Minna von Barnhelm oder das Soldatenglück. Ein Lustspiel in fünf Aufzügen verfertiget im Jahre 1763. Textausgabe mit Anmerkungen/Worterklärungen - Gotthold Ephraim Lessing - E-Book

Minna von Barnhelm oder das Soldatenglück. Ein Lustspiel in fünf Aufzügen verfertiget im Jahre 1763. Textausgabe mit Anmerkungen/Worterklärungen E-Book

Gotthold Ephraim Lessing

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Beschreibung

Gotthold Ephraim Lessings 1767 erstmals erschienenes und uraufgeführtes Drama "Minna von Barnhelm oder das Soldatenglück" ist eines der meistgespielten Lustspiele deutscher Sprache. Mit seinem größten Theatererfolg und bühnenwirksamsten Stück schuf Lessing einen neuen Komödientypus, in dem es um die heitere Lösung eines ernsten Problems geht; es soll weder sentimentale Rührung produziert noch ausschließlich menschliche Schwächen gegeißelt und verlacht werden. In Lessings zeitkritischem Lustspiel will der preußische Major von Tellheim mit seinem unbeugsamen Stolz lieber auf die Heirat mit seiner Verlobten Minna von Barnhelm verzichten, statt als unehrenhafter Ehrenmann zu gelten. "Minna von Barnhelm" markiert zudem einen Wendepunkt in der deutschen Literaturgeschichte: Es werden keine standardisierten Typen, sondern Charaktere auf die Bühne gebracht. Text in neuer Rechtschreibung. – E-Book mit Seitenzählung der gedruckten Ausgabe: Buch und E-Book können parallel benutzt werden.

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Seitenzahl: 131

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Gotthold Ephraim Lessing

Minna von Barnhelm

oder das SoldatenglückEin Lustspiel in fünf Aufzügen verfertiget im Jahre 1763

Reclam

1996, 2003 Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart

Gesamtherstellung: Reclam, Ditzingen

Made in Germany 2017

RECLAM ist eine eingetragene Marke der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart

ISBN 978-3-15-960929-4

Inhalt

PersonenErster AufzugZweiter AufzugDritter AufzugVierter AufzugFünfter AufzugAnhangEditorische Notiz

[3]Personen

Major von Tellheim, verabschiedet

Minna von Barnhelm

Graf von Bruchsall, ihr Oheim

Franziska, ihr Mädchen

Just, Bedienter des Majors

Paul Werner, gewesener Wachtmeister des Majors

Der Wirt

Eine Dame in Trauer

Ein Feldjäger

Riccaut de la Marlinière

 

Die Szene ist abwechselnd in dem Saale eines Wirtshauses und einem daranstoßenden Zimmer.

[5]Erster Aufzug

Erster Auftritt

Just sitzet in einem Winkel, schlummert, und redet im Traume.

Schurke von einem Wirte! – Du, uns? – Frisch, Bruder! – Schlag zu, Bruder! – (Er holt aus, und erwacht durch die Bewegung.) Heda! schon wieder? Ich mache kein Auge zu, so schlage ich mich mit ihm herum. Hätte er nur erst die Hälfte von allen den Schlägen! – – Doch sieh, es ist Tag! Ich muss nur bald meinen armen Herrn aufsuchen. Mit meinem Willen soll er keinen Fuß mehr in das vermaledeite Haus setzen. Wo wird er die Nacht zugebracht haben?

Zweiter Auftritt

Der Wirt. Just.

DER WIRT.

Guten Morgen, Herr Just, guten Morgen! Ei, schon so früh auf? Oder soll ich sagen: noch so spät auf?

JUST.

Sage Er, was Er will.

DER WIRT.

Ich sage nichts, als guten Morgen; und das verdient doch wohl, dass Herr Just, großen Dank, darauf sagt?

JUST.

Großen Dank!

DER WIRT.

Man ist verdrüsslich, wenn man seine gehörige Ruhe nicht haben kann. Was gilt’s, der Herr Major ist nicht nach Hause gekommen, und Er hat hier auf ihn gelauert?

JUST.

Was der Mann nicht alles erraten kann!

DER WIRT.

Ich vermute, ich vermute.

JUST

(kehrt sich um, und will gehen). Sein Diener!

DER WIRT

(hält ihn). Nicht doch, Herr Just!

JUST.

Nun gut; nicht Sein Diener!

[6]DER WIRT.

Ei, Herr Just! ich will doch nicht hoffen, Herr Just, dass Er noch von gestern her böse ist? Wer wird seinen Zorn über Nacht behalten?

JUST.

Ich; und über alle folgende Nächte.

DER WIRT.

Ist das christlich?

JUST.

Ebenso christlich, als einen ehrlichen Mann, der nicht gleich bezahlen kann, aus dem Hause stoßen, auf die Straße werfen.

DER WIRT.

Pfui, wer könnte so gottlos sein?

JUST.

Ein christlicher Gastwirt. – Meinen Herrn! so einen Mann! so einen Offizier!

DER WIRT.

Den hätte ich aus dem Hause gestoßen? auf die Straße geworfen? Dazu habe ich viel zu viel Achtung für einen Offizier, und viel zu viel Mitleid mit einem abgedankten! Ich habe ihm aus Not ein ander Zimmer einräumen müssen. – Denke Er nicht mehr daran, Herr Just. (Er ruft in die Szene.) Holla! – Ich will’s auf andere Weise wieder gut machen. (Ein Junge kömmt.) Bring ein Gläschen; Herr Just will ein Gläschen haben; und was Gutes!

JUST.

Mache Er sich keine Mühe, Herr Wirt. Der Tropfen soll zu Gift werden, den – Doch ich will nicht schwören; ich bin noch nüchtern!

DER WIRT

(zu dem Jungen, der eine Flasche Likör und ein Glas bringt). Gib her; geh! – Nun, Herr Just; was ganz Vortreffliches; stark, lieblich, gesund. (Er füllt, und reicht ihm zu.) Das kann einen überwachten Magen wieder in Ordnung bringen!

JUST.

Bald dürfte ich nicht! – – Doch warum soll ich meiner Gesundheit seine Grobheit entgelten lassen? – (Er nimmt und trinkt.)

DER WIRT.

Wohl bekomm’s, Herr Just!

JUST

(indem er das Gläschen wieder zurückgibt). Nicht übel! – Aber Herr Wirt, Er ist doch ein Grobian!

DER WIRT.

Nicht doch, nicht doch! – Geschwind noch eins; auf einem Beine ist nicht gut stehen.

[7]JUST

(nachdem er getrunken). Das muss ich sagen: gut, sehr gut! – Selbst gemacht, Herr Wirt? –

DER WIRT.

Behüte! veritabler Danziger! echter, doppelter Lachs!

JUST.

Sieht Er, Herr Wirt; wenn ich heucheln könnte, so würde ich für so was heucheln; aber ich kann nicht; es muss raus: – Er ist doch ein Grobian, Herr Wirt!

DER WIRT.

In meinem Leben hat mir das noch niemand gesagt. – Noch eins, Herr Just; aller guten Dinge sind drei!

JUST.

Meinetwegen! (Er trinkt.) Gut Ding, wahrlich gut Ding! – Aber auch die Wahrheit ist gut Ding. – Herr Wirt, Er ist doch ein Grobian!

DER WIRT.

Wenn ich es wäre, würde ich das wohl so mit anhören?

JUST.

O ja, denn selten hat ein Grobian Galle.

DER WIRT.

Nicht noch eins, Herr Just? Eine vierfache Schnur hält desto besser.

JUST.

Nein, zu viel ist zu viel! Und was hilft’s Ihm, Herr Wirt? Bis auf den letzten Tropfen in der Flasche würde ich bei meiner Rede bleiben. Pfui, Herr Wirt; so guten Danziger zu haben, und so schlechte Mores! – Einem Manne, wie meinem Herrn, der Jahr und Tag bei Ihm gewohnt, von dem Er schon so manchen schönen Taler gezogen, der in seinem Leben keinen Heller schuldig geblieben ist; weil er ein paar Monate her nicht prompt bezahlt, weil er nicht mehr so viel aufgehen lässt, – in der Abwesenheit das Zimmer auszuräumen!

DER WIRT.

Da ich aber das Zimmer notwendig brauchte? da ich voraussahe, dass der Herr Major es selbst gutwillig würde geräumt haben, wenn wir nur lange auf seine Zurückkunft hätten warten können? Sollte ich denn so eine fremde Herrschaft wieder von meiner Türe wegfahren lassen? Sollte ich einem andern Wirte so einen Verdienst mutwillig in den Rachen jagen? Und ich glaube nicht einmal, dass sie sonst wo unterkommen wäre. Die Wirtshäuser sind jetzt alle stark besetzt. Sollte eine so junge, [8]schöne, liebenswürdige Dame, auf der Straße bleiben? Dazu ist Sein Herr viel zu galant! Und was verliert er denn dabei? Habe ich ihm nicht ein anderes Zimmer dafür eingeräumt?

JUST.

Hinten an dem Taubenschlage; die Aussicht zwischen des Nachbars Feuermauren –

DER WIRT.

Die Aussicht war wohl sehr schön, ehe sie der verzweifelte Nachbar verbaute. Das Zimmer ist doch sonst galant, und tapeziert –

JUST.

Gewesen!

DER WIRT.

Nicht doch, die eine Wand ist es noch. Und Sein Stübchen darneben, Herr Just; was fehlt dem Stübchen? Es hat einen Kamin; der zwar im Winter ein wenig raucht – –

JUST.

Aber doch im Sommer recht hübsch lässt. – Herr, ich glaube gar, Er vexiert uns noch obendrein? –

DER WIRT.

Nu, nu, Herr Just, Herr Just –

JUST.

Mache Er Herr Justen den Kopf nicht warm, oder –

DER WIRT.

Ich macht’ ihn warm? der Danziger tut’s! –

JUST.

Einen Offizier, wie meinen Herrn! Oder meint Er, dass ein abgedankter Offizier nicht auch ein Offizier ist, der Ihm den Hals brechen kann? Warum waret ihr denn im Kriege so geschmeidig, ihr Herren Wirte? Warum war denn da jeder Offizier ein würdiger Mann, und jeder Soldat ein ehrlicher, braver Kerl? Macht euch das bisschen Friede schon so übermütig?

DER WIRT.

Was ereifert Er sich nun, Herr Just? –

JUST.

Ich will mich ereifern. – –

Dritter Auftritt

v. Tellheim. Der Wirt. Just.

V. TELLHEIM

(im Hereintreten). Just!

JUST

(in der Meinung, dass ihn der Wirt nenne). Just? – So bekannt sind wir? –

[9]V. TELLHEIM.

Just!

JUST.

Ich dächte, ich wäre wohl Herr Just für Ihn!

DER WIRT

(der den Major gewahr wird). St! st! Herr, Herr, Herr Just, – seh’ Er sich doch um; Sein Herr – –

V. TELLHEIM.

Just, ich glaube, du zankst? Was habe ich dir befohlen?

DER WIRT.

O, Ihro Gnaden! zanken? da sei Gott vor! Ihr untertänigster Knecht sollte sich unterstehen, mit einem, der die Gnade hat, Ihnen anzugehören, zu zanken?

JUST.

Wenn ich ihm doch eins auf den Katzenbuckel geben dürfte! – –

DER WIRT.

Es ist wahr, Herr Just spricht für seinen Herrn, und ein wenig hitzig. Aber daran tut er recht; ich schätze ihn um so viel höher; ich liebe ihn darum. –

JUST.

Dass ich ihm nicht die Zähne austreten soll!

DER WIRT.

Nur schade, dass er sich umsonst erhitzet. Denn ich bin gewiss versichert, dass Ihro Gnaden keine Ungnade deswegen auf mich geworfen haben, weil – die Not – mich notwendig –

V. TELLHEIM

Schon zu viel, mein Herr! Ich bin Ihnen schuldig; Sie räumen mir, in meiner Abwesenheit, das Zimmer aus; Sie müssen bezahlt werden; ich muss woanders unterzukommen suchen. Sehr natürlich! –

DER WIRT.

Woanders? Sie wollen ausziehen, gnädiger Herr? Ich unglücklicher Mann! ich geschlagner Mann! Nein, nimmermehr! Eher muss die Dame das Quartier wieder räumen. Der Herr Major kann ihr, will ihr sein Zimmer nicht lassen; das Zimmer ist sein; sie muss fort; ich kann ihr nicht helfen. – Ich gehe, gnädiger Herr – –

V. TELLHEIM

Freund, nicht zwei dumme Streiche für einen! Die Dame muss in dem Besitze des Zimmers bleiben. – –

DER WIRT.

Und Ihro Gnaden sollten glauben, dass ich aus Misstrauen, aus Sorge für meine Bezahlung? – – Als wenn ich nicht wüsste, dass mich Ihro Gnaden bezahlen können, sobald Sie nur wollen. – – Das versiegelte Beutelchen, – fünfhundert Taler Louisdor, stehet darauf, – – [10]welches Ihro Gnaden in dem Schreibepulte stehen gehabt; – – ist in guter Verwahrung. –

V. TELLHEIM.

Das will ich hoffen; so wie meine übrige Sachen. – Just soll sie in Empfang nehmen, wenn er Ihnen die Rechnung bezahlt hat. – –

DER WIRT.

Wahrhaftig, ich erschrak recht, als ich das Beutelchen fand. – Ich habe immer Ihro Gnaden für einen ordentlichen und vorsichtigen Mann gehalten, der sich niemals ganz ausgibt. – – Aber dennoch, – – wenn ich bar Geld in dem Schreibepulte vermutet hätte. – –

V. TELLHEIM.

Würden Sie höflicher mit mir verfahren sein. Ich verstehe Sie. – Gehen Sie nur, mein Herr; lassen Sie mich; ich habe mit meinem Bedienten zu sprechen. – –

DER WIRT.

Aber gnädiger Herr – –

V. TELLHEIM.

Komm Just, der Herr will nicht erlauben, dass ich dir in seinem Hause sage, was du tun sollst. – –

DER WIRT.

Ich gehe ja schon, gnädiger Herr! – Mein ganzes Haus ist zu Ihren Diensten.

Vierter Auftritt

v. Tellheim. Just.

JUST

(der mit dem Fuße stampft, und dem Wirte nachspuckt). Pfui!

V. TELLHEIM.

Was gibt’s?

JUST.

Ich ersticke vor Bosheit.

V. TELLHEIM.

Das wäre so viel, als an Vollblütigkeit.

JUST.

Und Sie, – Sie erkenne ich nicht mehr, mein Herr. Ich sterbe vor Ihren Augen, wenn Sie nicht der Schutzengel dieses hämischen, unbarmherzigen Rackers sind! Trotz Galgen und Schwert und Rad, hätte ich ihn – hätte ich ihn mit diesen Händen erdrosseln, mit diesen Zähnen zerreißen wollen. –

V. TELLHEIM.

Bestie!

JUST.

Lieber Bestie, als so ein Mensch!

[11]V. TELLHEIM.

Was willst du aber?

JUST.

Ich will, dass Sie es empfinden sollen, wie sehr man Sie beleidiget.

V. TELLHEIM.

Und dann?

JUST.

Dass Sie sich rächten – Nein, der Kerl ist Ihnen zu gering. –

V. TELLHEIM.

Sondern, dass ich es dir auftrüge, mich zu rächen? Das war von Anfang mein Gedanke. Er hätte mich nicht wieder mit Augen sehen, und seine Bezahlung aus deinen Händen empfangen sollen. Ich weiß, dass du eine Hand voll Geld mit einer ziemlich verächtlichen Miene hinwerfen kannst. –

JUST.

So? eine vortreffliche Rache! –

V. TELLHEIM.

Aber die wir noch verschieben müssen. Ich habe keinen Heller bares Geld mehr; ich weiß auch keines aufzutreiben.

JUST.

Kein bares Geld? Und was ist denn das für ein Beutel, mit fünfhundert Taler Louisdor, den der Wirt in Ihrem Schreibepulte gefunden?

V. TELLHEIM.

Das ist Geld, welches mir aufzuheben gegeben worden.

JUST.

Doch nicht die hundert Pistolen, die Ihnen Ihr alter Wachtmeister vor vier oder fünf Wochen brachte?

V. TELLHEIM.

Die nämlichen, von Paul Wernern. Warum nicht?

JUST.

Diese haben Sie noch nicht gebraucht? Mein Herr, mit diesen können Sie machen, was Sie wollen. Auf meine Verantwortung –

V. TELLHEIM.

Wahrhaftig?

JUST.

Werner hörte von mir, wie sehr man Sie mit Ihren Forderungen an die Generalkriegskasse aufzieht. Er hörte –

V. TELLHEIM.

Dass ich sicherlich zum Bettler werden würde, wenn ich es nicht schon wäre. – Ich bin dir sehr verbunden, Just. – Und diese Nachricht vermochte Wernern, sein bisschen Armut mit mir zu teilen. – Es ist mir [12]doch lieb, dass ich es erraten habe. – Höre Just, mache mir zugleich auch deine Rechnung; wir sind geschiedene Leute. – –

JUST.

Wie? was?

V. TELLHEIM.

Kein Wort mehr; es kömmt jemand. –

Fünfter Auftritt

Eine Dame in Trauer. v. Tellheim. Just.

DIE DAME.

Ich bitte um Verzeihung, mein Herr! –

V. TELLHEIM.

Wen suchen Sie, Madame? –

DIE DAME.

Eben den würdigen Mann, mit welchem ich die Ehre habe zu sprechen. Sie kennen mich nicht mehr? Ich bin die Witwe Ihres ehemaligen Stabsrittmeisters –

V. TELLHEIM.

Um des Himmels willen, gnädige Frau! welche Veränderung! –

DIE DAME.

Ich stehe von dem Krankenbette auf, auf das mich der Schmerz über den Verlust meines Mannes warf. Ich muss Ihnen früh beschwerlich fallen, Herr Major. Ich reise auf das Land, wo mir eine gutherzige, aber eben auch nicht glückliche Freundin eine Zuflucht vors Erste angeboten. –

V. TELLHEIM

(zu Just). Geh, lass uns allein. –

Sechster Auftritt

Die Dame. v. Tellheim.

V. TELLHEIM.

Reden Sie frei, gnädige Frau! Vor mir dürfen Sie sich Ihres Unglücks nicht schämen. Kann ich Ihnen worin dienen?

DIE DAME.

Mein Herr Major –

V. TELLHEIM.

Ich beklage Sie, gnädige Frau! Worin kann ich Ihnen dienen? Sie wissen, Ihr Gemahl war mein Freund; [13]mein Freund, sage ich; ich war immer karg mit diesem Titel.

DIE DAME.

Wer weiß es besser, als ich, wie wert Sie seiner Freundschaft waren, wie wert er der Ihrigen war? Sie würden sein letzter Gedanke, Ihr Name der letzte Ton seiner sterbenden Lippen gewesen sein, hätte nicht die stärkere Natur dieses traurige Vorrecht für seinen unglücklichen Sohn, für seine unglückliche Gattin gefordert –

V. TELLHEIM.

Hören Sie auf, Madame! Weinen wollte ich mit Ihnen gern; aber ich habe heute keine Tränen. Verschonen Sie mich! Sie finden mich in einer Stunde, wo ich leicht zu verleiten wäre, wider die Vorsicht zu murren. – O mein rechtschaffner Marloff! Geschwind, gnädige Frau, was haben Sie zu befehlen? Wenn ich Ihnen zu dienen im Stande bin, wenn ich es bin –

DIE DAME.

Ich darf nicht abreisen, ohne seinen letzten Willen zu vollziehen. Er erinnerte sich kurz vor seinem Ende, dass er als Ihr Schuldner sterbe, und beschwor mich, diese Schuld mit der ersten Barschaft zu tilgen. Ich habe seine Equipage verkauft, und komme seine Handschrift einzulösen. –

V. TELLHEIM.

Wie, gnädige Frau? darum kommen Sie?

DIE DAME.

Darum. Erlauben Sie, dass ich das Geld aufzähle.

V. TELLHEIM.

Nicht doch, Madame! Marloff mir schuldig? das kann schwerlich sein. Lassen Sie doch sehen. (Er ziehet sein Taschenbuch heraus, und sucht.) Ich finde nichts.

DIE DAME.

Sie werden seine Handschrift verlegt haben, und die Handschrift tut nichts zur Sache. – Erlauben Sie –

V. TELLHEIM.

Nein, Madame! so etwas pflege ich nicht zu verlegen. Wenn ich sie nicht habe, so ist es ein Beweis, dass ich nie eine gehabt habe, oder dass sie getilgt, und von mir schon zurückgegeben worden.

DIE DAME.

Herr Major!

V. TELLHEIM.

Ganz gewiss, gnädige Frau. Marloff ist mir nichts schuldig geblieben. Ich wüsste mich auch [14]nicht zu erinnern, dass er mir jemals etwas schuldig gewesen wäre. Nicht anders, Madame; er hat mich vielmehr als seinen Schuldner hinterlassen. Ich habe nie etwas tun können, mich mit einem Manne abzufinden, der sechs Jahre Glück und Unglück, Ehre und Gefahr mit mir geteilet. Ich werde es nicht vergessen, dass ein Sohn von ihm da ist. Er wird mein Sohn sein, sobald ich sein Vater sein kann. Die Verwirrung, in der ich mich jetzt selbst befinde –

DIE DAME.

Edelmütiger Mann! Aber denken Sie auch von mir nicht zu klein. Nehmen Sie das Geld, Herr Major; so bin ich wenigstens beruhiget. –

V. TELLHEIM.

Was brauchen Sie zu Ihrer Beruhigung weiter, als meine Versicherung, dass mir dieses Geld nicht gehöret? Oder wollen Sie, dass ich die unerzogene Waise meines Freundes bestehlen soll? Bestehlen, Madame; das würde es in dem eigentlichsten Verstande sein. Ihm gehört es; für ihn legen Sie es an. –

DIE DAME.

Ich verstehe Sie; verzeihen Sie nur, wenn ich noch nicht recht weiß, wie man Wohltaten annehmen muss. Woher wissen es denn aber auch Sie, dass eine Mutter mehr für ihren Sohn tut, als sie für ihr eigen Leben tun würde? Ich gehe –

V. TELLHEIM.