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Eine Leiche im herbstlichen Gardon: Als Detektiv Claude Bocquillon einen toten Mann aus dem Fluss zieht, ahnt er noch nicht, dass diese Tragödie auch ihn betrifft. Bevor er herausfindet, warum sich sein Freund Julien so seltsam verhält, wird dieser verhaftet und in das chaotische Gefängnis von Nîmes gebracht. Im Laufe der Ermittlungen, die Claude auf menschenleere Hochebenen und zu urbanen Travestieshows führen, geraten er und sein Freund an ihre Grenzen …
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Seitenzahl: 377
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Laurent Bach
Mord am Fluss
Bocquillons vierter Fall
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Inhaltsverzeichnis
Titel
Kapitel 1 - Samstag
Kapitel 2 - Sonntag
Kapitel 3 - Montag
Kapitel 4 - Dienstag
Kapitel 5 - Mittwoch
Kapitel 6 – Donnerstag
Kapitel 7 - Freitag
Kapitel 8 - Samstag
Impressum neobooks
Es fühlte sich seltsam an.
Claude biss sich auf die Lippen und warf einen Kieselstein in den Fluss. Er lauschte auf das tiefe, fast melodiöse Glucksen. Die Nacht war mild und der Mond erhellte die zarten Kreise auf dem Wasser. Der Tarn floss in einem weiten Bogen am Fuß des Felsens entlang, nah an seinen Füßen vorbei.
Amelie ging von ihm. Sie war nun Frederics Frau. Ja, es fühlte sich definitiv seltsam an, ob er nun schwul war oder nicht. Das war völlig egal.
Musik erklang aus dem Saal, der wie die anderen drei Häuser in den Felsen gebaut worden war, direkt über dem Fluss. Amelie und Frederic hatten unbedingt hier in Castelbouc feiern wollen, der pittoresken Atmosphäre wegen. Eine schöne Stimmung dort oben, Gelächter, das sich zu einem Kreischen steigerte. Bestimmt musste Amelie gerade ihr Brautkleid höher den Schenkel hinauf ziehen. So war der Brauch: die Männer warfen Münzen in einen Hut, damit die Braut ihr Strumpfband öffentlich ablegte, die Frauen warfen ebenfalls ihren Obolus hinein, damit die Braut das Kleid wieder hinunterziehen durfte.
Der Tarn war noch warm und hin und wieder sah man tagsüber Einheimische, die jetzt, Anfang Oktober, darin badeten, genau wie im Gardon von Anduze. In seinem Rücken stieg die Causse Mejean auf, eine der vier kargen Hochebenen, auf der nur Schafe grasten und Touristen Einsamkeit und Ruhe auf ihren Wanderungen fanden. Da saß er nun, am Eingang der Tarnschlucht, und warf Steine ins Wasser.
Amelies Hochzeit störte sein Befinden in einer Art und Weise, mit der er nicht gerechnet hatte. Es war nicht die Einsamkeit, nein, er hatte Julien, seine Freunde und die Familie. Und doch schien ihm Amelies morgiger Aufbruch in die Flitterwochen als Einschnitt in sein Leben, eine Zäsur, mit der er fertig werden musste. Frederic hatte ihn in ihrem Herzen verdrängt, ihn vom Thron gestoßen. Vielleicht war es das, was ihm zu schaffen machte. Niemand ließ sich gern verdrängen. Womöglich war er sogar neidisch, weil Amelie ihren Platz im Leben gefunden hatte, ihre Arbeit, ihren Mann, ihr Haus. Kannte er schon seinen Platz und seine Zukunft? Alles blieb vage und unbestimmt in seinem Leben. Er seufzte. Aber gut, Hauptsache, sie würde glücklich sein und ihren Weg weiter gehen. Claude hob den Kopf und atmete tief ein. Wenn Heimat riechen könnte, würde sie so riechen wie hier, würzige Herbstluft mit Einsprengseln von schwerer Feuchte und Kastanienwald. Hoch über ihm verlief die nördliche Uferstraße, doch um diese Uhrzeit war kein Auto zu hören. Doch die letzten Grillen gaben ihr Bestes und kreischten beharrlich gegen den beginnenden Herbst an, als wollten sie es nicht wahr haben, dass ihre Zeit bald vorüber war.
Sein Hintern tat allmählich weh von den harten Steinen des Ufers. Claude kam mühsam auf die Beine. Schwindel setzte er, er hielt sich an einem der Zweige fest, die über den Fluss hinaus ragten. Der Wein, verdammt, er sollte es langsam angehen lassen. Die Musik war inzwischen verstummt, nun hörte er das Gemurmel der Gespräch und Schritte im Kies.
Zwei Personen. Claude drehte sich um.
„Hier bist du!“, rief Amelie und zog Frederic mit sich. Sie waren ein verdammt schönes Paar, Amelie mit ihrer kecken Kurzhaarfrisur und dem cremefarbenen Hochzeitskleid, das ihre Figur gut zur Geltung brachte. Frederic trug einen maßgeschneiderten schwarzen Anzug und erinnerte Claude ein wenig an Daniel Craig als James Bond.
„Ich wollte nur etwas Luft schnappen. Ist auch schon spät. Wir hauen gleich ab“, sagte Claude und räusperte sich, um seine Melancholie zu verstecken.
„Du willst nicht mehr bleiben?“, fragte Frederic erstaunt.
Claude schlug ihm leicht auf den Arm. „Du bist doch froh, wenn du einen Konkurrenten los bist.“
Frederic wedelte mit der Hand. „Stimmt, also hau ab.“ Er drehte sich um. „Da kommt auch schon deine Frau.“
Claude sah an Frederic vorbei und erkannte Juliens Gestalt im Mondlicht. Sein Herz schlug schneller, als sein Freund die Hand lässig in die Hosentasche steckte und näher trat. Er sah atemberaubend aus in seinem anthrazitfarbenen Anzug, mit den schmalen Hüften und dem Dreitagebart, den er seit einiger Zeit sorgsam hegte und pflegte. Seine Augen schienen zu funkeln und die markante Hakennase warf einen geheimnisvollen Schatten auf seine Züge. Claude wollte ihm am liebsten die Kleidung vom Leib reißen und mit ihm ins warme Wasser tauchen so wie damals, als sie sich zum ersten Mal gesehen hatten. Was hatte Frederic gesagt? Seine Frau? Na ja, ein wenig zu männlich, aber es stimmte. Sie gehörten zu einander.
„Gut, dann brechen wir jetzt auf. Das Taxi müsste gleich kommen. Wir gehen zur Straße hinauf.“
Claude umschlang Amelie an der Taille und drückte sie an sich. „Und du bist dir sicher, dass dieser Idiot dich glücklich machen wird?“, flüsterte er in ihr Ohr. Amelie küsste ihn auf die Wange und lehnte sich für einen Moment an ihn.
„Ja, das bin ich. Sorg dich nicht um mich.“
„Dann bin ich beruhigt. Alles Gute, Amelie, und schöne Flitterwochen in Lissabon.“
Ein letztes Mal küssten sie sich auf die Wange, Amelies kühle Hand fuhr über seine Haut, dann drängte sich Frederic zwischen sie.
„He, genug geschnäbelt. Komm her.“
Ein kräftiger Arm legte sich um Claudes Nacken. Frederic duftete nach einem teuren Aftershave. „Danke, Claude, für alles.“ Seine Stimme war rau. Claude nickte nur und schlang die Arme um seinen Freund.
„Pass gut auf sie auf.“
„Sie ist alles, was ich habe, Claude, das weißt du doch.“
„Ja, natürlich. Viel Spaß euch beiden. Lasst es noch richtig krachen.“ Claude atmete tief ein, als er sich von Frederic löste. Amelie hatte Julien im Arm und flüsterte auf ihn ein, was Claude amüsiert beobachtete. Dann drückte auch Frederic Küsse auf Juliens Wange und bald darauf waren sie nur noch Schatten, die zwischen Platanen und Kiefern den schmalen Pfad zum Saal hinauf gingen, aus dessen Fenster Licht auf das Wasser fiel.
„Was hat sie dir gesagt?“, fragte Claude, als Julien neben ihm stand und sie den Weg ihrer Freunde verfolgten.
„Ich solle gut auf dich aufpassen.“
Dann kann ja nichts mehr passieren, dachte Claude in stiller Belustigung. Julien drehte sich zu ihm um und musterte ihn liebevoll. Claude zog ihn zu sich. Ihre Lippen trafen sich zu einem Kuss, der den Schmerz des Abschieds verdrängte. „Was ich hiermit tue“, hauchte Julien noch in sein Ohr, bevor sie einander unterhakten und langsam am Fluss entlang gingen. Wilde Gärten, Buchshecken und graue Steinhäuser säumten ihren Weg. Es roch leicht nach Moder, nach Verfall, als wäre die Erde von verrottenden Blättern gesättigt und vom Blut der Tiere, die den Winter nicht mehr sehen würden. Sie überquerten den rauschende Tarn auf einer schmalen Betonbrücke und stiegen zur Straße hinauf, wo in diesem Moment ein Taxi am Straßenrand hielt. Claude ließ die Lichter, die Freude, die gelöste Stimmung hinter sich, doch die Ahnung von Tod und Vergänglichkeit blieb. Er drehte sich nicht um, sondern stieg hinten ein und sog im Inneren des Wagens den Geruch von Kunstleder und Zigaretten ein, als suchte er in der Gegenwart nach dem Grund für seine wehmütige Stimmung.
„Nach Anduze, bitte.“ Es dauerte nicht lange, bis Juliens Kopf an seine Schulter fiel. Über eine Stunde Fahrt lag vor ihnen. Der Wagen folgte dem Verlauf der Tarn, dann begleitete sie die kühle, unnahbare Mimente an der N 106, bevor sie den Pass überquerten. Als die Burgruine von Saint-Julien-d’Arpaon ihre verfallenen Zinnen in das Mondlicht reckte, spürte Claude ein unheilvolles Kribbeln. Julien schlief an seiner Seite, es war bereits zwei Uhr morgens, doch er fand keine Ruhe und dachte plötzlich an finstere Gespenster, die aus dem brüchigen Donjon heraus krochen und ihm folgen würden. Selbst, als sie die Berge verließen und sich nach der Abfahrt im Osten das weite Becken von Alès mit seinen Lichtern vor ihnen erstreckte, konnte er nicht aufatmen. Irgendetwas stimmte nicht, er konnte es fühlen.
Anduze lag im tiefen Schlaf, als der Taxifahrer sie auf dem Parkplatz am Fluss hinausließ und Claude ihn bezahlte. Julien reckte und streckte sich. Als Claude seine Geldbörse wieder einsteckte, sah er, dass sein Freund auf die schmale Brücke getreten war und ins Wasser starrte. Der gleiche Mond und die gleichen Sterne warfen ihr brechendes Licht in die Wellen.
Er ging zu Julien, sie setzten sich in ihren guten Anzügen auf den Rand der staubigen Brücke und ließen ihre Beine baumeln. Julien würde heute Nacht in Claudes Wohnung übernachten und nicht in sein Appartement in Alès zurückkehren, das er sich gemietet hatte. Für den Übergang. Es war noch nicht entschieden, wo sie zusammen wohnen würden. Und ob es überhaupt eine Wohnung gab, die beiden Intimität und trotzdem ein gewisses Maß an Ungebundenheit schenkte. Claude hatte kein Problem mit dieser Frage. Eines Tages würde sich etwas ergeben, von dem sie beide überzeugt waren. Virenque hatte damit auch kein Problem. Dem Kater war es egal, wer ihm die Dose öffnete. Ob nun seine Mutter, Julien, er selbst oder Amelie …
„Bist du traurig wegen der Heirat? Es ist anders als vorher, nicht wahr?“
Claude lächelte. Julien hatte inzwischen ein gutes Gespür für seine Gefühle entwickelt.
„Tja, ein bisschen vielleicht. Aber sie bleibt uns ja erhalten“, gab er zurück. Seine Hand tastete unwillkürlich umher, er ergriff einen rauen Schotterstein und warf ihn ins Wasser. Es gluckste, der Pegel des Wassers war niedrig und die Wellen nur mäßig. Das Licht der Straßenlaterne am Parkplatz verlieh dem Spiel des Wassers Leben.
„Ja, im Doppelpack sozusagen.“ Julien nickte. Claude musste lachen.
„Das wird noch lustig mit uns. Der gestrenge Herr Kommissar und wir beide. Aber du weißt ja, wie er es meint, wenn er stichelt.“
„Mir würde direkt etwas fehlen, wenn er uns in Ruhe ließe.“ Julien grinste. Claude warf ein paar weitere Steine ins Wasser und wartete auf das Glucksen. Doch er hörte nichts. Kein Plätschern, kein einziges Geräusch. Verdutzt sah er ins Wasser, wo er schemenhaft etwas Ungewöhnliches erkannte, etwas, das nicht dorthin gehörte. Zu ihren Füßen trieb ein dunkler Schatten, der wie ein Sack aussah, ein länglicher Sack, der etwas kreiselte. Claude schrie auf und zog unwillkürlich seine Beine hoch, als er erkannte, dass ein menschlicher Körper langsam an ihnen vorbei zog, ein Gesicht, ein Rumpf, der Bauch nach oben, dann die Beine. Die Steinchen waren auf diesem Mann gelandet, der so tot war, wie es eben nur ging. Er eckte an, blieb an Felsbrocken hängen, um dann wieder von der schwachen Strömung mitgenommen zu werden.
„Claude!“, schrie Julien und sprang hoch. Claude rappelte sich auf, blickte wie erstarrt auf die bizarre Figur, die sich allmählich von ihnen entfernte. Er sah Julien an.
„Verdammt, was ist das? Wer ist das?“ Julien schüttelte den Kopf. „Für einen Moment dachte ich …, aber nein, das ist unmöglich.“
„Ruf die Gendarmerie an“, rief Claude und zog sich die Schuhe von den Füßen. Eine Leiche war unterwegs. Das war etwas für Leutnant Bertin, dem Chef der Gendarmerie und – verdammt, ja – Liebhaber seiner Mutter. Mit einem Satz sprang Claude ins Wasser, die ungewohnte Kühle setzte sich wie ein Schraubstock an seine Beine, dann arbeitete er sich vorwärts. Das Wasser reichte ihm bis an die Hüfte, sodass er es mit beiden Händen von sich weg schaufelte, um voran zu kommen. Die Leiche trieb in Richtung Ufer, auf den Stein zu, auf dem er manchmal saß, wenn er nachdenken wollte. Dann nahm sie doch wieder einen Bogen und trieb erneut zur Flussmitte hin, sodass Claude den Weg abkürzen konnte und sie bald erreicht hatte. Er packte die Beine, die so steif waren, dass er sich ekelte und sich am liebsten die Hände am Jackett abgewischt hätte. Doch er hatte den Körper nun im Griff. Mühsam schnaufend zog er seine Last rückwärts. Er drohte über die Steinbrocken zu stolpern, er schwankte und fing sich wieder. Der Arm des Toten strich an seiner Jacke vorbei. Gut, dass er die neuen Schuhe ausgezogen hatte. Den Anzug konnte er wahrscheinlich sofort in die Mülltonne werfen. Die Vorstellung, Kleidung zu tragen, die Kontakt mit einer Leiche gehabt hatte, weckte Abscheu in ihm.
Bei einem Blick über die Schulter sah er, dass Julien telefonierte und ihm gleichzeitig zu winkte. Einige Minuten später hatte Claude sich bis zur Brücke vorgearbeitet und den Leichnam in Richtung Ufer gezogen. Julien folgte, gab ihm Anweisungen und warnte ihn vor Stolperstellen und tief hängenden Zweigen. Ein blaues Licht zuckte die Hauswände entlang und schimmerte durch das Gebüsch. Endlich, die Kavallerie traf ein. Claude schnaufte seine Anstrengung hinaus. Seine Hände waren inzwischen eisig und die Zähne schlugen aufeinander. Nun kam Julien hinzu, er stieg mitsamt Schuhen ins Wasser und packte den Mann bei den Achseln. Gemeinsam hievten sie die schwere Leiche auf den grasigen Uferrand. Als er geborgen war, reckte Claude seinen schmerzenden Rücken und strich sich eine Locke aus der Stirn. Im Licht der Scheinwerfer sah er, dass Julien sich über den Toten beugte, die Augen weit aufgerissen.
„Aber, das ist doch …“ murmelte sein Freund.
„Du kennst ihn?“ fragte Claude schwer atmend. Er fror erbärmlich und wäre am liebsten sofort heim gegangen. Aus dem Wagen stieg Jean Bertin aus, stämmig, kräftig, missgelaunt.
„Ja,“ hauchte Julien perplex. „Das ist Jerôme. Jerôme Malakov. Aus …“
Seine Stimme brach, er sah Claude ein wenig schuldbewusst an. Eine kalte Hand umklammerte Claudes Herz. Ein Gruß aus Juliens Vergangenheit lag tot vor ihnen, ein nicht mehr ganz junger Mann, wie man nun im spärlichen Licht erkennen konnte, aber groß, gut gebaut, etwas schlaksig. Sein Gesicht war weiß und aufgedunsen, auf seiner Brust leuchteten ihm Pailletten entgegen, die den Pariser Eiffelturm zeigten. Das T-Shirt schien hellblau oder hellgrün zu sein, türkis gar. Als Claude sich etwas näher an das Gesicht herantraute, sah er, dass die Augenbrauen dünn gezupft waren.
„Du hattest mal was mit ihm, oder?“ Diese Worte kamen ihm so schwer über die Lippen. Dabei war er nie eifersüchtig gewesen. Vielleicht war es anders, wenn man eine gemeinsame Zukunft plante. Die Geister der Vergangenheit mussten sich erst als harmlose Erlebnisse herausstellen, bevor man einander sozusagen das Ja-Wort gab.
Julien nickte und biss sich auf die Lippen.
„Aber – eine Tunte? Hab ich da was verpasst?“
Julien blies mit einem unschuldigen Ausdruck die Wangen auf und legt den Kopf schief, doch
bevor er sich näher erklären konnte, brach jemand durch das Gebüsch. Bertin bahnte sich mit den Armen den Weg zu ihnen. Die Haare des Gendarmen standen in alle Himmelsrichtungen und das Hemd unter seiner dünnen Jacke war falsch zugeknöpft. Claude war unwohl zumute. Sicher hatte der Anruf ihn den Armen seiner Mutter entrissen, sie hatten bereits eine Stunde früher Amelies Hochzeit verlassen.
„Was ist los?“ Die polternde Stimme trat eine Lawine in Claudes Innerem los. Schon einmal hatte ein Ex-Geliebter Juliens vor ihm gelegen. „Nicht schon wieder“, stöhnte er leise. Julien sah ihn an, angespannt und ernst, er erinnerte sich bestimmt an den gleichen Fall. Claude konnte ihm keinen Mut zusprechen. Wenn sich herausstellte, dass der Mann ermordet worden war, würde Bertin gleich wieder Verdacht gegen Julien schöpfen. Verdächtigungen, Verhöre, Verhaftungen … Er atmete tief ein. Immer langsam, dachte er, noch ist gar nicht klar, wie er gestorben ist.
„Nichts ist los. Wir haben einen toten Kerl aus dem Gardon gefischt.“
Der Strahl einer Taschenlampe erleuchtete das bleiche tote Gesicht. Bertin trat näher.
„Wie ist der denn angezogen? Und überhaupt … Einer von euch?“ Bertin leuchtete erst Claude, dann Julien direkt ins Gesicht, bevor der Strahl wieder zu dem Toten wanderte.
„Ja, einer von uns“, antwortete Julien gereizt. „Ich kenne ihn. Jerôme Malakov aus Nîmes . Wir haben uns vor einem halben Jahr mal getroffen.“
„Wie alt?“
„Ungefähr 35.“
„Ein Russe?“
Julien zuckte die Schultern. „Wahrscheinlich.“
„Angehörige? Wohnort?“
„Ich glaube, einen Bruder. Wo genau er in Nîmes gewohnt hat, weiß ich nicht.“ Julien schien verblüfft darüber zu sein, dass er so wenig von seinem Bekannten wusste.
„Was sucht der hier? Dich?“
Die vertrauliche Anrede Juliens kam Claude seltsam vor, doch seitdem Bertin quasi zur Familie gehörte, duzte er Julien.
„Keine Ahnung. Das ist dein Job“, kam Claude Juliens Antwort zuvor.
Bertin brummte nur etwas Unverständliches und sah sich um. Sergeant Joberton, ordentlich in seine Uniform gekleidet, war seinem Chef gefolgt, sodass nun vier schweigende Männer einen Kreis um den Toten bildeten. Bertin kniete sich nieder, um nach einer äußeren Verletzung zu suchen. Als er den Kopf drehte, schloss Claude kurz die Augen. Als er sie wieder öffnete, zog Bertin gerade eine Geldbörse aus der Jeanstasche. Dann erhob er sich, klopfte sich die Hose ab und starrte erneut auf die Leiche. „Der Schädel sieht verdächtig aus. Er ist auch wohl schon länger tot und im Wasser.“
„Vielleicht tust du jetzt mal was?“ forderte Claude und schüttelte den Kopf über die Mutmaßungen Bertins, doch dieser warf ihm einen genervten Blick zu, öffnete die Brieftasche und fand einen Ausweis. Dann orderte er in einem Telefonat Verstärkung aus Nîmes an, die Spurensicherung sowie einen Transport, der den Toten in die dortige Pathologie bringen würde. Julien stand immer noch neben ihm, stumm, fast abwesend. Dachte er darüber nach, wie und warum sein Kumpel hierher gekommen war? Genau dieser Sachverhalt störte Claude. Der ungewöhnliche Besuch und sein bizarres Ende hingen wie ein drohendes Schwert über ihnen. Joberton kehrte zum Fahrzeug zurück und kam kurz darauf mit einer Plane wieder. Als diese sich auf Jerôme Malakov senkte, atmete Claude auf, als verschwände mit dem Leichnam auch seine Sorge. Er drückte Juliens Hand. Er hatte ja gewusst, dass etwas an diesem Abend nicht stimmte. Das Wasser war schuld. Er hatte mit seinen Steinen die Geister des Wassers heraufbeschworen, den Nöck, den Pépé-Crochet, die Nixen, wen auch immer. Die Geister der Tarn, die dann aus den silbrigen Wasserkreisen heraufgestiegen waren und ihn über die verräterische Mimente bis an den Gardon verfolgt hatten. Und im Gepäck brachten sie eine Wasserleiche mit und legten diese auch noch zielgenau vor seine Füße.
„Können wir heimgehen?“ Er wagte kaum, diese Frage zu stellen. Bertin wollte erst etwas entgegnen, doch dann betrachtete er sie, durchbohrte sie mit seinem dunklen Blick. Dann nickte er. „Gut. Morgen früh dann die Befragung. Um zehn Uhr.“
„Danke, Jean.“
Bertin brummte erneut vor sich hin und setzte sich auf Claudes Stein, der nicht weit entfernt lag, während Joberton nach einem hiesigen Arzt telefonierte, der einen ersten Blick auf Jerôme werfen sollte. Leise Dankbarkeit und Erleichterung stiegen in Claude auf. Normalerweise hätten sie jetzt noch zwei oder drei Stunden in der Gendarmerie fest gehangen, doch Bertin zeigte ein Herz für übermüdete Hochzeitsgäste. Endlich ins Bett, endlich Juliens Haut an seiner spüren, seine warmen Arme. Und auf seine Worte horchen, denn er würde ihm noch das mit Jerôme etwas ausführlicher erklären müssen. Seit wann stand Julien auf Tunten?
Na ja, warum nicht, dachte er, als sie im Bett lagen. Virenques Schnurren kam aus Richtung Fußende, wahrscheinlich lag er auf den Beinen seines Freundes. Es gab so viele Fragen, da war die nach Juliens Geschmack zweitrangig. Jerôme war doch sicher mit dem Auto hergekommen. Wo stand es? Wie lange war er schon hier gewesen? Wo hatte er Unterkunft gefunden? Doch Juliens düsterer Ausdruck machte es Claude schwer.
„Wann hast du ihn zum letzten Mal gesehen?“, fragte er mit sanfter Stimme und strich ihm über die Brust. „Erzähl mir doch von ihm.“
„Das willst du gar nicht hören.“ Julien schloss die Augen vor dem grellen Nachtlicht. Claude schaltete die Lampe aus, sodass nur noch das gedämpfte Licht der Straßenlampe ins Zimmer fiel.
„Weißt du denn, was er hier gewollt hat? Hat er sich bei dir gemeldet? Wollte er wirklich zu dir?“
Die Brust hob und senkte sich mit seiner Hand. „Er wollte immer zu mir. Er hat mich gestalkt, Claude, wollte nicht loslassen.“ Julien legte sich die Hand vor die Augen und verzog sein Gesicht. Claude erschrak und schoss aus seinem Kissen hoch. „Was? Seit wann schon? Wann zuletzt? Nun sag es mir doch.“
Julien schüttelte den Kopf. „Ich kann nicht. Ich will diese ganze Scheiße vergessen.“
„Du bist jetzt sicher vor ihm. Da kannst du mir doch ein wenig mehr erzählen, oder?“
Juliens Hand wanderte zu Claudes Wange, berührte spielerisch seine Haut. „Zuletzt hatte ich vor vier Wochen eine SMS bekommen. Davor praktisch jede Woche entweder einen Anruf oder einen schwülstigen Liebesbrief. Als ich noch in Nîmes gewohnt habe, stand er so oft vor meiner Tür, dass der Vermieter schon Ärger gemacht hat. Dabei waren es nur zwei, drei gemeinsame Nächte, vor einem halben Jahr ungefähr. Er war sowieso nicht mein Typ. Es war eher ein Zufall.“
Ein Date kurz vor ihrem gemeinsamen Urlaub in Paris, na toll, dachte Claude und fiel ins Kissen zurück. Doch dann schämte er sich. Sie hatten sich immer Freiheiten gegönnt, da konnte er jetzt nicht anfangen, eifersüchtig zu sein.
„Naja, du bist eben ein begehrter Typ“, seufzte er und drehte sich auf die Seite. „Nicht nur die Lederjungs, sondern auch Tunten sind hinter dir her.“
„Ja, ich hab’s schon schwer“, sagte Julien und sah ihn verschmitzt lächelnd an. „Du bist mir nicht böse?“ Für einen Moment wurde sein Ausdruck wieder besorgt.
„Nein, warum sollte ich?“
„Und dass er eine Tunte ist … das war früher anders. Anfangs war er normal männlich. Erst, als ich mit ihm zusammen gewesen war, faselte er etwas von Erfüllung gefunden und der richtigen Lebensweise und so.“
„Klar, du hast es ihm so toll besorgt, dass er nicht mehr wusste, ob Männlein oder Weiblein“, sagte Claude trocken.
„Jetzt hör auf, Claude. Der arme Kerl, er war schon irgendwie komisch. Aber du weißt doch, wie schwer das ist. Aber weißt du, was er dann gemacht hat?“
„Du wirst es mir gleich sagen.“ Claude war zufrieden mit seiner Ausbeute. Hatte Julien erst einmal den Anfang gefunden, konnte er nicht mehr aufhören.
„Er ist Travestiekünstler geworden, in einer kleinen Truppe in Nîmes. Singen konnte er immer schon, er war in einem Männerchor.“
„Bestimmt Countertenor.“
Prompt bekam Claude einen Ellbogen in die Rippen.
„Claude! Es hat ihm Spaß gemacht und er war wirklich nicht schlecht. Ich hab mir zwei Mal ihre Bühnenshow angesehen. Witzig, ironisch, überzeugend. Auch wenn ich ihn kaum kannte, nehme ich ihm sofort ab, dass er das Ziel seines Lebens gefunden hatte: die Bühne, die Musik. Nur, dass ich nicht daran teilhaben wollte, hat er mir übelgenommen.“
„Wie fühlst du dich jetzt?“, wollte Claude wissen.
Julien zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es nicht. Wenn er wirklich wegen mir in der Gegend war – und davon gehe ich aus – sollte ich mich ja eigentlich schuldig fühlen an seinem Tod. Aber es ist alles so verrückt, wie in einem Dejà vue. Weißt du noch? Pascals Tod durch die Dampflok? Da habt ihr mich an den Eiern gehabt.“
Ihr erster gemeinsamer Fall hätte Julien beinahe ins Gefängnis gebracht. Doch Claude fiel eine Alternative zu diesem Mordfall ein.
„Damals bei Pascal wurde auch Selbstmord vermutet. Kann es nicht sein, dass Jerôme in deiner Nähe aus dem Leben scheiden wollte, Bühnenerfolg hin oder her? Er wollte vielleicht, dass du dir Vorwürfe machst.“
„Das kann sein. Er war recht sprunghaft, mal sanft, dann wieder durchgeknallt.“
„Eine Diva auch noch“, murmelte Claude. „Wir müssen einfach abwarten, was die Autopsie ergibt. Es ist Unsinn, sich jetzt schon Gedanken zu machen, wer Jerôme ermordet haben könnte. Es kann alles harmlos sein.“
„Der Tod ist nie harmlos.“
Claude verdrehte die Augen und gab Julien einen Kuss auf die Schulter. Sein Geliebter drehte sich um, worauf Virenques Schnurren verstummte und der Kater sich einen anderen Schlafplatz suchte. Claude rückte nah an Julien heran und legte den Arm auf seine Hüfte. Trotz der Wärme und Geborgenheit an Juliens nacktem Rücken dauerte es eine Weile, bis Claude müde wurde und sich die Gedanken, die um diesen denkwürdigen Tag kreisten, endlich verflüchtigten.
„Er ist erschlagen worden, nicht ertrunken“, sagte Sergeant Joberton und reichte Bertin den vorläufigen Obduktionsbericht, der gerade das Faxgerät verlassen hatte.
Bertin nickte und fuhr mit dem Finger über die wichtigsten Zeilen. Allmählich kannte er die Aufteilung des Formulars, ihre Spalten und Diagramme, was ihm jedoch nicht sonderlich gefiel. Tote und erst recht Mordopfer mochte er nicht. Während er immer noch Einfluss nehmen konnte auf seine anderen Vorgänge und Aufgaben, sei es ein Autounfall, ein Einbruch oder eine Schlägerei, fühlte er sich durch den Tod in seine Schranken gewiesen. Nichts war endgültiger als eine Leiche.
„Ca. 35 Jahre alt, guter Muskeltonus, keine Narben – alles unwichtig. Gewebe aufgeweicht – ja klar. Keine Wasseraspiration, hintere Schädeldecke rechts, kantiger Gegenstand, ungefährer Todeszeitpunkt am 4. Oktober zwischen 17 und 19.30 Uhr.“
Er strich sich über den Schnauzbart, rollte unwillkürlich die Blätter zusammen und schlug die Rolle leicht in seine Hand. „Also am Freitagabend, nicht am Samstag, als die Hochzeit stattfand.“
Joberton stand noch in der Tür zum Empfangsraum, in dem er residierte, und verzog seine Augenbrauen zu einem imaginären Fragezeichen.
„Das Alibi“, erklärte Bertin. „Julien Torange kennt diesen Mann, diesen hier Wildfremden aus Nîmes. Was sollte Malakov schon hier suchen außer seinen alten Kumpel?“
„Diesen Gedanken hatte ich auch schon. Ich habe mir deshalb heute früh erlaubt, die Kollegen in Alès zu bitten, mal nach dem Fahrzeug des Toten zu suchen.“
„Im Umkreis von Juliens Wohnung?“
„Ja.“ Joberton nickte und drückte seine Brust heraus. Der schlanke Sergeant sah auf die Uhr an der Wand. „Die beiden Zeugen werden ja wohl gleich erscheinen.“ Bertin folgte seinem Blick. „Ja, du hast noch Zeit, mir ein Croissant zu kaufen und einen Kaffee zu bringen.“
Joberton presste die Lippen zusammen und verschwand. Kurz darauf hörte Bertin die schwere Tür ins Schloss fallen und sah durch das offene Fenster, wie sein Mitarbeiter den Plan de Brie überquerte.
Sieh mal einer an, der Junge wird langsam selbständig, dachte er. Die Aktion mit der Autosuche war durchaus konsequent. Bertin betrachtete den blauen Himmel. Die Luft war warm und feucht an diesem Morgen, ohne dass es geregnet hatte. Die ersten herbstlichen Regenwolken schienen schon ein wenig von ihrer Nässe in die Luft abgegeben zu haben, doch noch strahlte die Sonne vom Himmel und röstete die ohnehin knochentrockene Erde. Kaum zu glauben, dass der Gardon noch so viel Wasser führte, dass er eine schwere Männerleiche mit sich tragen konnte. Wenn man nur wüsste, wo der Mann ins Wasser gelangt war. War er hineingeworfen worden? Wenn die Wunde nicht einen kantigen Gegenstand ins Spiel gebracht hätte, hätte Bertin vermutet, dass der Mann ins Wasser gefallen war und sich an einem Stein gestoßen hatte. Leider war es wohl ein Mord und kein Unfall.
Verdammt, diese Leiche hatte ihm gerade noch gefehlt. Bertin sah zu, wie Joberton in der Boulangerie verschwand. Die letzten Touristen saßen in Hemdsärmeln in den Brasserien und ließen es sich gut gehen. Der Wind brachte das Blätterdach der Platanen auf dem Platz zum Rauschen und fing sich in der langen Schürze eines Kellners, der einem Gast einen Kaffee brachte. Bertin sah zu, wie Pastor Flabert zur Messe in die benachbarte protestantische Kirche ging, dann verfolgte er den Weg zweier Hausfrauen, die in den dunklen Gassen der Altstadt verschwanden. Sicher wollten sie zur Boulangerie, denn die Markthalle blieb heute leer und der Fleischer hatte natürlich auch geschlossen. Fisch – fiel ihm da ein, verflucht! Er musste jetzt den Fall von Fischwilderei hintenan stellen, was unweigerlich die Pächter der Angelreviere gegen ihn aufbringen würde, ebenso wie den Fischzüchter in Mialet, aus dessen Zuchtteiche jemand eine große Anzahl von Forellen abgefischt hatte. Mord war nun mal wichtiger als Wilderei.
Wieder nahm er den Bericht an sich. Der Pathologe in Nîmes hatte sich wirklich beeilt, das musste man anerkennen. Ihm reichten die angegebenen Punkte aus, um mit den Ermittlungen zu beginnen. Wahrscheinlich würde man ihm einen Kriminalbeamten aus Nîmes an die Seite stellen. Leider war Frederic Lambert, mit dem er halbwegs auskam, seit einigen Tagen in Urlaub und seit heute in den Flitterwochen. Hoffentlich wurde es nicht zu schlimm mit dem Vertreter. Fremde, die ihre Nase in Anduzer Angelegenheiten steckten, waren ihm nicht geheuer. Er hoffte, dass dieser Fall sich als Nîmeser Angelegenheit entpuppte, die sein Städtchen gar nicht weiter betraf. Sollte der Beamte sich doch die Zähne ausbeißen, ihm war es egal. Schließlich war es nur eine ganz flüchtige, unwichtige Theorie, Julien Torange mit dem Tod des Mannes in Verbindung zu bringen. Torange war doch kein Mörder, er war schließlich bald Bankfilialleiter, so hatte es Marie erzählt. Er lächelte bei dem Gedanken an die Frau, die in seinem Herzen einen wichtigen Platz einnahm. Claudes Mutter, ja, eine tolle Frau. Eine beruhigende Stimmung erfasste ihn, als würde Maries Lächeln all seine Sorgen fortwischen. Der nicht weit entfernte Brunnen auf dem Platz plätscherte, die Fahrzeuge quälten sich durch die Straßen, alles war wie immer, nett und überschaubar. Plötzlich ging die Tür, jemand klopfte an die Schranke vor Jobertons Schreibtisch und es dauerte nicht lange, bis Claude seinen Kopf zur Tür herein steckte.
„Kommt rein.“ Bertin seufzte und rollte näher an die Tischplatte. Er betrachtete die beiden Männer, die vor einigen Wochen überein gekommen waren, das Leben miteinander verbringen zu wollen. Es war ungewohnt, immer noch, obwohl Claude sich vor mehr als einem Jahr geoutet hatte, mehr oder weniger unfreiwillig. Er sah die Blicke, die sie sich zu warfen. Selbstsichere Blicke, schon geübt in Harmonie und der Gewissheit, aufgefangen zu werden, sollte etwas passieren. Fast schon Blicke, die denen eines alten Ehepaares gleichkamen. Als die beiden Männer vor ihm saßen und ihn erwartungsvoll ansahen, räusperte er sich.
„Es wurde festgestellt, dass der Tote Jerôme Malakov ist, wie uns bereits bekannt.“
Julien nickte.
Bertin fuhr fort: „Es wurde ebenso festgestellt, dass Malakov nicht ertrunken ist, sondern ermordet wurde.“
„Wie denn?“ Claudes Neugier war gewohnt und unvermeidlich, doch Bertin neigte ihm den Kopf zu. „Das sage ich dir nicht.“
Claude winkte ab und stieß die Luft verächtlich aus der Brust.
„Julien, du kanntest den Toten. Was hat er hier gewollt? Hat er dich besucht? Angerufen oder sonst wie Kontakt aufgenommen?“
„Ich habe vor vier Wochen das letzte Mal von ihm gehört. Eine SMS.“
Bertin entging nicht das leise Zucken seines Nasenflügels.
„Was genau?“
„Er wollte ein Treffen mit mir. Ich habe abgelehnt. Ich bin nicht dafür zuständig, ihm die Langeweile auszutreiben.“
„So, so.“ Langeweile, das konnte ja wohl nicht wahr sein.
„Ich gehe also davon aus, dass der Tote schwul war. Und ihr trefft euch, wenn ihr Langeweile habt?“
Bei diesem Wort krümmte er seine Finger zu einem imaginären Anführungszeichen.
„Was soll das, Jean? Glaubst du, wir poppen aus Langeweile? Dass man sich auch ohne Sex treffen kann, geht nicht in deine Birne rein, oder wie?“ Aus Claudes Augen schossen Blitze, kein Wunder, er musste schließlich die Ehre und Treue seines Lebensgefährten verteidigen.
„Mir ist es egal, ob ihr euch aus Langeweile poppt oder nicht“, sagte Bertin trocken. „Ich weiß nur, dass der Mann Kleidung trug, die man eher bei Frauen sieht. Glitzershirt, Jeans mit Stickerei. Und bevor du dich wieder aufregst, Claude, ich weiß, dass dieser Mann nur seine weibliche Seite betont und ausgelebt hat.“
„Das hast du sehr schön umschrieben, Jean.“ Ein spöttisches Lächeln erschien auf Juliens Gesicht, bevor er fortfuhr. „Bevor du also fragst, ja, ich hatte was mit ihm, nur kurz, vor einem halben Jahr. Hin und wieder sieht man sich eben, aber es gab keine weiteren Treffen, weder vor noch nach dieser SMS. Ich weiß nicht, was er hier gewollt hat. Muss ich auch nicht.“
Bertin trommelte auf die Tischplatte. Er ärgerte sich über diesen dahin geworfenen Halbsatz. Als wäre er dafür zuständig, alles zu wissen und jeden zu kennen. „Ich werde schon herausfinden, was er von dir wollte.“ Er legte die Betonung so, dass kein Zweifel darüber bestand, was er vom Auftauchen des Fremden dachte. Natürlich wollte Malakov zu Julien, das war so klar wie das Amen in der Kirche.
„Weißt du etwas über seine Familie und seine Arbeit?“
In den nächsten Minuten rückte Julien seine Informationen heraus. Malakovs Familie stammte wahrscheinlich aus Russland, er hatte einen Bruder und arbeitete freiberuflich als Werbedesigner. Zudem sang er in einer Travestie-Gruppe. Insgeheim hoffte Bertin, dass der Beamte aus Nîmes sich diesen Teil der Ermittlung vornehmen würde. Er hatte keine Lust, in Schwulenbars und Varietés schief angesehen oder gar angemacht zu werden.
„Wie war er so?“ fragte Bertin
„Anstrengend.“
„Wie meinst du das? Anstrengend seid ihr beiden auch.“
Claude grinste, doch Bertin war nicht entgangen, dass er bereits die ganze Zeit eine gewisse Besorgnis ausgestrahlte.
„Na, anstrengend eben. Hibbelig, nervös, sprudelnd und launisch.“ Juliens Hände vollführten Halbkreise in der Luft, dann sah er seinen Freund an, als wollte er sich vergewissern, alles richtig gemacht zu haben. Was ging da zwischen ihnen vor? Hatten sie sich in irgendeiner Weise abgesprochen?
„Wo warst du am Freitagabend zwischen 17 und 20 Uhr?“
Julien sah ihn mit großen Augen an. Jawohl, nun ging es ans Eingemachte, dachte Bertin hämisch und hielt seinen Lieblingskugelschreiber bereit, um sich die Antwort zu notieren.
„Ich war in der Bank.“
„Um diese Zeit?“
„Ich hab Überstunden gemacht. Musste noch eine Abrechnung checken.“
„Hat dich jemand gesehen?“
„Ich glaube, Dumont, mein Chef, hat kurz hereingeschaut, so um 19 Uhr. Vielleicht hatte er etwas vergessen.“
Julien starrte an die Decke. „Bei der Gelegenheit haben wir noch kurz über das Ergebnis der Abrechnung gesprochen.“
„Monsieur Charles Dumont, Credit Agricole.“ Laut sprach Bertin die Worte nach, die er auf den Block schrieb. Noch mit dem Blick auf die blaue Tinte, fragte er beiläufig: „Und du, Claude?“
„Ich? Ich habe Julien für fünf Minuten besucht, so um 17 Uhr 45, denke ich. Ich war ohnehin in Alès und habe eben vorbei geschaut.“
„Und dann?“
Claude rückte auf seinem Stuhl hin und her. „Hm, ich hab schon überlegt. Kellnern war ich jedenfalls nicht mehr. Ich war dann wohl zuhause, hab sauber gemacht, ferngesehen. Virenque ist mein Zeuge.“
„Was lief denn? Cat Woman? Felidae? Hat der Film der Katze gefallen?“
„Frag ihn selbst. Der Verräter nimmt ja schon Futter von dir.“
„Warum auch nicht?“
Wieder diese Ressentiments gegen den Freund seiner Mutter. Die seltsame Hassliebe, die sie beide verband, war immer wieder Anlass für Sticheleien und Verärgerung. Marie sah diese Beziehung entspannt, sie lächelte über diese Nichtigkeiten, die sie sich gegenseitig lieferten, und glaubte wohl, sie seien ein Zeichen für ihre Verbundenheit. Was sich liebt, das neckt sich. War es denn so? Bertin mochte Claude. Meistens. Er sollte gelassener mit ihm umgehen, schließlich war dessen Beziehung zu seinem inzwischen verstobenen Vater problematisch gewesen. Der biologische Erzeuger war ebenfalls tot, und so war es kein Wunder, dass sich Bertin als Nachfolger im Herzen seiner Mutter einer kritischen Beurteilung unterziehen musste.
Er kritzelte „kein Alibi, zuhause“ auf den Block und schlug ihn kurz darauf zu.
„Das war es, meine Herren. Danke!“
Aus den Augenwinkeln erkannte Bertin, dass Joberton über den Platz stürmte, eine Tüte in der einen und das Handy in der anderen Hand. Er stürzte in das Gebäude hinein und kam sofort in sein Büro. Claude und Julien blieben verwundert im Türrahmen stehen.
„Ein Anruf aus Alès. Wie ich schon sagte, Chef, meine Annahme war richtig.“ Vor den beiden Besuchern wollte sein Sergeant natürlich keine weiteren Angaben machen, doch der tiefe Blick Jobertons drückte aus, dass man Malakovs Fahrzeug in der Nähe von Juliens Wohnung gefunden hatte.
„Ihr könnt gehen. In einer halben Stunde könnt ihr die Aussage unterzeichnen.“ Bertin wedelte mit der Hand, worauf die beiden Männer nach einigen Abschiedsworten das Gebäude verließen. Eine spürbare Irritation bahnte sich ihren Weg in seine Gedanken. Weshalb stand der Wagen dort? Julien hatte ihn angelogen und das Paar heckte irgendetwas aus. Er musste doch jetzt annehmen, dass Julien und Malakov sich getroffen oder zumindest kurz gesehen hatten. Warum sagte er das nicht?
Das Alibi – hier würde er fortfahren. Wenn Monsieur Dumont Juliens Anwesenheit bestätigten konnte – tja, was dann? Dann war Julien zwar kein Mörder, aber er hatte ihn vielleicht trotzdem belogen. Und das schmerzte ihn mehr, als er zugeben mochte.
***
Ein stiller Sonntag ohne Termine und Treffen lag vor ihnen. Nach dem Unterzeichnen des Protokolls auf dem Revier waren sie schweigend über den Plan de Brie gegangen, tauchten ein in die Gassen, in denen hier und dort noch Stände mit Tonwaren und Kunsthandwerk vor den Läden standen, um die wenigen Touristen anzulocken. Claude ging in eine Boulangerie, um Croissants und ein Baguette zu kaufen. Durch das Schaufenster sah er Julien auf dem Marktplatz stehen, er starrte auf sein Handy. Wie schweigsam er seit der Befragung geworden war, dachte Claude, wischte aber die Befürchtung, dass etwas nicht stimme, mit einem Ruck seines Kopfes zur Seite. Natürlich war alles in Ordnung. Tief sog er den vertrauten Geruch nach Brot, Vanille-Eclairs und Madeleines ein, bevor er seine Bestellung aufgab. Er legte einen Geldschein auf den Tresen und sah wieder zu seinem Freund hinaus. Dieser tippte auf dem Display des Handys herum. Wem schrieb er da? Jetzt nagte er sogar an der Unterlippe.
„Claude, dein Wechselgeld!“
Die Stimme der Verkäuferin schreckte ihn auf, er steckt die Münzen ein.
„Danke, Madame Bertin“, gab er ein wenig mürrisch zurück, gab er doch Bertins geschiedener Frau instinktiv die Mitschuld daran, dass dieser sich an seine Mutter herangemacht hatte.
„Gern geschehen.“ Die imposante Frau revanchierte sich mit einem bösartigen Blick.
Mit zwei Tüten in der Hand verließ er die Bäckerei und nickte Julien zu. Sie gingen weiter, bis sie auf die Place Notre Dame gelangten und Claude den Haustürschlüssel aus der Jeans zog.
„Gibt es etwas Neues?“
„Nein.“ Julien stieg die Treppenstufen zur Haustür hinauf, die von einem bröckelnden Steinrelief geziert wurde. „Wieso?“
„Na, ich dachte, du hättest deine Bekannten in Nîmes gefragt, ob sie etwas von Malakov wissen.“
„Du kannst ruhig Jerôme sagen“, gab Julien ein wenig pikiert zurück, doch Claude ging nicht auf seine Stimmung ein.
„Und? Wissen sie mehr über Jerômes Absichten?“
„Nein.“
Claude drückte Julien das Baguette in die Hand, schloss die Tür auf und ging vor ihm die Treppe hinauf. Es konnte doch nicht sein, dass Julien wirklich so cool und abgeklärt war, wie er gerade wirkte. Vielleicht war es ihm ja doch etwas peinlich, dass diese Affaire ans Licht gekommen war, und er setzte ein Pokerface auf, um vor weiteren Fragen sicher zu sein. Was immer auch der Grund war - Julien trug eine Panzerung, die ihn irritierte.
Das Frühstück verlief nahezu schweigend. Virenques forderndes Miauen klang fremd und störend. Erst als Julien seine leere Kaffeetasse in die Spüle stellte und eine Weile aus dem Fenster starrte, von dem aus man nicht mehr als die nackte, graue Fassade des Nachbarhauses vor Augen hatte, wusste Claude, dass er jetzt wieder das Thema anschneiden konnte.
„Was meinst du, Julien? War Jerôme für dich Freund genug, dass ich mich ein wenig nach dem Mordmotiv und dem Mörder umsehen sollte?“
Julien drehte sich abrupt zu ihm um. „Du willst ermitteln? Warum?“
„Weil er dein Freund war. Reicht das nicht? Dann eben, damit du nicht wieder in Verdacht gerätst. Das ist für mich Grund genug.“
Doch Julien schüttelte den Kopf. „Lass gut sein, Claude. Ich habe nichts damit zu tun.“
Leise setzte er nach: „Und du ja auch nicht.“
Claude glaubte, nicht richtig verstanden zu haben. „Was? Du denkst, ich hätte etwas mit seinem Tod zu tun? Ich kannte ihn ja gar nicht.“
„Ja, eben, dann ist es doch gut.“ Juliens Miene wurde weich, doch er konnte Claude nicht täuschen.
„Wovor hast du Angst, Julien?“ Claude stand von seinem Küchenstuhl auf und trat zu ihm an die Spüle, um ihm die Arme um die Hüften zu legen. Sofort schmiegte sich Julien an ihn, sodass Claude den Eindruck hatte, dass er um seinen Seelenfrieden rang. Virenque sprang auf die Arbeitsplatte und rieb sich das Köpfchen an Juliens Oberkörper, als wollte er ihn trösten.
„Du kennst das doch. Bertin weiß, dass wir ein Paar sind. Dann taucht ein nerviger Kumpel auf und du tötest ihn, um mich vor seinem Stalking zu schützen. Oder weil du auf ihn eifersüchtig bist. Du hast …“ Juliens Stimme brach.
„Kein Alibi“, setzte Claude den Satz fort. „Da hast du recht. Du befürchtest, dass Bertin Kenntnis von Jerômes Verfolgungen bekommt? Oder hast du Angst davor, dass ich es gewesen sein könnte?“ Claude wusste nicht, ob er verärgert oder geschmeichelt sein sollte. Misstraute Julien ihm? Wäre es egal, wenn Claude Jerôme erschlagen hätte?
„Und wenn ich es gewesen wäre?“, drang er tiefer. Er strich Julien über Kopf und Schulter und hatte plötzlich Virenques weichen Schwanz in der Hand.
„Würde ich dich noch mehr lieben“, flüsterte Julien in seinen Pulli hinein und atmete wieder tief ein und aus. Claude schluckte seine Rührung hinunter und küsste Juliens kurzes Haar. Julien löste sich von ihm und sah ihn an. „Hätte ich Bertin von dem Stalking erzählen sollen?“
„Nein. Wir wissen nicht, warum er hier war. Du hattest doch seit vier Wochen keine Nachricht mehr. Du wohnst jetzt hier und nicht mehr in Nîmes. Jerôme hat aufgegeben, glaub mir.“
„Aber warum war er dann hier? Er hat mir keine Nachricht geschickt, nicht angerufen, nicht angeklingelt.“
„Das ist dann die Frage, die ich beantworten werde.“
Julien schüttelte den Kopf. „Nein, das wirbelt nur Staub auf. Wenn du in Nîmes herumschnüffelst, wird sich Bertin fragen, was du da unter den Teppich kehren willst.“
„Quatsch. Jean kennt mich, er weiß, dass ich nur den Mörder suche.“
„Und wenn es der Täter auch auf mich oder dich abgesehen hat?“ Juliens Ausdruck wirkte besorgt. Da meldete sich Juliens Handy, Claude zuckte unwillkürlich vor der Vibration in der Hosentasche zurück wie vor dem Überbringer einer schlechten Botschaft. Julien las die Nummer ab. „Kenne ich nicht.“ Er nahm das Gespräch an, während Virenque die Arbeitsplatte verließ und ins Schlafzimmer trottete.
„Torange. Ja, in Alès. Wie bitte? Aber … Nein .. Ja. Gut.“
Claude hatte versucht, mehr von diesem Gespräch zu verstehen, doch er hörte nur eine tiefe Männerstimme. Der herrische, geschäftsmäßige Ton ließ darauf schließen, dass es sich nicht um einen seiner Kumpel handelte. Julien steckte das Handy weg und sah ihn mit großen Augen an.
„Ein Bulle aus Nîmes. Ich soll um drei Uhr in der Anduzer Gendarmerie erscheinen. Zum Verhör.“
Claude schloss die Augen und knetete seine Nasenwurzel.
„Nicht der Mörder hat es auf dich abgesehen, sondern die Polizei. Es wird einen Grund geben, warum du nun wieder verhört wirst“, gab er leise zurück. „Und da fragst du mich, warum ich ermitteln will?“
Julien biss sich erneut auf die Unterlippe, doch dann gab er sich einen Ruck und richtete sich zu seiner vollen Größe auf. Seine Miene wurde hart und die rassige Nase erhob sich hoch in die Luft. „Na gut. Ich werde das nicht auf mir sitzenlassen. Ich nehme diese scheiß Herausforderung an.“
Beim Anblick der stolzen Gestalt lief ein erregendes Prickeln durch Claudes Körper. Julien hatte das Kinn trotzig erhoben und als sein entschlossener Blick ihn traf, stammelte er fasziniert: „Bis drei Uhr ist … ist noch massig Zeit.“
Da lächelte Julien und schlang einen Arm um seinen Nacken. Er zog Claude an sich heran und küsste ihn tief und fest.
***
Warum war er so irritiert? Nur, weil eine Frau hinter Bertins Schreibtisch saß? Armandine Bichon, so hatte sie sich vorgestellt, Kriminalinspektorin aus Nîmes. Julien dachte nach, wann er zuletzt diesen Vornamen gehört hatte. Wahrscheinlich war ihr Vater Professor für französische Geschichte. Vielleicht beunruhigte ihn auch der ungehaltene Blick. Sie trug eine dunkel gerahmte Brille, war etwa in seinem Alter, das Haar hatte sie durch einen strengen Knoten gebändigt.
Die Abfrage zu den Personalien hatten sie bereits hinter sich und auch sein Alibi war abgeklopft worden. Die Inspektorin hatte die Augenbrauen hochgezogen, als sie betonte, dass die Befragung und damit die Bestätigung von Monsieur Dumont noch ausstünde.
„Sie sind also ein guter Bekannter von Jerôme Malakov.“ Ihre Stimme klang immer noch genervt, als sei sie verärgert, in die Provinz befohlen worden zu sein.
„Nur ein Bekannter“, gab er zurück.
„Sie sind also schwul, oder?“ Sie blätterte mit spitzen Fingern eine Seite der vor ihr liegenden Akte um, als würde sie verseuchtes Papier vor sich haben.
Juliens Empörung wuchs und platzte aus ihm heraus: „Und Sie sind nicht lesbisch.“
Erstaunt hob sie ihren Kopf.
„Wie bitte?“ Sie richtete sich auf.
„Na, wenn Sie lesbisch wären, hätten Sie diesen Fakt aus den Akten zur Kenntnis genommen und fertig. Sie hätten nicht nachgefragt, sondern höchstens wissen wollen, ob ich offen schwul lebe oder nicht.“
„Also, das ist doch unerhört.“
Julien betrachtete befriedigt ihre geblähten Nasenflügel und beugte sich vor. „Nehmen Sie meine soeben geäußerte Erklärung bitte ins Protokoll auf, Ihr Band läuft ja mit. Ich möchte nicht, dass das hier ein Spießrutenlauf für schwule Verdächtige wird, nur weil der Tote schwul war. Sie verstehen sicher, dass ich mich absichern möchte.“
Sie warf sich an die Stuhllehne und verschlang ihn mit den Augen. „Mein Stichwort. Ich möchte mich absichern, dass ich keinen Aspekt dieses Falles vernachlässige, auch nicht Ihre Homosexualität. Sie verstehen das sicher.“
Diese Frau hatte Haare auf den Zähnen und einen kaum hörbaren Dialekt. Was machte eine Beamtin aus der Auvergne hier im Languedoc? Normalerweise richtete sich der Ehrgeiz nach Norden, nach Paris. Julien wandte den Blick dem Portrait des Präsidenten Hollande zu, das gerahmt an der Wand hing. Seine Gedanken wanderten automatisch zum Urlaub in Paris zurück. Claude und er am Sacre Coeur, nein, das waren keine guten Erinnerungen, denn dieser Trip hatte im Streit geendet. Plötzlich zuckte er zusammen, denn Armandine Bichon hatte mit der flachen Hand auf den Schreibtisch geschlagen.