Mordsschnee im Sommer - Frank W. Kallweit - E-Book

Mordsschnee im Sommer E-Book

Frank W. Kallweit

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Beschreibung

Geschildert werden die Ereignisse in einer kleinen Siedlung am Rande eines Steinbruchs. Spannend - Romantisch - Witzig. Ein Sauerland-Krimi mit Chefermittler Reiner Zufall.

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INHALT

DAS VORSPIEL

KAPITEL EINS

KAPITEL ZWEI

KAPITEL DREI

KAPITEL VIER

KAPITEL FÜNF

DER AUSKLANG

DAS VORSPIEL

Durch ihre langen blonden Haare strich sanft der warme Sommerwind. An solchen Tagen liebte es Angelina mit ihrem Cabrio durch die weite Landschaft zu cruisen. Ihr Blick schweifte über den glatten Wasserspiegel des kleinen Sees, der direkt unter ihr lag. Eine Fläche aus funkelnden Glitzersteinen hatte die Mittagssonne daraus geschaffen.

Von weit oben schaute die junge Frau hinab in eine andere Welt. Es war die Welt, in der sie in Kindertagen so unbekümmert gespielt hatte. Da unten am Ufer stand auch die alte Eissporthalle. Dort hatte Angelina ihre ersten Versuche gestartet, auf Kufen das rutschige Element zu besiegen. Doch dann hatte es in ihrem Leben ganz andere Hürden geben, die sie ins Stolpern gebracht hatten. Im nächsten Augenblick wurden ihre Gedanken durch rote Bremsleuchten voranfahrender Autos aus den Erinnerungen ins Jetzt zurückgerufen. Die Straße, über die Angelina in ihrem Auto rollte, überspannte den kleinen Stadtsee. Dieses Stück Beton war das Dach einer entrückten Welt und zugleich das Ende der Autobahn, die sie an diesem Tag in Richtung Heimat führen sollte. Seit mehr als vierzig Jahren schon endete diese Verkehrsader abgerissen in der Landschaft. Nun begann der quälende Karawanentreck durch Landschaft und Städte, ein mühevolles Stop-and-go. Dies gab Angelina die Zeit, ihren Zweifeln Nahrung zu geben. Hatte sie wirklich die richtige Entscheidung getroffen? War es der passende Zeitpunkt, zu Hause bei ihrer Familie reinen Tisch zu machen? Mit dieser Last hatte die junge Frau so sehr zu kämpfen, dass sie nicht bemerkt hatte, dass ihr Auto bereits Hemer passiert hatte und nun ganz langsam in Richtung Menden Zentrum schlich. Das Ortseingangsschild wies eindeutig darauf hin. Ja, Angelina war zurück, zurück im Sauerland. Die junge Frau seufzte kurz und begann dann leise zu summen. Aus dem leisen Summen wuchs ein lauter Gesang. Es war, wie konnte es auch anders sein, das Sauerlandlied, das ihre Lippen verließ. Und am Ende grölte Angelina laut: „Wo die Mädchen noch wilder als die Kühe sind!“ Dann lachte sie herzlich. „Ja, so sind sie, die Sauerländer“, erinnerte sich die junge Frau. Eine Zeit lang schien für sie im Rheinland alles im Fluss zu sein, doch nun wurde das kleine Flüsschen Hönne zu ihrer einzigen Orientierung. Auf der Umgehungsstraße Richtung Balve nahm das Cabrio wieder Geschwindigkeit auf. Der warme Wind verscheuchte die bösen Gedanken. Angelina nahm die umliegende Landschaft in sich auf. Doch dann wurden ihre Augen von einem übergroßen Werbeplakat am Straßenrand eingefangen. In großen Lettern stand darauf geschrieben: „Alle anderen sind hohl. Wir sind die Vollpfosten. Der Zaun König.“ Tief atmete sie durch, als wollte sie den Duft von frisch gesägtem Holz in sich aufnehmen.

Dieser Geruch erinnerte sie so sehr an Zuhause. Doch da blendete sie ein gleißender Blitz. Es war ein Blitz aus heiterem Himmel, der Angelina aus ihren Erinnerungen riss. „Scheiße!“, schrie sie auf. Mit voller Kraft trat sie in die Bremsen. Die Räder blockierten und hinterließen Radierungen auf dem Asphalt. „Zu spät. So’n Mist, verdammter!“ Ihre Heimfahrt sollte nun auch noch durch ein kostenpflichtiges Foto dokumentiert werden. „Dass diese Wegelagerer auch immer direkt an der Ortsgrenze auflauern müssen“, ärgerte sich die junge Frau.

„Ommm, Ommm“, brummte Angelina vor sich hin, um dadurch die nötige Ruhe wiederfinden zu können. Vielleicht waren die Investitionen für den Yogi-Trip in den Rheinauen nicht ganz vergebens gewesen. Eigentlich befand sich die junge Frau auf einem guten Weg, doch dann sah sie rot. „Nein, nein!“ Angelina schien ihre Fassung zu verlieren. „Bitte nicht. Du darfst nicht sterben. Du kannst mich doch jetzt nicht allein lassen. Ich brauche dich doch.“ Sie flehte und weinte. Doch am Ende schien alles vergebens. Das rote Licht wollte einfach nicht erlöschen. Bedrohlich leuchtete die Kontrolllampe am Armaturenbrett ihres Autos. Die junge Frau wusste, dass ihre Fahrt hier erst einmal beendet sein würde. Ihre Werkstatt hatte sie schon häufig auf die möglichen Folgen eines solchen Vorfalls hingewiesen. So lenkte Angelina ihr Fahrzeug direkt auf den Seitenstreifen und hielt an. Der Motor war verstummt. Vorsichtig schaute sie sich um. „Wo bin ich denn hier eigentlich?“ Angelina war auf dem Weg zurück in ihre Vergangenheit gestrandet. Eine kleine Brücke führte über das Flüsschen Hönne hinüber in eine andere Welt.

KAPITEL EINS

Dort lag eine verzauberte Welt. So schien es jedenfalls Angelina. Wege und Häuser auf der anderen Seite des Ufers waren weiß gepudert. „Schnee, so viel Schnee“, staunte Angelina. Auch im Sauerland ist Schnee nicht mehr so häufig wie in früheren Zeiten. Aber das weiße Pulver gehört gewiss nicht zu den größten Wundern. Dieser Vorfall jedoch trug sich an einem ziemlich heißen Sommertag im August zu. Es war also doch ein Stoff, aus dem Märchen gewebt werden? „Hier muss Frau Holle wohnen!“, dachte Angelina und stapfte staunend durch die weiße Wunderwelt. Ihre Sorgen schien sie auf der anderen Seite des Hönne-Ufers zurückgelassen zu haben. Doch nicht alle Märchen enden mit einem Happy End. Die junge Frau wanderte unbekümmert an kleinen Siedlungshäusern vorbei. Hatte Angelina nicht gesehen, wohin sie lief? Fasziniert schaute sie auf die Spuren und Gebilde, die das weiße Pulver auf den Straßen und Wegen geformt hatte. Mit knirschenden Schritten bewegte sie sich verträumt durch diesen eigenartigen Skulpturenpark. Doch direkt vor ihr stand ein riesiger, kantiger Koloss. Der Anblick beendete ihre Unbekümmertheit und schürte Ängste. „Laufen, du musst laufen“, meldete sich ihr Kopf. Doch ihre Beine bewegten sich keinen Zentimeter. Wie angewurzelt blieb die Frau stehen. Gebannt starrte Angelina auf das Monster, das sie mit einer einzigen kleinen Bewegung vernichten könnte, so wie ein Elefant eine Ameise zermalmt. Wer war dieses Ungetüm, das den Wald beiseitegeschoben und sich ihr entgegengestellt hatte? Durch die unklare Sicht erahnte Angelina nur seine gigantischen Umrisse. Dumpfe Geräusche und zahlreiche Geisterlichter in der Ferne flößten ihr Angst ein. Es war ein unwirkliches Szenario, das böse Erinnerungen in der jungen Frau weckte. Der Horrorfilm „Massaker der Trockentücher“ lief beim letzten Kinobesuch mit ihrem Verlobten Henk. Früher hatte das Paar romantische Liebesfilme besucht. Angelina und ihr Henk hatten bei „Küsse unter Kirschblüten“ innig gekuschelt und gemeinsam geweint.

Ja, mit der Zeit wurden die Kinobesuche weniger, doch dann kam der Horror. Angelina hatte an die ewige Liebe geglaubt. Anfangs hatte diese Verbindung unter keinem guten Stern gestanden. Ihre Eltern wollten Henk nicht als möglichen Schwiegersohn akzeptieren. Unüberwindlich schien die Kluft zwischen den beiden Welten. Henk hatte eine andere Muttersprache und lebte eine ganz fremde Kultur. Im Zentrum seiner Küche stand eine Fritteuse, und Werte wie das deutsche Reinheitsgebot waren für ihn große Unbekannte. Der junge Mann war Holländer. Eine solche Liaison war einfach unvorstellbar. Ein zukünftiger Repräsentant der Familie von Rosenfels auf Schloss Dünkelsheim musste aus ganz anderem Holz geschnitzt sein.

Dabei hatte Angelina ihrer Familie auch noch verheimlicht, wie sie ihren Traummann kennengelernt hatte. Dies war aus gutem Grund geschehen. Im Kreis ihrer Freundinnen hatte sie ein Schneewochenende in Winterberg verbracht. Abends in einer Skihütte hatte Angelina ihren Holländer Henk bei einem Genever-Wetttrinken als Trostpreis gewonnen. Dies war gewiss ein äußerst unkonventioneller Start für eine Beziehung. Doch mit der Zeit entwickelte sich der Holländer zum echten Hauptpreis für die ganze Familie. Denn dieser Holländer war nicht irgendein beliebiger Henk. Er war Henk van Gouda, der millionenschwere Thronfolger einer holländischen Käsedynastie. Das Wort „Cheese“ soll auf Fotos zu einem lächelnden Gesicht verhelfen. Angelina hatte früher nie die Verbindung von Cheese, Käse und Lachen verstanden. Dieser Holländer hatte das Leben der jungen Sauerländerin jedoch verändert. Ihr „Cheese“-Gesicht von den Fotografien wollte Angelina nun das gesamte Leben tragen. Das junge Paar studierte gemeinsam in Köln. Beide teilten sich eine kleine Wohnung und das Alltagsleben. Mit der Zeit waren jedoch die Sonnentage verschwunden. Schwere Gewitterwolken hatten sich gebildet. Der Himmel über Köln hatte sich verdunkelt. Die Tiernamen, die sich das Paar gab, hatten sich mit der Zeit geändert. Die niedlichen Kuscheltiere hatten schon längst die Flucht angetreten. Aus einer Romanze war blanker Horror geworden.