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In den Straßen der Cádizer Altstadt wird gerade der legendäre Karneval gefeiert. Zuerst verschwindet nur eine Frau. Wen wundert es in dieser Zeit? Nachdem jedoch weitere Frauen nicht mehr nach Hause kommen, beginnen die Ermittlungen der Policia National. Die junge Kommissarin Juana Gadi und ihre Kollegen haben jede Menge Arbeit bei den Recherchen in Andalusien. Treibt hier ein Serienkiller sein Unwesen?
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Seitenzahl: 402
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Susanne Hottendorff, 1956 geboren, wuchs in Hamburg auf. Sie arbeitete dreißig Jahre lang als Kundenberaterin bei einer Sparkasse. Seit 2000 lebt sie in Südspanien, an der Atlantikküste Andalusiens. Bisher erschienen zahlreiche Bücher und Kurzgeschichten, die alle in der Wahlheimat der Autorin spielten. Jetzt geht die Autorin neue Wege!
Neben dem Schreiben beschäftigt sich Susanne Hottendorff mit dem Thema Gesundheit. Dabei liegen ihr die Menschen und die Tiere gleichermaßen am Herzen.
Sie hat eine Ausbildung zur Heilpraktikerin, Psychologischen Beraterin und Fachkosmetikerin absolviert.
Daneben setzt sich die Autorin auch für die artgerechte Ernährung von Hunden und Katzen ein.
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„Es un error vivir el presente como si sólo fuera el prefacio de la bella novela del porvenir. El presente se ha de usar y gozar.”
Es ist ein Fehler die Gegenwart zu leben, als wäre sie das Vorwort zu einem schönen Roman der Zukunft. Die Gegenwart muss genutzt und genossen werden.
Noel Clarasó
Spanischer Autor
Kapitel 1 * Sonntag, 2.März 2003
Kapitel 2 * Montag, 3. März 2003
Kapitel 3 * Dienstag, 4. März 2003
Kapitel 4 * Mittwoch, 5. März 2003
Kapitel 5 * Donnerstag, 6. März 2003
Kapitel 6 * Freitag, 7. März 2003
Kapitel 7 * Samstag, 8. März 2003
Kapital 8 * Sonntag, 9 März 2003
Kapitel 9 * Montag, 10. März 2003
Kapitel 10 * Dienstag, 11. März 2003
Kapitel 11 * Mittwoch, 12. März 2003
Kapitel 12 * Donnerstag, 13. März 2003
Kapitel 13 * Freitag, 14. März 2003
Kapitel 14 * Sonnabend, 15.März 2003
Kapitel 15 * Sonntag, 16. März 2003
Kapitel 16 * Montag, 17.März 2003
Kapitel 17 * Dienstag, 18. März 2003
Kapitel 18 * Mittwoch, 19. März 2003
Kapitel 19 * Donnerstag, 20. März 2003
Kapitel 20 * Freitag, 21. März 2003
Kapitel 21 * Sonnabend, 22.März 2003
Kapitel 22 * Sonntag, 23. März 2003
Kapitel 23 * Montag, 24. März 2003
Kapitel 24 * Dienstag, 25 März 2003
Anmerkung der Autorin:
Danksagung
Laute Stimmen dringen durch das geöffnete Fenster im ersten Stock des Hauses, welches in einer der vielen schmalen Straßen in der Cádizer Altstadt steht. Fernando rekelt sich ein letztes Mal in seinem Bett. Es wird Zeit, bald beginnt seine Abendschicht. Der gut aussehende Mittfünfziger arbeitet seit Jahren als Kellner in einer gut gehenden Bar im Zentrum der Stadt. Carmen, seine Frau, wirft einen schnellen Blick in das Zimmer, sie sieht gerade noch, wie ihr Mann in die Dusche verschwindet.
„Mezcla, komm meine Kleine“, ruft Carmen und schaut sich suchend nach ihrem kleinen Mischlingshund um.
„Ich weiß, du hast Angst. Aber wir müssen noch einmal Gassi gehen. Schau meine Liebe, später, wenn der Trubel erst richtig losgeht, kommen wir gar nicht mehr auf die Straße.“
Die Hündin ist aus ihrem Versteck gekrochen, sie hat die Rute eingeklemmt und nähert sich ihrem Frauchen.
„Schatz, ich wünsche dir einen schönen Abend. Denk daran, du hast es geschafft. Der Karneval ist schon fast überstanden.“
Die Ehefrau wirft einen letzten Blick ins Zimmer ihres Mannes, der sich gerade mit dem Handtuch die Haare trocken rubbelt. Ein kurzes Winken, dann schnappt sie sich die Leine und Hund und Frauchen verlassen die Wohnung. Fernando kann nichts mehr erwidern, er hört nur noch, wie die Tür ins Schloss fällt. Angewidert bleibt die Frau einen kurzen Moment auf dem Treppenabsatz stehen, sie hebt ihren Kopf etwas an und die Nasenflügel beben ein wenig mehr als normal. Vielleicht liegt es an dem Geruch, der aus dem Erdgeschoss nach oben dringt. Auch Luna ist nur widerwillig bereit, die Stufen nach unten zu gehen. Im Hauseingang liegt Müll, so dass sich Carmen erst einen Weg hindurch bahnen muss. Ein kurzes Bellen, ein Knurren lassen sie jedoch einen Moment verharren zwischen leeren Flaschen und Plastikbechern. Carmen spürt in diesem Moment, sie ist nicht alleine in dem Hausflur. Ein hechelnder Atem dringt an ihr Ohr. Die Hündin versucht vergeblich, die Hundeleine hindert sie, der Situation zu entkommen. Fast verliert Carmen das Gleichgewicht, sie kann sich gerade noch am Geländer des Kellerabgangs halten. Doch spürt sie in ihren Händen etwas Warmes und Weiches. Angewidert zieht sie ihre Hand fort und dreht sich ängstlich um. Sie schaut auf etwas großes Dunkles. Carmens Blick gleitet langsam nach oben. Sie schaut in das Gesicht eines ihr unbekannten Mannes.
Es ist einer jener Tage, an denen José Albares, sonst ein Vollblutpolizist, seinen Beruf verflucht. Unsanft wird er durch ein lautes Schrillen geweckt. Schlaftrunken und noch etwas orientierungslos gelingt es ihm nach einigen endlos scheinenden Sekunden, den unbarmherzigen Wecker zum Schweigen zu bringen. Im Bett nebenan liegt seine Frau Ines mit Ohrstöpseln versorgt und schläft selig. Recht hat sie, dass sie heute mal nicht mit mir zusammen aufsteht, wie sonst immer, denkt er ein wenig neidisch. Er küsst sie liebevoll auf die Wange und steht ächzend auf. Just in diesem Augenblick erinnert ihn ein Pochen an der linken Schläfe daran, dass er wohl gestern ein wenig zu lange beim Karneval war und ihm der Whisky-Cola-Mix in der Bar auf der Plaza de las Flores ein wenig zu gut geschmeckt hatte. Aber er hätte sich ja auch kaum schon vor Mitternacht absetzen können, während seine Frau und ein paar Freunde noch fröhlich durch die Straßen zogen! Warum musste er nur am Wochenende Dienst haben, noch dazu während des Karnevals!
Er schlurft ins Badezimmer, unterzieht sich einer schnellen Katzenwäsche und schlüpft in seine bereits am Abend deponierten Kleidungsstücke. Schon halb sechs, er muss sich beeilen. Schließlich wollen die Kollegen von der Nachtschicht abgelöst werden. Das Bild, das sich ihm auf dem Weg ins Kommissariat bietet, ist wenig erbaulich: Unübersehbar für jeden liegen die Überreste der vergangenen Nacht in den Straßen der Altstadt: Plastikbecher, Papiertüten, leere Flaschen und Unmengen von Servietten und benutzten Papiertaschentüchern. Zahlreiche Fensterscheiben ziert aus modernen Sprayflaschen abgeschossenes Konfetti in allen Farben. An einigen Plätzen und in Hauseingängen schlafen Menschen, die es nicht mehr zum Bus oder nach Hause geschafft haben. Gelbliche Pfützen an den Ecken und in den Eingängen hinterlassen einen strengen Geruch, der durch die Türen der Häuser in so manchen Flur zieht. Zahlreiche Müllmänner versuchen schon seit Stunden die Straßen zu säubern. Die Müllwagen quälen sich durch die engen Gassen der Altstadt und dort, wo es zu eng ist, versuche man es mit kleinen Karren, auf denen sich der Müll türmt. Beim Anblick der Reinigungstrupps ist José schon wieder halbwegs mit seinem Beruf versöhnt. Offenbar gibt es Schlimmeres, als am Sonntag einfach nur früh aufstehen zu müssen! Und morgen früh, nach dem großen Finale, wird es nicht besser aussehen, im Gegenteil! Dennoch, es liegt eine Stille über der Stadt, die nicht trügerischer sein könnte.
Auf dem Kommissariat in Cádiz herrscht ein reges Treiben. Während des Karnevals werden die Polizisten zu viel mehr Einsätzen angefordert als sonst. Als José das Büro betritt, ist Luis Cantor, sein Kollege von der Tagschicht, bereits da, putzmunter und gut gelaunt wie immer! Und obwohl Luis in der Hierarchie unter José steht, mustert er ihn frech abschätzig von Kopf bis Fuß, um ihn dann breit grinsend aufzuziehen:
„Na, Kollege Albares, dir fehlt wohl noch eine Mütze Schlaf, was? Und zum ordentlich Anziehen hat es scheinbar auch nicht mehr gereicht!“
Die Kollegen von der Nachtschicht, die gerade zusammen packen, können sich ein Kichern nicht verkneifen. Es ist immer lustig, mit anzuhören, wie sich Luis und José, die eine kollegiale Freundschaft verbindet, gegenseitig auf den Arm nehmen. José, dem sein Hemd lose aus der Hose hängt, steckt es etwas verlegen hinein und konterte:
„Du hast gut reden, Luis. Schließlich hat dich deine Frau nicht den ganzen Abend durch die Altstadt geschleift, von einer Bar zur anderen. Also lass mich nur in Ruhe, ich hab sowieso schon einen Brummschädel!“
„Na, dann werde ich uns erst mal einen Kaffee holen“, sagte Luis und zieht aus dem Automaten auf dem Flur zwei Becher des schwarzen Gebräus.
Dankbar schlurfte José den Automatenkaffee, für den er sonst nur verachtende Worte übrig hat. Heute scheint er ihm das Leben zu retten. Tat das gut! Zum Glück geht der Tag ruhig an und José kann die schlimmste Müdigkeit durch Sortieren seiner Unterlagen, die sich auf dem Schreibtisch türmen, überbrücken. Kurz nach acht klingelt dann aber das Telefon.
„Lass nur, ich geh schon ran“, sagt Luis gönnerhaft, als José lustlos den Hörer abnehmen will. „Schließlich wollen wir doch unsere Kunden nicht gleich durch Muffigkeit verprellen, oder?“
José will noch etwas Böses erwidern, aber lässt es dann doch bleiben. Im Grunde ist er Luis ja dankbar, der außerdem bereits ins Gespräch vertieft ist.
„Sprechen Sie doch langsam, ich kann ja gar nichts verstehen. Wie ist Ihr Name?“
Luis notierte: Miguel Alba.
„Gut, Señor Alba, und jetzt noch mal von vorn. Was ist passiert?“
Während Luis telefoniert, holte sich José noch einen Becher des wundervollen Kaffees und bringt Luis auch gleich einen mit. Während er jonglierend die Tür mit dem rechten Fuß öffnet, legt Luis gerade wieder den Hörer auf.
„Los, José, auf, wir fahren ein wenig spazieren!“
„Wieso, was ist denn los?“, fragte José und stellt den Kaffee auf seinem Schreibtisch ab.
„Verflucht“, schimpft er, der Kaffee ist sehr heiß und einige Tropfen kleckern über das glücklicherweise gemusterte Hemd.
„Diesem Miguel Alba ist offenbar seine Frau davongelaufen. Der arme Kerl ist völlig durch den Wind. Außerdem sind jetzt zwei Freundinnen seiner Frau da, die mit ihr zum Frühstück verabredet waren. Erst wollte ich ihn ja herbestellen. Aber wenn ich mir dich so ansehe, glaube ich, dass ein Ortswechsel vielleicht gar nicht so übel ist. Vielleicht wirst du ja auf dem Weg dorthin ein wenig munterer. Also, los!“
„Verflucht!“, schimpfte José unlustig, fügte sich dann aber seinem Kollegen. „Wo müssen wir denn überhaupt hin?“
„Calle Felipe Abarzuza, No. 6, erster Stock.”
„Also gut, aber meinen Kaffee darf ich noch austrinken, oder?“
Als die Becher leer sind, schnappen sich die zwei Kommissare ihre Jacken, melden sich kurz bei der Pforte ab und gehen zu ihrem Dienstwagen.
„Wer fährt?“, will Luis wissen.
„Du“, antwortet José. „Ich brauche noch eine Runde Schlaf.“
Kaum hatte er auf dem Beifahrersitz Platz genommen, nickte er auch schon ein. Luis schüttelt nur den Kopf. Dass sein Kollege noch immer nicht munterer ist, kann er nicht verstehen. So schweigt er während der Fahrt und geht seinen eigenen Gedanken nach. Die Fahrt geht durch die Altstadt bis zum Ende des Parks Genoves, den die Cádizer liebevoll und zugleich ironisch Petersilienpark nennen. Am Ende der Grünanlage findet Luis einen passenden Parkplatz, was auch für die spanischen Polizisten nicht immer einfach ist, da sich Cádiz in dieser Hinsicht kaum von anderen Städten Europas unterscheidet.
„So, genug geschlafen, aussteigen!“, fordert Luis seinen Kollegen auf.
Das schmale Haus wirkt gepflegt, jedoch nicht mehr ganz jung. Die Haustür steht offen und die beiden Kommissare gehen hinauf in den ersten Stock. Miguel Alba hat ihr Eintreffen offensichtlich kaum abwarten können, er öffnet die Wohnungstür, noch während die Klingel schrillt. Er ist ein großer, schlanker Mittvierziger mit dunklen Haaren und einem kleinen Schnauzbart.
„Gut, dass Sie da sind, Señores, treten Sie doch ein!“ Er führt sie in den Salon. José eröffnet das Gespräch, während er sich ein wenig im Salon der Familie umsieht, und bittet Miguel zu erläutern, was sich zugetragen hat.
„Rosa ist am Samstag mit ihren beiden Freundinnen zusammen zum Karneval gegangen. Die Drei machen es schon seit Jahren gemeinsam. Abschließend trifft man sich dann hier auf eine Tasse Kaffee, um das Erlebte noch einmal Revue passieren zu lassen“, erklärt Miguel.
„Entschuldigung wenn ich unterbreche. Wo sind denn die beiden Damen?“, hinterfragt der Kommissar, der mit seinem Kollegen zwischenzeitlich auf einem der beiden Sofas Platz genommen hat.
„Louisa und Mercedes sind schon nach Hause gefahren. Nur für den Fall, dass Rosa dort auftauchen sollte“, erklärt der besorgte Ehemann, der immer wieder, wie von einer unsichtbaren Macht angetrieben, an das Fenster des Salons tritt.
Der Blick führt direkt hinaus auf den endlosen Atlantik, dafür hat der Mann jedoch keine Augen, er sucht auf der Straße nach seiner Frau.
„Gegen neun Uhr klingelte es dann auch, Schlüssel lässt meine Frau immer besser zu Hause, ich ging zur Tür. Dort standen Louisa und Mercedes. Die beiden dachten natürlich, dass Rosa bereits hier wäre. Ich versuchte sofort sie anzurufen. Aber es geht nur die Mailbox ran“, beschreibt Miguel den Ablauf des Morgens, während er erneut auf die Tasten des Mobiltelefons drückt. Kopfschüttelt bemerkt er:
„Sie geht nicht ran, immer noch nicht!“
Luis, der sich bisher scheinbar an seinem kleinen Notizbuch festhält, während seine Gedanken immer wieder abschweifen zu seiner Frau, ergreift das Wort.
„Was haben die beiden Freundinnen denn erzählt? Gab es Auffälligkeiten in der Nacht? Haben die drei Frauen jemanden getroffen, den sie vielleicht kannten?“
Miguel schüttelt schweigend den Kopf, der hochrot angelaufen ist. Einige Schweißtropfen fallen auf den Kragen seines Hemdes. Er wischt sich gedankenlos mit der Hand über die Stirn und schaut erneut auf das Display seines Telefons.
„Ich benötige die Namen und Adressen der beiden Freundinnen, Señor Alba, geben Sie uns die Daten bitte“, fordert José den apathisch wirkenden Ehemann auf.
Miguel verlässt den Salon um kurze Zeit später mit einem Zettel zurückzukommen.
„Kommissar, helfen Sie mir. Finden Sie Rosa. Ich weiß nicht, was ich ohne sie machen soll!“, fleht er und reicht dabei den Zettel mit den Adressen über den Tisch.
José erklärt dem besorgten Ehemann, dass sie sich jetzt direkt auf den Weg zu den beiden Frauen machen werden und ihn sofort informieren werden, sollte es Neuigkeiten geben.
„Eine Bitte noch, bleiben Sie im Haus. Falls Ihre Frau nach Hause kommt. Vielen Dank.“
Mit einer Handbewegung deutet er an, wir finden den Weg alleine hinaus.
Während Luis wieder den blauen Citroën durch die Straßen zu bewegen versucht, es wird immer voller in der Stadt, reibt sein Kollege gedankenverloren an dem Kaffeefleck in seinem Hemd. Ihre Fahrt führt die beiden Ermittler nach Chiclana, in ein reines Wohnviertel im Süden der Stadt.
„Glaubst du an ein Verschwinden der Frau aus Cádiz? Ich glaube ja, die hat einen Freund und ist abgetaucht“, bemerkt Luis um seinen Chef aus seinen Gedanken zu holen.
„Komm schon, Luis, lass mich in Ruhe“, erwidert er kurz, als der Wagen vor dem Haus der Mercedes Merino hält. Schweigend betreten die Zivilen das Mietshaus und es öffnet sich, nach dem Läuten, sofort die Haustür. Scheinbar hat man bereits auf das Eintreffen der Kommissare gewartet. Vor José steht etwas verunsichert eine Dunkelhaarige, die noch teilweise in einem gefleckten schwarzweißen Kostüm steckt. Auf ihrem Bauch entdeckt der Ermittler ein dickes Gummi-Euter, scheinbar stellt sie eine Kuh da.
„Sie sind die Kommissare aus Cádiz, nicht wahr?“, erkundigt sich das Geschöpf vor ihm. Luis kann ein Grinsen nicht unterdrücken und nickt lieber still.
„Kommen Sie rein, bitte, gehen Sie durch, ganz nach hinten. Nehmen Sie bitte Platz, ich ziehe mir nur schnell etwas anderes an. Louisa ist auch da. Gehen Sie schon“, fordert Mercedes nachdringlich.
Sie kann diese Unsicherheit der beiden Männer nicht verstehen und bringt es schon gar nicht mit ihrem Kuhkostüm in Verbindung. Mit allem haben die Kommissare gerechnet, nicht aber mit einem großen Plastikfischkopf, der auf der Mitte eines Tisches im Salon liegt. Am Fenster steht der Rest des Tieres und schaut hinaus.
„Guten Tag. Louisa, wenn ich recht informiert bin?“, fragt Luis um sich wieder zu beruhigen.
Abrupt dreht sie sich um und man erkennt Tränen, die über das Gesicht laufen.
„Haben Sie Rosa gefunden?“, fragt die Frau verstört.
„Nein. Wir haben Ihre Freundin noch nicht gefunden.“ Nun betritt auch Mercedes wieder den Salon.
„Nehmen Sie Platz, bitte. Kann ich Ihnen etwas anbieten? Wein oder Kaffee vielleicht?“
Die Kommissare lehnen ab, sie möchten so schnell wie möglich alle erforderlichen Informationen einholen.
„Bitte erzählen Sie uns, was sich in der letzten Nacht zugetragen hat. Lassen Sie dabei bitte nichts aus, jede Kleinigkeit kann wichtig sein.“, erklärt José, er hält seinen linken Arm diskret vor den Fleck in seinem Hemd, auf den die beiden Frauen sicherlich gar nicht schauen werden, da sie etwas ganz anderes beschäftigt.
„Sie wissen, wir waren auf dem Karneval. An der Plaza Cruz Verde haben wir uns verloren. Gerade stand Rosa noch neben uns, dann war sie plötzlich verschwunden. Wir haben nach ihr gesucht, vom Rande aus nach ihr Ausschau gehalten. Ohne Erfolg. Ans Móvil ging sie nicht. Übrigens, immer noch nicht. Ich habe es gerade eben noch einmal versucht, immer die Mailbox. Wir haben uns dann nicht weiter gekümmert. Immerhin ist Rosa erwachsen. Es gab auch keinen Grund zur Sorge, wir waren ja zum Kaffee verabredet. Erst als sie am Morgen nicht zu Hause war, da kam uns die Geschichte sonderbar vor“, berichtet Mercedes.
„Wie spät war es denn, als sie sich aus den Augen verloren?“
„Ich wusste, Sie würden fragen, wir haben schon darüber nachgedacht. Es war so gegen zwei Uhr. Luis wirft einen kurzen Blick in das Gesicht der Louisa, ihr Make-up ist verwischt und hat schwarze Ränder unter den Augen zurückgelassen.
„Kann es sein, dass Ihre Freundin woanders zum Kaffee geladen wurde? Haben Sie Bekanntschaften gemacht? Freunde getroffen?“, will José wissen. Mercedes hält die Hände vor ihr Gesicht. Leise hört man sie schluchzen und weinen.
„Nein, niemals. Rosa hätte uns nie freiwillig alleine gelassen. Es gehört dazu für uns, dieses Treffen während des Karnevals, wie ein Brauch, den wir seit Jahren pflegen“, berichtet sie und hält kurz inne.
„Rosa hat sich doch mit diesem Mann unterhalten. Weißt du, Louisa?“
Die noch immer in diesem Fischkostüm steckende Louise blickt auf und überlegt einen Moment, dann sagt sie:
„Ja. Ich kannte den Kerl nicht. Wir haben mit vielen gesprochen, so ist es, es ist Karneval.“
Erneut ergreift Mercedes, die sich um Fassung und Übersicht bemüht, das Wort.
„Kommissar, seit unserer Schulzeit gehen wir jedes Jahr gemeinsam zum Karneval. Als Miguel in Rosas Leben trat, nach der Heirat, gab es Diskussionen. Aber auch er musste sich damit abfinden – Frauenveranstaltung! Miguel ist manchmal etwas aufbrausend, deshalb sind wir auch nicht verheiratet“, fügt sie grinsend mit einem Augenzwinkern hinzu.
Luis und José tauschen einen kurzen Blick aus, denn nicht selten kommt es vor, dass eifersüchtige Ehemänner darauf aus sind, selbst für Recht und Ordnung in der Ehe zu sorgen. Mercedes ahnt vermutlich, was gerade im Kopf der beiden Ermittler spukt und kommt ihnen zuvor.
„Nein, Herr Kommissar. Miguel würde seiner Rosa nie etwas antun. Niemals. Er liebt sie, mehr als alles auf der Welt“, dabei legt sie ihre rechte Hand auf ihr Herz.
José legt zwei Visitenkarten auf den kleinen Tisch und steht dann auf, dabei zieht er seine Hose hoch und steckt das Hemd zurück in den Bund.
„Sollte Ihnen noch etwas einfallen oder sollte sich Rosa bei Ihnen melden, bitte lassen Sie es uns wissen. Vielen Dank.“
Schweigend fahren die Ermittler zurück und als sie wieder durch Cádiz fahren, ist die Stadt längst wieder in der Hand vieler maskierter Menschen. Die Bemerkung: „Na, Täubchen eingefangen?“, die ihnen ein auf dem Flur des Kommissariats entgegenkommender Kollege zuwirft, ignorieren sie und gehen kopfschüttelnd in ihr Büro. Immer wieder war in der Vergangenheit der auf dem Flur stehende Kaffeeautomat außer Betrieb gewesen. José nahm daher im letzten Jahr diesen Umstand zum Anlass, eine elektrische Kaffeemaschine zu erwerben, die nun auf der Fensterbank des gemeinsamen Büros nahezu ständig für heißen Kaffee sorgt. Auch jetzt ist es Luis erster Handgriff, die Maschine in Gang zu setzen. Der zur Tür hereinschauende Kollege aus einem Nachbarbüro scheint vom Duft geradezu angezogen worden zu sein. Er informiert die beiden jedoch nur über einen angeblich dringenden Anruf, der sich auf ein auf dem Schreibtisch liegendes Fax bezieht. Luis nickt nur kurz.
„Hast du das gelesen? Eine weitere verschwundene Frau, kommt aus Chiclana“, berichtet Luis und fügt hinzu, „Liegt hoffentlich nicht am Wetter, oder?“
Grinsend über die Bemerkung eines Kollegen, greift José zu Telefon, um sich bei seinem Kollegen Pedro in Chiclana über den Fall zu informieren. Pedro schlägt vor, seinen Freund José am Abend kurz zu Hause aufzusuchen. Sie haben sich schon so lange nicht mehr gesehen. José ist begeistert und widmet sich wieder seinem Schreibtisch. Dazu gehört auch ein Anruf bei Miguel Alba. Mitfühlend erkundigt er sich nach Neuigkeiten und bittet den Ehemann der verschwundenen Rosa am späten Nachmittag um einen Besuch auf dem Kommissariat.
„Bringen Sie bitte ein aktuelles Foto Ihrer Frau mit!“, bittet der Kommissar.
Die Stadt pulsiert jetzt. Tausende von Besuchern strömen in die Altstadt. Auch der Kellner Fernando Gil ist längst zur Arbeit gegangen. An seine Frau denkt Fernando in diesen Stunden der Arbeit nicht. Er vermutet sie zu Hause und in ihrem Bett.
Am späten Nachmittag betritt Miguel schüchtern das Büro der Kommissare in Cádiz. Offensichtlich hat er sich extra eine neue Stoffhose und ein neues Hemd angezogen, die Falten, die sich beim Auspacken zeigen, sind noch klar zu erkennen. Man tauscht sich über fehlende Neuigkeiten aus.
„Sagen Sie Miguel, ist Ihre Frau schon einmal ohne Erklärung fortgeblieben? Vielleicht bei einer Freundin oder einem Bekannten?“, möchte José wissen.
„Nein, noch nie“, antwortet der Mann entrüstet.
„Hatten Sie eventuell Streit mit Ihrer Frau?“
„Was sollen denn diese Fragen? Nein, ich hatte keinen Streit. Und meine Frau hat auch keinen anderen Mann, das meinten Sie doch, oder?“, erwidert Miguel, seine Stimme schwankt und er ist verunsichert.
Als der Kommissar weiter nachfasst, reagiert der Ehemann gereizt und mit hochrotem Kopf.
„Ich sage die Wahrheit.“
Er ist aufgestanden, fast wäre der Stuhl zu Boden gefallen. Etwas später verlassen die beiden Kommissare ihr Büro und gehen hinunter auf die Straße, in eine kleine Bar, die sich direkt gegenüber an der Ecke befindet. Sie ist Anziehungspunkt für viele Beschäftigte des Kommissariats. Man trifft sich, um bei einem kleinen Café abzuschalten, den Kopf wieder frei zu bekommen oder nur um einfach über das letzte Fußballspiel zu sprechen. Die Bar ist immer gut besucht. Und das Klappern des Geschirrs mischt sich unter das Gemurmel der zahlreichen Gäste. Der Duft der zahlreichen, leckeren Tapas vermischt sich mit dem Aroma des frisch gebrühten Kaffees. Der Appetit auf eine kleine Leckerei stellt sich dabei fast von alleine ein.
„Ich glaube, die Alba hat einen Liebhaber und taucht wieder auf“, erklärt Luis, der sich eine kleine Tortilla bestellt hat und versunken darin herumstochert.
„Ich glaube gar nichts. Im Karneval sind schon die unheimlichsten Dinge geschehen. Warten wir ab“, erwidert José und schaut auf seine Armbanduhr, er denkt an seine Frau und an den bevorstehenden Besuch seines Freundes.
Als José an diesem Abend nach Hause kommt, duftet es schon verführerisch aus der Küche. Hm, lecker, Kaninchen mit Knoblauch, denkt er und begrüßt seine Frau, die am Herd steht, mit einem dicken Kuss. Gierig schaut er in die Töpfe und will schon zugreifen, als ihm Ines lachend auf die Finger klopft:
„Nichts da, genascht wird nicht!“, bremst sie ihn.
„Ach übrigens“, wirft José so nebenbei ein, „wir bekommen heute Abend noch Besuch. Pedro schaut vorbei. Du hast doch hoffentlich genug für uns alle, oder?“
„Na ja, wenn du nicht zu gierig bist, wird es schon reichen!“, lacht Ines.
Sie ist Pedros Überraschungsbesuche, die alle vierzehn Tage stattfinden, wenn es der Schichtdienst der beiden Freunde zulässt, gewohnt. Und kaum haben sie darüber gesprochen, da klingelt es auch schon. José öffnet und lässt seinen Freund, der mit 50 etwas älter ist als er, freudig eintreten.
„Schön, dass du uns besuchen kommst. Komm rein!“
„Hallo José, wie geht’s dir?“
Pedro tritt ein, wirft noch einen kurzen Blick in die Küche, um Ines ebenfalls zu begrüßen, und lässt sich dann ins bequeme Sofa im Salon sinken. José bringt Gläser und eine Flasche Wasser herein. Dann setzt auch er sich.
„Zum Glück war heute nicht viel los!“, berichtete er seinem Freund.
„Nur ein besorgter Ehemann, dem die Frau abhandengekommen ist. Ich könnte wetten, dass sie morgen wieder da ist!“
„Ach, ihr habt also auch eine vermisste Frau?“, fragte Pedro erstaunt.
„Ich hatte ja schon erwähnt, bei uns wird auch seit zwei Tagen eine Frau vermisst. Sie ist vom Einkaufen einfach nicht nach Hause gekommen, obwohl sie zwei Kinder zu versorgen hat.“
„Und was ist mit ihrem Mann?“
„Der sitzt schon seit Jahren im Gefängnis. Zum Glück hat sich die Schwester der Vermissten, die die Kinder immer hütet, wenn deren Mutter mal keine Zeit hat oder sonst unterwegs ist, bereit erklärt, bis auf Weiteres in der Wohnung zu bleiben und Mutterrolle zu übernehmen.“
„Hm, das klingt aber schon bedenklicher als unser Vermisstenfall!“, wirft José ein.
„Ja, da hast du recht!“, gibt Pedro zu.
José schenkt ein und prostete seinem Freund zu.
„Auf dein Wohl!“
„Auf dein Wohl!“, erwiderte Pedro.
„Und wie geht es deiner bezaubernden Chefin? Fallen deine Bemühungen langsam auf fruchtbaren Boden?“
Als Pedro vor fünf Jahren seinen Dienst im Kommissariat in Chiclana antrat, verliebte er sich Hals über Kopf in seine Vorgesetzte, Juana Gadi. Doch zu seinem Pech zieht sie eine klare Grenze zwischen ihrem Privat- und ihrem Berufsleben. In Pedro sieht sie immer nur einen Kollegen, den sie zwar sehr schätzt, aber eben nichts weiter.
„Solange ich im selben Kommissariat arbeite wie sie, werde ich wohl niemals eine Chance haben!“, meint Pedro traurig mit einem bedauernden Achselzucken.
Doch bevor sie das Thema weiter vertiefen können, kommt Ines herein und ruft sie zum Essen. Prompt ist alles vergessen, worüber sie gerade gesprochen haben, und sie eilen zum Esstisch, wo bereits appetitlich angerichtet ist.
„Mensch, hast du es gut, José, eine so hervorragende Köchin hätte ich auch gerne als Frau!“
Lächelnd dankt Ines für das Kompliment und füllt zuerst ihrem Gast, dann José und sich selbst auf.
„Einen guten Appetit!“, wünschen sie sich alle gegenseitig und genießen das Essen ebenso wie den Rotwein, den es passend dazu gibt.
Sogar Pedro trinkt ein Glas davon, obwohl er noch nach Chiclana zurück fahren muss. Doch da sie alle noch vom Vorabend müde sind, verabschiedet sich Pedro bald, nachdem sie auch noch den Nachtisch bis auf das letzte bisschen vertilgt haben.
„Vielen Dank, Ines, das war einfach köstlich!“, bedankt Pedro sich bei seiner Gastgeberin. Und zu José gewandt sagte er:
„Gute Nacht, José! Ach ja, wenn eure Ausreißerin bis morgen nicht wieder aufgetaucht ist, lass uns doch telefonieren. Wer weiß, ob unsere Vermisstenfälle nicht am Ende etwas miteinander zu tun haben!“ José verspricht ihm, sich am nächsten Tag zu melden, und schließt die Tür, nachdem Pedro im Treppenhaus verschwunden ist.
„Puh, freue ich mich heute auf mein Bett!“, ist das Letzte, was seine Frau heute noch von ihm zu hören bekommt. Bereits kurze Zeit später schläft er den Schlaf der Gerechten.
Auf dem Kommissariat in Chiclana verrichten Juana Gadi und Pedro Clares ihren Dienst. Das Thema ist natürlich die seit drei Tagen verschwundene Mutter. Am Samstag hatte sie sich ihre bunt geflochtene Markttasche genommen und war zur Markthalle gegangen. Als am Abend ihre Tochter Lisa von ihrer Freundin nach Hause kam, machten sich die beiden Kinder Sorgen. Ohne eine Nachricht wäre Maria nie fortgeblieben. Während der Dunkelheit hätte die besorgte Mutter niemals das Haus verlassen und sie hätte auf keinen Fall ihre Kinder alleine zurückgelassen. Ramon, ihr Ehemann und der Vater der beiden Kinder sitzt seit 1997 in Gefängnis. Er war unbeabsichtigt in die Fänge von Kredithaien geraten. Um seine Schulden zu begleichen sollte er als Drogenkurier fungieren und wurde von einem Sondereinsatzkommando bei einem gemeinsamen Nachtspaziergang geschnappt. Zufällig war seine Frau Maria dabei. Diesen Vorfall wird sie nie vergessen und fürchtet daher die Dunkelheit. In einem Telefonat, Juana wollte ursprünglich mit der Schwester der Vermissten sprechen, versucht sie nun beruhigend auf die Tochter einzuwirken. Lisa ist siebzehn Jahre alt, jedoch für ihr Alter noch sehr kindlich. Die Haare hat sie zu einem Zopf geflochten, sie schminkt sich nicht und hat auch noch keinen Freund.
„Lisa, wir machen ganz viel um deine Mutter so schnell wie möglich wieder zu finden. Leider haben wir bisher noch keinen Hinweis erhalten, wo sie sich aufhalten könnte. Aber ich verspreche dir, ich werde dich sofort informieren, wenn wir etwas wissen. Versprochen, Lisa!“
Während des Telefonates betrachtet Juana die Bildergalerie, die sie sich in ihrem gemeinsamen Büro angebracht haben. Lachende Gesichter, Spaß und Freude, Bilder von unzähligen Ausflügen und Festen. Daneben aber auch eine Sammlung diverser Zeitungsausschnitte, die alle Lob und Anerkennung aussprechen. Unzählige gelöste Fälle in den letzten Jahren, darauf sind Juana und Pedro besonders stolz.
Für die beiden Kinder, die ja nur noch ihre Mutter haben, ist es ein ganz schrecklicher Zustand. Juana versuchter, mit gezielten Fragen nach Lisas Tag, der Schule und den Freundinnen des Mädchens, ein wenig vom diesem Drama abzulenken und das Mädchen auf andere Gedanken zu bringen. An ein Verbrechen denkt die Kommissarin dabei nicht, obwohl zum jetzigen Zeitpunkt alles dafür spricht. Während sie den Hörer des Telefons noch immer fest umschlossen hält, schweift ihr Blick durch das offen stehende Fenster und in den an diesem Morgen wolkenlosen Himmel.
„Pedro, lass uns zum Haus der Vermissten fahren. Wir sollten uns ein wenig umhören“, erklärt Juana ihrem Kollegen Pedro, der die Aussicht auf eine gemeinsame Autofahrt mit einem Lächeln erwidert.
Aus dem Gesicht des fünfzigjährigen Pedro strahlen dem Betrachter zwei dunkelbraune Augen und ein verschmitztes Lächeln entgegen. Seine dunklen, krausen Haare sind fast immer ein wenig länger, als es von Vorteil wäre und seinen kleinen Bauch trägt er stolz zur Schau. Er ist immer noch ledig und hofft tief in seinem Inneren, eines Tages seine Vorgesetzte heiraten zu dürfen. Pedro weiß, Wünsche und Hoffnungen sind erlaubt, aber ob sein Wunsch erhört und eine Zukunft haben wird? Jeder, der Juana kennt, versteht Pedro. Juanas Anblick ist eine Augenweide, sie trägt die langen schwarzen Haare meist zu einem Zopf gebunden und ist immer schick gekleidet. Sie sticht zwischen all den Männern bei der Polizei heraus und ist zudem auch noch bei allen Kollegen beliebt.
Die Fahrt zu Maria Wohnung, sie lebt in einem Mehrfamilienhaus im Zentrum Chiclanas, dauert nur wenige Minuten. Die Kommissare befragen alle Parteien im Haus, erkundigen sich nach Besonderheiten, sie wollen von jedem Mieter wissen, wo er Maria zuletzt gesehen hat und wann es gewesen ist. Zuletzt klingeln die Ermittler auch noch bei den beiden Kindern im zweiten Stock. Juana bemerkt, das Lisa nicht in der Schule ist.
„Ich kann nicht zur Schule, ich muss immer an meine arme Mutter denken. Wo ist sie? Warum hat sie uns alleine gelassen?“, schluchzt das Kind bitterlich.
Juana legt ihren Arm um die kleine Lisa und versucht erneut das Mädchen zu beruhigen.
„Ich verstehe, dass Euch die Mutter fehlt, aber Ihr müsst fest daran glauben, dass sie bald wieder bei Euch ist!“
Lisa reißt sich los und beginnt lautstark zu protestieren.
„Ich glaube ja daran, aber ich kann es nicht verstehen!“, schreit das Kind weinend heraus und macht seinem Herzen etwas Luft.
Sie dreht sich um und geht in ihr Zimmer. Die beiden Ermittler werfen sich einen schnell Blick zu, den Lisa zum Glück nicht sieht, denn auch sie glauben nicht an eine einfache Lösung. Verunsichert verlassen Juana und Pedro, der während der ganzen Zeit kein Wort gesprochen hat, die stille Wohnung, in der nur das Ticken der Küchenuhr zu hören ist.
Auf dem Weg zurück zum Kommissariat fahren die beiden noch auf eine Befragung in die Markthalle der Stadt. Fast wichtiger als der Einkauf ist den Menschen der Austausch von Neuigkeiten. Ein kleiner Plausch beim Obststand, ein Bericht über das neue Rezept mit dem Händler am Fleischstand, Lachen, Feilschen, all dies sorgt für ständiges Gemurmel im Inneren, das sie lebendige Atmosphäre in dieser Halle wiedergibt. Leider erhalten die beiden keine brauchbaren Hinweise, die darauf schließen lassen, dass Maria an diesem bewussten Tag überhaupt in der Markthalle angekommen ist. Diese Menschenmenge und die Enge in den einzelnen Gängen erdrückt Pedro, er fühlt sich nicht wohl und ist froh, als er sich wieder in den Autositz zurücklehnen kann. Schweigend setzen sie ihre Fahrt fort. Juana nimmt angekommen im Kommissariat automatisch im Eingangsbereich die Treppenstufen, ihre Gedanken kreisen um die Kinder. Welche Mutter würde freiwillig ihre Kinder zurück lassen? Ist das nicht schon ein Beweis dafür, dass der Frau etwas zugestoßen sein muss?
„Erde an Juana! Hallo, melden!“, versucht Pedro seine Kollegin aus ihren Gedanken zu wecken.
„Entschuldige, bitte, ich war eben ganz abwesend.“
„Dafür bist du aber noch ziemlich präsent!“, scherzt Pedro und ringt damit Juana ein Lächeln ab, als sie die Blicke der Kollegen und der Besucher des Kommissariats auf sich fühlt.
Auf dem Weg zu ihrem Büro ziehen sie sich aus dem auf dem Flur stehenden Automaten einen Becher Kaffee, von dem sie sich versprechen, die Köpfe wieder klar zu bekommen. Juana nimmt den ersten Schluck, Pedro öffnet gerade die Tür des Büros, und schüttelt sich dabei.
„Der schmeckt ja wie Abwaschwasser. Bäh!“
„Du hättest mein Angebot annehmen sollen und mir erlauben sollen, die Kaffeemaschine fürs Büro zu spendieren. Das hast du nun davon, wer nicht hören will, muss eben diese Brühe trinken“, bekräftigt Pedro, während er seiner Chefin mit dem Pappbecher zuprostet.
Juana hätte schon gerne so ein modernes Gerät, aber in letzter Konsequenz hätte sie immer für die Bedienung sorgen müssen, denn Pedro ist einfach zu viel Mann, er lässt sich gerne bedienen.
Etwa zur gleichen Zeit betritt ein Mann das Kommissariat in Cádiz.
Im Eingangsbereich erkundigt sich der diensthabende Polizist nach seinen Wünschen. Genervt erwidert der Fremde, er würde seine Frau vermissen und deshalb mit einem Polizisten sprechen wollen.
„Wollen Sie das hier vielleicht an der Tür mit mir besprechen?“
„Nein, natürlich nicht. Ich informiere den Leiter des Kommissariats. Wir werden uns sofort um Sie kümmern, bitte warten sie einen Moment”, erwidert der Polizist und greift zum Telefon.
Am heutigen Morgen haben Claudio und Paco Dienst, zu ihnen wird der Hilfesuchende nun in den zweiten Stock aufs Zimmer 205 geschickt.
„Gehen Sie hier gleich links, durch die Glastür und dann nehmen Sie die Treppe nach oben. Die Kollegen erwarten Sie bereits“, erklärt der Diensthabende am Empfang und wendet sich wieder seinen Aufgaben zu.
Fernando Gil geht durch das Treppenhaus. Es riecht hier nach kaltem und abgestandenem Rauch. Die Fenster auf dem Absatz sind geschlossen. Die davor befindlichen Gitter, sie waren wohl mal weiß gestrichen, bilden einen zusätzlichen Schutz vor nicht gewünschten Eindringlingen. Vor dem Zimmer 205 richtet Fernando Gil seine Kleidung und klopft an die Tür. Fernando öffnet die Tür. An dem in der Mitte des Büros stehenden Doppelschreibtisch sitzen sich zwei Kommissare gegenüber, jeder von ihnen hat eine Zigarette in der Hand und einen Becher Kaffee vor sich stehen, sie wirken wie ihr gegenseitiges Spiegelbild.
„Kommen Sie doch rein. Bitte nehmen Sie Platz. Ich heiße Claudio Yubi und das ist mein Kollege Paco Naranja.“
Der Kommissar zeigt auf seinen Kollegen gegenüber und fährt fort:
„Wie heißen Sie bitte? Und wie können wir Ihnen helfen?”
„Mein Name ist Fernando Gil. Ich brauche Ihre Hilfe. Meine Frau ist fort.”
Die beiden Kommissare werfen sich einen fragenden Blick zu, ohne dass Fernando es wahrnimmt, der gerade auf dem freien Stuhl an der Seite des Schreibtisches Platz nimmt.
„Was ist denn passiert? Warum ist Ihre Frau fort? Und wie können wir Ihnen dabei helfen?”
„Meine Frau ist am Sonntag mit dem Hund raus. Und nicht wiedergekommen”, antwortet Fernando Gil kurz und meint, damit wäre alles Nötige gesagt.
Die Kommissare, immer noch unschlüssig über den Wahrheitsgehalt dieser Aussage, fragen weiter.
„Wie, am Sonntag?”, will Paco wissen.
„Nun, am Sonntag, so gegen siebzehn Uhr. Sie hat Mezcla, so heißt unser Hund, genommen und ist gegangen. Meine Frau geht immer mit unserem Hund spazieren. Aber von dem Ausflug sind die beiden nicht wiedergekommen.”
„Ihre Frau geht am Sonntag mit dem Hund spazieren und jetzt am Montag stellen Sie fest, Ihre Frau ist nicht wiedergekommen? Bitte, erklären Sie mir das mal etwas genauer. Wieso vermissen Sie Ihre Frau erst heute?”, will der Kommissar Claudio etwas überrascht wissen. Fernando, er ist schon viel ruhiger geworden, liefert gleich die plausible Erklärung:
„Das ist ganz einfach zu verstehen, Herr Kommissar. Ich bin erst heute Morgen, so gegen sechs Uhr, von der Arbeit nach Hause gekommen. Ich arbeite als Kellner und hatte eine wirklich anstrengende Schicht. Darum bin ich auch gleich ins Bett.“
Claudio nickt, er hat die Worte des Mannes verstanden, aber begriffen hat er es dennoch nicht.
„Und als sie ins Bett gingen, haben sie nicht gemerkt, dass ihre Frau nicht neben ihnen im Bett liegt?”
Erneut hat Fernando Gil eine verständliche Erklärung parat.
„Das ist auch ganz einfach zu erklären, Kommissar. Wir haben getrennte Schlafzimmer. Ich arbeite in meinem Job sehr unregelmäßig und im Schichtdienst, da unsere Bar durchgehend geöffnet hat. Damit ich meine Frau nicht in der Nacht störe, haben wir uns entschlossen, getrennt zu schlafen. So einfach ist das. Ich bin davon ausgegangen, dass meine Frau schläft, es war immerhin still in der Wohnung, als ich nach Hause kam.“
Der Kommissar kratzt sich genüsslich am Kinn. Eine unbewusste Reaktion, die Pacos Kollegen anzeigen, dass er nachdenklich wird. Noch kratzend hakt er nach, wann Fernando denn nun bemerkt habe, dass seine Frau nicht in dem anderen Bett gelegen habe und auch nicht im Hause sei.
„Genau genommen heute Morgen, als ich gegen neun Uhr wach wurde. Ich bin aufgestanden, um etwas Wasser zu trinken, dabei habe ich Mezcla vermisst. Sie liegt sonst immer im Flur, auf ihrer Hundedecke, aber die Decke war leer. Und dann habe ich im Schlafzimmer meiner Frau nachgesehen. Das Bett war noch unbenutzt. Ich habe mich weiter in der Wohnung umgesehen und gemerkt, dass die Hundeleine nicht an ihrem Platz hängt.”
„Kann es denn nicht sein, dass Ihre Frau erneut mit dem Hund spazieren gegangen ist? Vielleicht war sie in der Zwischenzeit ja schon mal wieder zu Hause?“ Fernando Gil antwortet kopfschüttelnd:
„Nein, kann nicht sein. Auf dem Tisch im Salon standen noch die Gläser wie am Abend, als ich zum Dienst ging. Meine Frau hätte das Geschirr niemals stehen lassen. Sie räumt immer sofort auf. Es muss ihr etwas zugestoßen sein.”
Auf die Frage, ob seine Frau schon häufiger nicht nach Hause gekommen, schon öfter fortgeblieben sei, antwortet der Ehemann sofort mit einer gewissen Schärfe, dass dieses natürlich nie passiert wäre, da er es in keinem Falle erlaubt hätte. Der Kommissar amüsiert sich insgeheim über die Empörung des Mannes, doch er sucht einen Weg, ihn wieder zu beruhigen. Schnaufend steht er von seinem Stuhl auf und geht an das leicht geöffnete Fenster des Büros. Der Blick fällt auf die stark befahrene Hauptstraße, eine Schlange hat sich vor der roten Ampel gebildet und einige Passanten überqueren die Fahrbahn. Paco dreht sich zu Fernando um, schaut ihm ins Gesicht und betrachtet die zugleich besorgte und wütende Miene des Kellners. Wie würde er selbst reagieren, wenn seine Frau plötzlich verschwinden würde?
„Könnte es sein, dass Ihre Frau bei einer Freundin geblieben ist? Vielleicht hat sie nur vergessen, Sie zu informieren. Oder sie hat Ihnen vielleicht eine Nachricht geschrieben oder auf die Mailbox des Mobiltelefons gesprochen?”
„Wohl kaum. Schon gar nicht mit dem Hund. Meine Frau würde nicht mit dem Hund zu einer Freundin gehen. Und mit dem Hund würde sie mich auch nicht verlassen, niemals. Ich habe keine Nachricht von ihr erhalten, glauben Sie mir endlich. Es ist ihr etwas zugestoßen!“
Die Kommissare wundern sich über die Art und Weise, in der Fernando Gil seiner Besorgnis Ausdruck verleiht. Immer wieder erwähnt der Mann seinen Hund, man könnte denken, er sorgt sich mehr um das Haustier als um seine Frau. Kommissar Claudio bittet Fernando, für die Aufnahme der Vermisstenmeldung ein Foto ins Kommissariat zu bringen, sollte sich seine Frau bis zum Abend nicht bei ihm gemeldet haben. Der Mann hat verstanden, er nickt den Kommissaren zu und fragt dann doch etwas verunsichert:
„Meinen Sie ein Foto von Mezcla?”
Perplex stutzt der Kommissar einen Moment, erklärt seinem Gegenüber dann aber sehr bestimmt, er möge ein Bild seiner Frau mitbringen, immerhin werde sie ja vermisst. Verwundert nehmen die beiden Ermittler die Antwort zur Kenntnis, er müsse erst schauen, ob er ein Foto seiner Frau besitzen würde. Während er aufsteht und zur Tür geht, erklärt der Kellner brummend, da er am Abend noch zum Dienst müsse, könne es durchaus passieren, dass er erst am nächsten Morgen ins Kommissariat käme, da er es sich nicht erlauben könne, zu spät zum Dienst zu erscheinen. Mit diesen Worten, die wie ein großes Fragezeichen im Raum hängen bleiben, verlässt er die Örtlichkeit. Paco und Claudio beobachten fast fassungslos, wie die Tür ins Schloss fällt.
„Claudio, ich glaube hier läuft eine versteckte Kamera mit. Oder war das ein Scherz unserer Kollegen?”, fragt Paco, er schaut sich dabei suchend im Büro um.
„Du, ich weiß es nicht. Aber normal kann es nicht sein. Ob wir ein Foto seines Hundes möchten? Was geht denn bloß in einigen Menschen vor? “
Juana und Pedro, die beiden Kommissare aus Chiclana, sitzen an ihrem Schreibtisch im gemeinsamen Büro und besprechen die weitere Vorgehensweise im Fall der verschwundenen Mutter. Juana beschreibt ihrem Kollegen ihr Bauchgefühl. Oft schon hat Juana auf ein Gefühl gehört, das tief aus ihrem Inneren kam und mit keinen Argumenten zu belegen war. Pedro hat sie deshalb schon oft auf den Arm genommen. Jetzt sagt ihr genau dieses Gefühl, dass Maria etwas zugestoßen sei. Eine Begründung hat sie natürlich nicht dafür, es sei einfach weibliche Intuition. Pedro erwidert schnell und mit einem Lächeln auf den Lippen:
„Ich hoffe nicht. Ich hoffe, es ist etwas anderes, das dich zu dieser Aussage treibt.”
Juana schaut hoch. Sie hat die Bemerkung ihres Kollegen nicht richtig verstanden und fragt deshalb nach.
„Wie meinst du das? Es soll etwas anderes sein?” Pedro lächelt immer noch, dann antwortet er:
„Nun, Juana, ich habe ja das gleiche Gefühl wie du. Und es kann doch wohl kaum weibliche Intuition bei mir sein? Oder?”
Juana hat darauf die richtige Antwort parat, sie sagt mit ganz ernster Miene:
„Vielleicht ist es ansteckend? Oder du hast es dir angenommen in all den Jahren. Nun aber Spaß beiseite. Wir haben keine Information aus dem privaten und familiären Umfeld von Maria. Wir wissen nicht, ob Maria noch lebt oder schon tot ist, denn wir haben keine Leiche gefunden. Wir haben auch keine Frau, die in eines der umliegenden Krankenhäuser eingeliefert wurde, ich habe mich bereits informiert. Wenn es nicht schon so lange her wäre, ich meine mit ihrem Mann im Gefängnis, könnte es ja auch ein Delikt aus dem Milieu, ein Drogenproblem, sein. Aber es erscheint mir eigentlich eher unwahrscheinlich.”
Pedro hat noch eine andere Idee und schlägt vor:
„Ich werde mal versuchen, ihren Hausarzt ausfindig zu machen. Mal sehen, vielleicht ist sie krank? Und dann die Bank. Wir sollten auch mal die finanzielle Situation abklären.”
Juana, die während des Gesprächs auf und ab geht und dabei eine Dose Cola light trinkt, schlägt vor, sich in der Wohnung der vermissten Maria umzusehen. Unterbrochen wird ihre Beratung durch einen eingehenden Anruf, den Juana entgegennimmt, und, von Pedro neugierig beobachtet, mit den Worten beendet:
„Klar, Kollegen. Wann kommt ihr? Ja, ich bin einverstanden. Dann bis später“.
„Nachher kommen die beiden Kollegen aus Cádiz. Sie möchten sich über den Fall der vermissten Maria informieren, da sie zwei ähnlich gelagerte Fälle zu bearbeiten haben, zwei vermisste Personen, beides Frauen, in Cádiz.”
„Na, das wird ja immer besser“, bemerkt Pedro, der sich insgeheim auf die Abwechslung durch den Besuch der Cádizer Kollegen freut.
„Hoffentlich treibt nicht ein Serientäter sein Unwesen bei uns. Ich mag gar nicht darüber nachdenken, was dann los ist. Die Polizeidirektion treibt uns an. Die Bevölkerung verfällt in Panik. Die Kollegen liegen einem mit ständigen Fragen in den Ohren. Und erst die Presse! Davor habe ich richtig Angst.“
Die beiden Kommissare aus Cádiz, Claudio Yubi und Paco Naranja, sind bereits in ihrem Dienstwagen auf der Fahrt zu ihren Kollegen nach Chiclana. Die Fahrt dauert nur etwa dreißig Minuten, der Verkehr läuft zügig und es gibt heute keine Staus auf der Strecke. Die ersten Bäume stehen bereits in voller Blüte, und so genießen die beiden Männer aus Cádiz ihren heutigen Ausflug.
Juana und Pedro warten schon auf die Kollegen, erhoffen sie sich doch auch für die Aufklärung ihres Falles Hilfe. In Anbetracht der Wichtigkeit fällt der private Teil der Unterhaltung heute eher klein aus, lediglich Claudio erkundigt sich bei Pedro, wie es denn so in der Liebe ginge. Pedro beantwortet die Frage, die mit einem Augenzwinkern in Juanas Richtung ging, nur mit seinem rot anlaufenden Gesicht. Bevor einer der Männer darauf etwas von sich geben kann, ergreift Juana das Wort, sie meint, sicher ist sicher, eine Diskussion um das Thema Liebe und Pedro möchte sie in jedem Fall verhindern.
„Ich finde es, vorsichtig ausgedrückt, bemerkenswert. Da verschwinden fast gleichzeitig drei Frauen, in Chiclana und Cádiz. Bisher gibt es keinerlei Hinweise auf ihren Aufenthaltsort. Weder in der unmittelbaren Umgebung noch bei Freunden und der Familie haben wir einen Hinweis erhalten. Probleme in den Familien hat es, nach den jetzigen Erkenntnissen, auch nicht gegeben. Es gab bisher keine Lösegeldforderungen, wobei keine der Familien dafür potentielle Opfer wäre, und auch glücklicherweise keine Leichen“, fasst die Kommissarin für alle Anwesenden zusammen.
Der Kollege Claudio erklärt, er habe sich schon schlau gemacht, es hat bisher keinen vergleichbaren Fall gegeben. Pedro, der sich locker auf den Rand seines Schreibtisches gesetzt hat, berichtet den Cádizer Kollegen:
„Wir fahren nachher noch einmal zur Wohnung der vermissten Maria, in der sich die beiden Kinder zurzeit unter der Aufsicht der Tante aufhalten. Vielleicht gibt es Hinweis auf den Verbleib der Mutter. Ihr wisst ja, Notizbücher, Pass und so weiter. Und bei Euch? Was liegt da so an?“
Paco, er steht immer noch am Fenster des Büros, mit dem Rücken zur Straße, er mag nicht so gerne ins direkte Licht sehen, erläutert seinen Kollegen:
„Wir wollen uns noch mal in der Bar umhören, wo der Ehemann als Kellner arbeitet. Ihr erinnert euch, das ist der Unglückliche, der uns ein Bild von seinem Hund mitbringen wollte!”
Nach einer kurzen Stille folgt allgemeines Gelächter. Einig sind sich die vier Kommissare darüber, dass ein Austausch von Informationen für beide Teams nur von Vorteil sein kann und beschließen, sich per Telefon regelmäßig über den aktuellen Stand zu unterrichten. Während die Zwei aus Cádiz schon wieder in der Tür des Büros stehen, bestellt Pedro noch einen Gruß an seinen Freund José. Juana klemmt sich bereits die Akte des Falles, der Name Maria ist in dicken Buchstaben auf den Deckel geschrieben worden, unter den Arm und fragt ihren Kollegen, während sie ihre Handtasche in die Hand nimmt, nach dem Autoschlüssel.
Pedro antwortet schlagfertig, es sei schließlich bei ihm immer alles in männlicher Hand und sie solle sich deshalb keinerlei Gedanken machen. Wieder einmal versucht Pedro, Juana hat recht gute Laune, seine Chance zu nutzen und legt seiner Chefin einen Arm um die Schulter. Juana schaut zu ihm und denkt, der Weg zum Auto ist nur kurz und alleine sind wir ja auch nicht. Sie möchte Pedro gar keine Chance geben, eine solche Situation auszunutzen, etwas näher und noch etwas näher und dann? Juana mag Pedro, sehr sogar, aber auf keinen Fall möchte die Kommissarin die gemeinsame Zusammenarbeit mit ihm gefährden. Auf dem kurzen Weg zu Marias Wohnung äußern sie ihre Gedanken. Was passiert gerade in ihrer Gegend? Warum verschwinden Frauen spurlos? Als sie vor dem Haus stehen, ragt es vor ihnen auf wie eine unüberwindbare Bergwand, die noch lange nicht bestiegen werden wird. Auf das Klingeln reagiert zuerst niemand, Juana versucht es ein zweites und ein drittes Mal. Endlich ertönt der Summer. Auf dem Treppenabsatz wartet Lisa bereits, sie ist aufgeregt und redet wie ein Wasserfall auf die Kommissare ein. Juana legt beruhigend ihre Hand auf Lisas Schulter und schlägt vor, zuerst einmal in die Wohnung zu gehen. Auf dem Flur, Pedro ist noch in der Tür, legt das Mädchen erneut los.
„Haben Sie von meiner Mutter gehört? Wie geht es ihr? Wo ist sie? Wann kommt sie zurück?“
„Langsam, langsam. Ganz ruhig, Lisa. Also zuerst, wir haben deine Mutter noch nicht gefunden. Leider wissen wir auch noch immer nicht, wo sie sich aufhält. Es tut uns leid. Wir sind hier, weil wir uns in der Wohnung umsehen möchten. Vielleicht finden wir einen Anhaltspunkt, irgendetwas, was uns hilft, deine Mutter zu finden. Eine Telefonnummer, einen Vermerk oder einen Brief. Ist euch noch etwas eingefallen, was uns helfen könnte?”, erklärt Juana dem aufgeregten Mädchen, das nun traurig und enttäuscht antwortet, sie habe bereits darüber nachgedacht, sei aber auch zu keinem Ergebnis gekommen.
„Wo hat denn deine Mutter ihren Schreibtisch mit privaten Dingen? Wo bewahrt sie Briefe oder andere wichtige Dokumente auf?”
„In ihrem Schlafzimmer. Dort steht ein Sekretär. Kommen sie hier durch.”