Mord an der Müritz - Carsten Piper - E-Book

Mord an der Müritz E-Book

Carsten Piper

4,2

Beschreibung

Der Berliner Kommissar Hans Conrad macht Urlaub von Job und Familie. Er kauft ein altes Wohnmobil und fährt in das Gebiet der Mecklenburgischen Seenplatte. Hier verliert er lustvoll die Orientierung und landet auf einem Campingplatz an der Müritz. Zahlreiche Herren aus Berlin und Hamburg gehen hier mit der Unterstützung hilfsbereiter Damen diversen Neigungen nach. Am Morgen nach Conrads Ankunft findet man die nackte Leiche eines Mannes. Conrad interessiert diese Sache nicht sonderlich. Er will seine Ruhe, doch die ist ihm nicht vergönnt. Auf Betreiben der örtlichen Polizei hin wird er von seiner Dienststelle angewiesen, die Ermittlungen zu unterstützen. Kaum ist er involviert, werden in Berlin seine Kinder auf ominöse Weise bedroht.

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Carsten PiperMord an der Müritz

Carsten Piper wurde 1964 in Meldorf an der Westküste Schleswig-Holsteins geboren. Er studierte Kulturpädagogik in Hildesheim und lebt heute in Ludwigsburg. »Mord an der Müritz« ist sein erster Roman der Hans-Conrad-Krimireihe, dem »Tod an der Trave« folgte.

Carsten Piper

Mord an der Müritz

Ein Hans-Conrad-Krimi

1. Auflage 20022. Auflage 20063. Auflage 20114. Auflage 2014

© KBV Verlags- und Mediengesellschaft mbH,Hillesheimwww.kbv-verlag.deE-Mail: [email protected]: 0 65 93 - 998 96-0Fax: 0 65 93 - 998 96-20Redaktion: Volker Maria Neumann, KölnUmschlagillustration: Ralf KrampPrint-ISBN 978-3-934638-92-1E-Book-ISBN 978-3-95441-250-1

Inhalt

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

22. Kapitel

23. Kapitel

24. Kapitel

25. Kapitel

26. Kapitel

27. Kapitel

28. Kapitel

29. Kapitel

30. Kapitel

31. Kapitel

32. Kapitel

33. Kapitel

34. Kapitel

35. Kapitel

36. Kapitel

37. Kapitel

38. Kapitel

39. Kapitel

40. Kapitel

41. Kapitel

1. Kapitel

Es war ein schöner Spätsommermorgen, aber es war klar, dass etwas nicht stimmte. Hans Conrad, seit gestern Urlauber, sonst Kripo Berlin, ging sofort, wenn auch etwas wankend, von seinem Wohnmobil zur Toilettenbaracke des Campingplatzes. Zum einen weil es ihn drängte, zum anderen wegen der kleinen Menschentraube im Eingang, die aufgrund ihrer Starre in gewisser Weise typisch aussah. Der Tote – dass er tot war, wusste Conrad schon, bevor er sich ganz durchgedrängt hatte – sah recht ordentlich aus, aber es war eindeutig Mord. Würgemale, mäßig ausgeprägt, sonst auf den ersten Blick nichts Besonderes, die grünlichen Augen schauten leer, das Gesicht war nur leicht verzerrt. Kein Blut, keine abgebrochenen Fingernägel, keine Haarbüschel. Er lag auf den Fliesen der Männerduschen, nackt, ein bisschen verdreht vielleicht, aber nicht sehr.

»Bitte nichts anfassen«, murmelte Conrad mechanisch, »Polizei.« Das Grüppchen in Shorts und Latschen stand fröstelnd, stumm und unbewegt da – Männer, Frauen und Kinder – und sah zu, wie Conrad – ebenfalls in Shorts und überdies ein wenig peinlich berührt – auf die Toilettenkabinen zusteuerte und in einer von ihnen verschwand.

Es dauerte fast fünfzehn Minuten, bis eine Streife eintraf. Ein junger Beamter und eine noch jüngere Kollegin, wie Conrad mit einem Blick aus seinem Wagen feststellte. Er hatte selbst zur Campingplatz-Verwaltung gehen müssen, da keiner der Umstehenden sich gerührt hatte.

»Passen Sie bitte auf, dass niemand etwas anfasst«, hatte er zu einem von ihnen gesagt, und der Kerl, ganz der Typ eines Aufpassers, hatte sogleich Haltung angenommen. »Sie sind hier jetzt für eine gewisse Zeit verantwortlich!«

Vom Telefon des kleinen Verwaltungsbüros des Campingplatzes aus hatte er, wiederum persönlich, die Polizei verständigt, da der freundliche Rentner, der laut Beschriftung seines Käppis als Info-Berater fungierte, mit der Nachricht, ein Ermordeter liege in der Herrendusche, nichts anzufangen gewusst hatte. Danach war Conrad zurück in sein Wohnmobil gegangen, um sich etwas passender anzuziehen und vor allem, um Kaffee zu kochen und irgendwie seine Kopfschmerzen loszuwerden. Sollte doch dieser Aufpasser-Typ die Leiche noch ein bisschen länger bewachen, sicherlich würde er es genießen. Es war noch früh, nicht mal sieben Uhr, strahlendes Wetter, aber kalt. Der See lag riesig und schön in vollem Licht. Boote schaukelten, Möwen segelten – mit stieren Augen sah Conrad das Idyll und war auf griesgrämige Weise froh, dass ihn die ziemlich verschmierte Kunststoff-Scheibe seiner primitiven Camping-Küche davon trennte.

Die beiden Uniformierten ließen sich von dem Alten aus der Verwaltung zur Duschbaracke führen und gingen durch die sich plötzlich widerstandslos öffnende, obgleich inzwischen stark angewachsene Menschenansammlung hinein. Conrad saß da, blickte auf den See und fühlte sich einigermaßen als Privatmann. Der Kaffee war nicht besonders gut geraten, aber er war heiß, und das brauchte Conrad jetzt. Er fröstelte nämlich auch von innen, aus dem Bauch. Ihm war nicht sehr wohl, er musste gestern Abend wohl ein bisschen getrunken haben. Aber da war noch etwas, das sich langsam in seinem Körper ausbreitete: es war sein Berufskribbeln. Bei Mord hatte er es immer. Es nützte nicht viel, sich zu sagen, dass er mit diesem Fall nichts zu tun habe, dass er nur ein gewöhnlicher Camper sei. Das Kribbeln war da. Conrad stand auf. Als er mit einiger Mühe bis zu den Duschen durchgekommen war, straffte der Aufpasser seinen Körper und schnarrte: »Alles unverändert! Na ja, bis auf …«

Nichts war unverändert. Conrad musste grinsen. Die beiden von der Verkehrspolizei hatten wohl versucht, die Leiche wiederzubeleben. Offenbar wollten sie noch immer nicht recht glauben, dass der Mann tot war, denn sie hatten ihn zuletzt in die stabile Seitenlage gebracht, wie man es bei Erste-Hilfe-Kursen lernt. Er war also noch biegsam, konstatierte Conrad. Jetzt nahm der Beamte gerade Personalien auf, wahllos, wie es schien, während die Kollegin noch immer irgendwie am Toten herummachte. Sie wirkten völlig konfus und überfordert.

»Guten Tag. Ich bin Kommissar Hans Conrad, Berliner Mordkommission. Ich habe vorhin Ihre Einsatz-Zentrale benachrichtigt«, sagte Conrad ziemlich laut zu der Polizistin, und fügte hinzu: »Sie sollten diesen Mann jetzt nicht mehr berühren. Er ist schon lange tot.«

In den Augen der jungen Frau stand pure Verwirrung.

»Wenn ich kann, möchte ich Ihnen gern behilflich sein«, fügte er hinzu. Auch der Polizist war jetzt aufmerksam geworden, in seinem Gesicht zeichnete sich Erleichterung ab, doch auch er sagte nichts.

»Ich denke, Sie brauchen einen Kriminalbeamten Ihres Reviers, einen Fotografen, einen Arzt, die Spurensicherung und natürlich einen Wagen für den Transport. Am besten, Sie geben das mal durch.«

Es erfolgte keinerlei Reaktion.

»Mit dem Funkgerät.«

Keine Reaktion.

»In Ihrem Streifenwagen.«

»Ja, selbstverständlich, wird erledigt«, antwortete der Polizist schließlich, immer noch ein bisschen wie in Trance, blieb aber stehen und fragte dann: »Noch einen Kommissar?«

Conrad nickte. »Ich bin nicht berechtigt, hier zu ermitteln.«

»Aber wozu sind Sie dann überhaupt …«

»Zum Campen«, antwortete Conrad und bemühte sich, nicht schon wieder zu grinsen, »zum Campen, zum Schwimmen und zum Faulenzen.«

Was nun geschehen würde, war Folgendes: Einige Wagen würden vorfahren, die Baracke würde abgesperrt und gründlich unter die Lupe genommen werden. Der Arzt würde den Tod feststellen, die Leiche würde von allen Seiten fotografiert und schließlich zur Obduktion abtransportiert werden. Die Personalien sämtlicher Personen, die sich auf dem Campingplatz befanden, würden erfasst werden. Die Person, welche die Leiche entdeckt hatte, würde ermittelt und eingehend befragt werden. Im Gegensatz zu den anderen Campern war Conrad an derlei mehr als gewöhnt. Da er im Augenblick nicht gebraucht wurde, ging er zurück in seinen Wagen, um sich noch etwas auszuruhen.

2. Kapitel

Sie sind was?«, brüllte es aus dem Hörer.

»In mein Wohnmobil, ja. Kaffee …«, antwortete Conrad.

»Das ist ja wohl das Beknackteste, was Sie sich jemals geleistet haben, Conrad! Da liegt eine Leiche, Tötungsdelikt, jede Menge Spinner stehen drumherum und Sie gehen Kaffee trinken? Habe ich das richtig mitbekommen?«

Der Chef war sauer, kein Zweifel. Das war nicht weiter verwunderlich, der Chef war eigentlich immer sauer wegen irgendetwas. Was Conrad nicht verstand, war, dass in Berlin offenbar schon alles Mögliche über den Vorfall bekannt war, obwohl diese Sache die Berliner Kripo gar nichts anging. Und wieso wusste der Chef überhaupt, dass Conrad hier war?

»Herr Hauptkommissar Hauptmann«, sagte Conrad, und er wusste, dass diese Anrede seinen Chef noch mehr auf die Palme bringen würde, »ich befinde mich wahrscheinlich in Mecklenburg-Vorpommern, einem Bundesland mit eigener Landespolizei, und überdies im Urlaub. Ich habe die örtliche Polizei benachrichtigt und …«

»Was soll das denn nun wieder, Sie sind ›wahrscheinlich‹ in Mecklenburg! Geht’s Ihnen nicht gut? Und hören Sie mit diesem Formalquatsch auf, Conrad! Wie stehen wir denn nun da! Ein ausgewiesener Profi der Berliner Kripo macht es sich seelenruhig in seinem bescheuerten Wohndings bequem, während so ein paar Grünschnäbel den kompletten Tatort versauen und dann auch noch an dem Toten rumfingern. Glauben Sie vielleicht, das gibt eine gute Presse?«

Nein, das glaubte Conrad nicht. Die Presse war nämlich schon da. Alle Camper, die sich wichtig machen wollten, konnten das ausgiebig tun, die Zeitungs- und Radiofritzen hielten jedem ihre Mikrophone vors Gesicht und hatten offensichtlich ihren Spaß daran. Sie feixten, sie hatten eine Story. Der Typ, den Conrad zum Aufpasser bestimmt hatte, als er vorhin zum Telefon gegangen war, erzählte seine Geschichte gerade einem Fernsehteam. Sein ganzer Körper, obgleich klein, schien zu schreien: Seht her, ich bin jemand. Nein, die Presse würde bestimmt nicht besonders gut werden. Über die beiden »Grünschnäbel«, wie Hauptmann sich ausgedrückt hatte, würde ganz Deutschland lachen. Und er, Conrad, musste sich von diesem Wicht dort drüben anschwärzen lassen und alle Welt würde ihn hassen. Zynischer Wessi-Bulle lässt unerfahrene Ossi-Bullen ins Messer laufen, so in der Richtung.

»Also jetzt mal langsam. Ich konnte ja nun wirklich nicht ahnen, dass diese Streifenbeamten so einen Bockmist bauen würden«, verteidigte er sich und schämte sich innerlich dafür, weil er auf diese Weise nun ebenfalls auf den beiden herumhackte. »Außerdem«, fuhr er fort, »hatte ich einen Mann als Aufpasser am Tatort gelassen. Der hat versagt, keine Frage, aber erst, als die Streife eintraf. Bis dahin hat der seinen Job klasse gemacht, da bin ich ganz sicher.«

»Was soll das, wieso erzählen Sie mir jetzt so was?«, bellte es zurück.

»Weil alles gar nicht so schlimm ist. Die Leiche ist ein bisschen verrutscht und hat ein paar Fingerabdrücke von zwei Polizisten abgekriegt. Sonst hat sie niemand angefasst, dafür war eben dieser Aufpasser da. Also sollten die Ermittlungen nicht allzu sehr erschwert worden sein.«

»Wie schlimm die Sache ist, können Sie unsensibler Trampel überhaupt nicht begreifen.« Hauptmanns Pulver war verschossen, aber er schien Spaß an seiner Rage zu haben und verlegte sich deshalb darauf, Conrad zu beleidigen.

»Sie haben politischen Schaden angerichtet, Mann, politischen Schaden, und dann kommen Sie mir mit Fingerabdrücken. Sie werden immer ein verdammter Straßenbulle bleiben, das schwöre ich Ihnen. Was die Ermittlungen angeht, so liegt uns eine Bitte um Amtshilfe vor. Nicht, dass die Kollegen dort besonders scharf auf Sie wären. Was für ein Trottel Sie sind, hat sich bei denen nämlich schon herumgesprochen, was nicht zuletzt meinem persönlichen Engagement zu verdanken ist. Aber Sie waren nun einmal früher am Tatort, deshalb legt man Wert darauf sicherzustellen, dass Sie noch einige Zeit an diesem albernen See verbringen.«

Aha. Das war es also. Die Kripo von hier hatte sich bereits in Berlin seine Mitarbeit gesichert, während er unschuldig noch ein Weilchen geschlafen hatte. Die waren auf Zack, wie es schien.

»Als Zeuge, sozusagen?« Conrad lachte leise in sich hinein.

»Sozusagen. Versuchen Sie, sich ein bisschen nützlich zu machen, falls Sie dazu geistig in der Lage sein sollten. Schließlich haben die was bei Ihnen gut.«

»Ich werde sehen, wie viel Zeit meine sportlichen Aktivitäten mir lassen, um mich ein wenig umzusehen, Herr Hauptkommissar Hauptmann«, hüstelte Conrad belustigt.

»Tun Sie das! Und hören Sie sofort auf zu lachen! Ich erwarte in spätestens drei Tagen von Ihnen einen detaillierten Überblick über den Fall, schriftlich, und außerdem rufen Sie mich dann an. Das wär’s, Conrad.«

Ein Klicken, Hauptmann hatte aufgelegt.

Conrad gähnte. Einen Überblick. So was hätte er jetzt auch gern. Er sah auf die Uhr des Verwaltungsbüros, es war halb zehn. Um zwanzig nach neun hatte ihn der Rentner aus dem Schlaf geklopft, weil ein Anruf aus Berlin für ihn da sei. Er hatte immer noch viel zu wenig geschlafen, jedenfalls fühlte er sich so. Also konzentrierte er sich fürs Erste lediglich darauf, unbelästigt von dem Büro bis zu seinem Wohnmobil zu kommen. Glücklich angekommen, warf er durch die Fenster noch einen Blick nach draußen. Es wimmelte nur so von Leuten von der Presse, der Polizei und von sonstigen Wichtigtuern. Er konnte von seiner Position aus fast jeden Punkt des Areals sehen. Die Zelte und Wohnwagen, die grauen Baracken für Herren und Damen, den schäbigen Verwaltungsbau direkt an der Zufahrt, den Kiosk daneben, die Anlege- und Badestege, die Boote mit den dazugehörigen Schuppen, den kleinen Strand, den See. Begrenzt wurde der Campingplatz nur vom See und von Wald. Viele Fichten, Kiefern und auch Birken, wegen des Sandbodens. Schön, das. Conrad legte sich wieder schlafen.

3. Kapitel

Es kam ihm so vor, als hätte er nur gerade die Augen geschlossen, da wurde laut an die Scheibe geklopft.

»He, Herr Conrad, sind Sie da drin?«, rief jemand.

Während er sich aufrichtete, nahm Conrad undeutlich verschiedene Flaschen auf dem Tisch wahr, die meisten leer. Er rief zurück: »Ja, was ist denn?«

»Kriminalpolizei. Ich bin Kommissar Bode und würde gern mit Ihnen sprechen.«

»Kann man hier eigentlich niemals richtig schlafen? Na was soll’s, kommen Sie rein.«

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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