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Magisterarbeit aus dem Jahr 2010 im Fachbereich Pädagogik - Pädagogische Psychologie, Note: 2, Technische Universität Darmstadt, Sprache: Deutsch, Abstract: Im Rahmen dieser Magisterarbeit wird das Thema Mobbing und dessen Prävention sowie der Umgang damit im Alltag der Hauptschulen, Realschulen und Gymnasien erörtert. Um den Lesefluss nicht zu beeinträchtigen wird bei der Nennung von Personen und Gruppen nicht nach Geschlecht differenziert. Es wird die männliche Form verwendet, wobei die weibliche ausdrücklich eingeschlossen ist. Der Begriff ?Täter? im Mobbingkontext beinhaltet immer auch eine Opferrolle, da vor allem Kinder noch nicht in vollem Umfang für ihre Taten verantwortlich sind und diese nicht selbstständig reflektieren können, bzw. durch Erziehung und ihr soziales Umfeld in diese Rolle gedrängt wurden (vgl. Jannan 2008). Das Schikanieren von einzelnen innerhalb einer festen Gemeinschaft, wie z.B. in Arbeitsgruppen, ist hinlänglich bekannt und schon viele Jahrzehnte Gegenstand der Sozialpsychologie. Doch wurde bei den Untersuchungen das Augenmerk anfänglich nur auf Erwachsene gelegt, da man den Kindern und Jugendlichen solch psychosoziales ?Geschick? nicht zutraute. Schikanen in der Schule wurden als normales Phänomen der kindlichen Entwicklung betrachtet, als Vorbereitung auf das Leben. Machtkämpfe und Raufereien gehörten nach Ansicht der Gesellschaft zum Schulalltag. Die langfristigen Folgen täglichen Psychoterrors in der Kindheit und Pubertät wurden erst in den 80er Jahren von dem schwedischen Persönlichkeitspsychologen Dan Olweus von der Erwachsenenwelt auf die Schule übertragen. Nachdem in Schweden drei 10 bis 14 jährige Schüler auf Grund langwieriger Mobbingattacken Selbstmord begangen hatten, bekam das Thema weltweite Medienaufmerksamkeit und auch in Deutschland begann man sich mit den psychosozialen Bedingungen in der Schule zu befassen. Doch sind es immer noch nur meist die Fälle körperlicher Gewalt, die in den Schulen beobachtet werden und an die Öffentlichkeit kommen. Wie es in einem Kind aussieht, das täglich niedergemacht wird, kann man oft erst erkennen, wenn es schon zu spät ist, dessen Persönlichkeit völlig zerstört ist oder es mit auffälligem Verhalten auf seine Situation aufmerksam machen will. Der lange Leidensweg, den ein Kind während eines Mobbingprozesses durchläuft, ist oft für Außenstehende nicht sichtbar und für Menschen, die nicht selbst schon Mobbing erlebt haben, nicht leicht nachzuvollziehen. Aber stellt man sich vor, jede einzelne Mobbingattacke ist wie ein kleiner Nadelstich und man wird täglich von vielleicht über 20 anderen ständig gestochen, wird klar, dass so etwas zermürbt. Es wirkt wie eine unendliche Folter. ?
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Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Seite 1 und 12 Bild: Inga-Sophie R. 12. Klasse der Martin Luther Schule Rimbach
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Abb. 4: Seite 21: Strukturen von Mobbing - Abgeänderte Version von Katja Wasilewski. Vgl. Jannan S. 30
Anhang:
Informationsblatt für die Schüler ………………………………………………………S. 86
Fragebogen ………………………………………………………………………….… S. 88
Grundauswertung der Schülerumfrage ………………………………………………S. 96
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Das Thema „Mobbing in Schulen“ hat noch nie soviel Aufmerksamkeit erlangt wie in der aktuellen Diskussion um die Auswirkungen, die der Schulalltag auf die Kinder und Jugendlichen hat. In den Medien liest, hört und sieht man verstärkt Berichte über Mobbingopfer mit zum Teil starken Folgen auf Grund des langen Psychoterrors. Wer täglich ausgeschlossen, niedergemacht oder sogar körperlich angegriffen wird und dabei keinerlei Unterstützung von Mitschülern oder Lehrern erfährt, verliert nicht nur die Lust zur Schule zu gehen, sondern auch das Vertrauen in die Institution und vor allem in sich selbst. In einer Zeit, in der Bildung und berufliche Qualifikation den Lebensstandard bestimmen, sollten die pädagogischen Einrichtungen dafür Sorge tragen ihren Besuchern ein relativ sorgenfreies und ungestörtes Lernklima zu bieten. Mobbing ist bei weitem kein Tabuthema mehr. Dennoch wird es in der Lehrerausbildung nicht ausreichend behandelt oder gehört nicht zum Pflichtprogramm. Immer mehr Schulen versuchen mittels AGs, Streitschlichter- und Mediationsprogrammen der Problematik entgegenzuwirken. Aber wie wirkungsvoll sind diese Maßnahmen und wenden sich die Schüler an diese Angebote?
Auf Grund meines dreigeteilten Studiums mit Pädagogik als Hauptfach, Psychologie und Soziologie als Nebenfächer, werde ich meinen Schwerpunkt auf die pädagogische Sichtweise und die Maßnahmen in Bezug auf das Thema legen. Zudem möchte ich psychologische und soziologische Sichtweisen und empirische Belege einfließen lassen. Während meines Studiums habe ich 5 Jahre an einer Haupt- und Realschule in einem Erziehungsprojekt gearbeitet, welches nach der Trainingsraummethode (Bründel und Simon 2003) geführt wurde und die Schüler zu einem eigenverantwortlichen Denken und Handeln anleiten sollte. In diesen Raum wurden sie von den Lehrern geschickt, wenn sie den Unterricht nach einer Verwarnung immer noch störten oder sich sozial unverträglich benahmen. In diesen Fällen war es meine Aufgabe das Verhalten der Schüler mit ihnen zusammen zu reflektieren und mit ihnen
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andere Verhaltensmuster und Wiedergutmachungen zu erarbeiten. Doch auch Schüler, welche spürten, dass sie wegen Überforderung, Unkonzentriertheit oder persönlicher Probleme dem Unterricht nicht folgen konnten, hatten die Möglichkeit freiwillig den Trainingsraum aufzusuchen um dort Hilfe und Ruhe zu finden. Zudem habe ich vor drei Jahren eine Adresse für Beratung an dieser Schule initiiert mit dem [email protected] diese Emailadresse können sich die Schüler
anonym mit ihren Sorgen wenden und bekommen Ratschläge oder ihnen werden weiterführende Hilfen angeboten. Bei der Arbeit in diesen 2 Projekten und in meiner 3-ährigen Arbeit in einem Kinderheim bin ich sehr oft in Berührung mit dem Thema Mobbing gekommen und werde in diese Arbeit meine Erkenntnisse und Erfahrungen einfließen lassen.
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Im Rahmen dieser Magisterarbeit wird das Thema Mobbing und dessen Prävention sowie der Umgang damit im Alltag der Hauptschulen, Realschulen und Gymnasien erörtert.
Um den Lesefluss nicht zu beeinträchtigen wird bei der Nennung von Personen und Gruppen nicht nach Geschlecht differenziert. Es wird die männliche Form verwendet, wobei die weibliche ausdrücklich eingeschlossen ist.
Der Begriff „Täter“ im Mobbingkontext beinhaltet immer auch eine Opferrolle, da vor allem Kinder noch nicht in vollem Umfang für ihre Taten verantwortlich sind und diese nicht selbstständig reflektieren können, bzw. durch Erziehung und ihr soziales Umfeld in diese Rolle gedrängt wurden (vgl. Jannan 2008).
Das Schikanieren von einzelnen innerhalb einer festen Gemeinschaft, wie z.B. in Arbeitsgruppen, ist hinlänglich bekannt und schon viele Jahrzehnte Gegenstand der Sozialpsychologie. Doch wurde bei den Untersuchungen das Augenmerk anfänglich nur auf Erwachsene gelegt, da man den Kindern und Jugendlichen solch psychosoziales „Geschick“ nicht zutraute. Schikanen in der Schule wurden als normales Phänomen der kindlichen Entwicklung betrachtet, als Vorbereitung auf das Leben. Machtkämpfe und Raufereien gehörten nach Ansicht der Gesellschaft zum Schulalltag. Die langfristigen Folgen täglichen Psychoterrors in der Kindheit und Pubertät wurden erst in den 80er Jahren von dem schwedischen Persönlichkeitspsychologen Dan Olweus von der Erwachsenenwelt auf die Schule übertragen. Nachdem in Schweden drei 10 bis 14 jährige Schüler auf Grund langwieriger Mobbingattacken Selbstmord begangen hatten, bekam das Thema weltweite Medienaufmerksamkeit und auch in Deutschland begann man sich mit den psychosozialen Bedingungen in der Schule zu befassen. Doch sind es immer noch nur meist die Fälle
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körperlicher Gewalt, die in den Schulen beobachtet werden und an die Öffentlichkeit kommen. Wie es in einem Kind aussieht, das täglich niedergemacht wird, kann man oft erst erkennen, wenn es schon zu spät ist, dessen Persönlichkeit völlig zerstört ist oder es mit auffälligem Verhalten auf seine Situation aufmerksam machen will. Der lange Leidensweg, den ein Kind während eines Mobbingprozesses durchläuft, ist oft für Außenstehende nicht sichtbar und für Menschen, die nicht selbst schon Mobbing erlebt haben, nicht leicht nachzuvollziehen. Aber stellt man sich vor, jede einzelne Mobbingattacke ist wie ein kleiner Nadelstich und man wird täglich von vielleicht über 20 anderen ständig gestochen, wird klar, dass so etwas zermürbt. Es wirkt wie eine unendliche Folter. Und dass solche sozialen Erfahrungen gerade in der
Persönlichkeitsentwicklung großen Schaden anrichten und sich auf das Lernverhalten und die Beziehung zur Schule auswirken, ist offensichtlich. In vielen Fällen wirkt sich eine Mobbingerfahrung auf das gesamte Leben aus. Die Verhaltensweisen und die Beziehung zu sich selbst, die ein Mensch während seiner Entwicklung aufgebaut hat, werden Bestandteil seiner erwachsenen Persönlichkeit und können im Berufsalltag sowie bei der eigenen Familienplanung große Hindernisse aufwerfen. Somit trägt die Institution Schule und vor allem die Lehrerschaft neben den Eltern die Mitverantwortung für eine schadensfreie Erziehung der Kinder. Aber sind sie sich dessen bewusst? Wird dem Thema in der Lehrerausbildung genug Aufmerksamkeit geschenkt? Und wie reagieren die Schulen generell auf die Mobbingproblematik? - Was mich zu meiner Hauptfragestellung führt:
Was sind die Ursachen für Mobbing unter Schülern, welche
Prozesse finden statt und wie können die Schulen darauf
reagieren?
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2.1. Zum Aufbau dieser Arbeit:
Nach meiner Einleitung, die erst einmal aufrütteln und die dramatischen Auswirkungen von Mobbing verdeutlichen soll, beginne ich mit einer Definition, die von alltäglicher Schulgewalt bis hin zum eigentlichen Thema Mobbing führt. Es werden die psychosozialen Strukturen sowie die Dynamik, Strukturen und die Entstehungsprozesse betrachtet. Anschließend befasst sich diese Ausarbeitung mit den Täter- und Opferprofilen und den Auswirkungen für die Individuen. Nach diesem theoretischen Teil wird der Umgang der Schulen mit Mobbing und deren Präventionsmaßnahmen beschrieben. Um mir selbst ein Bild über die aktuelle Mobbingsituation an Schulen zu machen, habe ich eine Umfrage mit 123 Schülern an einer Hauptschule, einer Realschule und an einem Gymnasien durchgeführt, deren Ausführung und Ergebnisse ich im Weiteren erläutern werde. Abschließend fasse ich meine Erkenntnisse über die Thematik zusammen, ziehe ein Fazit und mache mir über die zukünftige Situation in den Schulen Gedanken.
Um die Begriffe zu differenzieren, die das Thema „Gewalt“ in Bezug auf meine Fragestellung beinhaltet, folgen drei Definitionen.
„Gewalt“ als Überbegriff wird als Anwendung physischen Zwangs und / oder psychischen Terrors auf andere Personen beschrieben um ihnen Schaden zuzufügen, sie der eigenen Herrschaft zu unterwerfen, eigenständige Willensbildung oder Handlungen auszuschalten,
umzulenken oder aber sich dagegen zu wehren (Gegengewalt). Im Sinne des Strafrechtes gehören neben Gewaltdelikten wie Mord oder
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Körperverletzung auch die Nötigung und Erpressung anderer zu dieser Thematik, sofern diese mit Gewaltandrohung einhergehen. Die Ursachen für Gewalthandlungen werden analog denen der Aggression gesehen. (vgl. Fröhlich 2002). Hier kann man hinzufügen, dass das Opfer bestimmt, wann ihm Gewalt angetan wird. Jeder hat hierzu seine individuelle Empfindung, bzw Schwelle, wo z.B. Spaß in Nötigung umschlägt.
Physische Gewalt
Jegliche Art von körperlicher Verletzung wird zur Sparte der physischen Gewalt gezählt. Die bei Schülern am häufigsten zu beobachtenden Handlungen sind: Schlagen, Treten, Prügeln, Stoßen, mit Gegenständen bewerfen und Festhalten. Diese Form von Gewalt ist ein überwiegend männliches Phänomen. Vor allem in der Pubertät, wenn sich die Muskeln definieren und bei diesem mehr und beim anderen weniger männliche Merkmale zu erkennen sind, steht das Kräftemessen im Vordergrund um z.B. in der Klassenhierarchie aufzusteigen. Aktuelle Untersuchungen zeigen jedoch auch unter den Mädchen einen deutlichen Aufwärtstrend physischer Gewalt (vgl. Dambach 2009).
Psychische Gewalt
Psychische Gewalt hingegen ist wesentlich subtiler und deshalb für Außenstehende oft nicht sichtbar. Menschen, die sich dieser Gewaltform bedienen, sind weit fortgeschritten in der soziokognitiven Entwicklung, was in diesem Zusammenhang bedeutet, dass die Täter erkennen, was den anderen verletzt, wo seine Schwächen liegen und wie man ihn am besten fertigmachen kann. Bei Kindern ist diese Fähigkeit noch wenig ausgeprägt, weswegen man in der Grundschule häufiger körperliche Gewalt beobachten kann. Besonders Frauen, die evolutionsbedingt eine größere emotionale Intelligenz besitzen, wenden psychische Gewalt an. Hierzu gehören zum Beispiel das Ausschließen von einzelnen aus der Gruppe, Gerüchte zu verbreiten, jemanden wegen Abweichungen der
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Norm vor anderen lächerlich zu machen und Erpressung. Das Letztere gehört eher zum männlichen Verhaltensrepertoire, da es oft mit Androhung körperlicher Gewalt einhergeht.
Aggression wird in der aktuellen Diskussion der Humanpsychologen als Einstellung, bzw. generelle Persönlichkeitseigenschaft debattiert. Beschrieben wird es als überdauernde Neigung einer Person sich feindselig, ablehnend und oppositionell zu verhalten (vgl. Fröhlich 2002). In schwerwiegenden Fällen spricht man auch von Sadismus. Die Erklärungen für Aggressivität sind sehr vielfältig. Gründe sind z.B. die Kompensation der eigenen Furcht, der Wunsch andere in Furcht zu versetzen oder eigene Interessen durchzusetzen im Sinne von „Survival of the fittest“. Die Psychoanalytiker sehen die Aggression als Instrument der Triebe und Instinkte, was heißt, dass sie dieses Verhalten als angeboren betrachten. Von Dollard und Miller stammt die „Frustrations-Aggressionshypothese“ (Dollard 1950), welche den Auslöser für aggressives Verhalten in der Zurückweisung durch Gruppen oder Autoritäten sieht. Auch das soziale Lernen, oder „Lernen am Modell“ verfestigt aggressive Verhaltensmuster. In Bezug auf die Schule kann man hierzu erwähnen, dass den Lehrern als Vorbild sehr viel Verantwortung zukommt.
„Nicht jede Gewalt ist Mobbing, aber Mobbing ist immer Gewalt“(Jannan, Mustafa (2008): Das Anti-Mobbing-Buch - Gewalt an der Schule - vorbeugen, erkennen, handeln, S. 22, Weinheim, Beltz)
Der Ausdruck „Mobbing“ wird in der deutschen Sprache erst ungefähr seit den 90er Jahren gebraucht. Geprägt hat ihn der schwedische