Motte und Co Band 2: Auf der Jagd nach Giant Blue - Ulrich Renz - E-Book

Motte und Co Band 2: Auf der Jagd nach Giant Blue E-Book

Ulrich Renz

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Beschreibung

"Motte & Co" – Band 2 MM ist fassungslos. Giant Blue, die geniale Erfindung ihres Vaters, der schnellste Computer der Welt, wurde gestohlen! Die Polizei tappt im Dunkeln. Motte und seine Freunde JoJo, Simon, MM und Ute ermitteln auf eigene Faust. Als sie endlich eine heiße Spur haben, ist es ausgerechnet eines der Kinder selbst, das sie alle in tödliche Gefahr bringt ... Webseite zur Serie: motte-und-co.de

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Seitenzahl: 210

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Ulrich Renz

 

 

Auf der Jagd nach Giant Blue

 

Sefa Verlag Lübeck

„Auf der Jagd nach Giant Blue“ ist der zweite Band der Kinderkrimi-Serie „Motte & Co“.

www.motte-und-co.de

 

Weitere Bände der Reihe:

- Band 1: „Auf der Spur der Erpresser“
- Band 3: „Blutspur“
- Band 4: „Die Insel der Drogenbande“

Die Originalausgabe von "Auf der Jagd nach Giant Blue" erschien 2008 bei Bloomsbury Kinder- und Jugendbücher, Berlin. Bei der vorliegenden Ausgabe handelt es sich um eine überarbeitete Neufassung.

 

Copyright dieser Ausgabe © 2014 by Sefa Verlag, Lübeck

www.sefa-verlag.de

 

Umschlaggestaltung: Ponke Grabo, Berlin,www.ponkegrabo.de.Font Coverlogo „Motte & Co“: „Refurbished“, © Billy Argel, verwendet mit freundlicher Genehmigung des Künstlers.

 

ISBN 978-3-945090-13-8

Steckbriefe Motte & Co

 

Name: Moritz Blohm, genanntMotte

Alter: 13

Besondere Kennzeichen: eigentlich keine (wie er selber meint)

 

Name:SimonBöttcher

Alter: 13

Besondere Kennzeichen: verträumter Naturfreak, Schwarm aller Mädchen, kleines Sprachproblem

 

Name: Mariekje Marienhoff, genanntMM

Alter: 13

Besondere Kennzeichen: meerblaue Augen, Mathegenie und Computerfreak

 

Name: Jochen Keßeböhmer, genanntJoJo

Alter: 13

Besondere Kennzeichen: Großmaul mit Übergewicht. Was Kleidung und Frisuren angeht „dem Trend immer einen Schritt voraus“

 

Name:UteBlohm

Alter: gerade 12 geworden

Besondere Kennzeichen: Schwester von Motte. Ziemlich frühreif, steht gerne vor dem Spiegel, quasselt alle an die Wand.

 

Steckbrief Autor

Name: Ulrich Renz, genanntU

Alter: mittelalt

Besondere Kennzeichen: liebt schwäbische Spätzle, hat einen Zwillingsbruder, macht gerne Musik, war einmal Arzt, schreibt jetzt Bücher für Kinder und Erwachsene.

Mehr unter www.ulrichrenz.de

Inhalt

 

InhaltsverzeichnisSteckbriefe Motte & Co1 – Der blaue Riese2 – Die Mafia3 – Der Meister4 – Nudeln, Marlboro und Nutrimax5 – Der schwarze Panther6 – Kein Fall für Kinder7 – Grafen und Kleingärtner8 – Das Mäppchen9 – Das Quietscheentchen10 – Die Beerdigung11 – Schatten im Mondlicht12 – Ein Verräter13 – In die Nacht14 – Aktion Schöner Wohnen15 – Unter der Erde16 – Vermisst17 – Die Falle18 – Der Baumann-Kick19 – Der Zweikampf20 – Der Ausreißer21 – Nikos GeheimnisMehr Motte …

1. KAPITEL

 

Der blaue Riese

 

„Absolut profimäßig ...“ JoJo nahm die Brille ab, wie immer, wenn er etwas ganz Wichtiges zu sagen hatte. Mit der anderen Hand rückte er sich die rotgrün karierte Schottenmütze zurecht, ohne die er seit dem Beginn seiner Inspektor-Hamilton-Phase nicht mehr unter die Leute ging. „Alarmanlage überlistet, alles ausgeräumt, keine Spuren hinterlassen. Absolut profimäßiger Einbruch. So macht man das, Gentlemen!“ Seine Augen funkelten.

MM fand JoJos Überschwang ziemlich daneben. Unruhig rutschte sie auf ihrem Fahrradsattel herum. „Umso schlimmer, wenn es Profis waren“, sagte sie, mehr zu sich selbst als zu ihren drei Freunden, die vor ihr wie die Hühner auf der Stange auf dem Parkplatzgeländer vor dem Supermarkt hockten. JoJo hatte wie immer den Platz in der Mitte und wirkte neben Motte und Simon, die ihn um mindestens einen Kopf überragten, ein bisschen wie ein aufgeplustertes Küken. Normalerweise würde sie jetzt außen neben Motte sitzen, aber heute hatte sie sich nicht einmal die Zeit genommen, vom Fahrrad zu steigen. Sie hatte keine Sekunde warten können, um alles loszuwerden.

„Vollprofis, absolute Vollprofis ...“ JoJo konnte sich gar nicht mehr einkriegen. Als Weltexperte für alles war er natürlich auch Weltexperte für Einbrüche. „Ich hab mal von einem Einbruch gelesen, da sind die Täter am helllichten Tag mit dem Lieferwagen vorgefahren, als Umzugsunternehmen getarnt, und haben seelenruhig alles rausgetragen. Am Schluss haben sie sich die Arbeitszeit vom Pförtner quittieren lassen und sogar noch ein Trinkgeld kassiert ...“

 

Während JoJo mit wachsender Begeisterung seine Geschichten von den „coolsten Einbrüchen der Welt“ servierte, sah MM wieder ihren Vater vor sich, wie er nach dem Mittagessen plötzlich zu Hause aufgetaucht war, in seinem zerknitterten Hemd, das über dem Bauch spannte, und der verrutschten lila Fliege. Sie hatte sofort gewusst, dass etwas Schlimmes passiert war. Wortlos ließ er sich in den Sessel plumpsen. Eine endlose Weile starrte er die Decke an.

„Alles weg“, sagte er endlich.

„Was ... weg?“, fragte sie, obwohl sie die Antwort schon wusste.

„Alles ... alles gestohlen.“

„Auch Giant Blue?“ Sie hielt den Atem an.

Er schloss nur die Augen und nickte langsam. Sein Gesicht war kreidebleich.

„Wer?“, fragte sie hilflos, aber was für eine Antwort sollte sie schon bekommen?

„Ach Tati ...“ Sie wollte irgendetwas Tröstendes sagen, aber ihr fiel nichts ein.

Aus der Küche kam Mamas Stimme: „Jetzt mach dir mal keinen Kopf, Robert, das zahlt doch alles die Versicherung!“ Sie kam mit einer Schale Kekse. „Wir sind übrigens heute Abend bei Professor Arnold eingeladen. Hast du daran gedacht? Sieh mal zu, dass du was Schickes anziehst, ja? Und lass um Himmels willen die ewige Fliege zu Hause!“

Wie schon Tausende Male vorher wurde MM von der Erkenntnis gestreift, dass ihre Eltern nicht vom selben Planeten kamen. Die Forschungsarbeiten, die für Tati das Leben bedeuteten, waren für Mama Spielereien. Mama wusste nicht einmal, dass er gerade den schnellsten Computer der Welt gebaut hatte – Giant Blue, den blauen Riesen.

Für sie zählten nur die Klamotten in ihrem Schickimicki-Laden. Mit dem Vorwurf „So läuft doch kein Professor rum!“ kam sie immer wieder mit Stapeln von Hemden, Anzügen und Krawatten an, für die er sich jedes Mal mit einem freundlichen Lächeln und einem gottergebenen Seufzer bedankte, ohne freilich irgendetwas an seiner Garderobe zu ändern, die seit Jahr und Tag aus einer ausgebeulten schwarzen Hose mit Hosenträgern, einem meist nicht mehr ganz blütenweißen Hemd und der unvermeidlichen lila Fliege bestand. Für solche Nebensächlichkeiten wie Klamotten fehlte ihm schlichtweg die Zeit. Für ihn gab es nur Giant Blue – und die Swinging Einsteins, seinen Jazzchor, der ausschließlich aus grauhaarigen oder glatzköpfigen Professoren bestand, die sich jeden Donnerstagabend zum Proben trafen.

„Ach, Tati ...“ Wieder kam MM nicht weiter. Tati ... irgendwie hieß er für sie schon seit den Zeiten so, als es für sie keinen größeren Spaß gab, als auf seinem dicken Bauch herumzuturnen und „Tati, Tati!“ zu brüllen, angeblich vor allem sonntags, wenn er gerade seinen Mittagsschlaf machen wollte. Den Namen hatte sie aus ihrem damaligen Lieblingsbuch, das „Tati, die Wildsau“ hieß.

Ihr Vater musste sich schon damals mit seinem Supercomputer beschäftigt haben, der zu der Zeit noch seinen deutschen Namen hatte, „Blauer Riese“. Ihr hatte es immer ein bisschen Angst gemacht, wenn von ihm die Rede war – ein blauer Riese war sicher sehr gefährlich.

Heute, wo sie auf die vierzehn zuging und sich selber mit Computern auskannte, hatte sie zwar keine Angst mehr vor dem Monsterrechner, aber er flößte ihr immer noch Respekt ein. Giant Blue war fast tausendmal schneller als alle bisherigen Superrechner. Sein Geheimnis bestand in den Chips, die ihn antrieben. Was genau das Besondere an ihnen war, hatte MM noch nicht in allen Einzelheiten verstanden, offenbar hatte es aber etwas mit einem Material zu tun, das Tati entdeckt hatte und „XXI“ nannte. Das Wunderbare an diesem XXI war, dass es Strom ganz ohne Widerstand leiten konnte, wie ein Metall, das auf den absoluten Nullpunkt heruntergekühlt wurde. Im Gegensatz zu allen bisherigen Superrechnern kam Giant Blue deshalb ohne die sonst notwendigen tonnenschweren Apparate aus, die die Chips auf so extreme Tieftemperaturen brachten.

Seit vorletzter Woche war endgültig klar, dass die XXI-Chips in Giant Blue wirklich einwandfrei funktionierten. Sie erinnerte sich noch, wie Tati nach dem ersten gelungenen Testlauf abends nach Hause gekommen war und erst einmal einen Freudentanz aufgeführt hatte. Er streckte die Arme in die Höhe, stellte sich auf die Zehenspitzen und bewegte die Hüften und den Bauch zu irgendeiner Musik in seinem Kopf, erst langsam, dann immer schneller und schneller. An diesem Abend konnte er kaum damit aufhören, obwohl Mama den Kopf schüttelte, wie immer, wenn er diesen Tanz aufführte, den er als Kind von „Babu“, seinem geliebten griechischen Opa, gelernt hatte. Nach dem Abendessen holte er eine Flasche Sekt aus dem Kühlschrank. „Das muss begossen werden!“, strahlte er und ließ den Korken so heftig knallen, dass die halbe Flasche auf das Tischtuch schäumte. Beim Einschenken ging auch noch mal ordentlich was daneben, und was dann noch übrig war, schwappte beim Anstoßen über sein Hemd – was ihn aber genauso wenig störte wie die missbilligenden Blicke seiner Frau. Auch ohne Sekt war er einfach glücklich, und MM mit ihm.

Und jetzt saß er wie ein Häuflein Elend in seinem Sessel. MM merkte, dass er mit den Tränen kämpfte.

„Sie wussten genau, wo was zu finden ist“, sagte er, „und wie man die Alarmanlage ausschaltet.“ Tatis Bauch hob und senkte sich. „Die Schlösser sind nicht aufgebrochen worden, auch die Fenster nicht. Typisch Vollprofis, sagt die Polizei. Oder sie haben einen Helfershelfer unter meinen Mitarbeitern. Niko haben sie gleich zum Verhör auf die Wache bestellt. Er ist neben mir der Einzige, der einen Schlüssel hat. Ich habe ihnen gesagt, dass ich für Niko die Hand ins Feuer lege. Sie verhören ihn natürlich trotzdem.“

Ausgerechnet Niko! Wie konnte einer auf die Idee kommen, jemandem wie Niko eine solche Gemeinheit zuzutrauen! Niko, der immer so hilfsbereit und zuverlässig war. Seit MM denken konnte, hatte er für Tati gearbeitet – und eigentlich war er sogar ihre erste Liebe gewesen. Schon als Erstklässlerin hatte sie in seiner Anwesenheit Herzklopfen bekommen, wenn sie Tati im Institut besuchte. Für sie sah Niko genauso aus wie der Winnetou aus dem Film, den sie einmal im Fernsehen gesehen hatte: groß, schlank, braun gebrannt, die langen dunkelbraunen Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden. Und wie Winnetou hatte auch er etwas Geheimnisvolles an sich. Er redete mit einer ruhigen tiefen Stimme und rollte dabei das „R“ auf eine seltsame Art. Früher meinte sie immer, er würde das mit Absicht machen und bewunderte ihn umso mehr dafür. Inzwischen wusste sie von Tati, dass dieses „R“ daher kam, dass er eine andere Muttersprache hatte und erst als Zwölfjähriger nach Deutschland gekommen war, woher, wusste sie nicht mehr. Geheimnisvoll war auch die Narbe, die seine linke Augenbraue spaltete. Sie hatte ihn nie danach gefragt, aber als sie noch klein war, stand für sie fest, dass sie von der Büffeljagd stammen musste.

Als sie dann mit acht anfing, sich für Computer zu interessieren, brachte ihr Niko geduldig die ersten Schritte bei. Er konnte wunderbar erklären – ganz im Gegensatz zu Tati, der zwar durchaus willig war, aber sobald es um Computer ging, nur noch ein unverständliches Kauderwelsch hervorbrachte. Er redete dann von Teraflops, Booleschen Operatoren und artifizieller Akzeleration, als ob man das heute alles schon im Kindergarten lernen würde. Niko dagegen konnte ihr auch die kompliziertesten Sachen so erklären, dass sie sie kapierte. Unter seiner Anleitung durfte sie manchmal an ausgedienten Computern herumbasteln. Mit der Zeit hatte sie sich so viel Wissen angeeignet, dass sie vor einem Jahr ihren eigenen Computer zusammengebaut hatte, den sie in Anlehnung an Giant Blue „Quick Blue“ taufte. Quick Blue konnte natürlich nicht im Entferntesten mit Tatis Superrechner mithalten, aber er war trotzdem immer noch schneller als alles, was man in einem normalen Computerladen kaufen konnte. Tati hatte ihr Chips und Prozessoren besorgt, die noch gar nicht auf dem Markt waren.

 

„Kein Verbrechen ohne Motiv, Gentlemen!“ JoJos Stimme holte sie wieder zurück auf den Parkplatz. „Wenn man weiß, was die Täter antreibt, ergibt sich der Rest von selber.“

„Vielleicht geht es denen ja bloß ums Geld? Und sie verkaufen die Sachen irgendwo auf dem Schwarzmarkt weiter?“, sagte Motte. Er saß wie immer leicht zusammengekauert da und hatte seinen Strubbelkopf auf die Hände gestützt.

„Ich glaub nicht, dass sich das verkaufen lässt“, sagte MM. „Giant Blue sieht von außen aus wie ein kaputter Kühlschrank, voller Kabel und Chips und Platinen.“ Ganz abgesehen davon waren immer noch überall die blauen Blümchen drauf, mit denen sie ihn als kleines Kind „verziert“ hatte.

„Oder Wissenschaftsspionage“, sagte Motte, „vielleicht gibt es ja irgendwelche anderen Forscher, die auch an einem Superrechner arbeiten und unbedingt die Ersten sein wollen? Oder irgendwelche Firmen? Stellt euch vor, ein Rechner, der tausendmal schneller ist als alle anderen, was sich da für ein Schweinegeld mit machen lässt!“

JoJo räusperte sich, womit klar war, dass er dringend einen Geistesblitz loswerden musste. „Die Mafia“, sagte er ernst. Mehr Worte schien er nicht für nötig zu halten. Aber der Griff an die Brille zeigte, dass es sich um eine endgültige Antwort handelte.

MM konnte sich nicht recht vorstellen, was die Mafia mit einem Supercomputer anfangen sollte. Unter Mafia stellte sie sich finstere Typen mit Sonnenbrillen und Pistolen in den Anzugstaschen vor.

Als ob er ihre Gedanken erraten hätte, sagte JoJo: „Schießereien und der ganze Sonnenbrillenkram, das ist alles Schnee von gestern. Das richtige Geschäft wird heute am Computer gemacht: Passwörter knacken, Konten plündern, geheime Daten entschlüsseln, die man dann schön an andere Kriminelle weiterverkaufen kann.“

MM wurde schlagartig klar, dass es sich nicht um eine von JoJos üblichen Übertreibungen handelte. Sie musste schlucken. Tatis Rechner in den Händen von Schwerverbrechern, die damit unschuldigen Menschen schaden wollten?

„Ich glaube auch an die Mafia“, kam jetzt von Simon, und alle drehten sich zu ihm. Er redete so wenig, dass die anderen immer wieder ein bisschen überrascht waren, wenn er etwas von sich gab. Wie immer schlenkerte er mit den Beinen, als sei er in Gedanken irgendwo ganz weit weg. Er schüttelte sich die blonde Mähne aus dem Gesicht und grinste: „War das wieder falsch?“

„Nein, ganz perfekt“, sagte Motte. Simons Deutsch war schon deutlich besser geworden, dank der konsequenten Nachhilfe seiner Kumpel, die ihn immer sofort verbesserten, wenn er einen Fehler machte. Aber trotzdem hatten die vielen Jahre, die er mit seiner Familie in Amerika verbracht hatte, natürlich ihre Spuren hinterlassen.

„Ja, ja, absolut perfekt“, sagte auch MM – auch wenn sie fand, dass man sich darüber streiten konnte, ob ein Satz wie „Ich glaube an die Mafia“ wirklich perfekt genannt werden konnte.

Lange Zeit sagte keiner etwas. MM war in Gedanken wieder bei Tati, und ihr wurde schwer ums Herz.

„Gentlemen!“ JoJo sprang mit einem Satz von der Stange, den man ihm bei seiner Körperfülle (wie er sein Übergewicht selber zu bezeichnen pflegte) gar nicht zugetraut hätte. „Eins ist klar: Wir müssen uns um die Sache kümmern. Das ist was für Profis.“

Obwohl JoJos Profigetue sie nervte, fiel MM ein Stein vom Herzen. Nicht etwa, weil sie ernsthaft daran glaubte, dass sie Giant Blue oder die Einbrecher finden würden. Aber sie hätte es schlichtweg nicht ausgehalten, nichts zu tun.

„Was ist mit Ute?“, fragte Motte etwas verzagt, „sollen wir sie nicht mitmachen lassen?“

Wer Mottes „kleine“ Schwester kannte, wusste, dass die Frage eigentlich umsonst war. Sie würden es ohnehin nicht verhindern können, dass sie mitmachte. Ute war nun mal so: Wenn sie etwas wollte, bekam sie es auch.

„Sag ihr, dass wir uns wahnsinnig freuen, wenn sie wieder dabei ist“, grinste JoJo. Dann stellte er sich hin wie ein Soldat, der Haltung annimmt. Jeder ahnte schon, dass eine seiner berühmten Ansprachen fällig war.

„Mach’s kurz, ich muss zum Abendessen“, brummte Motte. Wenn ihre berüchtigten Bio-Spezialitäten auf den Tisch kamen, verstand seine Mutter keinen Spaß.

JoJo schaute ihn strafend an und nahm die Brille ab. „Gentlemen ...“ Mit einem Blick auf MM ergänzte er: „Ähm ... und Ladies ...“ Dann überlegte er lange. So richtig schien er nicht zu wissen, wie das mit dem Kurzmachen ging. Dann sagte er sehr feierlich: „Hiermit erkläre ich unseren zweiten Fall für eröffnet.“

 

2. KAPITEL

 

Die Mafia

 

„Weiß Simon schon, dass ich mitmache?“, lautete Utes erste Frage. Und sogleich bereute es Motte, dass er seine Schwester eingeweiht hatte. „Ja, klar, er hat vor lauter Begeisterung zwei Minuten lang die Augen verdreht.“

Ute kreischte los: „Du bist gemein! Sag, dass das nicht stimmt!“

„Natürlich nicht. Er hat die Augen überhaupt nicht verdreht, sondern mich ganz groß angeschaut: Ute, wer ist denn das?“

Das war zu viel für sie – mit einem Schrei stürzte sie sich auf Motte und prügelte wie besessen auf ihn ein.

Motte fühlte sich mal wieder schmerzhaft daran erinnert, dass zwölfjährige Mädchen von Natur aus unzurechnungsfähig waren. Bei seiner Schwester kam noch erschwerend hinzu, dass sie sich gerade im schlimmsten Hormonrausch der Pubertät befand, die bei ihr leider viel zu früh eingesetzt und ihren Verstand vollends benebelt hatte. „Sieht aus wie sechzehn, ist im Kopf aber acht“, war seine Standardantwort, wenn jemand Genaueres über seine Schwester wissen wollte.

An der Wand über ihrem Bett hatte sie Poster von irgendwelchen merkwürdig frisierten Typen mit E-Gitarren hängen, aber zum eigentlichen Opfer ihrer Schmachtanfälle hatte sie sich Simon auserkoren. Neuerdings nannte sie ihn „Sisi“ – „Saisai“ ausgesprochen, weil sie das so sweet fand und vor allem amerikanisch. Sie ging davon aus, dass das Saisai-Gesäusel ihn an die alten Zeiten in Amerika erinnerte, denen er immer noch ein bisschen nachtrauerte. Er war nur genervt.

Als sie sich wieder einigermaßen eingekriegt hatte, war die alte Platte mit dem Handy dran. „Aber diesmal will ich auch so ein Handy wie ihr!“ Damals, bei der Sache mit der Millionenerpressung, hatte JoJo die ganze Bande mit Tophandys ausgerüstet, mit Konferenzschaltung und allem Schnickschnack. Zur Frage, wo er das Geld dafür herhatte, gab es verschiedene Versionen; Motte war der einzige, dem er die ganze Wahrheit anvertraut hatte.

„Und was meinst du, was Mama dazu sagen würde, wenn du plötzlich mit einem Handy daherkommst?“ Für ihre Mutter waren Handys Teufelszeug. Sie war überzeugt, dass die Strahlen krank machten. Er hatte seines nur unter der Bedingung behalten dürfen, dass er es „nur im Notfall“ gebrauchte – wobei er einen Notfall natürlich etwas anders interpretierte als seine Mutter. Notfall war, wenn das Handy klingelte. Vorsorglich hatte er es immer nur auf Vibrationsalarm gestellt. Mama hatte schon längst vergessen, dass er überhaupt ein Handy besaß.

„Sei froh, dass du überhaupt mitmachen darfst“, wimmelte er Ute ab – was für sie eine solche Majestätsbeleidigung war, dass sie den Rest des Tages kein Wort mehr mit ihm redete.

Dafür umso mehr mit ihrer besten Freundin Melanie, bei der sie sich telefonisch über ihren schrecklichen Bruder ausweinte. Melanie und Ute waren der Wahnsinn im Doppelpack. Wenn die beiden nicht am Telefon hingen, verbrachten sie ihre Zeit bei H&M vor dem Spiegel, oder zu Hause, ebenfalls vor dem Spiegel, und probierten Klamotten und Schminksachen aus. Dabei kicherten sie pausenlos, obwohl das Ergebnis eigentlich Anlass zu Tränen gegeben hätte.

„Wenn Melanie nur ein Sterbenswörtchen von unserem Fall erfährt, drehe ich dir den Hals um“, stellte er vorsorglich klar. Worauf sie nur mit der Achsel zuckte und ihr ewiges „Ach, Brüderchen ...“ von sich gab.

 

Motte war nicht besonders unglücklich, dass Ute bei der von JoJo einberufenen „strategischen Lagebesprechung“ am nächsten Tag nicht dabei war, weil sie einen Termin beim Kieferorthopäden hatte. Sie hatte ihre Zahnspange „aus Versehen“ im Klo runtergespült; in Wirklichkeit hatte ihr wahrscheinlich die Farbe nicht mehr gepasst. Auch Simon war nicht wirklich geknickt. Er balgte sich mit Motte, der ihn mit „Hallo, Saisai“ begrüßt und dazu Utes Augenaufschlag nachgemacht hatte – worauf Simon ihm eine Ladung Wasser aus seiner Wasserflasche verpasst hatte.

Sie hatten sich wie üblich am Parkplatz vor dem Supermarkt verabredet, neben dem Häuschen für die Einkaufswagen. Nicht gerade das gemütlichste Plätzchen – keiner wusste eigentlich, warum sie sich gerade hier trafen, wo ein ständiges Kommen und Gehen war und die Einkaufswagen vorbeirumpelten. Irgendwie war es eben ihr Platz. Hier saßen sie nach der Schule immer noch ein bisschen zusammen oder trafen sich, wenn es etwas zu besprechen gab – oder einfach nur so.

JoJo hatte alle Hände voll zu tun, dem Herumalbern ein Ende zu setzen. Er musste sich mehrmals räuspern, bis alle endlich ruhig auf der Stange saßen.

„Gentlemen“, fing er an und ließ eine kleine Kunstpause folgen. „Gentlemen, es ist mir eine Ehre, die hellsten Köpfe Großbritanniens um mich versammelt zu wissen.“

Motte schaute sich verstohlen zu MM um, was er aber besser nicht getan hätte, denn als sich ihre Blicke trafen, mussten beide gleichzeitig losprusten. „Die hellsten Köpfe ...“

„... Großbritanniens!“

„... Wo hast du denn das her?“

„Ich weiß gar nicht, was ihr habt“, brummte JoJo.

Als sich sein Publikum wieder beruhigt hatte, fing er von vorne an. Diesmal begrüßte er sie als „die hellsten Köpfe der Welt“. Und jetzt schaute Motte auch nicht mehr zu MM, sondern konzentrierte sich auf den Hundehaufen neben dem Häuschen mit den Einkaufswagen.

Natürlich wusste Motte, wem sie „die hellsten Köpfe Großbritanniens“ zu verdanken hatten: Sir Leslie Hamilton, Inspektor seiner Majestät der Queen, der vor zwei Monaten in Form von 20 DVDs in JoJos Leben getreten war.

JoJo selber behauptete, er hätte die englische Krimiserie auf dem Sankt-Ägidien-Flohmarkt aufgetrieben – was Motte aber für eher unwahrscheinlich hielt, und das nicht nur, weil es sich dabei um den jährlichen Flohmarkt des städtischen Altenheims handelte. Dichtung und Wahrheit waren bei JoJo nicht immer ganz deckungsgleich. Motte vermutete eher, dass die Filme zur Hinterlassenschaft seines Vaters gehörten, der vor über fünf Jahren mit einer anderen Frau nach Hamburg gezogen war. JoJo sprach nie davon, aber Motte wusste, wie sehr es ihm zu schaffen machte, dass sein Vater ihn seither nicht ein einziges Mal besucht hatte. Vielleicht war es ja seine Art, mit der Trennung umzugehen, dass er jetzt die Lieblingsfilme seines Vaters hervorholte.

Seine auffälligsten Spuren hatte der Inspektor auf JoJos Kopf hinterlassen. JoJo hatte die Schottenmütze irgendwo im Internet aufgetrieben. Er war wohl auch schon an einem Trenchcoat dran gewesen, dem anderen Markenzeichen des Inspektors, der aber in seiner Größe einfach nicht zu kriegen war. So war er also in seinem Kleidungsstil notgedrungen seiner bisherigen Mischung treu geblieben, die dem Motto folgte: Wozu gibt es Farben, wenn man sie nicht trägt? Ob sie zueinander passten, war eins der Probleme, mit denen sich JoJo ganz offensichtlich nicht belastete. Heute hatte er wieder seine geliebten gelben Bowlingschuhe zusammen mit seiner hellblau metallic glänzenden Hose an. Die lila gefärbten Haare passten dazu wie Senf aufs Marmeladenbrot.

JoJos Umgangsformen hatte der Inspektor jedenfalls von Grund auf umgekrempelt. Er warf jetzt mit englischen Adelstiteln nur noch so um sich. Den Deutschlehrer redete er neuerdings mit „Lord Siegwart“ an, den Mathelehrer Freudenthaler mit „Duke“. Selbst das Fußvolk, wie etwa Busfahrer, Verkäuferinnen oder ganz normale Passanten, wurden nur noch mit „Sir“ oder „Lady“ tituliert. Nachmittags lud er jetzt gern zur „Tea time“ ein, bei der er dann aber mangels Tees den berühmt-berüchtigten „Matsch“ servierte, sein Leib- und Magengetränk. Dabei handelte es sich um eine süße Eispampe, die aus einer Maschine in seinem Zimmer kam. Es gab sie in Knallrot, Lila, Giftgrün und Grellgelb.

Nachdem er die Begrüßungszeremonie zu einem glücklichen Ende gebracht hatte, kam JoJo zu Tagesordnungspunkt Nummer eins, dem „aktuellen Stand der Ermittlungen“, der schnell abgehakt war. Wie MM von ihrem Vater erfahren hatte, tappte die Polizei noch vollkommen im Dunkeln.

Tagesordnungspunkt Nummer zwei lautete „Observierungsnotwendigkeit von Sir Niko“, womit JoJo meinte, dass sie Niko genauer unter die Lupe nehmen sollten.

Motte wusste, dass es vollkommen aussichtslos war, JoJo seine geschraubte Sprache abzugewöhnen. Wenn es um Ermittlungen ging, rutschte er unweigerlich und unbeirrbar in diese hochoffizielle Bürokratensprache. Aus einem einfachen Treffen wurde dann eine „strategische Lagebesprechung“ und aus einem Handy ein „elektronisches Kommunikationsmittel“. Sie ließen ihm seinen Spaß.

„Niko ist der netteste Mensch der Welt“, protestierte MM, „es ist doch völlig abwegig, ihn zu verdächtigen!“

JoJo ließ sich nicht abbringen „Vielleicht hat er sich das Vertrauen deines Vaters ja nur erschlichen, um umso unauffälliger seinen Machenschaften nachzugehen? Wir müssen jeder Spur folgen. So machen das die Profis.“

JoJo mit seinen Profis. Aber vielleicht hatte er ja recht, ging es Motte durch den Kopf. Immerhin hatte Niko ja auch schon den Verdacht der Polizei erregt.

„Dann jagt ihr mal einen Unschuldigen“, sagte MM scharf. „Mir ist meine Zeit dafür zu schade!“

Motte war froh, dass sie trotzdem sitzen blieb.

Unbeirrt rief JoJo Tagesordnungspunkt Nummer drei auf – „Möglichkeit weiterer Einbrüche.“

Weitere Einbrüche? Was sich JoJo jetzt wohl wieder ausgedacht hatte?

JoJo machte es mal wieder spannend. Er putzte erst einmal ausgiebig seine Brille, bevor er weiterredete. „Gentlemen, ich habe ins Wasser geschaut.“

JoJo hatte offenbar mit den Worten seines Londoner Helden gesprochen, der sich zur Lösung besonders kniffliger Fälle gerne ans Geländer der Tower Bridge stellte, sein Pfeifchen rauchte und seinen Gedanken freien Lauf ließ, während er auf die Themse schaute. Wie die anderen auch, hatte Motte sämtliche zwanzig Hamilton-DVDs schon mehrfach mehr oder weniger freiwillig angeschaut.

„Die Einbrecher werden wiederkommen.“ JoJo schaute sich um und schien die Fragezeichen auf den Gesichtern seiner Freunde sichtlich zu genießen. Nach einer längeren Kunstpause fuhr er fort: „Gentlemen, die Einbrecher haben zwar Giant Blue, aber sie haben nicht sein Geheimnis. Wenn es sich um die Mafia handelt – und davon bin ich überzeugt –, geht es ihnen gar nicht so sehr um den Besitz von Giant Blue, sondern sie wollen selber solche Superrechner bauen. Und dazu brauchen sie die Baupläne. Und vor allem brauchen sie XXI. Im Grunde geht es denen um die Formel von XXI.“

Motte musste zugeben, dass an JoJos Überlegungen etwas dran war. Hätten die Diebe es nur auf Giant Blue abgesehen, warum hatten sie dann in Tatis Institut alles auf den Kopf gestellt? Warum sonst hatten sie versucht, den Tresor aufzubrechen, in dem die wichtigsten Sicherheitskopien, Quellcodes und Passwörter aufgehoben wurden – und sicher auch die Formel von XXI? Es war reiner Zufall gewesen, dass es ihnen nicht gelungen war, das Schloss aufzusprengen. Offenbar hatten sie sich bei der Wahl des Sprengstoffs vertan.