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Pensionswirtin Jenny will die Unschuld ihres Gastes beweisen – notfalls auch gegen den Willen der Polizei
Band 2 der unterhaltsamen Cosy Crime-Reihe an der Nordsee
Nachdem Pensionsbesitzerin Jenny erst vor Kurzem einen spektakulären Kriminalfall gelöst hat, kehrt in dem kleinen Küstenort Zuiderdijk immer noch keine Ruhe ein. Die Frau eines Gastes wird erstochen aufgefunden und für die Polizei steht der Mörder schnell fest: Der Ehemann verhält sich mehr als verdächtig und könnte sogar der seit Jahren gesuchte "Zeeland Ripper" sein. Das geht Jenny nun wirklich zu weit und sie stürzt sich in waghalsige Ermittlungen, um die Unschuld ihres Gastes zu beweisen – ob die Polizei nun will oder nicht …
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Tote Fische fängt man schneller (ISBN: 9783987786389)
Erste Leser:innenstimmen
„Kurzweiliger Nordsee Whodunnit!“
„Der kleine Küstenort Zuiderdijk wird wieder vom Verbrechen heimgesucht. Ein spektakulärer Fall, aufgelöst von der sympathischen Pensionsbesitzerin Jenny.“
„Unbeirrt von der Polizei stürzt sich Jenny in gefährliche Nachforschungen, um die Unschuld ihres Gastes zu beweisen. Ein Page-Turner für Krimifans!“
„Ein gelungener Nachfolger mit einer überzeugenden Protagonistin und einem raffinierten Kriminalfall, der von Anfang bis Ende fesselt.“
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Seitenzahl: 223
Nachdem Pensionsbesitzerin Jenny erst vor Kurzem einen spektakulären Kriminalfall gelöst hat, kehrt in dem kleinen Küstenort Zuiderdijk immer noch keine Ruhe ein. Die Frau eines Gastes wird erstochen aufgefunden und für die Polizei steht der Mörder schnell fest: Der Ehemann verhält sich mehr als verdächtig und könnte sogar der seit Jahren gesuchte "Zeeland Ripper" sein. Das geht Jenny nun wirklich zu weit und sie stürzt sich in waghalsige Ermittlungen, um die Unschuld ihres Gastes zu beweisen – ob die Polizei nun will oder nicht …
Erstausgabe April 2024
Copyright © 2024 dp Verlag, ein Imprint der dp DIGITAL PUBLISHERS GmbH Made in Stuttgart with ♥ Alle Rechte vorbehalten
E-Book-ISBN: 978-3-98778-646-4 Hörbuch-ISBN: 978-3-98778-653-2 Taschenbuch-ISBN: 978-3-98778-987-8
Covergestaltung: Nadine Most unter Verwendung von Motiven von stock.adobe.com: © Eva Gruendemann, © Serghei V, © Tani Clou shutterstock.com: © Andrey_Kuzmin, © SCOTTCHAN, © J.Z depositphotos.com: © belchonock Lektorat: Katrin Gönnewig
E-Book-Version 25.06.2024, 11:34:14.
Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Sämtliche Personen und Ereignisse dieses Werks sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen, ob lebend oder tot, wären rein zufällig.
Abhängig vom verwendeten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.
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Pensionswirtin Jenny will die Unschuld ihres Gastes beweisen – notfalls auch gegen den Willen der Polizei Band 2 der unterhaltsamen Cosy Crime-Reihe an der Nordsee
„Es war eine dunkle und stürmische Nacht“, murmelte der Mann und musste leise über seine Bemerkung lachen. Es war tatsächlich eine dunkle und stürmische Nacht, und das war ganz nach seinem Geschmack. Bei diesem Sturm gingen um Mitternacht allenfalls die Leute aus dem Haus, die noch den Hund ausführen mussten, und selbst die beeilten sich, wieder nach drinnen zu kommen. Selbst die Hunde hatten keine Lust, sich länger als unbedingt nötig im Freien aufzuhalten.
Damit war das Risiko, von jemandem gesehen zu werden, äußerst gering. Und selbst wenn, wäre es ziemlich egal gewesen, da er so dick eingepackt war, dass niemand ihn hätte genauer beschreiben können. Er war allenfalls ein Mann um die eins achtzig in dunkler Kleidung, der eine Kapuze über den Kopf gezogen und sich einen Schal vor Mund und Nase gebunden hatte.
Sein Wagen parkte so weit entfernt, dass er mit dem Fahrrad hatte herkommen müssen, und alles nur, damit niemand auf die Idee kam, sich das Kennzeichen zu notieren. Das Rad hatte er noch vor den ersten Häusern am Rand von Zuiderdijk in ein Gebüsch geschoben, wo es keinem auffallen konnte. Den Rest des Weges war er zu Fuß gegangen, für die Strecke hin und zurück würde er wohl um die zwanzig Minuten benötigen, und ganz sicher würde in dieser Zeit niemand das Fahrrad bemerken.
Auf dem Marktplatz angekommen sah er sich kurz um. Die Straßenlaternen sorgten für wenig Licht, sodass jemand, der sich möglichst nur in den Schatten am Rand bewegte, kaum Gefahr lief, gesehen zu werden. Die Lokale auf der linken Straßenseite waren alle so gut wie dunkel. Die Leuchtreklamen hatten die Inhaber ausgemacht, in dem einen oder anderen Restaurant brannte eine Art Notbeleuchtung.
Er wechselte die Straßenseite und bog auf den Marktplatz ein, zu seiner Rechten befand sich die Kirche. Als er um das alte Gebäude herumging, entdeckte er die Frau sofort, obwohl sie sich vom Lichtschein der beiden Straßenlampen fernhielt. Jeder andere hätte sie übersehen, aber ihm fiel sie auf, weil er wusste, dass sie da sein würde. Zielstrebig ging er auf sie zu.
„Haben Sie es?“, fragte die Frau ohne Vorrede, als er vor ihr stehen blieb. Nur die Lampen links und rechts sorgten für ein wenig Licht, aber es genügte, um zu erkennen, dass sie diejenige war, mit der er verabredet war.
„Selbstverständlich habe ich es“, erwiderte er und griff in seine Jackentasche.
„Sehr gu…“, begann sie, kam aber nicht mehr weiter, weil der Mann ihr das mitgebrachte Küchenmesser mit einem gezielten Stich ins Herz jagte. Die Frau sah ihn mit aufgerissenen Augen an, bekam aber keinen Ton mehr heraus. Als sie leicht zu wanken begann, packte er sie unter den Armen und schob sie ein Stück weit nach hinten, um sie auf die Bank zu setzen. Er drückte sie gegen die Rückenlehne, bis sie stabil dort saß, dann kippte ihr Kopf nach vorn, während das Messer aus ihrer Brust ragte.
Der Mann durchsuchte ihre Jackentasche, dann stieß er auf das zweite Handy, zu dem er sie überredet hatte, damit bei keinem von ihnen auf dem regulären Telefon eine womöglich verräterische Nummer auftauchte.
Beruhigt steckte er es ein und sah auf seine Armbanduhr. Sieben Minuten nach Mitternacht. Lautlos zählte er mit. Bei null angekommen gingen die Straßenlampen rund um die Kirche und auf dem Marktplatz aus. Alles war exakt so wie am Abend zuvor, als er sich diese Stelle ausgesucht hatte. Es war ein purer Glücksfall gewesen, dass er hier genau um kurz nach Mitternacht hergekommen war und Augenblicke später diese Lampen hier erloschen waren. Auf die Nachtschaltung der Straßenbeleuchtung von Zuiderdijk war offenbar Verlass. Im Schutz der Dunkelheit verließ er den Marktplatz und machte sich auf den Rückweg …
„Bist du aus dem Bett gefallen, Rainer?“
Der groß gewachsene grauhaarige Mann mit Vollbart und Pferdeschwanz war offenbar zielstrebig auf dem Weg zu dem Tisch im Speisesaal, an dem er am Abend gesessen und irgendeinen umfangreichen Text bearbeitet hatte, zu dem er sich nicht weiter geäußert hatte. Verdutzt drehte er sich um und sah zur Empfangstheke, wo Jenny stand und eine Handvoll Belege sortierte. Sie winkte ihm zu, fuhr sich durch ihre blonden Locken und musste dann von Herzen gähnen.
„Du etwa nicht?“, konterte er amüsiert. „Dass in deiner Küche morgens um die Zeit Hektik herrscht, weiß ich ja, aber üblicherweise überlässt du diese Arbeiten deinen Angestellten.“
„Oh, die lasse ich da hinten auch in Ruhe arbeiten“, versicherte sie ihm. „Da will ich niemandem in die Quere kommen. Aber du hast meine Frage noch nicht beantwortet.“
„Ich suche meinen Kugelschreiber“, sagte er und schaltete die Taschenlampe seines Handys ein, um unter den Tisch zu leuchten.
„Sonntagmorgen um halb sieben?“
„Wenn ich bis um acht Uhr warte, wird er womöglich von einem anderen Gast entdeckt, der ihn einsteckt, weil er ihn für einen Werbe-Kuli hält“, erklärte er.
„Was er aber nicht ist?“, folgerte Jenny.
„Richtig. Der ist ein kleines Meisterwerk, ein Geschenk vom Set Designer einer meiner Filme.“ Rainer ging neben dem Tisch in die Hocke und zog einen der Stühle nach hinten. „Ach, da ist er ja“, rief er erleichtert, nahm den Stift an sich und ging zu Jenny. „Hier, siehst du? Der ist mit einem ganz feinen Knochenmuster verziert, alles Handarbeit.“
„Also ein echtes Einzelstück.“ Jenny nahm den Kugelschreiber und betrachtete ihn ganz genau von allen Seiten. „Das sieht grandios aus. Aber warum ausgerechnet Knochen? Ein Horrorfilm?“
Rainer schüttelte den Kopf. „Ein Piratenfilm.“
„Ah, wegen der Piratenflagge“, sagte sie und nickte.
„Richtig. Und warum machst du am Sonntagmorgen um halb sieben deine Buchhaltung?“, gab er zurück und deutete auf die Belege, die sie in der Hand hielt.
„Ich nutze nur die Wartezeit sinnvoll“, sagte Jenny.
„Die Wartezeit? Darf ich fragen, worauf du wartest?“
„Darfst du“, entgegnete sie grinsend. „Und ich werde es dir sogar sagen, ohne dass du mich extra danach fragen musst.“
„Ich habe dich doch gerade …“, wollte er protestieren, sagte dann aber: „Stimmt, ich hatte ja nur gefragt, ob ich dich fragen darf.“ Er nickte nachdenklich.
„Ich habe dir doch von meiner Freundin Babette Kramers erzählt, die letzten Monat von Groningen hierher nach Zuiderdijk umgezogen ist“, sagte Jenny schließlich.
„Ah ja, die sagenumwobene Freundin, die ich noch immer nicht kennengelernt habe, und die …“
„… die du aber in den nächsten Sekunden kennenlernen wirst, weil sie gleich zur Tür hereinspaziert kommt“, sagte Jenny.
„Hm, kannst du hellsehen?“, fragte Rainer.
„Nein, aber ich kann sie sehen“, antwortete sie. „Der Spiegel schräg hinter dir zeigt mir nämlich, wer das Haus betritt, auch wenn ich gerade mit dem Rücken zur Tür stehe.“
Beide drehten sich um, als die Tür aufging und eine zierliche Frau hereinkam, die einen regen- und windabweisenden Jogginganzug trug. Mit ihrer wallenden roten Mähne hätte sie wahrscheinlich auch ohne Vorsprechen eine Hauptrolle in dem Musical Hair bekommen, obwohl ihr strahlendes Lächeln gepaart mit einem Hauch von Sommersprossen vielleicht schon genügt hätte.
„Du bist ja tatsächlich schon wach“, rief Babette ihr zu. „Ich dachte, ich müsste dich erst noch persönlich wachrütteln.“ Sie lächelte Rainer an. „Will da jemand Erster in der Schlange vor dem Frühstücksbüfett sein?“, fragte sie und zwinkerte ihm zu.
„Babette, darf ich dir vorstellen?“, ging Jenny dazwischen. „Das ist Rainer Trompeter, ein Freund der Familie, der schon in Westkapelle zu unseren Stammgästen gehörte.“
„Hallo, Rainer. Der Name klingt deutsch.“
„Ist er auch“, erwiderte er.
„Rainer, das ist Babette Kramers, meine Freundin seit der Grundschule“, redete Jenny weiter. „Nach ihrer Hochzeit haben sich unsere Wege für ein paar Jahre getrennt, weil sie nach Groningen gezogen ist, wo ihr Mann als Ingenieur gearbeitet hat.“
„Wurde er versetzt?“, erkundigte sich Rainer.
„Nein, da oben wird so nach und nach alles geschlossen, weil wegen der Erdbebengefahr kein Gas mehr gefördert wird“, erklärte Babette.
„Erdbeben? Die nördlichen Provinzen sind doch gar keine Erdbebenregion, dass man deswegen die Gasförderung einstellen müsste, oder irre ich mich?“, fragte er verwundert.
„Nein, nein. Die Erdbeben sind durch die Gasförderung ausgelöst worden“, stellte Babette richtig. „Wir konnten zum Glück unser Haus zu einem guten Preis verkaufen, weil irgendein Unternehmen sich da ansiedeln will und jeden Quadratmeter Fläche braucht, den man irgendwie ergattern kann. Für unser Haus hätten wir keine fünf Euro mehr bekommen. Da war alles voller Risse, und ich weiß nicht, wie lange das noch gehalten hätte. Dann ergab sich ein Job im Hafen in Rotterdam, und weil das nicht weit weg ist, habe ich gesagt, dass wir nach Zuiderdijk ziehen sollten. Dann habe ich wenigstens meine beste Freundin wieder. Tja, und da bin ich.“ Sie machte eine triumphierende Geste.
„Dann … hast du früher auch in Westkapelle gewohnt?“, fragte Rainer verwundert. „Ich kann mich nicht daran erinnern, dich da gesehen zu haben.“
„Du meinst, weil ich dir garantiert aufgefallen wäre?“, konterte sie grinsend und deutete auf ihre rote Mähne.
Rainer musste lächeln. „Wenn du die Haare schon immer so getragen hast, dann wäre das sicher der Fall gewesen“, stimmte er ihr zu.
„Hm, das wundert mich“, sagte Babette. „Wir haben damals zwar in Meliskerke gewohnt, aber weil meine Eltern beide gearbeitet haben, bin ich nach der Schule immer mit zu Jennys Eltern gegangen. Das ist seltsam.“
„Ich glaube, so seltsam ist das nicht“, meldete sich wieder Jenny nachdenklich zu Wort. „Rainer war immer nur während der Ferien hier, und du warst während der Ferien mit deinen Eltern bei deiner Tante in Spanien. Ihr seid euch früher sehr wahrscheinlich nie begegnet. Ach übrigens, falls es einer von euch nicht weiß: Ich bin Jenny van Oosterburg, mir gehört die Pension Huis Zonnebloem hier in Zuiderdijk. Ihr dürft mich gern Jenny nennen.“
„Ah, jetzt weiß ich, wo ich dich schon mal gesehen habe“, sagte Rainer und zwinkerte ihr zu, dann aber zog er die Augenbrauen zusammen. „Mir fällt gerade ein, dass ich immer noch nicht weiß, warum ihr alle so früh am Morgen auf den Beinen seid.“
„Weil Jenny und ich eine große Runde Joggen gehen werden“, verkündete Babette mit strahlender Miene.
Es kam Jenny wie ein Fingerzeig des Schicksals vor, als gleich darauf eine heftige Windböe Regen gegen die Scheiben des Eingangsbereichs prasseln ließ. „Ich würde sagen, es hat gerade eben angefangen zu regnen“, sagte sie und war mit einem Mal gar nicht mehr so begeistert davon, früh am Morgen durch Zuiderdijk zu joggen.
„Geregnet hat es eben auch schon“, meinte Babette gelassen. „Es scheint jetzt bloß Sturm dazugekommen zu sein.“
„Du siehst aber nicht aus, als wärst du durch den Regen hergelaufen“, wunderte sich Jenny.
„Bin ich auch nicht, weil mein Schatz mich vor der Tür abgesetzt hat. Er muss kurzfristig für einen Kollegen einspringen.“
„Ihr beide habt euch ja das perfekte Wetter ausgesucht, um mit dem Joggen zu beginnen“, meinte Rainer und zog skeptisch eine Augenbraue hoch, als weitere Regenschwaden gegen das Glas getrieben wurden.
Babette zuckte unbeeindruckt mit den Schultern. „Wie sagt ihr Deutschen immer? Es gibt kein falsches Wetter …“
„… nur Verrückte, die bei Kälte freiwillig durch Sturm und Regen laufen“, führte Rainer schmunzelnd den Satz anders zu Ende, als sie es erwartet hatte. „Wenn ihr wenigstens im April oder Mai damit anfangen würdet, wenn es morgens auch schon etwas heller ist, aber nicht gleich in der ersten Januarwoche.“
„Wenn ich ehrlich sein soll, würde ich mich ja lieber wieder ins Bett legen“, gestand Jenny, als das Prasseln an den Scheiben noch lauter und beharrlicher wurde. „Da würde ich mich wirklich wohler fühlen.“
„Nichts da, die Wampe muss weg“, widersprach Babette und klatschte ihr im Spaß mit den Handrücken gegen den Bauch.
„Ich habe keine Wampe“, protestierte Jenny.
„Doch, hast du. Ich weiß, wie viel Speculaas, Schokolade und Marzipan du allein bei mir seit Sinterklaas gefuttert hast.“
„Habe ich nicht. Das war nur ein bisschen“, beharrte Jenny.
„Und dazu dann noch die Oliebollen-Orgie an Silvester. Zwei mit Rum, zwei mit Vanillevla, zwei mit Rosinen, zwei mit Banane …“
„Ja, ja, ja, ist ja gut!“ Jenny hob kapitulierend die Hände. „Hätte ich mir bloß keinen menschlichen Kalorienzähler zugelegt!“
„Hast du aber, und dafür wirst du jetzt bestraft – und fit wirst du bei der Gelegenheit auch wieder“, konterte Babette gut gelaunt zurück. „Zwei Fliegen mit einer Klappe.“
„Ich würde eher sagen, zwei Muskelkater zum Preis von einem.“
Babette schüttelte den Kopf. „Für so was macht man schließlich Stretching. Das hast du doch heute Morgen gemacht, oder?“
„Wenn ich Nein sage“, fragte Jenny mit einem listigen Funkeln in den Augen, „darf ich daheim bleiben?“
„Nein“, gab ihre Freundin mit gespielter Härte zurück. „Wenn du nicht läufst, laufe ich auch nicht, und das kann ich mir nicht erlauben. Schließlich habe ich mir ja in den letzten Wochen auch eine Wampe angefuttert, seit ich hier bin …“
Rainer musterte die zierliche Frau und meinte lakonisch: „Ich nehme an, die Wampe hast du zu Hause gelassen, weil sie beim Joggen stört.“
„Was?“ Sie sah an sich herab und legte eine Hand auf ihren Bauch. „Das sind mindestens drei Kilo zu viel.“
„Bei drei Gramm zu viel würde ich zustimmen“, sagte Rainer amüsiert. „Aber nicht bei drei Kilo.“
„Babette war früher auch schon so“, warf Jenny ein. „Selbst wenn sie völlig makellos wäre, würde sie sich darüber beklagen, dass es nichts gibt, worüber sie sich beklagen kann.“
„Ach, ihr versteht mich alle nicht“, erwiderte Babette kopfschüttelnd. „Aber in dem Punkt versteht mich ja nicht mal mein Mann.“
„Kann ich gut verstehen“, scherzte Rainer und musste gähnen. „Entschuldigt, aber ich muss noch ein paar Stunden Schlaf nachholen … in meinem warmen, kuscheligen Bett, wo ich dann den Regentropfen lausche und nach einer Weile über dem Geräusch einschlafe, weil es so gemütlich ist.“
„Hör nicht auf diesen Mann“, ermahnte Babette ihre Freundin. „Den hat der Teufel hergeschickt, damit er dich davon abhält, etwas für deinen Körper zu tun.“
Rainer verzog den Mund. „Verdammt, ich wurde durchschaut. Dann nichts wie weg.“ Er ging Richtung Treppe. „Wir sehen uns später … hoffe ich“, fügte er an und setzte eine finstere Miene auf.
„Hoffst du?“, wiederholte Jenny irritiert. „Weißt du irgendwas, was wir nicht wissen?“
„Ich weiß nur, dass der Erfinder des Joggens beim Joggen gestorben ist“, gab er mit einem Augenzwinkern zurück.
„Wir haben nicht vor, unterwegs zu sterben“, antwortete Babette überzeugt, hielt die Tür für Jenny auf und ließ sie vorbeigehen. Dann fasste ihre Haare zusammen und zog die Kapuze ihres Jogginganzugs über den Kopf.
„O Gott, das regnet ja noch schlimmer, als ich gedacht hatte“, stöhnte Jenny, als sie unter dem schützenden Vordach hervorkam. „Wir werden nach zehn Metern klatschnass sein!“
„Na und?“, sagte ihre Freundin unbekümmert. „Mehr als nass werden, kann man nicht. Komm!“ Sie gab ihr einen Klaps auf die Schulter und lief zum Tor, durch das sie auf den Dijkweg gelangten, der seinem Namen entsprechend am Deich entlang verlief.
„Also, rauf auf den Deich sollten wir besser nicht gehen“, fand Jenny. „Wenn wir gegen den Wind laufen, kommen wir nicht von der Stelle …“
„… und wenn wir mit dem Wind laufen“, ergänzte Babette, „dann treibt der uns vor sich her, was auch keinen Spaß macht. Vor allem nicht, wenn man auf einmal von einer heftigen Böe erwischt wird, die einem die Beine unter dem Po wegweht.“ Sie nickte zustimmend. „Dann lass uns doch durchs Dorf laufen. Da ist um die Zeit keiner unterwegs, der uns in den Weg geraten könnte.“
„Und auch keiner, der mich dabei sehen könnte, wie ich mich zum Affen mache“, fügte Jenny hinzu und folgte Babette, die links um den Block lief.
Noch bevor sie an der nächsten Ecke angekommen waren, an der sie wieder nach links abbiegen mussten, fragte Babette neugierig: „Und? Was läuft zwischen euch?“
Jenny wischte sich den Regen aus dem Gesicht und warf ihrer Freundin einen ratlosen Seitenblick zu. „Zwischen wem?“
„Na, zwischen dir und Rainer“, stellte Babette klar.
„Rainer? Rainer Trompeter?“, fragte Jenny. „Du meinst den Rainer, den du gerade eben kennengelernt hast?“
„Ja, sicher.“
Jenny schüttelte den Kopf. „Da läuft gar nichts. Wir sind einfach nur gute Freunde. Wir kennen uns von früher, weil er immer bei meinen Eltern in der Pension ein Zimmer nahm, wenn er Urlaub in Westkapelle machte. Irgendwann ist er nach Amerika gegangen, hat beim Film angefangen und arbeitet in Hollywood, und jetzt ist er für eine Weile hier.“
„Der Mann lebt in Hollywood und macht ausgerechnet in Zuiderdijk Urlaub?“, fragte Babette ungläubig, während sie sich der Grote Straat näherten. „Nichts gegen Zuiderdijk, ich liebe es hier wirklich, aber Rainer könnte in Florida Urlaub machen, wenn ihm der Strand an der Westküste zu langweilig ist. Aber in dieses Dorf hier zu kommen, um ein paar Wochen Urlaub zu machen? Das klingt nicht sehr überzeugend. Ich glaube schon, dass er es auf dich abgesehen hat.“
Jenny seufzte. „Er ist nicht hier, um ein paar Wochen Urlaub zu machen, sondern er nimmt eine mehrmonatige Auszeit von seinem Job.“
„Und das kaufst du ihm ab?“, fragte Babette. „Wenn er in Hollywood so eine große Nummer ist, dann könnte er doch in einem Luxushotel wohnen, wo es ihm an nichts fehlt.“
„Gib es auf, Babette“, sagte Jenny amüsiert. „Du kannst noch so sehr argumentieren, warum und wieso er was von mir will und warum das alles irgendwie nicht so ganz überzeugend klingt. Da ist nichts zwischen uns, und da wird auch nichts sein“, versicherte sie ihrer Freundin. „Er ist ein guter Freund, weiter nichts. Wenn überhaupt, dann ist er für mich so was ein großer Bruder. Wenn ich einen älteren Bruder hätte, mit dem ich mich gut verstehen würde, dann wäre er wie Rainer.“
„Wenn du das sagst“, meinte Babette in einem Tonfall, der nach einem Hauch von Zweifel klang, aber immer noch vage genug war, um ihn leugnen zu können.
„Tu ich ja auch, Babette“, erwiderte Jenny. „Nur weil dein Bruder und du euch nicht mal vertragen könntet, wenn einer von euch auf dem Mond leben würde, kannst du nicht davon ausgehen, dass das bei allen anderen Menschen auch so ist.“
Babette verzog den Mund. „Ja, ich weiß“, räumte sie ein. „Mein Bruder ist so ein Vollidiot, dass ich mir nicht mal vorstellen kann, wie es sein muss, einen netten und freundlichen Bruder zu haben, aber nicht einen solchen Schwachkopf, der sich nur melden kann, wenn er wieder mal abgebrannt ist, und dann Lügen über mich verbreitet, wenn ich ihm kein Geld gebe.“
„Es ist schon schade, dass ihr beide euch so gar nicht versteht“, sagte Jenny mitfühlend.
„Halb so wild“, meinte ihre Freundin unbekümmert. „Die meiste Zeit des Jahres habe ich ja Ruhe, und jetzt muss er sowieso erst mal herausfinden, wo ich bin, wenn er in Groningen vor unserem Haus steht, das dann vielleicht sogar schon abgerissen worden ist.“ Der Gedanke ließ sie vergnügt auflachen, während sie um die nächste Ecke bogen und die Grote Straat entlangliefen, ohne dass der Regen nachließ.
Nach einer Weile musste Jenny zugeben, dass Babette recht hatte, als sie davon gesprochen hatte, dass man nur einmal nass werden könne. Der Jogginganzug war so wasserdicht, wie er in der Werbung angepriesen worden war, und gleichzeitig so luftdurchlässig, dass sie sich unter dem Stoff nicht zu Tode schwitzte. Nass wurde nur ihr Gesicht, und das konnte sie von Zeit zu Zeit mit den Händen abwischen.
Sie hatte sich Joggen im Regen viel unangenehmer vorgestellt, aber so …
Das Unwetter schien ihre Gedanken gelesen zu haben, denn gleich darauf zuckte ein Blitz über den Nachthimmel von Zuiderdijk und tauchte die Umgebung für den Bruchteil einer Sekunde in taghelles Licht. Gleich darauf folgte ein Donnerschlag, der den Boden zittern ließ.
„Ich glaube, jetzt will ich nach Hause“, sagte Jenny zu ihrer Freundin, gerade als sie von einem starken Windstoß erfasst wurde. „Ich habe nämlich tatsächlich nicht vor, unterwegs zu sterben, auch nicht durch einen Blitz.“
Babette blieb vor einem der vielen Lokale stehen. „Heißer Tee mit einem Schuss Rum?“, fragte sie.
„Von mir aus auch heißer Rum mit einem Schuss Tee“, gab Jenny zurück, „solange du einverstanden bist, dass wir jetzt sofort nach Hause laufen.“
Ihre Freundin grinste sie an. „Du hast mich überredet.“
„Gut, dann laufen wir querfeldein über den Marktplatz“, sagte Jenny. „Da stehen zwar links und rechts Bäume, in die der Blitz einschlagen könnte, aber dann können wir die Abkürzung zwischen den beiden Nebengebäuden der Pension hindurch nehmen und sparen ein ordentliches Stück Weg.“
„Klingt gut“, willigte Babette ein, während es wieder blitzte und donnerte. „Los geht’s.“ Sie lief vor, Jenny war dicht hinter ihr.
Sie überquerten die Straße, die um diese Uhrzeit so verwaist war wie jede andere in Zuiderdijk, und liefen zwischen der ehemaligen Kirche zur Rechten und dem einstigen Marktplatz des Dorfs hindurch. Den hatte man mit Wohn- und Geschäftshäusern u-förmig bebaut.
Der nächste Blitz zuckte über den Himmel, und wieder war die Umgebung für einen Moment in gleißendes Licht gehüllt. Der Moment dauerte nicht lange genug, um den Kopf in die Richtung zu drehen, in der Jenny etwas bemerkt hatte – oder zumindest glaubte, etwas bemerkt zu haben. Denn als sie nach rechts sah, war dort alles wieder stockfinster. Hatte sie sich das nur eingebildet? War da überhaupt etwas gewesen? Oder hatte sie etwas wahrgenommen, das etwas ganz anderes war und nur zufällig so aussah, wie …?
„Warte mal“, rief Jenny, gerade als der nächste Donner die Luft beben ließ. Damit Babette ihr nicht davonlief, die sie ganz offensichtlich nicht gehört hatte, fasste sie nach ihrem Arm und zog sie zurück.
Ihre Freundin sah sie über die Schulter an. „Was ist los?“, fragte sie.
„Ich habe da irgendwas gesehen, glaube ich“, sagte Jenny unschlüssig.
„Was denn? Und wo?“
„Ich weiß nicht genau, aber es kam mir so vor, als würde dahinten an der Kirche jemand auf der Bank sitzen“, sagte sie und deutete in Richtung des großen dunklen Gebäudes.
„Da ist doch alles stockfinster“, meinte Babette und kniff die Augen zusammen. Die wenigen Straßenlampen, die über den Platz verteilt standen, reichten gerade aus, um den Verbindungsweg zwischen der Grote Straat und dem Parallelweg erkennen zu können. Abends sorgten die Leuchtreklamen der Geschäfte auf dem Platz gegenüber der ehemaligen Kirche für genügend Licht, aber die waren seit Stunden ausgeschaltet, und der Regen trug seinen Teil dazu bei, die schlechten Lichtverhältnisse noch miserabler zu machen.
„Als es eben geblitzt hat, war da alles taghell“, erklärte Jenny und wischte sich den Regen aus dem Gesicht. „Aber ich habe das nur aus dem Augenwinkel bemerkt, und als ich hinsah, war der Blitz schon vorbei.“
„Okay, aber warum sollte bei dem Wetter jemand da auf der Bank sitzen?“, überlegte ihre Freundin, die nicht von dem Gedanken begeistert zu sein schien, hinzugehen und nachzusehen.
Jenny konnte das gut verstehen, denn sollte dort tatsächlich jemand sitzen, dann sprach alles dafür, dass mit demjenigen etwas nicht stimmte. „Vielleicht war demjenigen schlecht und er musste sich irgendwo hinsetzen“, gab sie zu bedenken.
Babette zog eine Augenbraue hoch. „Um sich da hinsetzen zu können, muss man doch sehen können, dass da eine Bank steht“, wandte sie ein. „Soweit ich weiß, geht die Beleuchtung rund um die Kirche abends um zehn oder elf Uhr aus. Wenn dein Unbekannter sich um die Zeit da hingesetzt hat und jetzt immer noch da sitzt, dann …“ Sie verzog den Mund. „Dann dürfte er inzwischen sehr unterkühlt sein, wenn nicht sogar …“
„Richtig“, bestätigte Jenny. „Und genau deshalb müssen wir nachsehen.“
„Müssen wir das?“, fragte Babette zögerlich. „Ich meine, wenn er doch sowieso schon … Du weißt, was ich meine.“
„Wir wissen aber nicht, ob er das ist“, wandte Jenny ein. „Falls nicht, können wir ihm vielleicht noch helfen.“
„Können wir nicht die Polizei oder den Rettungsdienst anrufen, damit die nachsehen?“, schlug ihre Freundin vor.
„Babette, da drüben kann genauso gut ein Stapel Altkleider liegen, der nur nach einer Person aussieht. Erstens wird weder die Polizei noch ein Rettungswagen herkommen, wenn ich anrufe und sage, dass da jemand auf der Bank sitzen könnte. Die werden mir sagen, dass ich erst mal hingehen und mich vergewissern soll. Zweitens wäre es unverantwortlich, bei diesem Wetter einen Rettungswagen herkommen zu lassen, der dann vielleicht woanders zu spät eintrifft, nur weil die Sanitäter hier einen Berg Altkleider wiederbeleben sollen.“
Babette seufzte frustriert. „Kann es nicht wenigstens noch mal blitzen, damit wir von hier aus nachsehen können?“
Tatsächlich blitzte es fast wie auf Befehl, allerdings so weit entfernt, dass es rund um die Kirche stockfinster blieb. „Warte du hier“, sagte Jenny zu ihr, holte das Handy aus der Jacke, schaltete die Taschenlampe ein und ging los.
„Von wegen, ich lasse dich doch nicht allein da hingehen“, rief Babette und lief ihr hinterher.
„So mutig?“, fragte Jenny erstaunt.
„Ich wollte auch nicht allein da hinten stehen bleiben“, gestand sie, da Jennys forschender Blick zu wachsam. „Zufrieden?“
Jenny grinste sie nur an, dann wurde sie wieder ernst und ging weiter. Wegen des Regens reichte der Lichtstrahl der Taschenlampe nicht weit, aber da Babette ihrem Beispiel folgte und sie mit ihrem Handy unterstützte, konnte sie mehr erkennen.
Es handelte sich tatsächlich um eine Person, die im strömenden Regen auf der Bank saß. Ob Frau oder Mann, war auf diese Entfernung nicht zu erkennen. „Hallo?“, rief Jenny. „Hallo? Ist alles in Ordnung? Sagen Sie doch was.“
Sie gingen noch näher heran, woraufhin Babette ihr zuflüsterte: „Vielleicht schläft er ja. Oder sie. Schlafende Leute soll man nicht wecken, weil man nicht weiß, wie sie reagieren.“