Morgen wird Heute wie Gestern - Andrea Henning - E-Book

Morgen wird Heute wie Gestern E-Book

Andrea Henning

1,0

Beschreibung

Gestern ist auch noch ein Tag! David traut seinen Augen nicht: Da hat sich eine junge Frau in seine Zeitmaschine geschlichen! Von ihrer Neugier getrieben wird sie unfreiwillig zum Passagier einer außergewöhnlichen Reise in die Vergangenheit. Nun müssen sich der schüchterne Hobbybastler und die hübsche Joni gemeinsam in der Steinzeit zurechtfinden, denn dummerweise geht die Zeitmaschine erst kaputt und verschwindet dann auch noch. Zusammen stellen sie sich den Gefahren und Hindernissen jener Zeit, immer von der Frage begleitet: «Kommen wir wieder nach Hause?» Bo!

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David klopfte stolz mit der flachen Hand an die schmale Tür eines kleinen, einfachen Hauses, als würde er einen Hund tätscheln, und trat wieder einige Schritte nach vorn zu den Mikrofonen. Die Menschenmenge, die vor ihm stand, applaudierte.

»Vielen Dank«, sagte er und hob demütig die Hände. Es fiel ihm schwer, den Augenblick unbeschwert zu genießen, denn er hatte sich immer noch nicht daran gewöhnt, vor so vielen Menschen zu sprechen. Das Rampenlicht, in dem er stand, war ganz neu, etwas fremdartig und bisweilen sogar unangenehm.

Vor ein paar Sekunden hatte er nervös seine aufwendige und von langer Hand vorbereitete Rede beendet. Vor ihm standen dutzende Reporter aus aller Welt mit Mikrofonen und Kameras. Ständig blitzte es auf und dauernd rief irgendjemand, dass David doch bitte noch einmal in dessen Richtung schauen sollte, um das perfekte Foto schießen zu können.

Ganz vorn stand Lisa mit einem breiten Lächeln. Auch sie wurde fotografiert. Immerhin war sie die Freundin des gerade berühmt werdenden Wissenschaftlers. Geschickt drehte sie sich zu den Kameras und brachte sich in Position. Sie war darin wesentlich geschickter als ihr Freund und aalte sich geradezu im Meer der Blitzlichter.

Heute stand David noch im Mittelpunkt, aber wenn er morgen auf Reisen ging, würden sich die Reporter auf sie stürzen wie Fliegen auf … naja, man weiß schon was.

»Sie haben jetzt noch ein paar Minuten die Möglichkeit, Fragen zu stellen«, rief David in den abebbenden Applaus hinein und schob seine Brille hoch.

»Warum soll Ihre erste Reise ausgerechnet in die Kreidezeit gehen?«, wollte eine junge Reporterin wissen.

»Sehr gute Frage«, lobte David. »Wie ich Ihnen bereits ausführlich erzählte, war es schon als kleiner Junge mein großer Traum, in der Zeit reisen zu können. Ebenfalls interessierte ich mich bereits in jungen Jahren für Saurier. Da nie in der Geschichte unserer Erde ein menschliches Auge einen lebenden Saurier gesehen hat, führte ich diese beiden Dinge zunächst gedanklich zusammen und werde dies morgen auch praktisch tun. Natürlich wäre es auch spannend gewesen, in andere Zeiten zu reisen und zum Beispiel die Geschichte unserer eigenen Spezies oder gar die Geburt unserer Mutter Erde hautnah zu erleben. Doch dies behalte ich mir, wenn überhaupt, für spätere Reisen vor und erfülle mir morgen erst einmal meinen Kindheitstraum.«

»Ihr Raumschiff«, begann ein älterer Reporter und malte beim Wort Raumschiff mit seinen Fingern imaginäre Gänsefüßchen in die Luft, »sieht einem Haus verdammt ähnlich. Es hat vier Wände, Fenster … ist eckig. Und Ihren Ausführungen zufolge ist es auch im Inneren durchaus mit einem Wohnhaus vergleichbar. Als aerodynamisch kann man es beim besten Willen nicht bezeichnen, hohe Technologie ist von außen nicht zu erkennen – den Blick ins Innere gestatten Sie zum Leidwesen aller Neugierigen derzeit nicht – und viele Anfragen, die wir zu diesem Thema erhalten haben, beziehen sich auf die Art und Weise der Bewegung durch die Zeit. Können Sie unserer Leserschaft noch einmal ganz unkompliziert erklären, wie Sie mit diesem Haus fliegen oder besser gesagt reisen werden?«

Die Mikrofone richteten sich allesamt neugierig auf David. Der blieb ganz ruhig.

»Auf diese Frage habe ich tatsächlich gewartet und freue mich, Ihnen an dieser Stelle noch einmal diese neue Möglichkeit des Reisens zu erläutern. Sie haben doch sicher alle schon einmal einen Science-Fiction-Film geschaut. In diesen Filmen können Lebewesen oder auch Gegenstände durch Porter von einem Punkt zum anderen reisen. Dies wird oftmals als Beamen bezeichnet. Die Körper dabei werden am Ausgangspunkt in ihre kleinsten Teile zerlegt und am Zielpunkt wieder zusammengesetzt. Diese Idee habe ich mir zu Nutze gemacht und weiterentwickelt. Ich habe herausgefunden, dass die Energie, die jedes unserer Atome umgibt und diese zusammenhält, genutzt werden kann …«

Was nun folgte, war eine Abhandlung technischer Daten, Fakten und Erkenntnisse. David mochte Ahnung haben, von dem was er sagte, aber er war beileibe kein Entertainer. Seine Zahlen und Berechnungen gaben ihm Halt, wie einem geschwächtem Menschen ein Geländer Halt gibt.

Auch wenn er direkt in die interessierte Menge, die vor ihm stand, hineinsah, so sah er gleichzeitig auch durch sie hindurch und bewegte sich gedanklich in seiner eigenen, herrlich pragmatischen Welt.

Er sprach von berühmten Wissenschaftlern aus allen Zeiten der Menschheit, ihren grandiosen Erfindungen, ihren brillanten Gedanken. Sie alle hatten ein kleines Stück dazu beigetragen, das knifflige Rätsel der Zeitreisen zu lösen. Die Erkenntnisse mussten nur wie ein Puzzle richtig zusammengesetzt werden und das war ihm, David, gelungen.

Die ersten Gesichter, die ihn anblickten, hatten bereits Mühe, ihr Gähnen zu verstecken. Einige versuchten vergeblich, seinen Ausführungen zu folgen, doch selbst die Ambitioniertesten und Motiviertesten gaben irgendwann auf und malten Blumen auf ihre Notizblöcke.

»Das bedeutet, dass das Haus und alles, was sich darin befindet, lediglich in Atome zerlegt wird und am Zielort wieder materialisiert. Ich fliege also nicht klassisch durch die Zeit, wie man es aus Filmen kenne. Ergo ist es vollkommen egal, ob das Reisegefährt aerodynamisch ist oder nicht.«

David schaute aus seinem Vortrag erwachend in die Gesichter, die erleichtert begriffen, dass er seine Antwort zum Ende gebracht hatte. Die meisten von ihnen waren Reporter, die sonst von Unfällen, politischen Debakeln und prominenten Fehltritten berichteten. Wissenschaftliche Diskussionen standen eher selten auf der Tagesordnung und interessierten den durchschnittlichen Normalverbraucher auch oft nur am Rande.

Die Möglichkeit, durch die Zeit zu reisen und damit einen der größten Träume der Menschheit wahr werden zu lassen, stieß jedoch geradezu in ein Wespennest. Informationen dazu konnten gar nicht so schnell geliefert werden, wie sie gefordert wurden. Die Aufmerksamkeit und der Wissensdurst zu dieser Thematik waren in kurzer Zeit in schwindelerregende Höhen gestiegen.

Also wurde alles, was Fragen stellen und Fotos machen konnte, zusammengefegt und an diesen Ort gebracht. Da standen sie nun wie arme Tropfe und hatten die fast unlösbare Aufgabe, die elendig langen Ausführungen in spannende und kurzweilige Reportagen zu wandeln.

»Wie lange dauert der Vorgang der Zerlegung und des Wiederaufbaus insgesamt?«, hakte der Reporter nach. Er wollte seinem Redaktionsleiter so gern wenigstens eine Frage beantworten können und sie dazu selbst verstanden haben.

»Nur wenige Augenblicke«, antwortete David.

Der Reporter nickte zufrieden. Mit dieser Antwort ließ sich was machen.

Die nächsten Fragen prasselten auf ihn ein, während hinter seinem Rücken jemand herumschlich. Joni war vor der Pressekonferenz unbemerkt von den Wachposten in den Hangar gelangt, in dem das Zeitreisehaus untergebracht war. Sie berührte die Wände des Hauses an mehreren Stellen und erwartete eine aufregende Erkenntnis oder ein besonderes Gefühl. Doch die Wände waren einfach nur Wände, Wände, wie man sie von jedem x-beliebigen Haus kannte. Kaltes, raues Gestein.

Etwas enttäuscht zog sie sich zurück und versteckte sich hinter ein paar Kisten, die mit jeder Menge Metallschrott gefüllt waren. Hier wollte sie warten, bis die Reporterschar abgezogen war, und dann versuchen, in das Zeitreisehaus zu gelangen. Ab und zu lugte sie vorsichtig hervor. Sie hatte so viele Geschichten über den Bau dieser einmaligen Maschine gehört, dass sie zu gern selbst mal ein Auge darauf werfen wollte.

»Gut«, sagte David schließlich zu der Menge, »eine letzte Frage gewähre ich Ihnen noch. Dann muss ich unsere Zusammenkunft beenden, denn wie Sie wissen, speise ich heute Abend noch mit dem Bürgermeister dieser Stadt, mit meinem Wegbegleiter Laurenz und natürlich mit meiner bezaubernden Freundin.«

Er zwinkerte Lisa zu. Die strahlte mit roten Wangen weiter in die Kameras, die in diesem Moment noch einmal fleißiger Aufnahmen von ihr machten. Vielleicht konnte der Boulevardteil dieses Ereignisses die mühseligen Stellen in der Reportage ein wenig retuschieren.

Ein kleiner, dicker Reporter mit einer runden Brille hatte sich bis ganz nach vorn gekämpft. »Ich habe noch eine sehr essentielle Frage. Mich würde folgendes interessieren: Sie sagten, dass die Zeitmaschine räumlich gesehen genau an der Stelle in der Vergangenheit zusammengesetzt wird, an dem sie sich jetzt befindet. Was ist, wenn genau zu dieser Zeit an dieser Stelle ein Haus steht oder ein Baum oder ein T-Rex? Zersprengen Sie bei Ihrer Ankunft das Objekt?«

»Auch das habe ich natürlich bedacht. Ich habe für den Ort des Beginns der Reise einen Platz ausgesucht, den ich geschichtlich gesehen genau unter die Lupe genommen habe. An meiner Seite standen dabei einige Historiker und Geologen.«

David zeigte auf das Haus.

»Genau an dieser Stelle stand definitiv nie ein Haus. Außerdem ist es sehr wahrscheinlich, dass der Platz hier nie überflutet war, also nicht in einem See lag und auch nie unter der Erde, also kein Berg darüber lag. Die Existenz von Bäumen oder das Auftauchen von Tieren kann jedoch weder vorausgesagt noch ausgeschlossen werden. Da haben Sie vollkommen Recht. Deshalb habe ich einen kleinen Notplan eingerichtet, mit dem die Zeitmaschine die Möglichkeit hat, sich auch in einer Entfernung von einigen Metern wieder zusammenzusetzen. Das würde allerdings etwas mehr Energie kosten. Damit ich die Zeitzone danach wieder problemlos verlassen und in die Gegenwart zurückkehren kann, habe ich Energiereserven dabei, die ich mit Hilfe von Solarzellen auftanken kann.«

David fuhr mit seinen Händen durch die Haare und schob seine Brille die Nase hoch.

»Meine Damen und Herren, ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und freue mich, Sie morgen zu meiner Abreise erneut begrüßen zu dürfen. Seien Sie alle herzlich eingeladen, mich in die Vergangenheit zu verabschieden. Für heute sage ich Auf Wiedersehen und bis morgen.«

Er nickte leicht zum Abschied. Tosender Applaus schwoll ihm entgegen.

Ganz langsam löste sich die Menge auf. Lisa fiel David um den Hals und küsste ihn.

»Hach, ist das alles aufregend«, säuselte sie. »Du bist der erste Mensch, der in der Zeit reisen wird. Es waren Reporter aus aller Welt da. Unfassbar!«

Sie klimperte mit ihren Wimpern. Geschickt warf sie ihre dunklen, langen Locken nach hinten. Offenbar war sie sich bewusst, dass noch die eine oder andere Kamera auf das Paar gerichtet war.

David legte seinen Arm um ihre Schultern.

»Komm, lass uns essen gehen. Ich habe richtig großen Hunger.«

Lachend zogen sie davon.

Der Hangar leerte sich und wurde kurz darauf verschlossen.

Joni krabbelte aus ihrem Versteck und streckte sich. Der Boden, auf dem sie gesessen hatte, war nicht nur hart, sondern auch eiskalt gewesen. Bibbernd rieb sie mit den Händen an ihren Oberarmen und hauchte ihre Finger an. Der Preis für ihr kleines Abenteuer und ihre furchtbare Neugier waren bei genauer Betrachtung recht hoch. Doch sie hatte viel zu viele spannende Dinge über dieses Haus gehört, als dass es jetzt einen Abbruch ihrer Expedition geben könnte.

Zitternd ging sie zur Zeitmaschine. Erneut strich sie erwartungsvoll über die rauen Wände. Eine Veränderung hatte in der letzten halben Stunde jedoch nicht stattgefunden. Sie rüttelte an der Tür und wurde mit der nächsten Enttäuschung konfrontiert, denn diese war verschlossen. Ja klar war sie verschlossen. Wie konnte sie auch nur so naiv sein und glauben, dass die Tür für jeden offen stand.

Dabei wollte sie doch so gern nur einen einzigen Blick … na gut, vielleicht auch zwei Blicke … ins Innere der Zeitmaschine werfen, welches David so geheim hielt. Stattdessen war sie in einem kalten Hangar eingeschlossen, der zu allem Überfluss von Sicherheitspersonal mit Wachhunden umstellt war.

Missmutig setzte sie sich und versuchte, sich irgendwie warm zu halten.

In ihrem Kopf tanzten hunderte Gedanken, die alle das Ziel verfolgten, die Tür des Zeitreisehauses möglichst geräuschlos zu öffnen. Mit eiskalten Händen durchsuchte sie den Metallschrott in der Hoffnung, eine Art Dietrich zu finden, also ein Werkzeug, mit dem sie das Schloss knacken könnte. Sie fand ein paar rostige Nägel, einen wackeligen Hammer, Metallplatten, eine Keramikschüssel mit einem Loch und allerhand weiteren Schrott. Sie fragte sich, warum dieser Müll in einem Hangar mit einer der aufregendsten Erfindungen der Menschheitsgeschichte stand.

Seufzend stand sie auf und prüfte, ob sich wenigstens die Fenster des Hauses öffnen ließen. Aber auch die waren fest verschlossen. Auf keinen Fall wollte sie gewaltsam einbrechen oder unschöne Spuren hinterlassen. Sie war nur eine harmlose Neugierige und keine gewissenlose Diebin.

Immer weiter kroch die Kälte in ihren Körper. Sie zitterte wie das sprichwörtliche Espenlaub. Ihre Hände waren blau gefroren. Die Füße spürte sie kaum noch.

Wütend auf sich selbst, auf die Kälte und ihre dumme Neugier, war ihr das Haus schon fast egal. Warum hatte sie sich von den Erzählungen über diese Erfindung nur so anstecken lassen?

Sie überlegte, ob es eine Möglichkeit gab, den Hangar zu verlassen, und lugte aus einem winzigen, verschmutzten Fenster nach draußen.

Ein paar Kaffee trinkende Wachleute mit Hunden standen entspannt in der Dunkelheit und plauderten miteinander. Joni wandte sich vom Fenster ab und stieß mit dem Fuß versehentlich gegen ein kleines Metallgefäß. Sofort bellten die Hunde.

»Scheiße«, fluchte sie leise und legte sofort die Hände auf den Mund, um sich zur Ruhe zu bringen.

Sie konnte also weder raus, ohne dass es mächtigen Ärger gab, noch konnte sie die Kälte länger ertragen. Schließlich und endlich blieb wohl doch nur die Möglichkeit, irgendwie ins Haus zu gelangen und dort ein wenig Wärme zu finden. Grübelnd strich sie um die Seiten herum.

Es waren etwa drei Stunden vergangen, als plötzlich jemand die Tür des Hangars öffnete. Joni schaffte es gerade noch rechtzeitig, sich wieder hinter der Kiste mit dem Metallschrott zu verstecken. Vor Angst, entdeckt zu werden, hielt sie die Luft an.

Aus ihrem halbsicheren Versteck heraus beobachtete sie, wie David zur Zeitmaschine ging und einen Schlüssel in die Tür steckte. Er schloss diese jedoch nicht auf, sondern ging wieder von dannen. An der Tür des Hangars drehte er sich um und schaute für einen Moment unsicher auf das Haus und den Schlüssel, als würde er seine eigene Handlung nicht verstehen. Er schüttelte dann auch irritiert den Kopf und zog die Tür hinter sich zu.

Joni zog die Stirn kraus. Einige bunte Fragezeichen tanzten über ihrem Kopf, während sie ihrer Lunge wieder erlaubte, ein paar kräftige Atemzüge zu nehmen. Die Aktion von David blieb ihr ein Rätsel, dessen Lösung sich ihr wohl nie offenbaren würde. Was sie aber begriff, war, dass die Tür zur Zeitmaschine nun zu öffnen war.

Auf leisen Sohlen schlich sie zur Tür. Draußen bellten wieder die Hunde. Lautlos drehte sie den Schlüssel und stand kurz darauf im Inneren der Zeitmaschine, genauer gesagt in einer Art Kontrollraum.

Eine riesige Konsole, wie man sie von Raumschiffen aus Science-Fiction-Filmen kannte, füllte den Kontrollraum fast zur Hälfte aus. Es gab unzählige Lichter, Tasten, Hebel und Schalter. Darüber hingen mehrere Bildschirme. Alles blinkte schwach bunt.

Mit großen Augen betrachtete Joni das interessante Farbenspiel dieser ungewöhnlichen Technik und strich behutsam mit den Fingern über die Apparaturen. Den Versuch, die Zahlen und Buchstaben auf den danebenliegenden Blöcken zu interpretieren, gab sie schnell auf. Sie atmete tief ein, als könne sie die Wissenschaft und die Technik damit aufsaugen.

Hinter dem Kontrollraum lag ein kleiner Flur, von dem vier Zimmer abgingen. Zumindest deuteten Türen auf diese Tatsache hin.

Langsam, aber nun doch wieder von einer tiefen Neugier getrieben, öffnete Joni jede Tür und lugte in die Zimmer, die sehr klein und recht spärlich eingerichtet waren. Wirklich spektakulär war es nicht. Wäre der Kontrollraum nicht vorhanden gewesen, hätte dieses Haus auch der Traum einer spießigen Familie mit minimalistischen Bedürfnissen sein können.

Joni fand einen Schlafraum mit einem schmalen Bett und einem Kleiderschrank, eine Küche mit üppigem Vorrat, eine Art Labor und ein weiteres Zimmer mit Schränken, Truhen und Regalen.

In letzterem stand auch ein Sofa, auf dem einige Decken lagen. Erfreut nahm Joni eine Decke und hüllte sich darin ein. In der Küche kochte sie sich einen Tee und legte sich auf das Sofa.

Während der Tee und die Decke ihren klammen Körper aufwärmten, fasste sie einen grandiosen Plan, zumindest war er das in ihren Augen. Sie könnte sich in der Nacht in Ruhe im Haus umsehen, auf dem Sofa unter den warmen Decken schlafen und kurz bevor David und die Pressemeute wiederkamen, hinter dem Metallschrott verschwinden.

Der Plan war so genial, dass sie lächelnd, aufgewärmt und müde direkt auf dem Sofa einschlief. Die Ideen vom entspannten Umsehen in den Räumen und dem Weckerstellen für ein rechtzeitiges Verlassen ihres Nachtlagers nahm sie mit in ihre Träume.

Einige Straßen entfernt verließen David, Lisa, der Bürgermeister, Leute von der Presse und viele andere wichtige Persönlichkeiten gerade das Restaurant.

Es wurden unzählige Hände geschüttelt, Daumen gedrückt und große Abschiedsworte geschwungen. Aus der Dunkelheit rollte gemütlich eine Limousine heran, die David und Lisa in einem Blitzlichtgewitter aufnahm und davonfuhr.

»Warum musstest du vorhin während des Essens noch einmal zur Zeitmaschine?«, fragte Lisa später zu Hause und gähnte.

»Es gab eine letzte Aufgabe zu erledigen«, sagte David und zog seine Augenbrauen vielsagend nach oben. Seine Augen leuchteten.

Offenbar wollte er Lisa irgendetwas mitteilen, aber sie war zu müde und möglicherweise zu uninteressiert, um nachzuhaken. Also brummte sie nur und ging ins Bett. Hier in der Wohnung gab es keine Presseleute und Kameras, denen sie die perfekte Freundin eines genialen Wissenschaftlers vorspielen müsste. Zudem musste ihr der Kopf vom vielen Haare-durch-die-Gegend-Werfen schon wehtun.

Die Nacht verging wie ein Gummiband, das immer länger gezogen wurde. David stand früh auf, als die Morgendämmerung noch nicht mal zu erahnen war. Aufregung und Nervosität hatten sich über seinen kurzen Schlaf gelegt. Es war immerhin das erste Mal in der Geschichte der Menschheit, dass eine echte Zeitreise stattfinden würde.

Während Lisa tief und fest schlief, wovon er sich immer wieder kurz überzeugte, und insgeheim hoffte, sie würde wach werden und die letzten Stunden vor der Abreise mit ihm verbringen, kochte er sich einen starken Kaffee und blätterte durch seine Aufzeichnungen. Seufzend nahm er eine Tasche und packte ein paar letzte Sachen.

Eine tiefe Unruhe saß in ihm, etwas nagte an seinen Gedanken. Dies hatte natürlich mit dem bevorstehenden Ereignis zu tun, aber da war noch etwas anderes. Es war eine Hoffnung, ein Glimmen, verknüpft mit dem Schlüssel, der in der Zeitmaschine steckte. Wieder sah er nach Lisa, die immer noch schlief.

Ruhelos ging er in der Wohnung auf und ab. Jedes noch so schwache Geräusch kroch in sein Ohr und setzte Gedankenströme in Bewegung. Er öffnete wahllos einige Schränke und überzeugte sich frustriert vom vollständigen Inhalt. Wäre es besser gewesen, es hätte etwas gefehlt? Wenn ja, was hätte fehlen sollen, damit er eine Bestätigung seiner Hoffnung gehabt hätte?

Kaum war die Sonne aufgegangen, duschte David und aß Frühstück.

Lisa kam kurz danach im Bademantel und mit wilden Haaren in die Küche geschlurft.

»Guten Morgen, meine Liebe«, rief David und umarmte sie. Die Freude, sie zu sehen, war mit einem merkwürdigen Knoten in seinem Hals verbunden. Es war das gleiche Gefühl, das er beim Anblick des vollständigen Inhalts aller Schränke verspürt hatte.

»Wie kann man nur am frühen Morgen schon so hellwach sein?« brummte sie gähnend.

»Heute ist mein großer Tag! In einer Stunde muss ich los. Komm schon, mach dich fertig, du willst doch bei dem feierlichen Augenblick dabei sein, oder nicht?!« David goss ihr fröhlich einen Kaffee ein.

Lisa kroch ins Bad und brauchte anschließend eine geschlagene Stunde in demselben. Die Haare kosteten viel Zeit, sollten aber in Anbetracht der massenhaft zu erwartenden Kameras perfekt sitzen.

»Komm schon, wir müssen los«, drängelte David.

»Du hast eine Zeitmaschine gebaut«, nörgelte Lisa, »damit hast du doch so viel Zeit, wie du möchtest. Oder habe ich das falsch verstanden?«

»Die Presse wartet trotzdem nicht. Die sind wie Geier, die pünktlich ihr Futter haben wollen, und sei es Aas.« David fasst sie bei der Hand, schnappte seine Tasche und schon waren sie auf dem Weg zum Hangar.

Vor der Tür warteten tatsächlich schon unzählige Menschen. Große, Kleine, Junge, Alte, sie alle wollten das große Spektakel miterleben.

»Oh weh«, flüsterte Lisa.

»Was ist?«, wollte David wissen.

»Was ist, wenn das alles schiefgeht? Wenn das Haus einfach zerfällt? Wenn die Maschine explodiert? Oder wenn gar nichts passiert? Wie stehen wir dann vor der Welt da?«

David überlegte.

»Hm, daran habe ich nie gedacht, denn ich habe nie daran gezweifelt, dass es funktionieren würde.«

Er begrüßte die Menge. Ein tosender Applaus waberte ihm entgegen. Einige hielten Schilder mit Sauriern hoch. Ein kleines Mädchen mit Zöpfen überreichte ihm ein Päckchen mit Kreide als augenzwinkernden Hinweis zu seinem Reiseziel.

Sein Freund Ecki kam auf ihn zu und klopfte ihm auf die Schulter.

»Alter, was für ein Tag«, brummte er und schaute auf die Menschenmenge. »Hier ist übrigens der Schlüssel von dem Haus. Du hast ihn wohl gestern im Schloss vergessen. Ab sofort solltest du ein bisschen besser auf ihn aufpassen.«

Mit krauser Stirn nahm David den Schlüssel und starrte ihn an, als würde er ihn zum ersten Mal sehen. Es dauerte einen Augenblick, bis er realisierte, was Ecki ihm da vor die Nase hielt. Er dachte zum ersten Mal an die Möglichkeit, dass die Gesetze der Zeit, die eigentlich niemand kannte, ihm einen Streich gespielt hatten.

»Äh, ja, danke«, murmelte er. Er versuchte, ihn Lisa zur kurzzeitigen Aufbewahrung zu überreichen, und um den Worten auf dem Zettel, der sich in seiner Tasche befand, doch noch irgendeinen Sinn zu geben. Doch seine Freundin war bereits intensiv damit beschäftigt, die Kameras mit ihrem Antlitz zu beglücken. Von weitem betrachtet hätte man sich kaum entscheiden können, ob hier eine Werbung für Zahnpasta oder Haarspray gedreht wurde.

An dem Schlüssel hatte sie zu Davids Enttäuschung keinerlei Interesse, was ihn zumindest dazu brachte, die Stirn leicht kraus zu ziehen und sich einen traurigen Atemzug zu gönnen.

Seufzend erinnerte sich David an seine Aufgabe und trat ans Mikrofon.

»Ich freue mich, dass Sie meiner Einladung gefolgt und so zahlreich erschienen sind. Das beutet mir sehr viel. Sie werden dafür reichlich belohnt, indem Sie Zeuge eines atemberaubenden Experiments werden. Für diesen einmaligen Augenblick habe ich lange nach den richtigen Worten gerungen. Ich wollte etwas Einmaliges sagen, das in den Köpfen der Menschen haften bleibt. Ein Zitat für die Ewigkeit, wenn ich das so bescheiden sagen darf. Allein die passenden Worte wollten mir nicht einfallen. Deshalb habe ich entschieden, ihnen die geschichtsträchtigen Worte erst zu sagen, wenn ich zurückkehre. Armstrong hat ja seine berühmten Worte auch erst gesagt, als er den Mond zum ersten Mal betrat und nicht schon vor dem Abflug ins All. Ich bin sicher, zur richtigen Zeit am richtigen Ort, werde ich auch die richtigen Worte finden.«

Beifall und zustimmendes Lachen schallten zu ihm. Einige Leute hielten zustimmend ihre Daumen nach oben. David lächelte matt.

»Es ist ja so: Während für Sie nur wenige Stunden oder Tage vergehen werden, bleibe ich voraussichtlich ein bis zwei Wochen in der Vergangenheit. In dieser Zeit sehe ich Dinge, die nie ein Mensch vor mir je sah. Wenn das keine Inspiration für großartige Worte wird, dann ist mir wohl auch nicht mehr zu helfen.«

Wieder Beifall, wieder Lachen.

»Doch nun wird es Zeit für den Aufbruch. Ich werde nun die Zeitmaschine betreten, während Laurenz Eckhardt, Mit-Konstrukteur und Mit-Erfinder und darüber hinaus mein bester Freund, ihnen alles Weitere erklären wird.«

Während die Tore des Hangars sich weit öffneten, klopften David viele Hände auf den Rücken.

»Mach’s gut, Alter«, sagte Ecki, »komm mir bloß heile wieder und mach keinen Scheiß.« Er grinste breit und umarmte seinen Freund.

»Es ist so weit«, sagte David endlich zu Lisa und gab ihr einen langen Kuss.

»Gibt es etwas, das ich dir mitbringen soll?« fragte er leise.

»Vielleicht findest du ja einen Diamanten«, säuselte sie, »oder einen anderen hübschen Edelstein, den du mir an den Finger stecken könntest, um mich zu fragen, ob ich dich heiraten möchte.«

Sie klimperte wieder gekonnt mit den Wimpern. Er grinste breit wie eine Hafenmauer von einem Ohr zum anderen.

»Einen Diamanten werde ich wohl eher nicht finden, aber ich verspreche dir, dass ich etwas anderes sehr Wertvolles finden und mitbringen werde, das würdig ist, um damit um deine Hand anzuhalten.«

Dann winkte er der Menschenmenge zu, trat in die Zeitmaschine ein und schloss die Tür. Er schaute noch einmal hoffend und ein klein wenig wehmütig aus dem winzigen Fenster. Vielleicht hätte er Lisa einfach direkt fragen müssen, ob sie mitkommen wollte, und sich nicht einer vagen Prophezeiung hingeben sollen. Nun zerfiel der Gedanke und womöglich würde es dem Stück Papier in seiner Tasche in Kürze genauso ergehen.

Lisa stand ganz vorn und hielt ein Taschentuch in der Hand, mit dem sie die herausgequetschte Träne wegwischen konnte, die die Reporter erwarteten. Sie winkte ihm zu.

Langsam ging David zur Schaltkonsole und stellte sich vor die blinkenden Lichter. Er stellte ein paar Daten ein, drückte die Hebel und Schalter. Dann schaute er gebannt auf die Monitore und holte tief Luft.

Laurenz Eckhardt, den die meisten nur unter seinem Spitznamen Ecki kannten, trat in diesem Augenblick an das Mikrofon.

»David fährt nun im Kontrollraum die Maschinen hoch und stellt die gewünschte Ankunftszeit ein. Dies ist bis auf drei Minuten genau möglich. Dieser Prozess dauert nur wenige Augenblicke und müsste in diesem Moment bereits abgeschlossen sein.« Er drehte sich um und sah zum Zeitreisehaus hinüber.

Plötzlich legte sich zuerst eine Art Schleier oder Nebel um das Gebäude und kurz danach ein gold-gelber Schimmer.

Ecki erklärte, dass David die Zerlegung in die einzelnen Atome gestartet und somit die Abfahrt in die Vergangenheit eingeläutet habe. Der gold-gelbe Schimmer verblasste und mit ihm verblasste auch das Haus.

Die Menge grölte und die Stimmen der Medien überschlugen sich, während das Spektakel live und in Farbe in die ganze Welt übertragen wurde.

Ecki lächelte zufrieden und verriegelte feierlich die Tür des Hangars von innen. Alles war gut, so lange er keine Interviews geben musste. Lieber sollte Lisa ihre Haare noch ein paar Stunden herumwerfen, Hauptsache, er hatte damit nichts zu tun. Er lehnte sich an die Tür und genoss für einige Sekunden die Ruhe und die Bedeutung dieses großen Augenblicks.

»Hoffentlich geht das gut«, murmelte er und atmete schwer aus. Zwischen all dem Glück und der Freude lagen auch Zweifel und Unruhe.

Als die Zeitmaschine komplett von der Bildfläche verschwunden war, feierten die Menschenmassen vor dem Hangar ausgelassen mit Bratwurst, Bier und Dosenwerfen. Der historische Moment der ersten Zeitreise verschwand beinahe hinter der ausgelassenen Stimmung.

In der Zeitmaschine war die Stimmung weniger euphorisch. Das Haus wackelte wie bei einem Erdbeben, die Monitore fielen aus. Eine Sicherung brannte durch und Brandgeruch machte sich breit. Plötzlich polterte es und es fühlte sich an, als ob das Haus erst angehoben wurde und schließlich absackte. Dann herrschte Ruhe.

David hustete und versuchte, das kleine Qualmwölkchen mit seiner Hand wegzuwedeln.

Erfreut stellte er fest, dass der Prozess der Re-Materialisierung erfolgreich verlaufen war. Aufgeregt betrachtete er seine Hände, fühlte seinen Körper und fand alles an vertrauter Stelle. Auch die Konsole und der Rest des Zimmers zeigten bis auf den beißenden Qualm ein gewohntes Bild.

Er sah auf die Tür und wusste, dass er nun in der Vergangenheit angekommen war. Feierlich richtete er sich auf. Unweigerlich musste er an die großen Worte denken, die gesprochen worden waren, als der Mond das erste Mal von einem Menschen betreten wurde. Die Bedeutsamkeit dieses historischen Moments war mit dem, was er gleich erleben würde, durchaus vergleichbar. Ein tiefer Atemzug sollte ihm Sauerstoff und Frische fürs Gehirn bringen, jedoch brachte ihn der Qualm erneut zum Husten.

Gerade als der Augenblick gekommen war, dass er die Tür ruhmreich öffnen wollte, stürmte Joni aus einer der hinteren Türen hinaus, rief lauthals »Aus dem Weg« und hielt sich die Hände vor den Mund.

Sie riss die Tür auf.

David brüllte noch ein verzweifeltes »Neeeeein!«, doch sie stürmte nach draußen und übergab sich lauthals ins hohe Gras.

David standen der Schreck und die Verblüffung kreidebleich im Gesicht.

»Was?!«, stammelte er. »Was zum Geier …«

Mit fragendem Blick und einem ordentlichen Stirnrunzeln geschmückt, trat er ebenfalls ins Freie. Joni stand noch immer vornüber gebeugt. Ihre Hände stützten sich auf die Knie.

»Wer zum Geier bist du? Und wie kommst du in die Zeitmaschine? Was willst du hier? Spionierst du etwa für jemanden? Bist du von der Presse?«, fragte er und schnappte nach Luft.

Joni schob ihre langen, blonden Haare etwas zur Seite und sah blassgrau und ein wenig genervt zu David hoch.

»Ich würde das hier gern in Ruhe zu Ende bringen und dann kriegst du deinen ausgefüllten Fragebogen«, antwortete sie matt.

Erneut hallten laute Würggeräusche durch die Gegend. David drehte sich um und schüttelte den Kopf. Er stand endlich mit beiden Füßen in der Vergangenheit und das erste, was er sah, war eine junge, unbekannte Frau, die sich übergab. Viel schlechter hätte es kaum laufen können.

»Sag mal, fährst du immer so grottenschlecht? Wo hast du eigentlich deinen Führerschein gemacht?«, fragte Joni, die mit wackeligen Beinen versuchte, aufrecht zu stehen. Ihre Hände lagen an der Stirn und versuchten, den stechenden Kopfschmerz zu lindern.

»Gefahren? Ich bin nicht gefahren. Ich bin gereist und zwar durch die Zeit.« David breitete mit zusammengepressten Lippen die Arme aus, als würde er sie in der neuen Umgebung willkommen heißen. Seine Augen funkelten bitterböse.

»Wie bitte?« Joni schien nicht recht zu verstehen.

»Wir sind in der Vergangenheit.« David fiel es ebenso schwer, zu begreifen, was dieses Szenario bedeutete. Er hatte gesagt »Wir sind in der Vergangenheit«. Wir! Er war nicht allein.

»Scheiße«, stöhnte Joni und übergab sich erneut.

David stöhnte ebenfalls und drehte sich um. Er fuhr sich durch die Haare, nahm die Brille ab und rieb sich die Augen. Vielleicht war sie ja weg, wenn er die Augen wieder öffnete. Doch diese Hoffnung erstarb in immer neuen Würgelauten.

Einige Minuten später saß Joni erschöpft auf der Treppe vor dem Haus und hielt ihr Gesicht in die Sonne. David kam heraus und reichte ihr eine Tasse.

»Das ist Kamillentee«, sagte er, »der wird deinen Magen beruhigen.«

»Danke«, erwiderte sie schwach, »hast du auch etwas, das den Rest von mir beruhigt?«

David überlegte. »Ja, ich habe Rum, Eierlikör und etwas Bier dabei. Soll ich dir was mixen?« Sein Tonfall triefte vor Bitterkeit und Sarkasmus.

»Nein, danke. Mir wird schon bei dem Gedanken an den ganzen Alkohol übel.« Joni schüttelte zaghaft den Kopf.

»Warum hast du eigentlich Rum und Eierlikör dabei?«, fragte sie, ohne eine Antwort zu erhalten.

Langsam trank sie den Tee.

»Was ist jetzt mit meinem Fragebogen? Ich will wissen, wer du bist, wie du in meine Zeitmaschine kommst und warum du überhaupt hier bist.« Eine kleine Falte auf der Stirn zwischen seinen Augen zeigten sehr deutlich, dass er mit der Anwesenheit seines Gastes keinesfalls einverstanden war.

»Okay, okay, bleib ganz entspannt, ich erzähle dir ja alles.«

Sie nahm einen großen Schluck Tee. Schließlich begann sie zögernd mit ihrer Beichte.

»Eigentlich ist es ganz einfach. Ich heiße Joni und habe die dumme Eigenschaft, furchtbar neugierig zu sein. Vor der Pressekonferenz gestern hatte ich mich im Hangar versteckt und als du später den Schlüssel in die Tür stecktest und wieder gingst, bin ich einfach ins Haus gegangen.«

»Der Schlüssel war nicht für dich bestimmt«, brummte David.

»Tut mir leid, ich wollte ja gar nicht mitkommen«, sagte sie mürrisch. »Ich wollte mich nur ein wenig in dem Haus umsehen. Aber als mir nach Stunden des Frierens endlich warm wurde … Weißt du eigentlich wie unfassbar kalt es in dem Hangar war? Jedenfalls bin ich blöderweise eingeschlafen und erst aufgewacht, als es überall rüttelte und schaukelte. Oh Mann, war mir schlecht. Sag mal, warum hast du das Haus vor der Abreise eigentlich nicht noch einmal kontrolliert? Dann hättest du mich gefunden.«

»Schieb jetzt ja nicht mir die Schuld in die Schuhe«, wehrte David ab, »du hast mir den historischen Moment verdorben, als erster Mensch vergangene Zeiten zu sehen.«

»Gesehen habe ich auch nicht viel.« Joni zuckte mit den Schultern und dachte an das üppige Gras, in das sie ihren Kopf gesteckt hatte.

Eine Weile saßen sie stumm nebeneinander.

»Wo sind wir eigentlich?«, fragte Joni schließlich.

»Wann sind wir? Das ist die richtige Frage. Denn der Ort, von dem wir gestartet sind, ist derselbe geblieben, hoffe ich jedenfalls.«

Joni rollte mit den Augen.

»Meinetwegen, Professor. Wann sind wir?«

»Ich darf feierlich verkünden, dass wir siebzig Millionen Jahre in die Vergangenheit gereist sind. Es ist halb fünf am Nachmittag.«

»Dann laufen hier also Dinosaurier mit Uhren herum?«

David stand auf und breitete die Arme aus.

»Ja, hier fliegen und laufen Saurier herum. Lebendige Saurier. Nicht diese Pappdinger, wie man sie von Freizeitparks her kennt. Wir sind in der Kreide gelandet und werden die ersten Menschen sein, die Flugsaurier und T-Rex in freier Wildbahn sehen werden.«

Er zeigte auf den Wald, der vor ihnen lag.

»Das ist ein richtig echter Urwald. Eigentlich hat er mehrere hundert Ur’s vor dem Wald, denn er ist seit Millionen von Jahren nicht mehr existent und doch sehen wir ihn, können ihn anfassen, ihn riechen. Einfach fantastisch!«

Seine Augen glänzten. Die Faszination des Anblicks der Vergangenheit überstrahlte sogar fast den Ärger mit dieser unsäglichen Einbrecherin.

»Also der Wald sieht fast genau so aus wie der Wald, der hinter meinem Haus ist«, sagte Joni etwas skeptisch.

»Das scheint nur auf dem ersten Blick so zu sein. Wenn wir den Wald näher untersuchen, werden die Unterschiede deutlich sein.«

Joni sprang auf.

»Nein, das mit dem Untersuchen kannst du vergessen. Ich bin zwar neugierig, aber nicht lebensmüde. Mein Vorschlag lautet daher, dass du mich zurück nach Hause bringst, dann zurückfliegst und deine Forschungen allein durchführst.«

Davids Arme sanken nach unten und über sein Gesicht legte sich ein betrüblicher Schatten. Stumm und nachdenklich sah er zu Boden und sein Gehirn arbeitete so hart an den richtigen Worten, dass man es fast hätte rauchen sehen können.

»Was ist denn?« Joni war der abrupte Gemütsumschwung ihres Gegenübers nicht entgangen und stand nervös auf.

»Es gibt da ein kleines Problem«, sagte David und räusperte sich.

»Was für ein kleines Problem?«