeben und Summer zu beichten, dass das Ergebnis meiner zahllosen Experimente irgendwo zwischen »nicht der Rede wert« und »ernsthaft?!« lag, als mir meine neueste Kombination aus Papier und Holz einen Block bescherte, der nur ein Kartentisch sein konnte.

An ihm konnte ich nicht nur jede existierende Karte durch Hinzufügen eines einzigen Stücks Papier erweitern, sondern endlich auch Kopien anfertigen! Das war eine Riesenentdeckung, besonders für andere Gestrandete wie dich! Wenn du dieses Buch liest, stehen die Chancen gut, dass du es gefunden hast, weil wir dir eine Spur aus kopierten Karten hinterlassen haben.

»Nicht schlecht«, murmelte ich. »Gar nicht schlecht für eine Nacht.«

»Na, du warst ja beschäftigt.«

Ich wirbelte herum. Summer stand hinter mir, die kantige Faust erhoben, um auf meine neuen Errungenschaften zu zeigen. »Du musst mir alles über deine wundervollen Gerätschaften erzählen … später.«

Sie trat an ein Fenster und öffnete die Falltür. »Jetzt klettern wir erst mal auf den Hügel da.«

Mir war gar nicht bewusst, dass schon Morgen war. Ich war viel zu abgelenkt gewesen, um die Geräusche der in der Morgensonne verbrennenden Zombies zu hören (in dieser Welt so etwas wie ein Hahnenschrei). »Okay«, antwortete ich und legte meine Kartenkopie in das Fass. »Gehen wir.«

Zugegeben, ein bisschen müde war ich, aber die eisige Morgenluft rüttelte mich sofort wach.

Wir verließen unsere behagliche kleine Hütte und machten uns auf den Weg zum Hang. Es ging langsam voran – nicht nur wegen des Terrains. Wälder sind im Morgengrauen besonders gefährlich. Zu viel Schatten, zu viele lauernde Monster. Langsam, vorsichtig und mit gezückten Waffen fingen wir an zu klettern. Noch ahnten wir nichts von der völlig neuen Bedrohung, die da draußen auf uns lauerte und die rein gar nichts mit Monstern zu tun hatte.

Kurz vor Erreichen des Gipfels roch ich etwas Eigenartiges und doch Vertrautes. Eigenartig, weil das Aroma in diesem eisigen, trockenen Wind nichts verloren hatte, und vertraut, weil ich es zum ersten Mal an den Stützbalken in Summers Küche gerochen hatte. Der Duft war beißend und erinnerte mich an Leder.

»Dieses Holz …«, sagte ich und steckte die Nase in die Luft.

»Ich rieche es auch«, bestätigte Summer. »Nur noch ein paar Schritte.«

Als ich den Gipfel erreicht und endlich freie Sicht hatte, klappte mir die kantige Kinnlade nach unten. Riesige, vier Block breite Bäume ragten aus dem Blätterdach ihrer kleineren Geschwister auf. Ranken – ja, das mussten Ranken sein – wuchsen an ihren Wolkenkratzer-Stämmen oder hingen wie netzartige Gardinen vom grellgrünen Blattwerk.

»Genau«, beantwortete Summer meine unausgesprochene Frage. »Das ist der Dschungel.«

Ich konnte es kaum erwarten, ihn zu erkunden und endlich das zähneklappernde, nasenstechende, permafrostige Bibberfest des eisigen Taigaklimas hinter mir zu lassen.

»Gehen wir!«, forderte ich Summer auf und machte mich freudig an den Abstieg. Ich hielt mich für vorsichtig … sah mich gründlich nach Monstern um, klopfte mir sogar innerlich auf die Schulter, weil ich so schlau war, einen offenen Weg zu wählen, auf dem es nichts als weißen, grellen und etwas lockereren Schnee gab.

Ein Schritt. Mehr brauchte es nicht.

Ich fiel. Aber diesmal nicht durch den Schnee, sondern hinein!

Ich war umschlossen, fror bitterlich und konnte kaum atmen. Ich blickte nach oben, suchte nach Summer, aber sah nichts als reines Weiß … immer dunkler wurde es und näherte sich unaufhaltsam. Mein Sichtfeld wurde schmaler! Was geschah nur mit mir? Das konnte unmöglich heißen … nein … die Kälte in dieser Welt ist nur unbequem. Sie kann mich doch nicht etwa …

Panik erstickte meine Gedanken, während mein Körper von gefrorenem Wasser zerdrückt wurde.

Ich zappelte, schlug um mich, brüllte Summers Namen. Ich kämpfte um jeden Atemzug und um jede noch so geringe Bewegung. Ich zappelte, versuchte zu springen, zu klettern, an die Oberfläche zu schwimmen. Das Zittern kroch an meiner Wirbelsäule hinauf, breitete sich über meine Brust aus und schüttelte mich wie eine unsichtbare Hand. Ich spürte die Eiseskälte, die sich in meine Lunge fraß, mein Herz umklammerte und dann … war sie plötzlich verschwunden. Mir war … warm? Wie war das möglich? War das hier besonderer Schnee? Musste man nur den ersten Frost überstehen, um dann zu dieser friedlichen, wärmenden Ruhe zu gelangen? Ich fühlte mich in der Tat beruhigt. Ich wollte nicht mehr dagegen ankämpfen … eigentlich wollte ich nur noch schlafen. Es war ein wundervolles Gefühl – so als hätte mich jemand in eine tröstliche, komfortable blasse Decke gehüllt.

Nur ein kurzes Nickerchen. Nur ein paar Minuten in dieser wundersam friedlichen Stille. Das dachte ich … nur dachte ich nicht wirklich. Ich konnte es nicht mehr. Mein Verstand war betäubt, kurz davor, sich ganz zu verabschieden, unfähig, mich davor zu warnen, dass ich dabei war, zu erfrieren.

Kapitel 2

KAPITEL 2

»Karl!«

Summers Stimme. Weit weg. Dumpf.

»Karl, wo bist du?!«

Sie war über mir, ihre Stimme wurde lauter, begleitet von einem regelmäßigen Knirschen.

»KARL!«

Ein greller Sonnenstrahl – blendend, schockierend. Ich blinzelte heftig. »Summmmrrr…«, lallte ich.

»Karl!« Ihr Gesicht vor meinem. Warmer Atem, unsere Blicke trafen sich. »Karl, wach auf! Reiß dich zusammen! Wach auf!«

»Ich …«

Eingefroren … Lippen, Zunge, Gehirn.

Summer schloss die Augen und seufzte. »Okay, das tut mir jetzt echt leid.« Ein harter Schlag, direkt auf die Nase.

Scharfer, schneller Schmerz.

»Hey!« Ich war wieder da, präsent und zitterte wie verrückt.

»Mir nach!«, rief sie und grub sich rückwärts durch die weiße Wand. »Schnell!«

Ich mobilisierte meine letzten Kräfte und stolperte ihr hinterher. Aber meine Beine fühlten sich immer noch wie Blei an, und mein gesamtes Sichtfeld war nichts als ein von Eiskristallen eingerahmter Kreis.

»D-d-der … Sch-Schnee …«, bibberte ich.

»Wehre dich dagegen, Karl!«, ermutigte sie mich, während sie weiter die Schaufel schwang. »Mit aller Kraft!«

»D…« Was immer ich sagen wollte, sie schnitt mir das Wort ab: »Nicht reden. Folge mir.«

Ich gehorchte. Kämpfte.

Stell dir einen dieser Cartoons vor, in dem jemand versucht, einen Riesenroboter zu steuern. So ähnlich fühlte ich mich auch: Mein Geist rang um Kontrolle und verfluchte die lahmen Reaktionszeiten des Roboters … während sämtliche Alarmleuchten rot blinkten. Mein Tunnelblick kehrte zurück, das Leben sickerte langsam aus meinem Körper. Wie viele Sekunden noch, bis die Kälte siegreich war?

Weitergehen! Folgen! Kämpfen!

Licht! Ein Quadrat aus offener Luft.

Summer war nach draußen durchgebrochen und einen Moment später auch ich! Sonnenlicht über mir, der Dschungel unten.

Klaps! Summers Faust auf meinem Rücken drängte mich den Hügel hinab.

»Lauf weiter!« Ihre Stimme im Rücken, während sie mich mit dem Körper vorwärtsdrängte.

Ich stolperte, hinkte, erreichte den Fuß des Hügels, und dann, ganz plötzlich, war es warm!

Wenn du neu in dieser Welt bist, wird das komisch klingen, aber ich schwöre, ich sage die Wahrheit: Im einen Moment war mir so kalt, dass ich glaubte, mir würden jeden Augenblick die Beine abbrechen, und im nächsten badete ich in heißer, feuchter Luft.

Ich schnaufte, atmete tief ein, wedelte mit den Armen wie ein gestrandeter Fisch, und die Kälte schwand aus meinen Knochen.

»Okay, das war unerwartet«, keuchte Summer. »Ein Glück, dass es direkt neben diesem Dampfbad von einem Biom passiert ist.«

»A-aber echt«, stammelte ich, immer noch unter Schock wegen der plötzlichen Temperaturveränderung. Ich rief mir in Erinnerung, dass einige Regeln ohne Weiteres existieren konnten, auch wenn sie für mich manchmal keinen Sinn ergaben.

»Ich würde sagen, wir sind ab sofort noch vorsichtiger«, fuhr Summer fort und musterte kritisch die dichte Vegetation um uns herum. »Anscheinend ist neuerdings sogar das Land gegen uns.«

»Aber warst du nicht schon hier?«, hakte ich nach. »Ich dachte, du kennst diesen Dschungel.«

»Nicht ganz …« Summer räusperte sich. »Also nicht den ganzen … eigentlich habe ich nur ein wenig den Rand erforscht.«

»Was genau meinst du mit ›Rand‹?«

»Ungefähr bis hier?« Summer stand neben einem Baum, an dem die gleichen Kakaoschoten wuchsen wie die, die ich in ihrer Küche gesehen hatte. »Ich bin gerade weit genug gegangen, um mir ein paar von denen zu holen, und dann in meinen Berg zurückgekehrt.«

»Verstehe«, gab ich nickend zurück und umklammerte die Armbrust ein wenig fester. »Du willst also sagen, vor uns liegt unbekanntes Terrain.«

»Ich will sagen« – Summer drehte sich um und betrachtete den Dschungel –, »wer wagt, gewinnt.«

Das war ihre Variante meiner eigenen persönlichen Lektion, dass großen Risiken oft große Belohnungen folgen. Und als wir uns in den grünen Irrgarten wagten, musste ich mich besonders anstrengen, nicht zu sehr über die eventuellen Risiken nachzugrübeln.

Was erwartete uns im Dschungel? Schlangen? Giftige Pflanzen? Oder gar Seuchen? Kamen in meiner Welt die fiesesten Plagen nicht immer aus den schwülen, überwucherten Gegenden? Sie hausten im Wasser, in Fledermäusen und vor allem in Insekten – zum Beispiel Moskitos. In dieser Welt gab es zwar keine, aber auch dieser Umstand konnte sich mitsamt der Einführung des Todesschnees geändert haben.

Andererseits hätte ich jetzt schon Einiges für ein winziges bisschen Schnee gegeben, denn nach wenigen Minuten im Dschungel fing ich an, unter dem extremen Temperaturanstieg zu leiden. Die Hitze. Die Luftfeuchtigkeit. Sie erinnerten mich an die Zeit unter meiner Insel, als ich die Höhle mit dem Wasserfall und der Lava entdeckt hatte. Die schwüle Hitze allein war schon unangenehm genug, aber das unwegsame Gelände machte das schleimige, salzige, in den Augen stechende Schwitzfest dieser Dschungelwanderung unendlich schlimmer. Der Boden war über und über mit Buschwerk bedeckt – besser gesagt mit winzigen Bäumchen, die aus je einem Holzstamm und massig Laub bestanden und dafür sorgten, dass sich keine zwei Quadrate unserer Route je auf derselben Höhe befanden. Auf und ab ging es, keuchend und schwitzend.

»Ich bin schon ein Glückspilz«, nörgelte ich. »Entweder gehe ich in dieser Mordshitze drauf oder stecke mich mit irgendeiner Seuche an, die mir den Durchfall aus der Hölle beschert.«

»Was sagst du?«, rief Summer über die Schulter.

»Ach, nichts«, murmelte ich verlegen. »Ich genieße nur die Aussicht.«

»Ja, die ist wirklich spektakulär«, stimmte sie zu, und zum ersten Mal, seit wir ihren Berg verlassen hatten, zeigte sie einen zarten Anflug von Begeisterung. »Da lässt sich sogar dieses Dampfbad aushalten, findest du nicht auch?«

Ich war da ganz anderer Meinung und konnte beim besten Willen nicht begreifen, wieso Summer so aufgekratzt war. Da war sie wieder, diese unverwüstliche Kraft … diese Entschlossenheit, die allen Unannehmlichkeiten ins Gesicht lachte. Sie ist schon ein komischer Kauz.

»Ich würde sagen, wir gehen weiter bis Mittag«, trällerte sie fröhlich, »dann klettern wir auf einen der Baumriesen, um etwas zu essen, eine kühle Brise zu erhaschen und uns umzusehen.«

»Du willst da raufklettern?« Ich sah an einer der wolkenkitzelnden Holzsäulen hoch. »Es würde ewig dauern, eine so lange Leiter zu bauen, oder?«

»Nicht nötig«, erwiderte Summer. »Wir können an den Ranken hochklettern.«

Das war eine Erleichterung, genau wie der Gedanke an eine kühle Brise. Aber daran zu denken, schien meine aktuelle Tortur nur noch zu verschlimmern.

»Ich hätte nie gedacht, dass mir die trockene Hitze im Nether einmal fehlen würde«, sagte ich und hielt an, um mir die Rüstung auszuziehen.

»Lass die lieber an«, warnte Summer. »Für ein bisschen mehr Bequemlichkeit solltest du deine Sicherheit echt nicht aufs Spiel setzen.«

»Sicherheit?«, gab ich schnaubend zurück. »Ich bin viel zu abgelenkt, weil ich mich fühle wie Butter im Ofen.« Ich zeigte auf das unebene Terrain und fuhr fort: »Der Weg über all das Grünzeug kommt mir vor, als stünde ich auf dem Crosstrainer.«

»Dann gehen wir eben durch.« Summer hielt an, um zwei Eisenbarren aus der Tasche zu holen, und machte daraus eine Schere. »Die Idee dafür kam mir lange bevor ich zum ersten Mal einem Schaf begegnete«, erklärte sie und wandte sich zum nächstbesten Laubblock um. »Deshalb hielt ich sie anfangs …«

Schnipp.

»… für eine Heckenschere.«

»Cool!« Ich folgte ihr, während sie mit der Schere den Weg bahnte. Langsam und stetig füllten sich unsere Taschen mit Laubblöcken. Manchmal ging es durch einen Tunnel, manchmal durch einen Graben. Ich schwamm zwar die ganze Zeit in meinem eigenen Schweiß, aber wenigstens hatte ich nicht mehr das Gefühl, darin zu ertrinken … Was mir wiederum die Muße gab, mich an diesem faszinierenden Biom zu erfreuen.

Mir fielen weitere Kakaoschoten und kleine Flächen voller Wassermelonen ins Auge. Und inmitten all der Dschungelbäume standen hier und dort Apfel-Eichen.

»Schön zu wissen, dass uns dieses Land genug zum Überleben bietet«, stellte ich fest. »So müssen wir nicht an unsere Rationen gehen.«

»Genau das habe ich auch gerade gedacht«, stimmte Summer zu, aber dann hielt sie plötzlich inne, als wir beide ein Geräusch vernahmen …

»Krächz.«

Es war ein kurzes, schnelles Geräusch, wie das Fiepen einer Fledermaus, aber eben nicht ganz.

Ich musterte sofort den Boden, weil ich fest mit einer neuen Dschungelvariante von Silberfischchen rechnete, aber Summer sah zum Himmel auf. »Vögel!«

Vögel!

Wundervolle, farbenfrohe Papageien, die von Baum zu Baum flatterten. Ich entdeckte einen hellgrünen, einen blauen und einen, der in allen Farben des Regenbogens erstrahlte – mit einem roten Kopf und gelb-blau-gestreiften Flügeln.

»Wunderschön«, hauchte ich, plötzlich getröstet vom Anblick dieser Kreaturen der Luft. Weil es in dieser Welt außer Hühnern keine Vögel gab, war sie mir noch fremder als ohnehin vorgekommen. Zu Hause waren Vögel allgegenwärtig, sogar in den Städten. Ich erinnere mich noch gut an das leise Gurren flatternder Tauben und wie gern ich sie immer mit Brotkrumen gefüttert habe.

»Schön, dass es Vögel gibt«, sagte ich zu Summer, die ohne zu zögern hinzufügte: »Ja, besonders zum Abendbrot.«

»Ach, hör mir auf«, schnaubte ich, was Summer ihr typisches Lachen entlockte.

»Ich ziehe dich nur auf.«

»Mit Erfolg«, gab ich grinsend zurück und wollte mir gerade einen guten Konter einfallen lassen, als irgendetwas links an mir vorbeihuschte – etwas Schnelles, Kleines, das sich sogleich hinter den Blättern verbarg.

Ich wirbelte herum, hob die Armbrust und erhaschte einen Blick auf etwas Gelbes mit schwarzen Flecken.

»Keine Angst«, beruhigte mich Summer. »Das war nur ein Ozelot.«

»Ach ja.« Ich erinnerte mich, von den kleinen Dschungelkatzen gelesen zu haben. Außerdem hatte Summer bereits erwähnt, ihnen hier begegnet zu sein. Angeblich waren sie harmlos (zumindest für uns), und wenn ich mich recht erinnerte …

»Können wir sie nicht füttern?«, fragte ich, den Blick starr auf die Stelle gerichtet, wo ich den Ozelot gesehen hatte. »Ich glaube, in den Anleitungen stand, dass sie zu Hauskatzen werden, wenn man ihnen Fisch gibt.«

»Warum um alles in der Welt sollten wir das wollen?«, forderte Summer zu wissen.

»Na, um Tierfreunde zu gewinnen«, gab ich in meinem besten »Ist-doch-klar«-Ton zurück. »Ich kann das nur empfehlen, weißt du? Ohne Muh wäre ich auf der Insel nicht weit gekommen.« Als Zugabe schob ich noch eine meiner wertvollsten Lektionen hinterher: »Freunde helfen, bei Verstand zu bleiben.«

Summer setzte sich wieder in Bewegung. »In deinem Fall wäre ich da nicht so sicher.«

»Haha«, machte ich humorlos. »Du kannst so viele Witze reißen, wie du willst: Ich weiß schon, was du in Wahrheit meinst …«

»Natürlich tust du das.« Summer ging weiter, und ich folgte ihr.

»Allerdings.« Mit einer Selbstsicherheit, die mir nur meine brillanten Erkenntnisse geben konnten, fuhr ich fort: »Du spielst zwar gern die Harte, aber ich weiß, dass du eigentlich nur dein Herz davor beschützen willst, verletzt zu werden. Du willst kein Haustier, weil du dir ständig Sorgen machen würdest, dass ihm etwas …«

Abrupt hielt Summer an, und für einen kurzen Moment war ich sicher, genau ins Schwarze getroffen zu haben.

»Was ist das?«, fragte sie und winkte mich an ihre Seite.

Sie hatte sich durchs Laub gearbeitet und stand am Ufer eines flachen Teichs. Ich folgte ihrem Fingerzeig und erkannte, was meinem erkenntnisreichen Monolog tatsächlich ein Ende gesetzt hatte.

Am Ufer gegenüber befand sich ein großer Hain voller Pflanzen, die auf den ersten Blick wie Zuckerrohr aussahen. Nur dass diese Variante dunkler und viel höher als gewöhnlich war.

»Das kommt dir nicht bekannt vor?«, fragte ich.

Summer schüttelte den Kopf.

Wir wateten durch den einen Block tiefen Teich und näherten uns vorsichtig den ersten Stängeln. Ich hielt die Axt bereit, weil ich halb damit rechnete, jeden Moment umklammert oder mit irgendeinem Gift beschossen zu werden. Schließlich war ich fast von schnödem Schnee umgebracht worden und konnte nicht vorsichtig genug sein.

Der erste Stängel zerbröckelte nach wenigen Hieben und regnete wie Zuckerrohr auf mich herab. Aber diese Pflanzen verwandelten sich in meinen Händen nicht in süße weiße Kristalle … stattdessen tauchte vor meinen Augen das geisterhafte Bild eines Stocks auf, als ich zwei aneinanderhielt.

Bambus! Genau das musste es sein. Ironischerweise hatte ich damals auf meiner Insel anfangs Zuckerrohr für Bambus gehalten. Und nun war es umgekehrt.

»Ich glaube, ich weiß, was das ist«, sagte ich zu Summer, die den Blick starr auf die Stängel gerichtet hatte und auf etwas zeigte, das sich darin bewegte.

»Und ich weiß, was das ist.«

Ein Bär, aber nicht irgendeiner. Schwarz-weiß, mit kurzem Stummelschwanz und einem unverkennbaren Gesicht.

»Ein Panda!« Ich war ganz außer mir. »Wie unglaublich fantastisch cool ist das denn?!«

»Ganz ruhig«, beruhigte Summer warnend. »Renn nicht gleich hin, um ihn zu umarmen. Wer weiß, wozu sie in dieser Welt fähig sind.«

»Das werden wir gleich herausfinden«, erwiderte ich und ging unbekümmert auf das Tier zu. Ich verstand Summers Einwand – schließlich folgte diese Welt anderen Regeln als unsere … außerdem war da noch meine eigene Lektion: keine Vermutungen ohne Beweise. In der Tat hatte ich bisher in keinem Handbuch über Pandas gelesen, was wahrscheinlich hieß, dass sie brandneu waren … was wiederum bedeutete, dass ich keine Ahnung hatte, was mich erwartete.

Aber ich meine, komm schon, es ist ein Panda! Erzähl mir nicht, dass du dich nicht gern mit einem anfreunden würdest!

»Hey, Kumpel«, sagte ich und wedelte mir einem Stück Bambus. »Die magst du gern, oder?«

Das Tier war groß – nicht ganz so umfänglich wie ein Eisbär, aber definitiv groß genug, um mir gegebenenfalls den Tag zu vermiesen.

»Komm«, lockte ich und trat vorsichtig näher. »Lass uns diesen Moment zum ersten schönen machen, den ich heute erlebe.«

Der Bär musterte mich mit seinen schwarz umringten Augen, kroch näher und …

Knabber.

Er nahm das Futter an, setzte sich hin – so richtig aufs Hinterteil, ein wahres Wunder für diese Welt! – und ließ sich sein Mahl schmecken.

Und als wäre das noch nicht entzückend genug, rollte er sich wie ein übergroßer Welpe auf den Rücken.

»Sieh nur!«, jauchzte ich voller Erwartung, dass Summer mich lobte.

Ich hätte es besser wissen müssen.

»Ich frage mich, wie Pandas schmecken.«

»Summer!«

Sie lachte, aber mein Ärger über ihren Scherz wich bald neuer Aufregung. »Lass uns noch einen suchen«, forderte ich sie auf. »Wir müssen sie züchten und eine ganze Familie erschaffen. Erzähl mir nicht, dass du das nicht auch …«

Ich unterbrach mich, weil mir im Augenwinkel etwas aufgefallen war. Gleich hinter dem vergnügten Fellball schimmerte eine Farbe, die hier nichts verloren hatte. Etwas Graues vor dem regenbogengrünen Hintergrund. Ich kniff die Augen zusammen, um durch den Bambusvorhang besser hindurchzusehen, und befand, dass die eintönigen Blöcke geordnet aussahen – wie die eines Gebäudes.

»Da drüben« – ich ruckte das Kinn in die Richtung –, »ist das ein Haus?«

»Sieht eher nach einem Tempel aus«, meinte Summer, »und wenn es einer wie in den Abenteuerfilmen ist, sollten wir auf der Hut sein.«

Ihre Worte erfüllten mich mit vagen Erinnerungen an einen grauhaarigen Actionhelden mit Peitsche. »Du kennst die Filme auch?«

»Wir kommen aus unterschiedlichen Ländern«, schnaubte Summer, »nicht von unterschiedlichen Planeten.«

»Manchmal kommt es mir so vor«, murmelte ich leise.

Wir schlängelten uns durch den Bambus, um das bemooste und von Ranken bedeckte Bauwerk aus der Nähe zu betrachten.

Es war in etwa so breit wie mein Haus auf der Insel. Auf dem quadratischen Erdgeschoss ruhte ein zweites Stockwerk, auf dem ein pyramidenförmiges Dach mit vier kurzen Säulen an den Ecken thronte. Aber als wir einen Blick in den türlosen Eingang wagten, entdeckten wir nichts als einen leeren Raum.

Es gab weder Möbel noch Truhen mit toller Beute. Nur zwei enge Treppen in den zweiten Stock und eine breite Treppe in der Mitte dazwischen, die nach unten in die Finsternis führte.

Summer ging wie üblich vor und bedeutete mir, die rechte Treppe nach oben zu nehmen, während sie die linke übernahm. Wir schlichen in den zweiten Stock und fanden ihn ebenfalls leer vor, also wagten wir uns so langsam wie möglich in den Keller vor.

Am Treppenende erwartete uns Finsternis. Summer stellte eine Fackel auf den Boden, die ihren Lichtschein auf einen klaustrophobisch anmutenden, zwei Block breiten Korridor warf, der quer zur Treppe verlief. Ein Blick nach rechts enthüllte mehr Korridor und noch einen Abzweig. Links befand sich eine Sackgasse mit drei Hebeln an der Wand.

»Lass uns erst nach rechts gehen«, schlug Summer vor, »bevor wir uns mit denen auseinandersetzen.«

Wir liefen bis zum Abzweig und stellten noch eine Fackel auf.

Zuerst erkannten wir nur einen weiteren Flur. Weder Monster noch offensichtliche Gefahren. Hätten wir uns in einer normalen Umgebung befunden, wären wir einfach weitergegangen. Aber die Hebel hatten uns stutzig gemacht – vielleicht wegen der Bilder aus den Gruselfilmen unserer Welt. Du weißt, wovon ich spreche, oder? So ziemlich jeder Abenteuerfilm hat diese eine Szene, in der der Idiot der Gruppe sagt: »Ich glaube, wir sind jetzt in Sicherheit« und gleich darauf in ein Loch im Boden fällt. Summer und ich hatten wohl schon beide solche Szenen gesehen, denn unsere inneren Alarmglocken läuteten wie verrückt.

»Noch eine, zur Sicherheit«, sagte Summer und nutzte ihre Superreichweite, um noch eine Fackel zu platzieren.

»Da drüben!«, zischte sie, als wir in der Ferne etwas entdeckten, das wie ein Gesicht aussah. Es befand sich am Ende des Flurs und war nur einen Block breit – zwei kleine graue Punkte über einer kreisförmigen schwarzen Öffnung.

»Das ist ein Werfer«, stellte ich fest. »Geladen mit wer-weiß-was.«

»Stimmt«, meinte Summer nickend und sah mich über die Schulter hinweg an. »Und ich wette, einer der Hebel entschärft ihn.«

Also kehrten wir um und probierten alle möglichen Kombinationen aus. Ich weiß nicht, was wir erwarteten – vielleicht ein Leuchten oder ein Geräusch, das Sicherheit signalisierte. So oder so begriffen wir nicht, wie das System funktionierte, und nach wenigen frustrierenden Minuten warf Summer die kantigen Fäuste in die Luft. »Das wird nichts.« Sie stieß verärgert die Luft aus und stapfte in den Flur zurück. »Ich weiß nicht, weshalb wir es überhaupt versucht haben …« Sie stellte sich links neben die Werfer-Flugbahn und fuhr fort: »Aber wenn das Ding nicht gerade einen Ghast-Feuerball abfeuert, müssen wir uns keine großen Sorgen …«

»Halt!«, rief ich, und sie blieb abrupt stehen. »Da, rechts von dir am Boden!«

Sie hatte ihn nicht bemerkt, weil sie auf den Werfer konzentriert gewesen war, aber von meinem Standort ein paar Schritte hinter ihr erkannte ich eine eiserne Schlaufe in der Wand. »Das ist der Auslöser!«

Summer musterte die Stelle, auf die ich sie hingewiesen hatte. »Gutes Auge.« Ihr Blick wanderte von der Schlaufe am Steinboden entlang bis zur gegenüberliegenden Wand. »Und da ist der Rest.«

Diesmal musste ich die Augen richtig zusammenkneifen, um die Spinnenfäden zu erkennen.

»Stolperdraht.« Ich seufzte. »Wie gut, dass uns diese Erfahrung erspart bleibt.«

Warum musste ich das laut aussprechen? Kaum hatten die Worte meinen Mund verlassen, entfernte Summer einen der Fäden, woraufhin sich ein Pfeil aus dem Werfer löste, der in ihrer Schulter stecken blieb.

»Nicht … ganz …«, keuchte sie.

»Ich übernehme den nächsten«, bot ich an und entfernte den zweiten Faden. Diesmal geschah nichts (ich fühlte mich sofort schuldig).

»Lass mich vorgehen«, schlug ich vor. »Wenn da vorn noch eine Falle lauert, ist es nur fair, dass ich hineintappe.«

»Sehr galant von dir«, erwiderte Summer und stellte sich hinter mich.

Langsam schlichen wir auf den Werfer zu. »Bleib, wo du bist.« Ich zückte meine Spitzhacke und löste den Todesblock aus der Wand. Er landete sofort in meiner Tasche und mit ihm seine gesamte Ladung, bestehend aus acht Pfeilen. »Cool«, sagte ich, dankbar für die Erweiterung meines schrumpfenden Vorrats. »Das fühlt sich schon so lukrativ an wie eine Schatztruhe.«

»So weit würde ich nicht gehen«, meinte Summer und starrte nach rechts.

Ich folgte ihrem Blick und entdeckte einen weiteren Stolperfaden auf dem Boden – diesmal bestehend aus Redstone – und dahinter eine Schatztruhe unter einem weiteren Werfer.

»Bleib hinter mir«, wies ich sie an und entfernte den Redstone. Diesmal wurde die Falle nicht ausgelöst, aber genau wie der letzte enthielt auch dieser Werfer einen kleinen Pfeilvorrat. »Das wird ja immer besser«, kommentierte ich, als Summer die Truhe öffnete.

»Nach all dem?« Summer zeigte auf ein paar Gold- und Eisenbarren. »Das soll alles sein?«

»Vielleicht nicht.« Ich betrachtete den hinter uns liegenden Flur. »Die Hebel könnten immer noch irgendeine Funktion haben. Wenn sie nicht mit den Fallen verbunden sind, muss es damit irgendetwas anderes auf sich haben.«

»Vielleicht bringen sie einen riesigen Felsbrocken ins Rollen.« Summer ließ den Blick durch den Raum schweifen. »Oder die Wände bewegen sich plötzlich und zerquetschen uns.

»Oder«, konterte ich zuversichtlich, »sie enthüllen den wahren Schatz. Zum Beispiel eine … ich weiß nicht, eine magische Goldstatue oder« – in meinem Verstand formte sich die Erinnerung an einen anderen Film – »kennst du den, wo ein Typ und eine Frau auf ein Dschungelabenteuer gehen und einen Riesensmaragd finden?«

»Möglich.« Summer lief an mir vorbei. »Darüber können wir uns gern später unterhalten« – sie wandte sich ab, um zur Treppe zurückzugehen –, »gleich nachdem wir Tür und Fenster abgedichtet haben.«

»Moment mal«, sagte ich. »Du willst doch nicht …«

»Es wird bald dunkel«, sagte Summer, schon fast an der Treppe. »Wir wollen uns nicht kalt erwischen lassen.«

»Aber wir können nicht hierbleiben«, protestierte ich. »Ich kann kaum atmen.« Die drückende Hitze des Dschungels war schon schlimm genug, aber in diesem Tempel war mir, als müsste ich ersticken.

»Ach, hör auf zu jammern«, schimpfte Summer. »Es ist doch nur für eine Nacht.«

»Mag sein, aber wozu eine Nacht leiden, wenn es überhaupt nicht nötig ist?«

»Hast du eine bessere Idee?«

»Wie schön, dass du fragst …« Ich führte sie die Treppe hinauf aus dem Tempel zum nächstbesten Baumriesen. »Die habe ich nämlich in der Tat.« Summer starrte hinauf zum Blätterdach, während ich weiterredete: »Du hast selbst gesagt, dass man daran hochklettern kann«, erklärte ich und ergriff eine Ranke. »Also …?«

Zugegeben, der Gedanke daran, an diesem irre hohen Baum hochzuklettern, war ein klein wenig Furcht einflößend. Aber es war meine Idee, und ich musste sie Summer irgendwie schmackhaft machen. Bitte nicht abstürzen, bitte nicht abstürzen. Ich schwitzte, denn mir war wohl bewusst, dass ich, falls ich abrutschte, entweder sterben oder mich dermaßen blamieren würde, dass ich wünschte, ich wäre gestorben. Im Nachhinein kann ich mit Stolz behaupten, dass Summer nichts davon mitbekam – nicht einmal, als ich die Unterseite des Laubdachs erreicht hatte und ihr zurief: »Worauf wartest du? Eine förmliche Einladung?« Ein paar Dutzend Fausthiebe später hatte ich das obere Ende des Stamms erreicht, von wo aus ich eine Treppe ins Laub schlug, die auf die Krone führte.

Eine Brise! Kühl und trocken. Das war der Vorteil des ewigen Ostwinds in dieser Welt. Die hinter uns liegenden schneebedeckten Hügel bliesen ihre frostige Luft in unsere Richtung. Das werte ich fast als Entschädigung dafür, dass ihr mich umbringen wolltet, informierte ich die Hügel im Stillen und schloss die Augen, um die natürliche Klimaanlage zu genießen.