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Ellermann ist zurück: noch spannender und noch lustiger: Für alle Leser von Dora Heldt, Ellen Berg, Auerbach & Keller Nach seinem letzten Abenteuer will Ellermann nur noch seine Ruhe: Ohrensessel, ein Glas Bordeaux und ein bisschen Chopin. Aber dann steht Josephine in der Tür und hat eine »klitzekleine« Bitte. Und was das heißt, weiß ja wohl jeder. Aber wenn Ellermann Josephines Sommersprossen sieht und ihre bezaubernden Grübchen, dann kann er nicht Nein sagen. Auch wenn er weiß, dass »Dinge zuweilen klein anfangen, sogar klitzeklein, aber ganz anders enden können. Groß und unberechenbar«. Genauso kommt es dann auch: ein Mops ist weg, eine ehemalige Klavierschülerin Ellermanns ist tot und ihre Diamanten liegen auch nicht mehr im Safe. Und irgendwie wird Ellermann das Gefühl nicht los, dass alles mal wieder bei ihm zusammenläuft. »Mops und Todschlag« ist der zweite Fall von Klavierlehrer Ellermann. Der erste Band, »Ein toter Mann ist doch kein D-Zug« ist ebenfalls bei Piper Digital erhältlich.
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ISBN 978-3-492-98361-7 September 2017 © Berlin Verlag in der Piper Verlag GmbH, Berlin 2014 © dieser Ausgabe: Piper Fahrenheit, ein Imprint der Piper Verlag GmbH, München 2017 Covergestaltung: FAVORITBUERO, München Covermotiv: ChandraSekhar / www.shutterstock.com und Eric Isselee / www.shutterstock.com Datenkonvertierung: CPI books GmbH, Leck Sämtliche Inhalte dieses E-Books sind urheberrechtlich geschützt. Der Käufer erwirbt lediglich eine Lizenz für den persönlichen Gebrauch auf eigenen Endgeräten. Urheberrechtsverstöße schaden den Autoren und ihren Werken. Die Weiterverbreitung, Vervielfältigung oder öffentliche Wiedergabe ist ausdrücklich untersagt und kann zivil- und/oder strafrechtliche Folgen haben. In diesem E-Book befinden sich Verlinkungen zu Webseiten Dritter. Wir weisen darauf hin, dass sich Fahrenheitbooks nicht die Inhalte Dritter zu eigen macht.
Cover & Impressum
Ellermann auf der Spur
Ellermanns Geschichte
Eins
Zwei
Drei
Vier
Fünf
Im Zug
Ellermanns Geschichte
Sechs
Sieben
Acht
Neun
Zehn
Elf
Zwölf
Dreizehn
Vierzehn
Fünfzehn
Sechzehn
Siebzehn
Achtzehn
Im Zug
Ellermanns Geschichte
Neunzehn
Im Zug
Ellermanns Geschichte
Zwanzig
Im Café – einen Tag später
Ich bin’s … Ellermann
Ellermann auf der Spur
Was ist nur los mit Ellermann? Ich weiß, dass er in eine mysteriöse Geschichte hineingeraten ist. Gestern Abend hat er mir davon erzählt. Denn er schätzt meinen Rat, vertraut sich mir an. Auch wenn ich ihm als sein ehemaliger Therapeut nie bei seinen Problemen habe helfen können. Schon gar nicht bei seinem größten: Sein unberechenbares Lampenfieber hat bereits vor Jahren eine Pianistenkarriere verhindert, sodass er stattdessen seinen Lebensunterhalt mit Unterrichten verdienen muss.
Aber als ich ihn jetzt zufällig in der Stadt gesehen habe, ihm aus der Ferne zurief, reagierte er nicht. So, als hätte er mich nicht gehört. Ich bin über achtzig Jahre alt. Ich weiß, wenn etwas nicht stimmt. Und hier stimmt etwas nicht. Und ich will wissen, was. Darum habe ich beschlossen, ihm zu folgen.
Ellermann eilt in hohem Tempo die Straße hinunter, sodass ich große Mühe habe, ihm zu folgen. Ich will nicht bemerkt werden, auch wenn er sich im Gehen hin und wieder umdreht. Er biegt in eine kleine Seitenstraße ein, Richtung Bahnhof. Ich hinterher, um eine Hausecke herum. Dabei stoße ich mit einem anderen Mann zusammen. Mir fällt mein Gehstock auf den Boden, der andere verliert einen metallenen Gegenstand, der auf den Asphalt knallt. Als er ihn aufhebt, kann ich sehen, dass es sich um eine Waffe handelt. Der Mann steckt sie schnell ein, entschuldigt sich bei mir und eilt weiter. Ich blicke ihm verdattert hinterher, brauche ein paar Sekunden, um mich zu sammeln. Dann gehe ich, so schnell ich kann, weiter in die Richtung, in die Ellermann verschwunden ist. Ich kann ihn nirgends mehr entdecken, er muss im Bahnhofsgebäude sein.
In dem Menschengewirr aus Reisenden und Passanten finde ich ihn nicht, blicke mich suchend um. Unruhig gehe ich ein paar Schritte auf und ab, als ich ihn plötzlich wieder entdecke. Er steigt gerade in einen Zug, der quietschend anhält. Ich warte einen Moment, dann steige ich ebenfalls schnell ein, eine Tür weiter allerdings. Vorsichtig spähe ich den Gang hinunter. Zwei Kinder albern herum. Ihr lautes Spiel wird immer wieder von Ermahnungen der Mutter unterbrochen, die aus einem Abteil zu hören ist. Ohne Folgen. Ellermann muss hier irgendwo sein. Vorsichtig gehe ich Schritt für Schritt den Gang entlang, als ich ein Ruckeln spüre. Der Zug setzt sich langsam in Bewegung. Wir fahren ab. Ich schaue aus dem Fenster und da, auf dem Bahnsteig, da steht Ellermann. Er muss inzwischen wieder ausgestiegen sein. Ich stehe ganz dicht an der Scheibe und starre nach draußen. Hinter Ellermann wird nun in einiger Entfernung ein Mann sichtbar, schwarze Haare, Lederjacke. Es ist der Mann, mit dem ich gerade zusammengestoßen bin. Der Mann mit der Pistole. Ellermann dreht dem Unbekannten den Rücken zu. Ich möchte ihm etwas zurufen, aber er würde mich nicht hören. Heftig klopfe ich mit meinem Gehstock gegen die Scheibe, aber nur die beiden Kinder halten in ihrem Spiel inne und schauen mich erschrocken an. Die unverhoffte Stille lockt ihre Mutter aus dem Abteil, die mich vorwurfsvoll mustert, kopfschüttelnd.
Ellermann schaut nun, eher zufällig, dem abfahrenden Zug hinterher. Auf einmal zeigt sich blanke Überraschung in seinem Gesicht. Unsere Blicke treffen sich, er hat mich erkannt. Er schüttelt fragend den Kopf und bewegt die Lippen. Offenbar – so viel wird mir klar – ist er perplex, mich in dem Zug zu sehen. Wenn er wieder aus dem Zug gestiegen ist, um jemanden abzuschütteln, dann galt das nicht mir.
Der andere Mann beobachtet Ellermann weiterhin. Mir fallen seine dunkelroten Stiefel auf, vorne mit vielen Schlaufen verschnürt. Ich verliere beide aus dem Blick. Der Zug verlässt den Bahnhof. Ellermann hat mir von so einem Mann erzählt. Von einem Mann mit roten Stiefeln. Dieser Mann war Teil seiner Geschichte. Ellermanns Geschichte.
Ellermanns Geschichte
Eins
Von dem Honorar, das Ellermann beim letzten Mal von dem Banker Markowski bekommen hatte, war bald nicht mehr viel übrig. Nachdem er seine Haushälterin Martha und mich zu einem köstlichen Essen in das Restaurant »Götterspeise« eingeladen hatte, beglich er einige der dringendsten Schulden. Von dem Rest gönnte er sich eine besondere Anschaffung für sein Musikzimmer: einen großen Ohrensessel. Dunkelbraunes Leder, ergonomisch geformtes Rückenteil, verstellbare Fußstützen. Mit wunderbarer Musik von Chopin und Bruckner wollte er seine neue Errungenschaft einweihen. Zittrige Vorfreude, die ihn elektrisierte. Er hatte ein erwartungsvolles Summen auf den Lippen. Ein Glas Bordeaux stand auf dem nierenförmigen Couchtisch, die Flasche daneben, in Reichweite. Absolute Stille im Raum. Ellermann vermisste an dem Abend nicht mal das Knistern der guten alten Schallplatte.
Die Musik begann mit dem Paukenschlag einer dichten Akkordsequenz. Er schloss die Augen, führte das Glas genüsslich an seine Lippen. Der Wein schmeckte herrlich, noch ein kräftiger Schluck. Wunderbar. Aber dann: Ein falscher Ton zerstörte die Klangwelt. Es war ein Klingeln. Ellermann stockte, ein zweites Klingeln. Natürlich erkannte er es. Es klingelte an seiner Haustür. Doch er wollte es nicht hören. Er blieb einfach in dem Ohrensessel sitzen, stellte die Lautstärke mit der Fernbedienung noch einen Tick höher, und die einsetzenden Streicher erfüllten mit vollem Klang den Raum. Nichts könnte ihn stören, dachte er sich.
Kurz darauf wurde die Tür geöffnet. Martha kam herein, hinter ihr eine junge Frau: Josephine. Ellermann hatte Josephine erst vor kurzem kennengelernt. Sie war ihm zuerst aufgefallen, als sie das Grab seines verstorbenen Großvaters besucht hatte. Später hatten sie sich zufällig wieder getroffen und bei mehreren Treffen näher kennengelernt.
Die beiden mögen sich. Vielleicht auch mehr. Ellermann, leicht verliebt, sucht ihre Nähe. Er weiß andererseits sehr gut, dass sie zu verschieden sind. Es würde nicht gut gehen mit ihnen. So hat er nach dem letzten Treffen schweren Herzens beschlossen, Josephine lieber aus dem Weg zu gehen, sie nicht mehr anzurufen. Zumal, als er herausfand, dass sie früher für kurze Zeit die Geliebte seines Großvaters gewesen war. Er wusste schon immer, dass sein Großvater ein wahrer Lebemann gewesen war. Aber eine Geliebte mit mehreren Jahrzehnten Altersunterschied? Josephine mag gerade Mitte dreißig sein, noch etwas jünger als er. Vielleicht ist es gar nicht mal der Altersunterschied, der Ellermann so sehr stört, sondern vielmehr die Vorstellung, dass dieses wunderbare Geschöpf und sein Großvater…?
Die Haushälterin Martha hat zu der Liaison zwischen ihrem Chef und Josephine, die ja eigentlich gar keine ist, ihre ganz eigene Meinung. Josephine ist nämlich nicht nur charmant, sondern scheint auch vermögend. Geld spielt bei ihr keine Rolle. Da solle Ellermann sich mal nicht so zieren, bei seinem hohen Schuldenstand. Aber auch wenn Ellermann seiner Haushälterin gegenüber in vielem nachgibt, so bleibt er in dem Punkt stur. Er hat sich zwar in Josephine verliebt, wenigstens ein bisschen, er begehrt sie, aber er hat andererseits Angst davor, was kommt, wenn aus ihnen wirklich ein Paar werden sollte. Ängste hat der Arme nun wahrlich schon genug in seinem Leben. Wenn das jemand weiß, dann ich, sein ehemaliger Therapeut. Und wie ich leider immer wieder zugeben muss, ist es mir nie gelungen, ihn auch nur von einer seiner Phobien zu erlösen. Sie sitzen so fest in ihm wie verrostete Schrauben in einem alten Schiffsrumpf.
Ellermann sah Martha und Josephine zunächst nicht, denn er kniff die Augen zusammen und stellte sich schlafend. Er wollte niemanden sehen. Ein kindisches Unterfangen. Martha überlegte nicht lange, griff sich die Fernbedienung der Anlage und drehte die Musik kurzerhand ganz aus. Ellermann öffnete die Augen. Er tat überrascht. Er sah Martha an, dann Josephine. Sie sah, sehr zu seinem Leidwesen, bezaubernd aus. Weiße Bluse, halb geöffnet. Enge Jeans. Er versuchte, nicht hinzusehen. Der Versuch misslang, und heraus kam ein Lächeln als Begrüßung.
»Oh, wir haben Besuch.«
»Nicht wir haben Besuch, sondern Sie«, entgegnete Martha trocken.
»Hallo. Tut mir leid, wenn ich störe«, sagte Josephine mit einem Lächeln, das nur im ersten Moment schüchtern wirkte. Ellermann stand auf und steckte sich das Hemd in die Hose, das etwas herausgerutscht war. Martha nahm die Rotweinflasche vom Tisch und warf einen Blick auf das Etikett, stirnrunzelnd, aber ohne einen weiteren Kommentar abgebend, um sich dann wieder Ellermann zuzuwenden.
»Josephine hat eine klitzekleine Bitte an Sie.«
Dieses »klitzeklein« in Verbindung mit »Bitte« verursachte bei Ellermann ein nervöses Zucken, weiß er doch, dass Dinge zuweilen klein anfangen, sogar klitzeklein, aber ganz anders enden können. Groß und unberechenbar. Er begrüßte Josephine, wie inzwischen bei ihnen üblich, mit Küsschen links und rechts auf die Wange. Sie blies ihm dabei zart über das Gesicht. Wie zufällig. Ellermann war von einer Sekunde auf die andere in ihren Bann gezogen. Leicht schwummrig fühlte er sich, fasste sie an beiden Händen. Er liebt es, sie anzusehen. Ihre kurzen blonden Haare, die zarten Sommersprossen, die hellen Augen. Josphine ist definitiv für Ellermann vom Äußerlichen her eine Traumfrau. Andererseits ist sie von ihrem Typ her nicht die, die er sucht. Sie ist leicht überdreht, redet manchmal einen Takt zu viel, gibt sich dabei aber gleichzeitig naiv. Ich kenne sie nicht sehr gut, aber so viel ist mir klar. Man weiß nie, wie viel von dieser Naivität bei ihr gespielt ist und wie viel Berechnung. Auch Ellermann weiß das nicht. Bei Josephine fühlt er sich bisweilen wie eine Nussschale auf einem wilden Ozean mit hohen Wellen.
Die beiden standen für einen Moment stumm voreinander, bis sie sich räusperte und kurz durchatmete. Bezaubernde Grübchen links und rechts.
»Bitte hilf mir.«
Ellermann bot ihr einen Platz an. Sie setzte sich auf einen der beiden Sessel, die er seinerzeit auf einem Flohmarkt erstanden und neu hatte beziehen lassen. Sie schlug ihre langen Beine übereinander. Er konnte, auch wenn er wollte, den Blick nicht von diesen Beinen lassen. Er hatte zwar seine Hilfe noch gar nicht angeboten, aber das spielte bei der geballten Kraft von Frauen wie Martha und Josephine keine Rolle. Seine Haushälterin verabschiedete sich und ging in die Küche, um etwas Minztee aufzusetzen. Dass sie freiwillig den Raum verließ, machte Ellermann klar, dass sie offenbar schon wusste, worum es ging. Dass sie auch die Flasche Bordeaux mitnahm, sollte ihm klarmachen, dass der musikalische und entspannende Teil des Abends endgültig für ihn beendet war.
Ellermann wandte sich an Josephine, fuhr sich leicht hektisch durch das Haar.
»Was ist denn passiert? Wie kann ich dir helfen?«
»Lotto ist weg.«
»Und bitte wer ist Lotto?«
»Es ist so furchtbar.«
»Aha…aber wer ist denn Lotto?«
Sie blickte ihn etwas überrascht an, schüttelte dann über sich selbst verwundert den Kopf.
»Natürlich, das kannst du nicht wissen, woher solltest du das auch wissen?«
Er blickte sie weiter fragend an, erst dann fuhr sie fort.
»Lotto ist ein kleiner Hund. Ein kleiner Hund, verstehst du?«
»Du hast einen kleinen Hund? Das wusste ich gar nicht.«
»Das macht die Sache irgendwie noch schlimmer. Lotto gehört gar nicht mir. Er gehört einem Freund von mir. Es ist so schrecklich, dass er mir weggelaufen ist.«
Josephine spitzte den Mund, blies etwas Luft durch die Lippen nach oben in die Leere des Raumes. Ellermann folgte mit seinem Blick dem unsichtbaren Luftstrom, blieb dann an ihren Lippen hängen. Er schluckte.
»Und jetzt?«
»Wir müssen ihn suchen. Und finden. Hilfst du mir dabei? Bitte, du musst mir helfen.«
Ellermann interessierte erst mal etwas anderes.
»Wem bitte gehört denn…Lotto?«
»Wie gesagt – einem Freund von mir. Ich weiß auch nicht, wie mir das passieren konnte.«
Josephines Augen glänzten bettelnd, sie sah Ellermann an, als wäre sie selber ein Hund, der gerade durch einen Reifen gesprungen war und nun sehnsüchtig auf seine Belohnung wartete. Aber Ellermann horchte auf, als Josephine erwähnte, dass der Hund einem Freund gehörte. Was für einem Freund?, dachte er sich.
»Was für einem Freund?,« fragte er.
»Robert von Gruhnau, dem Kunstmaler.«
»Du kennst Robert von Gruhnau?«
»Ja, schon seit einiger Zeit. Wir haben uns zufällig auf mehreren Ausstellungen und Vernissagen getroffen. Und dann…na ja…wir kennen uns eben.«
»Wie ›kennen‹?«
Ellermann zuckte zusammen und sein ganzer Körper vibrierte leicht. Er, der sich gerade noch geschworen hatte, Abstand von Josephine zu halten, der nichts mehr von ihr wissen wollte, war plötzlich voll von Eifersucht. Er hatte diesen Herrn von Gruhnau noch nie persönlich getroffen, aber natürlich war ihm der Maler ein Begriff. Meist edel und teuer in maßgeschneiderte Anzüge gekleidet, ist er einerseits ein geschätzter Künstler der Stadt, andererseits auch ein Vermarktungskünstler, der selten eine Gelegenheit auslässt, sich seinen Mitmenschen und den Medien zu präsentieren. Der Mann liebt den großen Auftritt, perfekt gestylt, immer den einen Klunker mehr an der Hand, die ausladende Geste, das mächtige Wort auf den Lippen. Ein stolzer Pfau, mit Talent, aber eben auch ein Pfau.
Ellermanns Blick glitt über das zarte Antlitz von Josephine, die für einen Moment nachdenklich im Raum umherblickte. Sie spürte, dass er sie anschaute. Und er dachte nach. Wie stand sie zu Gruhnau? War ihre Beziehung enger? Wie eng? Natürlich musste Ellermann unwillkürlich an seinen Großvater und dessen Affäre mit Josephine denken. Einerseits schauderte es ihm bei dem Gedanken, dass Josephine und auch Gruhnau…andererseits begehrte er sie in diesem Moment umso mehr.
»Seit wann ist der Hund verschwunden?«
»Seit ein paar Stunden. Er ist mir durch die Haustür entwischt. Wenn ich mir vorstelle…wie konnte ich nur…das hätte mir nicht passieren dürfen…!«
Ellermann merkte, dass Josphine völlig durch den Wind war, sich öfter verhaspelte und wiederholte. Auch das machte sie für ihn aber nur noch begehrenswerter. Er spürte ihre Hilflosigkeit und versuchte, sich selber ruhig und besonnen zu geben.
»Also, es war bei dir zu Hause?«
»Ja. Aber da ist er nicht mehr. Ich hätte besser auf ihn aufpassen sollen. Weißt du, wie schnell so ein kleiner Hund sein kann? Er hat so kurze Beinchen, aber so schnell…«
Martha hatte die Tür angelehnt gelassen. Aus der Ferne, wohl aus der Küche, hörte man plötzlich ein lautes Geräusch. Ein schepperndes Geräusch. Josephine erschrak und wollte aufspringen.
»Bleib sitzen, ich seh schnell nach, was los ist.«
Ellermann eilte in die Küche. Martha stand neben der Spüle, einen Topfdeckel in der Hand, den passenden Topf und einige weitere Töpfe sowie eine gusseiserne Pfanne daneben auf der Abstellfläche. Ellermann verstand nicht sofort, was passiert war, während sie zu sprechen begann.
»Und wie sieht es aus? Was wollen Sie unternehmen? Haben Sie schon eine Idee? Es ist ja wohl keine Frage, dass wir dem armen Mädchen sofort helfen müssen.«
Ellermann runzelte die Stirn. Sein Unterkiefer neigte sich ganz langsam nach unten. Er japste nach Luft. Nun hatte er verstanden, was los war.
»Sie…Sie haben den Lärm mit dem Zeug hier nur veranstaltet, damit ich zu Ihnen in die Küche komme. Das gibt’s doch nicht.«
Martha räumte ungerührt den Topf samt Deckel in den Schrank. Sie wischte mit den Händen über ihre Schürze.
»Also – haben Sie schon eine Idee, wo Sie suchen wollen?«
Ellermann wollte etwas darauf antworten, aber rang noch nach den passenden Worten. Martha baute sich vor ihm auf. Die Arme in die Hüfte gestemmt.
»Sie wissen, dass ich Sie wirklich gern mag, Ellermann. Ich arbeite auch gerne hier. Für Sie. Aber…ich bitte Sie um eins: Vermasseln Sie es nicht.«
»Wie bitte? Vermasseln Sie es nicht?«
»Da bittet Sie diese Frau um einen Gefallen, und Sie müssen noch nachdenken, ob Sie ihr helfen. Das kann doch nicht wahr sein.«
Sie lächelte ihn an, und Ellermann war klar, dass er ihr Chef sein mochte, aber sie meist das Sagen hatte. Er kommt einfach schwer gegen sie an. Und dabei spielen seine Schulden, die er bei ihr hat, noch nicht mal eine Rolle.
»Aber warum kommt Josephine gerade zu mir?«
»Vielleicht weil sie Sie mag. Vielleicht weil sie niemand anderen hat, den sie um Hilfe bitten kann. Vielleicht auch, weil Sie so ein toller Mann sind.«
Ellermann war geschmeichelt. Der Versuch, das zu vertuschen, scheiterte kläglich.
»Sie wollen mich um den Finger wickeln, Martha!«
»Nein, ich finde Sie wirklich ganz wunderbar. Abgesehen davon, dass Sie manchmal einen kleinen Anschub benötigen. Ich weiß gar nicht, was Sie sich so anstellen. Es geht doch nur darum, einen kleinen Hund zu suchen. Einen Mops.«
»Lotto ist ein Mops? Das wusste ich nicht.«
»Spielt das eine Rolle, was für ein Hund es ist?«
»Nein…eher nicht.«
»Eben.«
»Sie wussten aber natürlich, dass es sich um einen Mops handelt?«
»Klar. Und soviel ich gehört habe, handelt es sich bei ihm um ein ganz besonderes Tier.«
»Was kann an einem Mops besonders sein?«
»Ich bitte Sie. Möpse sind ganz wunderbare Hunde, und wenn einer von ihnen nochmals herausragt, dann ist er eben besonders.«
»Was kann er denn? Übers Wasser gehen?«
Martha winkte ab.
»Ich weiß gar nicht, warum ich mich mit Ihnen auf so eine Diskussion einlasse. Darum geht es doch gar nicht. Tatsache ist, dass er verschwunden ist…«
»…und wir ihn wiederfinden sollen.«
»Sehr gut, Ellermann.«
Er nickte, eher aus Fatalismus denn aus Begeisterung. Sein Großvater kam ihm in den Sinn.
»Wussten Sie, Martha, dass mein Großvater früher auch mal einen Mops hatte? Einen weißen mit schwarzen, kleinen Flecken.«
»Nein.«
»Ist auch schon länger her.«
»Aber sehen Sie. Wenn das mal kein Zeichen ist. Sie müssen Josephine helfen!«
Martha lachte laut, Ellermann hätte sich selbst ohrfeigen können, den Hund seines Großvaters überhaupt erwähnt zu haben. Damit hatte er ihr erst recht ein Argument an die Hand gegeben.
»Also noch mal – haben Sie schon eine Idee, wo Sie suchen könnten?«
Ellermann fühlte sich wie ein altersmüder Hirsch am Ende einer Treibjagd. Er würde nach diesem Mops suchen. Sein Konzertabend im neuen Sessel war damit beendet.
»Der Hund gehört diesem Kunstmaler von Gruhnau. Sie hat Lotto gerade als Urlaubsvertretung bei sich. Wenn er Josephine entlaufen ist, dann ist er vielleicht direkt nach Hause gerannt.«
»Zu Gruhnau nach Hause?«
»Ja.«
»Gute Idee. Zumal das wohl gar nicht so weit entfernt ist. Sie sollten dort mit Ihrer Suche beginnen.«
Martha klopfte ihrem Chef zärtlich gegen den Bauch, der immer ein kleines bisschen hervortritt, was auch an ihrer ausgezeichneten Kochkunst liegt.
»Ich bin stolz auf Sie. Und Sie werden sehen, die Sache hat sich ruck, zuck erledigt.«
Ellermanns – wie gesagt – nicht wirklich kleiner Bauch verhieß ihm leider etwas anderes. »Ruck, zuck« hat für ihn einen ähnlich fatalen Klang wie »klitzeklein«. Es sind nur Worte, um jemandem Sand in die Augen zu streuen.
Zwei
Keine zehn Minuten später waren Ellermann und Josephine auf dem Weg zu Gruhnaus Anwesen, das etwas außerhalb der Stadt im Grünen liegt. Der Kunstmaler hat sich dort vor einigen Jahren eine alte, aufgelassene Fabrik gekauft, aber die Gebäude erst teilweise wieder renoviert. An einem Ort, an dem früher einmal in großen Mengen Senf hergestellt wurde, war nun die Kunst eingezogen. Gruhnau ist als Maler anerkannt, auch wenn seine Werke bei Weitem nicht den Preis erzielen wie die anderer Maler der Gegenwart. Er wechselte und wechselt mit der Zeit auch seinen Stil. Seit einigen Jahren hat er sich wieder meist dem Konkreten verschrieben.
Josephine hatte trotz der Kühle der Nacht die Seitenfenster von Ellermanns Wagen geöffnet, sodass der Wind durch das Wageninnere blies. Sie neigte den Kopf zur Seite, etwas zum Fenster hinaus und ihr geblümtes Kopftuch flatterte im Wind. Während der Fahrt sprachen die beiden kein Wort. Ellermann fror. Seine Hände umklammerten zitternd das Lenkrad, aber er wollte nichts sagen, denn Josephine schien die Frische des Windes mit vollem Herzen zu genießen. Trotz ihrer Sorge um den Hund. So biss sich Ellermann lieber auf die blaue Unterlippe und riskierte bisweilen einen Blick zu ihr hinüber. Natürlich spürte auch Josephine, dass Ellermann sie mit Blicken fast wie ein Teenager berührte, aber sie gab das nicht zu erkennen.
Gruhnaus Anwesen lag ein Stück von der Hauptstraße weg, am Ende einer kleinen Sackgasse, die nächsten Häuser waren einige Hundert Meter entfernt. Das Anwesen war von einer etwa vier Meter hohen Mauer umgeben, die Gruhnau selbst in Auftrag gegeben hatte. Neben dem sternenklaren Himmel erwartete sie eine ländliche Stille. Nichts war zu hören. Sie blickten sich fragend an.
»Und jetzt? Was machen wir jetzt? Wie und wo sollen wir anfangen?«
Ellermann hatte auf Josephines Frage auch keine rechte Antwort, im Grunde genommen nur ein Schulterzucken. Er schaute sich um. Plötzlich hörte man ein leises Winseln. Josephine strahlte Ellermann an.