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Deutschland verlassen und im Ausland einen Neuanfang starten? Der Traum vieler Deutscher. Die gebürtige Hamburgerin hat, gemeinsam mit ihrem Mann, 2000 diesen Schritt gewagt. Begleiten Sie die beiden auf ihrem abenteuerlichen Weg in ein neues Leben in Andalusien. Lernen Sie Spanien von einer ganz andern Seite kennen, als Sie es als Urlauber je erleben werden können! Erst wird ein Haus gekauft, dann jede Menge gebaut und renoviert. Erfahrungen mit Handwerkern gehören genauso dazu, wie alles Ungewohnte und Neue im Land. Hätten die Eheleute vorher gewusst, was auf sie zukommt, hätten sie wohl trotzdem diesen Schritt in ein neues Leben gewagt? Diese facettenreiche Geschichte ist nicht nur für Spanien-Freunde und zukünftige Auswanderer interessant.
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Seitenzahl: 198
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Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Menschen werden geboren, wachsen und lernen Dinge, die sie für ihr Leben benötigen und mit ihnen werden Wünsche entbunden. Zuerst, bei den Kindern, sind es die kleinen Wünsche nach einer eigenen Puppe oder nach einem ferngesteuerten Rennauto. Werden die Kinder größer wachsen auch die Herzenswünsche mit ihnen, so sehnt man sich nach dem Jungen aus der Nebenklasse, der einen so gar nicht beachtet, oder nach einem Wochenende ohne Eltern. Später kommen dann schnell die materiellen Träume hinzu, die eigene Wohnung, das erste eigene Auto, aber auch Wünsche an die Zukunft: ein Partner fürs Leben und vielleicht Kinder.
Wir alle hören nicht auf Wünsche vor unserem inneren Auge aufzubauen. Hätten wir keine Sehnsüchte mehr, wäre das Leben langweilig, es gebe keine Ziele mehr, auf die wir hinarbeiten müssten und keine Träume mehr, die uns Antrieb gäben, weiter zu leben und weiter zu hoffen.
Auch ich hatte Wünsche, zuerst kleine, später große, wie alle Menschen auf der Erde auch. Einige meiner Wünsche erfüllten sich sehr schnell, andere dauerten, wieder andere, erkannte ich, waren nicht richtig. Sie waren besonderen Traumbildern entstanden, die nicht zu realisieren waren. Dafür entstanden immer wieder neue Träume und neue Wünsche!
Seit wann ich dieses Verlangen, mein Leben in Andalusien zu verbringen hatte, kann ich heute nicht mehr sagen. Es gab, so weit ich mich erinnern kann, keines dieser Aha - Erlebnisse, mit dem Ergebnis: ich will nach Andalusien. Vielleicht war es in einem dieser Urlaube, als Pauschaltourist, irgendwo in einem Flugzeug über den Wolken? Vielleicht während ich in einer dieser viel zu engen Chartermaschinen saß, auf dem Weg in einen Urlaub, auf den man sich das ganze Jahr schon gefreut hatte? Zwischen all den Menschen, die genau wie ich, dem grauen nordeuropäischen Wetter entfliehen wollten, immer mit dem einem Ziel vor Augen: Sonne, Meer, Strand und Erholung. Während man versucht, ohne wirklich eine gute Figur dabei abzugeben, ohne die Arme richtig benutzen zu können, das bisschen Essen, was einem in so einer Maschine, verpackt zwischen Mehrwegplastikschale und Styropor, serviert wird, zu essen. Da beginnt man dann, damit die Zeit bis zur Landung halbwegs erträglich wird, zu träumen von Oliven, roten und leckeren Tomaten mit Geschmack, die man im Norden schon lange nicht mehr bekommt, von Rotwein und fangfrischem Fisch. Man denkt an ein Frühstück mit der Sonne als Partner am Tisch, der auf einem lauschigen Patio inmitten eines eigenen Gartens mit großem Pool steht. Man sieht bunte Blumen, deren Leben nicht kurz nach dem Einpflanzen vom nächsten Regenschauer oder gar Hagel im Sommer beendet wird. Der Duft von Jasmin und Apfelsinenblüten steigt in die Nase, gemischt mit Aromen der eigenen Gewürze wie Minze, Basilikum oder Thymian.
Zahlreiche Fernsehsendungen übermitteln diese Eindrücke, jeder kennt sie, selbst wenn er noch nie im Ausland war. In jeder Zeitschrift gibt es Artikel, die Lust auf Reisen, Ferien und Erholung machen.
Irgendwann wurde mir ein Samenkorn mit diesem Wunsch in mein Herz gepflanzt. Meine Freundin sagt, es ist früher, viel früher, also noch lange vor meiner Schulzeit, passiert. Sie beschäftigt sich mit spirituellen Dingen, sie kann pendeln und die Zukunft in den Karten sehen. Sie erklärte mir sogar, das Ziel Südspanien sei bereits in einem meiner Vorleben entstanden. Vielleicht, so ihre Worte, hätte ich auch schon damals dort gelebt. Jeder Mensch wird wiedergeboren, mehrmals.
Demzufolge soll ich in Südamerika gelebt haben. (Da wir das nun aber nicht wirklich nachprüfen können, lassen wir es kommentarlos stehen.) Zum Glück, nicht in Brasilien, denn dann würde ich ja heute in Portugal zu Hause sein, in dem Land, das in den Sommermonaten leider immer wieder von zahlreichen Waldbränden heimgesucht wird. Neuerdings trifft diese Aussage aber auch auf einige Teile Spaniens zu.
Vielleicht, denke ich heute, liegt darin auch der Grund, warum ich mich in der Schule für Spanisch und nicht für Französisch als zweite Fremdsprache entschlossen hatte. Spanisch lag mir im Blut, es fiel mir leichter die fremden Laute zu sprechen. Französisch war es eben nicht. Das ist alles schon so lange her, Jahrzehnte sind vergangen. Meinen Traum, Andalusien, hatte ich, wenn überhaupt, nur in meinem Unterbewusstsein als Ziel vor Augen.
Nach der Schule kam mein erster Urlaub ohne die Eltern. Ich flog nach Jugoslawien und ich bin heute froh, das alte Dubrovnik noch vor dem grausigen Krieg gesehen zu haben. Danach folgten einige Jahre Urlaub in Griechenland. Tolle Erinnerungen an die Insel Kos und Kreta, Samos und Ägina, aber auch an Athen mit seiner breiten Panepistemio, der Hauptstraße, die durch die Stadt führt. Es waren schöne Urlaube mit viel Sonne, netten Urlaubsbekanntschaften, teilweise sind sie mir bis heute geblieben.
Nach meiner Heirat wollten wir andere Länder erkunden. Die Türkei mit seiner Herzlichkeit und mit vielen antiken Stätten folgte. Istanbul, eine pulsierende Stadt voller Leben, voller Kultur und Vitalität. Meine Zukunft in einer dieser großen Städte, wie Athen oder Istanbul, konnte ich mir nicht vorstellen. So ist zum einen die Mentalität dieser Menschen nicht annähernd mit der, der Deutschen zu verglichen, aber zum anderen, ist die Sprache ein großes Handicap! Ich erinnere mich an einen Kursus der Volkshochschule: Griechisch für Anfänger! Der Kurs begann mit über zwanzig Teilnehmern, als ich nach der vierten Stunde das Handtuch schmiss, waren es nur noch acht!
Heute denke ich, ohne es zu wissen, ich hatte mein Ziel noch nicht klar vor Augen und habe weiter gesucht! Gesucht nach meinem mir vorbestimmten Ziel: Spanien.
Ein Umweg brachte mich auf die Kanarischen Inseln. Ich hatte schon mal die Sprache, konnte endlich umsetzten, was ich in der Schule gelernt hatte. Wir hatten Anfang der neunziger Jahre, von meinem Schulspanisch war noch einiges hängen geblieben. Auf den Kanarischen Inseln wird man in den Touristengebieten jedoch fast überall auf Englisch oder Deutsch angesprochen. Abseits dieser Gebiete kann man vielleicht das eine oder andere spanische Wort, zum Beispiel, bei einer Bestellung eines Getränkes einsetzten. In den Hochburgen, dort wo es international zugeht, darf man gerne Spanisch sprechen, wird aber immer eine Antwort in seiner eigenen Sprache erhalten, wie auch immer es funktioniert, kann ich Ihnen auch nicht sagen.
Ich kann mich genau erinnern, wir saßen an einem lauen Abend in einer Eisdiele, in einem kleinen, einer Spirale nachempfundenen Einkaufszentrum auf Gran Canaria. Ich bestellte mit meinem Castellano zwei Café solo, ich bekam aber zwei Café Aleman. Es liegen schon große Unterschiede zwischen den Cafés, ein Solo ist eher ein Espresso und ein Aleman, eine simple Tasse Kaffee, wie sie jeder zum Nachmittagskuchen in Deutschland trinkt. Heute passiert es mir nicht mehr, aber damals, war ich enttäuscht und sauer! Vielleicht war es einer der Gründe, weshalb die Kanaren eben nicht mein Ziel waren, ich es aber immer noch nicht wusste! Gerne zitiere ich an dieser Stelle einen Spruch, den ich mal auf einer Postkarte gelesen habe:
Leben, bedeutet unterwegs zu sein,
nicht möglichst schnell anzukommen!
Leider wurde mein Weg, an mein mir bis dahin unbekanntes Ziel, durch eine Krankheit unterbrochen. Ans Haus gefesselt mit einer nicht zum Erfolg führenden Therapie vergingen die Monate. Sitzen war das Schlimmste für mich und für meinen Rücken. Aber ich konnte doch meine Kunden, als Beraterin eines Kreditinstitutes, nicht im Stehen über aktuelle Aktien und Kreditkonditionen informieren. So blieb ich weiter krankgeschrieben und zu Hause.
Wir suchten nach neuen Wegen, nach Alternativen, die uns in Zukunft ernähren konnten, sollte ich eines Tages meinen Beruf gar nicht mehr ausüben können.
Ein Hotel? Warum eröffnen wir nicht ein Hotel? Irgendwann auf der Straße des sich Informierens, des sich Objekte Ansehens, zwischen Gesprächen mit Experten und Freunden, da war auch eine ehemalige Kollegin, die genau diesen Schritt mit ihrer Lebensabschnittsgefährtin gemacht hatte und bis dato nicht bereut hatte, da kam auch wieder Spanien ins Visier unserer Träume. Wenn schon ein Neustart, warum dann nicht einen im Ausland? Das klingt hier in wenigen Zeilen geschrieben so einfach. War es aber nicht. Es durfte niemand wissen, der mit meiner Arbeit zu tun hatte! Was würde der Arbeitgeber sagen, wenn er von solchen Aktivitäten erführe? Die Familie? Bloß nicht, die taten es sowieso ab mit einer schlichten Handbewegung. Junge Leute und ihre Flausen!
Mein Zustand wurde aber nicht besser, eher schlechter. Im ersten Quartal des Jahres, wir schrieben 1995, entschlossen wir uns einen Versuch zu starten. Mein Mann packte unseren Kombi voll, mit Pütt und Pann, mit Dies und Das, es sollte der Start in eine neue, gemeinsame Zukunft werden. Ich durfte den Radius meines Wohnortes nicht verlassen, so sprach die Krankenkasse! Der Weg nach Spanien ist weit und überschreitet diese gedachte Linie bei weitem. So suchten wir einen geeigneten Kandidaten, der meinen Mann auf dieser Fahrt begleitete. Wir landeten bei der Mitfahrerzentrale in Hamburg! Es dauerte nicht lange, da meldete sich ein junger Spanier bei uns zu Hause am Telefon. Er wollte uns kennenlernen, wir sollten ihn besuchen. Er lebte in eine kleine Wohnung in Eimsbüttel, da habe ich mich nie ausgekannt! Er stellte uns seinen Freund, einen Italiener vor, der meinen Mann im Auto begleiten sollte. Der Spanier selbst, er wollte den Flieger nehmen! Der Termin wurde festgelegt, die Route besprochen und man machte sich auch über den Proviant für die lange Reise Gedanken.
So ging es dann los, an einem dunklen Morgen mit dichtem Schneegestöber! Stunden der Angst, ein Handy besaßen wir noch nicht, folgten für mich. Alleine in unserem Haus zurückgeblieben musste ich auf Lebenszeichen der Reisegruppe warten. Nie wusste ich, wo sich mein Mann gerade aufhielt, ob es ihm gut ging und ob der Wagen so lief wie geschmiert. Waren sie gesund, oder gab es einen Unfall?
Die Fahrt ging über Aachen, durch Belgien, über Paris, Bordeaux, Bilbao, Madrid, Sevilla bis nach Chiclana. Dort wohnte der Spanier, in einem kleinen Vorort, hätte ich damals gesagt. Chiclana, kannte ich damals nicht, hätte es sicherlich auch nicht ohne Schwierigkeiten auf der Karte gefunden. Für die 3000 km benötigte mein Mann dreißig Stunden, der Italiener hatte keinen Führerschein und fungierte somit nur als Beifahrer und Kartenleser. Sie erreichten heil und gesund, wenn auch übermüdet, Chiclana. In einem kleinen Zimmer, es befand sich in einem Anbau im Hause des Spaniers, fand mein Mann für zwei Tage Unterschlupf. Es folgte die Überfahrt mit der Fähre von Cádiz nach Gran Canaria. Für mich, in unserem Haus und mit meinem Telefon am Bett, der ruhigere Teil der Reise. Die Fahrt von Cádiz über Teneriffa nach Gran Canaria dauerte 36 Stunden. Übrigens, sie dauert heute immer noch so lange!
Auf der Insel, die bekanntlich rundum von Wasser umgeben ist, fühlt man sich sehr schnell wie in einem Käfig. Das stellte auch mein Mann fest. Außerdem sind die Insel und die Bevölkerung der Insel, wenn es darum geht, dass ein Fremder Geschäfte machen will, sehr eigensinnig! Aus anderen Ländern, besonders aus dem einen Land mit dem Stiefel, kennt man solche Unterwanderungen, ganz vorsichtig ausgedrückt. Außerdem war auf den Kanaren eine Selbständigkeit nur im Doppel mit einem Einheimischen möglich, wie es heute ist, entzieht sich meiner Kenntnis.
Es hat nicht geklappt, vielleicht weil wir noch nicht reif dafür waren, oder weil es eben nicht das Ziel war, was wir erreichen sollten!
Nach zwei Testwochen, so will ich den Aufenthalt nennen, buchte mein Mann dann erneut eine Überfahrt nach Cádiz und somit zurück nach Deutschland! Später, als er wieder zu Hause war, konnten wir immer sagen: unser Auto war auch schon auf den Kanaren!
Der Spanier und sein italienischer Freund, sie sind nur auf der Durchreise dabei, deshalb gebe ich ihnen keinen Namen, beherbergten meinen Mann wieder bei sich. Und da begann es, glaube ich. Mein Mann lernte andere Spanier kennen, auch einen jungen Polizisten, der später entscheidend dazu beigetragen hat, dass es so gekommen ist, wie es heute ist!
Wir telefonierten oft, ich konnte an der Stimme meines Mannes erkennen, es gefiel ihm, dort wo er war! Ich riet ihm, schau dich doch mal etwas genauer um und erhielt die Antwort: habe ich schon und ich bin begeistert. Ein Makler begleitete die Männer, meinen Mann und den Polizisten, zahlreiche Bilder von Objekten jeder Art und Größe entstanden. Viele Jahre später habe ich diese Bilder als Einkaufszettel benutzt, ich konnte sie nicht einfach so vernichten.
Die Rückfahrt nach Deutschland und nach Hause folgte nach einem knappen Monat Aufenthalt. Heute erinnert sich mein Mann noch an einen ganz bestimmten Teil der Reise. In Spanien war Semana Santa, die Kar-Woche und Ostern. Kurz vor Burgos in Nordspanien fing der Auspuff plötzlich an sehr laut zu werden. Mein Mann suchte eine Werkstatt auf. Ein Ersatzteil, so die Aussage, müsste erst bestellt werden, eine sofortige Reparatur sei also auch schon deshalb gar nicht möglich. Mein Mann fuhr weiter. Bis Bordeaux, da gab es dann einen Knall und der Auspuff lag am Boden. Ein Bettlaken wurde aus dem Gepäck gezogen und das gute Stück darin verpackt. Die Reise ging weiter, ohne Auspuff! Durch Frankreich und Belgien. Mein Mann empfand das Gefühl mit einem Panzer unterwegs zu sein. Erst in Köln gelang es ihm, obwohl es Ostersonnabend war, eine Werkstatt zu finden, die helfen konnte!
Noch immer krank und neugierig auf die Erzählungen, war ich heilfroh meinen Mann wieder in die Arme zu schließen.
Wir besaßen ein Haus mit einem großen Grundstück und vieles war liegen geblieben, Arbeiten, die ich nicht ausführen konnte, weil ich zu krank war.
Heute denke ich, dieser Aufenthalt an der Costa de la Luz, war wichtig und nötig. Der Reiz dieses Landes, die Schönheit der Region hatte sich bei meinem Mann, wie ein Pfeil ins Herz gebohrt.
Die Monate gingen einher, weitere Therapien, eine Verschlechterung meiner Situation, die dann dazu führte, meine Ängste in Hoffnung zu wandeln. Ich musste den Schritt wagen, die von den Ärzten angeratene Operation in Angriff nehmen zu lassen. Es ist kein leichter Eingriff gewesen, bei Nichtgelingen wären mir der Rollstuhl und eine Totallähmung geblieben. Aber, ich bin an einem Sonntag geboren, was sollte schon schief gehen?
Sylvester 1995 wurde ich aus dem Krankenhaus entlassen. Glücklich, wieder zu Hause zu sein, begann aber eigentlich der schwerste Teil meiner Krankengeschichte. Die Muskeln hatten sich, aufgrund der langen Unbeweglichkeit, zurückgebildet. Ich konnte kaum eine Tür öffnen, geschweige normale Dinge wie Haare waschen oder Kämmen alleine erledigen.
Jeden Tag fuhr mein Mann mich in den Nachbarort zur Krankengymnastik. Meine Erinnerungen an diese Zeit sind geteilt, teils mit einem Lächeln, teils mit einer Träne im Auge.
Die mich behandelnde Therapeutin war mir ans Herz gewachsen. Wir führten viele tiefsinnige Gespräche während ich in der Schlinge hing oder im Wasser meine Übungen machte. Wir sind uns richtig nah gekommen, fast könnte man sagen, wir waren befreundet!
In den langen Monaten auf dem Weg zur Besserung war nicht an Urlaub zu denken. Spanien und unser Ziel waren eingepackt, zwischengelagert, sozusagen auf Eis gelegt! Wobei, mit Eis hat das ja eigentlich nicht wirklich etwas zu tun. Fast ein ganzes Jahr lang mühte ich mich, wieder einigermaßen die Alte zu werden. Es ist mir nicht gelungen; vielleicht ist es auch gut so. Aus Erfahrungen lernt man! Auch so ein Spruch, der immer passt!
Ende des Jahres, inzwischen 1996, begann ich wieder in meinem Job zu arbeiten. Ganz langsam, Stepp bei Stepp, Tag für Tag, holte ich das Versäumte auf, um so wieder in meiner alten Position arbeiten zu können. Zwei Jahre waren für mich vergangen, ohne Urlaub und ohne Spanien gesehen zu haben. Klar, werden sie sagen, wenn man krank ist! Das ist wohl richtig, aber mein Mann hat viel erzählt, viel berichtet und die Bilder aus Andalusien, ich konnte mich gar nicht sattsehen daran und die Sehnsucht wuchs immer mehr!
Im darauf folgenden Jahr, also 1997, konnte ich im Sommer keinen Urlaub machen. Das hatte mit der Firma, meinem Resturlaub aus 1996 und vielen anderen Dingen zu tun, die für den weiteren Verlauf der Geschichte unwichtig sind.
Im Dezember reisten wir nach Gran Canaria. Zu Weihnachten ist das Wetter auf den Kanaren garantiert super: Grund genug für uns!
Erst jetzt zeigten sich die Unterschiede, die meinem Mann durch den Aufenthalt in Andalusien nur zu deutlich geworden waren. Woher hätten wir es denn auch wissen sollen? Die Menschen auf den Kanaren sind durch den vielen Tourismus abgestumpft, den Fremden gegenüber zwar aufgeschlossen, wenn es darum geht, Geld zu verdienen. Aber als Partner würden wir dort nicht akzeptiert werden können.
„Das Wetter zeigt sich von seiner schönsten Seite, das ganze Jahr über Sonne!“, steht in vielen Reiseprospekten, das stimmt auch. Es ist für die Natur und auch für uns Menschen durchaus von Vorteil, wenn es Monate gibt, die nicht so heiß, nicht so trocken sind. Abwechslung ist doch immer schön, nicht nur beim Essen und beim Fernsehprogramm!
Wir erholten uns, Sonne, Strand und Meer, ein typischer Urlaub eben am Atlantik, dennoch sprachen wir immer wieder über die Vorteile, die ein Leben auf dem Festland mit sich bringen würden. Ein Gefühl von Freiheit, nur alleine die Möglichkeit zu besitzen, mit dem Auto oder der Bahn reisen zu können, wann man will und nicht, wie auf einer Insel abhängig sein zu müssen von freien Plätzen in einem Flugzeug oder auf die Fahrzeiten der Fähre. Bleibt noch zu erwähnen, die Preise für die Überfahrt mit der Fähre der Trasmediterranea sind nicht unerheblich, so würde man kaum, ganz abgesehen vom Zeitfaktor, mal so eben einen Ausflug ans Festland unternehmen. An der Costa de la Luz, speziell in Chiclana, hätte man alle Möglichkeiten vor der Tür, wenn man sie nutzen möchte. Städte wie Sevilla, Málaga, Cordoba, Cádiz, Jerez de la Frontera, Granada, um nur einige zu nennen. Aber auch Barcelona oder Madrid sind mit dem Auto, wenn man möchte, zu erreichen. Für alle, denen das immer noch nicht reicht, bietet sich eine Reise mit dem Hochgeschwindigkeitskatamaran, an. Die Fahrt nach Tanger dauert nur ca. 30 Minuten, liegt Afrika doch direkt vor der Tür.
Wieder einmal trafen wir uns mit unseren Freunden zu Hause. Wir schrieben Januar 1998, bei einem aus dem Urlaub mitgebrachten Gläschen Rotwein und ein bisschen Salami, wir waren gerade von den Kanaren zurückgekommen, diskutierten wir unsere Pläne für das neue Jahr. Aus einem mir bis heute unerklärlichen Grund, begannen wir unsere Freunde davon zu überzeugen, ein gemeinsamer Urlaub in Andalusien wäre genau das Richtige! Zuerst waren sie gar nicht davon überzeugt, wir wechselten das Thema. So verließen sie uns nach stundenlangen Gesprächen erst weit nach Mitternacht, um sich auf den Heimweg zu machen. Ein Telefonanruf holte mich am kommenden Morgen aus dem Schlaf! Unsere Freunde! Sie hatten den Rest der Nacht damit verbracht, zu überlegen, Landkarten angeschaut und den Kalender studiert! Ja, sie kommen mit, war die Entscheidung, die wohl erst gegen Morgen gefallen war. Nun begann die Planung unseres ersten gemeinsamen Urlaubs.
Ein Hotel musste her, Flüge sollten gebucht werden! Es sollte auch nicht zu teuer werden, wir benötigten natürlich auch einen Mietwagen! Es dauerte, aber wir haben es geschafft.
Am 21. März ging unser Flieger von Hamburg über Brüssel nach Málaga. Der Umweg über Brüssel erklärt sich in einem sehr günstigen Linienflug der belgischen Fluglinie, die es damals noch gab. Es folgten zwei traumhaft schöne und gleichzeitig total anstrengende Urlaubswochen. Wir haben endlose Fahrten durch das Land unternommen und dabei so viel Spaß gehabt.
Wir sahen Ronda, erforschten Sevilla, durchkämmten die Straßen von Málaga, suchten immer wieder in Estepona nette Lokalitäten, fanden sie aber nicht, streichelten die Affen auf Gibraltar, lernten Cádiz lieben und besuchten den Polizisten in Chiclana, den mein Mann kennen gelernt hatte! Irgendwie kamen wir näher ans Ziel, aber, das wussten wir damals noch nicht. Aus Neugierde haben wir uns Objekte angesehen, Häuser, die ich immer Nistkästen nenne! Nicht das, was ich mir so vorgestellt hatte, aber es war dennoch interessant, sich so etwas mal anzusehen. Jedenfalls hatten wir Vier einen sehr schönen Urlaub und für mich war es der erste Kontakt mit Andalusien und der Costa de la Luz.
Zum Ende des Jahres beschlossen wir, zum allerletzten Mal auf die Kanaren zu fliegen, wegen des Wetters!
Mein Mann und ich haben uns richtig verabschiedet von der Insel, ein letztes Mal hier hin, ein letztes Mal dort hin, noch einmal zum Bandama, noch einmal in den zauberhaften Barranco de Guayadeque, ein Naturpark und Schauspiel mit unermesslicher Schönheit, den man übrigens erreicht, wenn man die Autovia bei Carriazal verlässt und über Ingenido ins Landesinnere fährt!
Glücklich und erholt verließen wir am 2. Januar 1999 mit dem Flugzeug Gran Canaria um ins eiskalte Deutschland zu kommen.
Rückblickend hatte das Jahr 1998 auch bei mir viele Änderungen, hauptsächlich beruflich gebracht! Ich war glücklich, konnte wieder arbeiten, hatte einen guten Job, der mir viel Spaß machte. Was wird wohl 1999 bringen? Jeder fragt sich das, am Anfang eines Jahres, so auch wir. Wünsche, die einen Menschen begleiten, sind da, aber doch nicht in jeder Minute des Lebens. So gab es sicherlich Wochen, auch Monate, in denen wir nicht permanent an den großen Wunsch, unsere Heimat Deutschland zu verlassen, dachten. Es wurde langsam Frühling, die Gedanken an den bevorstehenden Sommer sind dann, ich glaube wie bei fast jedem, auch mit Urlaubsplänen verbunden. Schnell, sehr schnell, waren wir uns einig. Ich muss gestehen, wir waren uns nicht nur in diesem Fall immer schnell einig! Das Ziel sollte, klar, Sie werden es erraten, Andalusien sein! Aus einem kleinen Urlaubstagebuch, das ich seit einigen Jahren führte, um das Erlebte festzuhalten, zog ich eine Visitenkarte heraus.
Natürlich kommt es mir auch jetzt zugute. Der Spanier, Sie erinnern sich, der Polizist, er hatte eine Faxnummer auf seiner Visitenkarte. Einen Grund, mir darüber Gedanken zu machen, gab es nicht, warum auch?
Still in mein Büro zurückgezogen holte ich die letzten spanischen Vokabeln aus meiner hinteren Schublade im Gehirn und verfasste einen Brief. „Wir möchten Urlaub machen, bei euch in der Nähe, hast du eine Möglichkeit uns ein Haus zu beschaffen?“, oder so ähnlich jedenfalls. Einige Tage später bekam ich tatsächlich ein Fax aus Spanien! Ich lief ganz aufgeregt durchs Haus, ein Fax aus Spanien!
Der Polizist, wir nennen ihn ab jetzt Antonio, schrieb: „Ich habe für euch ein Haus gefunden, ganz in der Nähe meines Hauses. Es hat einen eigenen Pool und auch einen Grill im Garten!“ Dann konnte ja eigentlich nichts mehr schief gehen.
Mein Mann und ich waren uns einig, es sollte ein Urlaub werden, anders als die bisherigen, es sollte so sein, als würden wir schon immer in Spanien leben, wie die Einheimischen! Eigenes Haus, eigenes Auto, eigenen Garten, u. s. w.
Mein letzter Arbeitstag, auch noch mein Geburtstag, endete gegen 14.00 Uhr. Zu Hause angekommen wurde noch eine Kleinigkeit gegessen, dann ins Bett. Vorschlafen! Schwierig, an so einem Tag. Meine Mutter, die während unserer Reise auf Haus und Hund achtete, versuchte die Anrufe von uns fernzuhalten, aber so richtig hat es nicht geklappt. Jeder wollte noch gratulieren und uns eine gute Reise wünschen, leider muss ich heute sagen! Der Schlaf wäre wichtiger gewesen.
Irgendwie haben wir dann doch nur noch geruht und sind aufgestanden, haben die Reste in den Wagen gepackt und sind dann um 23.00 Uhr gestartet. Die Strecke von Haustür zu Haustür beträgt genau 3030 km.
Die erste Etappe erreichen wir nach fünf Stunden, die belgische Grenze. Bis hier war das Wetter trocken und es gab kaum Verkehr. Gegen 6.30 Uhr dann bereits die französische Grenze. Die erste wirkliche Anforderung dann gegen kurz vor 8.00 Uhr. Wir passieren Paris! Ich die Karte vor der Nase, mein Mann am Lenkrad. Ich weiß es noch genau, als wir kurz nach 9.00 Uhr es tatsächlich geschafft hatten, der Stadt und dem Berufsverkehr zu entkommen, waren meine ersten Worte: das hat mich mindestens ein Jahr meines Lebens gekostet! So viel Verkehr auf so vielen, nebeneinander führenden Spuren, die am Ende doch alle ein unterschiedliches Ziel hatten,