Mr. Stonecold - Sophia Chase - E-Book

Mr. Stonecold E-Book

Sophia Chase

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Beschreibung

Ein Verhältnis mit der verwöhnten Göre, für die er arbeiten soll – für Adam ein absolutes No-Go! Bisher haben ihn oberflächliche Zicken noch nie angeturnt. Doch ausgerechnet diese stellt mit ihren Reizen seine Prinzipien infrage. Valeries Motto ist klar: Lebe schnell und intensiv. Deshalb ist es ihr egal, ob dieser äußerst attraktive Kerl in Wahrheit ein riesiger Idiot ist. Für sie zählen ohnehin andere Qualitäten. Aber das hier wäre nicht Valeries Liebesgeschichte, wenn das Leben nicht andere Pläne für sie hätte ...

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Sophia Chase

Mr. Stonecold

 

 

 

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- gekürzte Vorschau -

Inhaltsverzeichnis

Titel

1

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EPILOG

Impressum tolino

1

Valerie

Ich bin eines dieser Mädchen aus den bekannten Klatschmagazinen: Zahnpasta-Lächeln, groß, dünn, gerade Nase, top gestylte Haare, die coolsten Kleider (aber nie zu teuer, damit der Steuerzahler nicht mit Mistgabeln vor meiner Tür steht). Ich bin perfekt, aber auch nicht zu perfekt – das wäre ja langweilig und gänzlich unsympathisch.

Meine Familie gleicht indes einer Auslese der erstrebenswertesten Persönlichkeiten der Menschheitsgeschichte. Meine Eltern lieben einander heiß und innig und haben drei wundervolle Kinder in die Welt gesetzt, drei absolut bezaubernde Charaktere. Wir verwalten Ländereien, zeigen uns regelmäßig großzügig bei Spendenveranstaltungen und ja, wir durchtrennen bei Eröffnungsfeiern das obligatorische rote Seidenband mit einer überdimensional großen Schere.

Zu fünft erscheinen wir bei öffentlichen Ereignissen und winken dem gemeinen Volk freudig zu.

Ein Leben zur Bespaßung anderer.

Ein Leben im Rampenlicht.

Während wir allerdings in die Kamera strahlen, setzen sich in ganz England jegliche bösen und niederträchtigen Journalisten hinter ihre Schreibtische und tippen vernichtende Texte mit schrecklichen Schlagzeilen über uns, die natürlich allesamt nicht der Wahrheit entsprechen. Das versteht sich doch von selbst.

Eine Kostprobe gefällig?

Lady Valerie Gibbs, Tochter des Earl of Northumberland, und ihr freizügiger Urlaub in der Karibik.

Party statt Uni – Lady Valerie Gibbs schmeißt Studium, um mehr Zeit fürs Feiern zu haben. (Weil Gedanken an die Zukunft auch etwas für Warmduscher sind.)

Lady Valerie Gibbs und das Geheimnis um ihre Liebhaber – Wir decken auf! (Ich wäre zu dem Zeitpunkt ja froh gewesen, wenn sie mir die Adresse des Kerls, mit dem ich drei Wochen davor geschlafen hatte, verraten hätten, weil ich meine nigelnagelneue Clutch von Valentino bei ihm hatte liegen lassen und der Typ seither unauffindbar war.)

Lady Valerie Gibbs – Exklusivbericht über ihre Schwangerschaft. Wir haben mit Insidern gesprochen.

Das P in Lady Valerie Gibbs steht für Pflichtbewusstsein.

Über den letzten Artikel konnte ich sogar lachen. Der Mensch, der das geschrieben hat, wurde, wenn schon nicht mit investigativer Ader, zumindest mit Humor gesegnet.

Wir sind uns also einig, dass diese Magazine böse sind und ich natürlich die Unschuld in Person verkörpere. Dafür steht auch das U in meinem Namen. Und schämen Sie sich nicht, dass Sie an dieser Stelle noch einmal extra meinen Namen gelesen haben, um zu kontrollieren, ob ich mich nicht geirrt und da nicht tatsächlich ein U vorkommt. Gut, in Northumberland kommt ein U vor, aber damit habe ich so wenig zu tun wie ein Erdferkel mit der Raumfahrt. Da ich das jüngste Kind der Familie und eine Frau bin, besitze ich schlechte Karten, jemals einen Titel zu erben. Dieses Gesetz besteht seit Hunderten von Jahren und wird sich so schnell auch nicht ändern.

Aber mal im Ernst: Zum Glück.

Ich bin darüber nämlich nicht traurig. Ich bin sogar froh. Heilfroh!

So erspare ich mir eine Menge Ärger und kann zumindest das bisschen an Vorzügen, die ich in der Lotterie des Lebens gewonnen habe, zur Gänze auskosten.

Ich will Ihr träumerisches Grinsen, mit dem Sie sich gerade vorstellen, Sie wären ich und würden in einer weißen Kutsche, gezogen von vier Lipizzanerhengsten, zusammen mit Ihrer Familie von Ihrem Landsitz fahren, nicht zerstören. Aber … ich werde es trotzdem tun.

Die Wahrheit hinter all dieser Augenwischerei ist: Meine Familie ist die Ausgeburt der Hölle. Meine Eltern streiten sich andauernd. Meine Mum lässt sich vermutlich von unserem Gärtner vögeln; wobei der nicht vom selben Schlag Mann wie der Gärtner aus DesperateHousewives ist. Meine Geschwister sind beide bloß Marionetten in den Machenschaften meines Vaters. Und ich? Mein ganzes Leben lang haben sie versucht, mich in eine Rolle zu drängen, die mir überhaupt nicht passt – und manchmal wird es mir darin eben zu eng. Dann breche ich aus und verursache Schlagzeilen wie die oben genannten.

Mein Dad versucht diesen Sauhaufen von Familienmitgliedern mit aller Macht zusammenzuhalten, doch das gelingt ihm mehr schlecht als recht. Sein Erfolgskonzept besteht ohnehin darin, uns in regelmäßigen Abständen zusammenzustauchen und uns nur mitzuteilen, wie missraten wir wären. Vermutlich hat er schon am Tag unserer Geburt mit seinen Beratern einen perfekt zugeschnittenen Lebensplan für mich und meine Geschwister entwickelt.

Mit vier musste ich mit dem Balletttraining anfangen. Mit sechs wurde ich in Spanisch, Französisch und Russisch unterrichtet. Mit zehn musste ich meine Eltern laufend zu Veranstaltungen begleiten. Mit achtzehn fing ich Wirtschaftswissenschaften zu studieren an. Ich habe das alles nur für meinen Dad getan. Und um ehrlich zu sein, habe ich mir nie die Frage gestellt, ob ich mit diesem Lebensmodell in Wahrheit zurechtkomme. Ich habe funktioniert, weil ich echt Schiss vor meinem Vater hatte … ähm, habe.

Daran hat sich in all den Jahren nichts geändert.

Doch je älter ich wurde, desto mehr gewann ich an Selbstvertrauen. Ich fand Freunde, die ein völlig anderes Leben als ich führten. Bis zu meinem achtzehnten Geburtstag dachte ich, dass es normal wäre, jedem Wunsch seiner Eltern nachzukommen und niemals an eigenen Träumen festzuhalten. Dann traf ich Jasmine. Wir wurden Freundinnen, und plötzlich begriff ich, wie dämlich ich all die Jahre gewesen war. Nie hatte ich das getan, was ich hätte tun wollen. Nie war ich unfreundlich gewesen oder hatte für meine Rechte gekämpft. Ich war kein rebellischer Teenager gewesen, der Türen zuknallte und sich die Nägel schwarz lackierte.

Ich war eine Puppe gewesen, die man auf Funktionieren programmiert hatte.

Doch mit achtzehn riss ich mir quasi den Chip aus dem Leib und stürzte mich ins wahre Leben. Und ja, dann begann ich wild zu feiern. Ich ließ keine Party aus. Rauchte, soff und dachte kein einziges Mal an die Schlagzeilen, die meinen Dad zur Weißglut treiben würden.

Mit neunzehn beging ich in den Augen meines Vaters den Fehler meines Lebens. Von da an war ich in meines Vaters Ungnade gefallen. Ich nahm mir daraufhin ein Jahr Pause, um zu mir selbst zu finden. Ich lernte mich selbst völlig neu kennen. Ich begriff endlich, was mir wichtig war, und so begann ich vor knapp drei Jahren, Ökologie und Umweltschutz zu studieren.

Es liegt wohl einzig und allein an dem Image, das mein Dad für unsere Familie aufgebaut hat, weswegen ich trotz dieser Blamage, wie er gerne sagt, noch als rechtmäßiges Familienmitglied zähle. Doch ich fühle mich überhaupt nicht mehr zugehörig zu diesem Verband.

Ich will nicht mehr in dieses Haus mit seiner bedrückenden Atmosphäre, in dem ich aufwuchs. Ich will ich selbst bleiben können. Doch solange mein Vater weiter psychischen Druck auf mich ausübt, besteht nach wie vor die Gefahr, dass ich erneut zu dem willenlosen Roboter werde.

Es gefällt mir sogar noch besser, in der Presse als Partykönigin zu gelten, anstatt mich wieder in das brave Schoßhündchen meines Vaters zu verwandeln.

Um meine Eigenständigkeit zu festigen, habe ich beschlossen, das Haus meiner Großmutter, das sie mir vererbt hat, zu meinem Heim zu machen. Dort bin ich vor Dads Einfluss zumindest halbwegs sicher.

Meine Großmutter starb vor vier Jahren, seither steht das Haus, in dem sie lebte, leer. Beaumanor Hall ist ein großartiges Anwesen. Es ist nicht zu groß und unglaublich gemütlich. Meine Großmutter hat lange darin gelebt und kaum etwas verändert, deshalb bedarf es natürlich einer Renovierung.

Ich betrachte es als meine Pflicht, die künftige Lady von Beaumanor zu werden. Doch seit ich kaum noch ein Wort mit meinem Dad wechsele, erscheint mir Beaumanor nicht mehr als Gefängnis, sondern als Tor zu meiner Freiheit. Und so kam es zur Änderung: Jasmine hat gerade etwas mit einem Kerl laufen, dessen bester Kumpel Architekt ist. Ich besorgte mir einen Termin bei ihm, was abermals zu einem Eklat führte, da mein Dad dieses Architekturbüro als nicht standesgemäß empfand. Vielleicht ist es das wirklich nicht, weil es weder mit großartigen Referenzen noch mit hippen Architekten aufwarten kann. Aber das brauche ich alles nicht.

Deshalb betrete ich nun endlich das Büro von Stone Architecture in der Union Street und bin entschlossener denn je, meinen Willen durchzusetzen und aus Beaumanor Hall ein Zuhause nach den neuesten Standards und meinen Vorstellungen zu schaffen.

Der Eingangsbereich des Büros ist klein, wurde aber offensichtlich erst vor Kurzem renoviert, da es immer noch nach neuen Möbeln und frischer Farbe riecht. Hinter einem Empfangspult entdecke ich eine junge Frau mit brünetten Haaren, die sie zu einem Pferdeschwanz gebunden hat. Sie hat glasklare blaue Augen, wie mir gleich auffällt, als sie zu mir hochblickt. Als sie mich erkennt, verändert sich ihr Lächeln, wie es so häufig passiert. Nun sieht sie in mir die hippe, stylische Alte aus den Zeitungen. Manche Menschen begegnen mir mit Abneigung, andere, wie die Angestellte des Büros, mit Bewunderung.

Sofort springt sie auf, kommt um ihren Schreibtisch herum und reicht mir mit strahlendem Lächeln die Hand. „Miss … ich meine … Entschuldigung … Lady Gibbs. Sie ahnen gar nicht, wie unglaublich aufregend ich es finde, Sie einmal persönlich zu treffen. Ich liebe Ihren Kleidungsstil. Sie sind eine wahre Inspirationsquelle für mich.“

Da mir ein höflicher Umgang mit für mich auch völlig fremden Personen von Geburt an eingeimpft wurde, fällt es mir leicht, angemessen auf ihre Komplimente zu reagieren. „Sie sehen auch umwerfend aus. Ich mag diesen Rock, den Sie tragen.“

Verlegen streicht sie mit ihrer Hand über den geblümten Bleistiftrock, den ich tatsächlich schön finde. „Danke. Bloß Stangenware von Zara.“

„Ich kaufe sehr gerne bei Zara ein. Onlineshopping“, flüstere ich und zwinkere ihr zu.

„Echt?“, fragt sie grinsend und blickt abermals verunsichert hinter mich.

Mit meinen Augen folge ich ihrem Blick und mache eine wegwerfende Handbewegung. „Das ist Tom. Achten Sie gar nicht auf ihn. Sein Job ist es, mich vor einer Entführung durch Aliens zu beschützen.“

Tom ist seit Jahren im Auftrag meines Vaters für mich zuständig. Seit ich denken kann, habe ich Leute an meiner Seite, die mich beschützen oder Dinge für mich erledigen. Mir fällt er gar nicht mehr auf, aber auf andere wirkt er als ständiger Schatten mit seinem harten Gesichtsausdruck bestimmt einschüchternd.

Alles in allem ist er ein feiner Kerl, wenn auch nicht unbedingt gesprächig.

„Ich … ich werde Ihre Ankunft ankündigen. Wenn Sie einen Moment Platz nehmen wollen …“, plappert die Frau aufgeregt weiter und stöckelt den Flur entlang.

Ich setze mich jedoch nicht, sondern widme mich den Bildern an der Wand. Sie zeigen Gebäude, Urkunden und Zeitungsausschnitte. Neben dem Empfang entdecke ich ein Gruppenbild der Mitarbeiter. Rund zwanzig Menschen, die in perfekter Manier in die Kamera lachen. Grau, Weiß und Schwarz sind die dominierenden Farben darauf. Allesamt wirken sie freundlich, zugänglich, und man spürt, dass hier jeder dem anderen hilft. Daneben befindet sich ein größeres Schild, auf dem alle Mitarbeiter einzeln abgebildet sind. Darunter steht der jeweilige Name. Rasch finde ich heraus, dass die Dame vom Empfang Holly Parker heißt.

Wer mag der Kerl sein, mit dem ich mich gleich treffen werde?

Da Jasmine, oder besser gesagt: der Kerl, mit dem sie es momentan treibt, das Architektendate für mich arrangiert hat, habe ich keine Ahnung, mit wem ich es zu tun habe. Sie sagte, er sei der Sohn des Besitzers der Agentur. Dessen Foto finde ich ganz oben. Callum Stone, ein Mann um die sechzig, mit grauen Haaren und einem netten Lächeln. Daneben entdecke ich das Bild seines Sohnes, Adam Stone. Er trägt ein schwarzes Hemd; kein Jackett, keine Krawatte. Sogar die Ärmel hat er hochgekrempelt. Mein Dad würde durchdrehen. Seine Hände hat er vor dem Bund seiner grauen Hose verschränkt.

Irgendetwas hat dieser Kerl an sich, das mich auf der Stelle fasziniert. Er wirkt irgendwie nett, und doch würde ich das Grinsen in seinem Gesicht als Arschlochgrinsen bezeichnen. Sein Haar ist dunkelbraun, ebenso sein Bart.

Ich kann seine Haltung noch so lange analysieren, doch es wird nichts mehr ändern. Die Wahrheit gehört auf den Tisch: Der Typ ist megaheiß.

Ob Jasmine eine Ahnung hat, wie heiß er ist?

Ich hole mein Handy aus der Tasche und entschließe mich, Jasmine ein Foto von diesem Adam Stone zu schicken. Doch gerade, als ich das Bild knipse, erscheint mein Foto-Objekt leibhaftig neben mir.

Schei-ei-ei-ße.

Schnell lasse ich das Handy sinken und schiebe es zurück in meine Tasche, während ich mich zu dem Kerl umdrehe und so tue, als hätte ich nicht gerade ein Foto von seinem Bild geschossen.

Bitte, bitte gib keinen Kommentar dazu ab. Tun wir so, als wäre das niemals passiert.

Holly steht ein paar Schritte abseits von ihm, und obwohl ich diese Frau nicht kenne, fürchte ich, nun in ihrer Gunst gesunken zu sein.

Adam Stone mit seinem Arschlochgrinsen streckt mir die Hand zur Begrüßung hin. Während ich ihm meine reiche, blickt er stirnrunzelnd zu seinem Foto hoch, dann beäugt er Tom, ehe er sich allein mir widmet. Ich kann den Kerl echt schwer einschätzen. Es erscheint mir, als wolle er die Verhältnisse gleich einmal klären – ich bin der Boss, du bist nur eine verwöhnte Göre.

Ich muss aber zugeben, dass seine Ausstrahlung, die mich schon auf diesem Bild gefesselt hat, in Wirklichkeit noch viel einnehmender ist. In seiner Gegenwart wird mir fast heiß. Ich mag, wie sich seine Hand um meine anfühlt, und bereue es augenblicklich, diesen Kerl engagiert zu haben.

Ich sollte mir darüber Gedanken machen, ob es okay wäre, mit meinem Architekten zu vögeln. Meine Bedenken sind aber keiner Moralhaltung geschuldet.

Sagen wir so: Ich wechsle gerne regelmäßig meine Männer – andere meinten schon, ich behandele Männer wie Wegwerfgeschirr. Das hat man ja, um es nicht waschen zu müssen und um es nicht noch einmal zu benutzen. Eine Party, dann wandert alles in den Müll. Genauso handhabe ich die Sache mit Männern. Das heißt für meinen Architekten jetzt Folgendes: Entweder ich warte, bis er mit dem Haus fertig ist, ehe ich ihm meinen Dank in ganz spezieller Form ausdrücke. Oder ich riskiere, dass unsere Zusammenarbeit diesen seltsamen Wir-hatten-Sex-und-nun-gehen-wir-uns-aus-dem-Weg-Beigeschmack erhält. Vielleicht ist er ja auch eine schreckliche Klette, die sich in mich verknallt und mir das Leben damit erschwert. Oder gar ein Stalker!

Als er meine Hand loslässt, balle ich sie zur Faust und presse sie gegen meinen Körper.

„Freut mich. Wollen Sie mir folgen?“, fragt er rhetorisch, und beim tiefen Klang seiner Stimme löst sich mein Höschen buchstäblich in Luft auf.

Val, schlag dir den Kerl augenblicklich aus dem Kopf!

Ich nicke, weil ich nicht weiß, ob ich nicht statt „Sehr gerne. Gehen Sie vor“ eher „Wir können es gleich hier vor den Augen meines Bodyguards und Ihrer Angestellten treiben“ antworten würde.

Vermutlich würde ich dem Kerl überallhin folgen, wenngleich die Art, wie er erneut Tom ansieht, fürchterlich herablassend ist.

„Er wird hier draußen warten“, erkläre ich und fühle mich längst nicht mehr so locker und sicher wie üblich.

„Und ich dachte, er würde zuvor mein Büro noch nach Tretminen absuchen. Kleiner Scherz. Holly wird ihn mit einem Getränk versorgen. Sie kümmert sich um die mitgebrachten Haustiere meiner Kunden immer sehr verantwortungsvoll.“

Fuck, was für ein kranker Typ!

Vermutlich wäre nun der perfekte Augenblick gekommen, in dem ich ihm eine Ohrfeige verpassen und gehen sollte. Doch diesem Adam Stone muss man wohl gewisse Aussagen schon allein wegen seines teuflischen Grinsens verzeihen. Mir wird gleichzeitig aber auch klar, dass er Vorbehalte gegen mich hegt. Für ihn bin ich augenscheinlich das verzogene Mädchen, das mit seinem verdammten Bodyguard in seinem Büro antanzt und unautorisiert Fotos knipst.

„Er macht nur Witze“, kommt ihm Holly zu Hilfe und funkelt Stone böse an. „Wir respektieren Ihre Sicherheitsstandards natürlich voll und ganz.“

Gott, nein. Bitte sag nicht, dass diese Holly seine Freundin ist. Ihre Körperhaltung und die Art, wie sie die Wogen zu glätten versucht, sprechen ganz klar dafür.

Die Welt ist so ungerecht. Im Ernst.

„Schon gut“, meine ich an Holly gewandt. „Wollen wir den Auftrag nun besprechen, oder ist Ihr Lampenfieber zu groß?“

Stone mustert mich, dann führt er mich aber tatsächlich in sein Büro. Während er die Tür hinter mir schließt, sehe ich mich um. Der Raum ist hell, die Möbel sind dunkel gehalten. Ich würde auf Kirsche tippen. Vor den beiden Fenstern steht sein Schreibtisch, an der Wand daneben steht ein Schrank mit Akten, Büchern und hängen eingerahmte Pläne von bekannten Gebäuden. Während ich das Foto eines Mannes auf einem Motorrad betrachte und mich frage, ob das Stone ist, umrundet er den Schreibtisch und setzt sich.

Ich nehme auf dem Sessel mit weißem Wildleder ihm gegenüber Platz und sehe ihm dabei zu, wie er Wasser aus einer Karaffe in ein Glas leert.

Er stellt es vor mich hin, schnappt sich Block und Stift und sieht zu mir. „Ich habe die Unterlagen zu Ihrem Objekt durchgesehen. Wie wollen Sie es haben?“

Ich bezweifele ernsthaft, dass er sich bei seiner Frage darauf bezieht, wie ich von ihm gefickt werden möchte. Außerdem gibt es da ja noch seine blöde Wahrscheinlichkeitsfreundin.

Ich reiße mich zusammen und hole Luft. „Ich liebe Beaumanor Hall. Ich mag das Grundgerüst, empfinde die Räume aber als zu dunkel und beengend. Das Haus existiert seit 1874. Seither wurde es von jeder Generation, die darin lebte, geprägt und verändert, der Kern blieb aber stets derselbe. Also sehe ich es als meine Aufgabe, Beaumanor Hall ins Jahr 2018 zu holen, ohne dass etwas vom Charme der vergangenen 150 Jahre verloren geht.“

Er bläht die Wangen auf und notiert etwas. „Modernisierungen in dieser Form sind äußerst anspruchsvoll und teuer.“

„Geld spielt keine Rolle. Für das Ergebnis sind allein Sie verantwortlich. Ich will Sie aber keineswegs in Ihrem Kompetenzbereich überfordern“, entgegne ich.

Seine Augen funkeln regelrecht, als er den Stift zur Seite legt und zu mir sieht. „Sie überfordern mich nicht“, erwidert er, und ich frage mich, ob er bewusst Sie und nicht das Haus gesagt hat. „Um ehrlich zu sein, war ich der fixen Meinung, dass Sie herkommen und mich bitten, das alte Haus platt zu machen und an dieselbe Stelle ein neues, supermodernes hinzubauen. Es erfordert eben sehr viel Fingerspitzengefühl, das Alte mit dem Neuen zu verbinden, ohne dass es plump oder dilettantisch wirkt. Aber das ist mein Spezialgebiet.“

Und gleich holt er einen Spiegel und knutscht sich selbst, oder wie?

„Das hoffe ich doch.“

Erneut trifft mich sein überhebliches Arschlochlächeln, ehe er nach seinem Stift greift. „Wenn Sie an das Haus, so wie es jetzt ist, denken, welcher Raum ist für Sie am allerwichtigsten?“

Ich muss nur ganz kurz überlegen. „Die Küche. Daran würde ich am wenigsten verändern. Natürlich möchte ich, dass im gesamten Haus der Energieverbrauch so niedrig wie möglich gehalten wird. Grün und sauber.“

Er sieht aus, als würde er sofort losprusten wollen. Stattdessen kritzelt er aber etwas auf das Blatt vor ihm.

„Außerdem möchte ich einen Pool haben. Dazu würde sich vielleicht der ehemalige große Saal eignen.“ Ich strecke meine Hand nach dem Grundriss aus, der zwischen uns auf dem Tisch liegt. Stone sieht abfällig auf meinen Finger, der genau an jener Stelle ruht, an der ich künftig schwimmen möchte.

„Was ist unter dem Saal?“

„Keine Ahnung?!“

Seufzend kratzt er sich am Kinn und blättert in den Unterlagen. „Wenn sich darunter ein Keller befindet, können Sie den Pool vergessen.“

„Oder Sie überlegen sich etwas, wie ich den Pool auf andere Art bekomme.“

Wieder sieht er zu mir hoch, als wäre ich völlig verrückt. „Ich weiß ja nicht, wie das in Ihrer Welt gehandhabt wird, Lady Gibbs, aber in meiner existiert so etwas wie Statik und Untergrundbeschaffenheit. Und ich kann schlecht einen 20 Tonnen schweren Pool auf ein Kellergewölbe aus dem 19. Jahrhundert setzen. Generell ist es wichtig, dass ich mir das Gebäude einmal in natura ansehe. Es gehört außerdem nachgemessen, ob all diese Angaben noch stimmen. Wenn der Untergrund lehmig ist, kann es sein, dass das Gebäude bereits abgesackt ist und wir es zusätzlich stützen müssen. Das sind die vordergründigen Sorgen, die ich habe.“

„Okay, dann messen Sie nach“, erwidere ich kalt und völlig unbeeindruckt. „Ich will mich jetzt ja nicht partout auf dem Pool aufhängen. Das war bloß eine Idee oder ein Wunsch. Am Ende ist es Ihre Aufgabe, diese umzusetzen. Ich verlange schließlich nichts Unmenschliches von Ihnen.“

Wir sehen uns stumm in die Augen. Und das dauert viel länger, als es zwischen Fremden üblich ist. Doch während dieser Zeit begreift Stone, dass ich kein schüchternes Mäuschen bin. Er mag mich nicht leiden können, doch ich bezahle ihn schließlich für seine Arbeit – da hat falsche Schleimerei wenig Platz.

Schließlich lehnt er sich vor und verschränkt die Hände vor sich auf dem Schreibtisch – fast so wie auf dem Bild draußen. „Dann würde ich Folgendes vorschlagen: Bevor wir weitermachen, treffen wir uns auf Ihrem Anwesen und besprechen Ihre Wünsche vor Ort. Das hilft auch mir, einen genaueren Eindruck zu gewinnen und die Höhen, Weiten und Lichtverhältnisse besser einschätzen zu können.“

Geht doch.

„Sehr gerne. Wann?“

Er bewegt die Maus, damit sein Monitor aus dem Stand-by-Modus erwacht. Dann klickt er einige Male drauf. „Donnerstagvormittag?“

„Vormittags habe ich Vorlesungen. Aber ab vier schaffe ich es.“

Er betrachtet mich wieder auf diese skeptisch-herablassende Art. „Vier Uhr geht. Die Adresse habe ich ja.“ Er schweigt, während er den Termin einträgt. „Was studieren Sie denn?“, fragt er plötzlich, blickt jedoch weiter auf seinen Monitor.

„Ökologie und Umweltschutz.“

Aus den Augenwinkeln sieht er sichtlich überrascht zu mir. Die wenigsten Menschen würden annehmen, dass einer bekannten Person wie mir, die meist mit negativen Schlagzeilen in den Medien aufscheint, etwas am Schutz unserer Umwelt liegt. Doch ich habe mich immer schon für Projekte engagiert, die mit erneuerbaren Energien, Umwelt- und Tierschutz zu tun haben. Da erschien es mir naheliegend, auch in beruflicher Hinsicht etwas in der Art anzustreben.

„Sie sehen überhaupt nicht aus wie eine dieser Ökotanten, die mit selbst gebastelten Schildern durch die Straßen ziehen.“

Dafür siehst du sehr wohl wie das Arschloch aus, das du bist.

„Sie verwechseln das wohl mit den Mode-Ökos, die alles Biologische und Vegane bevorzugen. Ich setze mich aus purer Überzeugung und nicht wegen eines Trends für unsere Umwelt ein.“

Er lehnt sich vor und sammelt die Unterlagen ein. „Schon gut. Deswegen müssen Sie mich ja nicht gleich bekehren und für ihre Gesinnung gewinnen. Dann steht unser Termin am Donnerstag also?“

Ich sollte mir, statt mich erneut mit diesem Wichser zu treffen, einen anderen Architekten suchen. Einen, der mir sympathisch ist. Aber ich wäre doch verrückt, wenn ich die Chance, diesen Kerl weiterhin angaffen zu können, aufgeben würde. Denn ich werde langsam süchtig nach diesem Grinsen. Stone hat einen Blick drauf, der tief unter die Haut geht. Bewusst oder unbewusst von ihm, aber er berührt Teile von mir, die er schon deshalb, weil er für mich arbeitet, nicht ansprechen sollte. Und generell habe ich noch nichts von seiner Arbeit gesehen. Bevor ich ihn abschieße, soll er mir mal Pläne liefern – dann wird sich zeigen, ob Jasmines Versprechungen stimmen. Im Moment habe ich eher das Gefühl, er würde schon aus Prinzip genau das Gegenteil von dem machen, was ich mir für mein Haus wünsche.

Ich lasse mich jedoch gerne vom Gegenteil überzeugen. Vor allem, wenn die Möglichkeit besteht, diesen Mund einmal zu küssen. Oder von diesen starken Händen fest am Arsch gepackt zu werden. Arschloch oder nicht – ich wette, er fickt wie ein Gott.

„Ich werde pünktlich sein“, antworte ich und bemerke, dass ich ein wenig danach klinge, als habe ich mir gerade vorstellt, wie ich diesen Mistkerl nach allen Regeln der Kunst reite.

„Gut. Sollten Sie noch Fragen haben, rufen Sie Holly an.“

Er erhebt sich, und ich mache es ihm gleich. Ich schnappe mir meine Handtasche und unterdrücke die Frage, ob Holly seine Freundin ist. Das wäre sehr unprofessionell, und das geht mich nun wirklich nichts an.

Es geht mich nichts an!

Aber vielleicht würde seine Antwort meine Entscheidung beeinflussen. Denn wenn er wirklich mit dieser Holly zusammen ist, dann müsste ich die Aussicht auf Sex mit ihm begraben. Und dann müsste ich nicht mehr auf seine Planung setzen. Vergebene Männer sind für mich tabu.

Zumindest in der Hinsicht hege ich eine gewisse Moral.

„Dann bin ich gespannt, welche Ideen Sie mir vielleicht schon am Donnerstag liefern können“, kündige ich an, als wir den Flur betreten und zurück zu Hollys Schreibtisch gehen.

Wieder überzieht dieses Grinsen sein Gesicht, als wäre alles, was ich sage, die reinste Lächerlichkeit. „Darauf können Sie sich verlassen. Normalerweise kann ich die Kundenvorstellungen immer gut ergründen; vorausgesetzt natürlich, ihre Wünsche entsprechen der Realität. Hat mich sehr gefreut, Sie einmal im wahren Leben zu treffen“, schließt er, als er mir seine Hand reicht.

Und unter uns: Ich glaube ihm kein Wort.

Vermutlich ist für seine grässliche Höflichkeit einzig und allein Hollys Anwesenheit verantwortlich. In ihrer Gegenwart reißt er sich scheinbar sehr zusammen. Und sie scheint den Kerl im Griff zu haben. Vielleicht beherrscht sie irgendeine total abgefahrene Pose im Bett, die diesen Mistkerl hörig wie ein Hündchen werden lässt.

„Hat mich auch gefreut“, lüge ich mit perfektem Lächeln genauso gut. „Ich bin zuversichtlich.“

„Ich auch.“

Dann lässt er meine Hand los, und ich blicke mich suchend nach Tom um, der mit einer weißen Tasse in der Hand vor Hollys Schreibtisch sitzt. Schnell trinkt er aus, stellt die Tasse ab und erhebt sich. Stone scheint die Szene, die sich ihm bietet, total amüsant zu finden – als wäre er im Theater und nicht in seinem Büro.

Stones Blick verunsichert mich. Ich habe das Gefühl, mich vollkommen dämlich zu verhalten, auch wenn ich gar nichts falsch mache.

„Ich habe sie Ihnen wiedergebracht, ohne ihr ein Haar zu krümmen“, wendet sich Stone – weil er es wohl einfach nicht lassen kann – an Tom, der ihn unbeeindruckt mustert. „Sie können sie also wieder zurück in die Vitrine stellen.“

„Wieder einer Ihrer Witze?“, frage ich, auch wenn es mir furzegal ist, was der Kerl über mich denkt.

Das ist es doch, oder?

„Ein Glück, dass ich keine spaßbefreite Schachtel bin. Sollte Ihnen aber etwas an diesem Auftrag liegen, würde ich mir an Ihrer Stelle Witze über das Protokoll, an das ich mich zu halten habe, sparen. Holly“, wechsele ich zu einem freundlicheren Ton und zu einer anderen Person und reiche ihr die Hand zum Gruß.

Sie sieht sauer und verunsichert aus.

„Ich finde Sie großartig. Sie sind in Wirklichkeit noch viel hübscher als auf den Fotos“, plappert Holly nervös drauflos.

Ich lächele und wende mich an den finster dreinblickenden Kerl. Versöhnlich strecke ich Stone meine Hand erneut entgegen, und – oh Wunder! – er ergreift sie sogar. „Mr Stone, bis Donnerstag.“

„So sieht es aus“, presst er hervor, und ich spüre, wie angespannt er ist.

Es ist nicht übertrieben, wenn ich behaupte, dass ich erleichtert bin, als ich das Bürogebäude hinter mir lasse und im Fond des Wagens Platz nehme. Auch wenn mich dieser beschissene Wagen jedes einzelne Mal an die Fesseln, die mir am Tag meiner Geburt umgelegt wurden, erinnert.

Ich hasse herablassende Menschen; vielleicht deshalb, weil ich selbst von derart vielen umgeben bin. Aber trotz der ungesunden Portion Hochmütigkeit, die dieser dämliche Adam Stone präsentiert, bleibt er mir in prickelnder Erinnerung. Seine Augen, sein Mund, der wohl nur in zwei Varianten daherkommt – verbissen oder spöttisch –, verfolgen mich, als würden sie wie Dreck an meinen Schuhen kleben.

Gott, dieser Typ ist die Pest – und trotzdem scheint ihm mein dummer Körper verfallen. Das ist wohl die leidige Konsequenz, wenn es im Leben lediglich darum geht, die Sammlung an Männern zu erweitern. Dann handelt man gezwungenermaßen irrational. Ich lasse kaum je mein Herz sprechen, sondern fühle meist mit meiner Pussy – und diese hat Stone augenblicklich ins Visier genommen.

„Tom, fahren Sie mich bitte zu Jasmine nach Hause“, wende ich mich an meinen Fahrer, der bloß stumm nickt. „Ich brauche einen Drink, und danach reiße ich ihr den Arsch auf“, murmele ich zu mir selbst und sinke zurück in den unerhört weichen Ledersitz.

2

Valerie

Zu behaupten, Jasmine und ich hätten es gestern Abend nicht eindeutig übertrieben, käme schlicht und ergreifend einer Lüge gleich. Ich brauchte Mengen an Alkohol, um diesen Wichser aus meinem Gedächtnis zu spülen. Doch nachdem ich Jasmine mein Treffen mit Stone in aller Ausführlichkeit geschildert hatte, verfolgten mich die Erinnerung an seine Augen und der dunkle Klang seiner Stimme in meinen Ohren erst recht.

Vielleicht bin ich ja eine rückhaltlose Schlampe, aber trotz seiner Arroganz und nervigen Besserwisserei bin ich eindeutig scharf auf diesen Kerl.

Und das hat ausnahmsweise nichts mit meinem Alkoholkonsum zu tun. Denn selbst am nächsten Morgen, als ich mit brummendem Schädel wach werde, ist mir dieser dämliche Stone nur allzu präsent. Als wäre er eine Mutation des Toxoplasmose-Erregers, der sich in meinem Körper eingenistet hat und ihn besetzt hält.

Ich quäle mich aus dem Bett und dusche rasch, weil ich wie jeden Tag wieder mal zu spät dran bin. Aber auch dieses Verhalten kommt einer Revolution gleich, da ich mein ganzes Leben lang stets pünktlich sein musste. Ich wurde außerdem zu absoluter Freundlichkeit erzogen. Der Art von kühler Höflichkeit, die ein knappes Lächeln, aber keine Menschlichkeit erlaubt. Vielleicht bin ich, seit ich vehement gegen mein Elternhaus rebelliere, deshalb besonders unpünktlich und unhöflich und gebe mir besondere Mühe, emotionsgeladen auf meine Umwelt zu reagieren. Zweifelsohne verachtet mich mein Vater für mein loses Mundwerk, und ganz bestimmt jammert meine Mutter ihrer Psychiaterin vor, als wie beängstigend sie meine Wandlung empfindet. Ich kann nicht sagen, dass mir das Verhalten meiner Eltern am Arsch vorbeigeht. Ich ärgere mich aber nicht darüber; das wäre vergeudete Energie.

Es bereitet mir fast schon diebische Freude, mir das Gesicht meines Vaters vorzustellen, wann immer einer dieser skandalösen Artikel über mich in einer Zeitung erscheint. Bestimmt kostet mein Lebenswandel dem armen Kerl laufend einige Jahre seines Lebens.

Während Kaffee in meine Tasse läuft, ziehe ich mir meine Unterwäsche an und schlüpfe in den beigefarbenen Plisseerock und das schwarze Top. Mein Frühstück fällt immer recht spärlich aus. Eigentlich besteht es stets aus einem eilig hinuntergestürzten Kaffee und, wenn ich zur Abwechslung einmal etwas mehr Zeit habe, einem Stück Toast mit Butter. Doch dazu habe ich selten Lust, denn dann kommt oft die mir verhasste, verwöhnte Göre, die in mir steckt, durch. Denn früher, als ich noch bei meinen Eltern wohnte, kam ich in den Genuss des Personals, das für uns kochte und putzte. Nun muss ich mir meine Wohnung nicht nur selbst finanzieren, ich muss auch eigenständig für mein Essen sorgen. Ich habe fix vor, nach meinem Studium so schnell wie möglich selbst Geld zu verdienen. Ich will ein Scheitern verhindern und meine Eltern keinesfalls je um Hilfe bitten müssen, sobald das Geld, das ich von meiner Großmutter geerbt habe, aufgebraucht ist.

Bevor ich meine Familie auch nur noch ein einziges Mal um Geld anbetteln werde, gehe ich auf den Strich.

Grinsend sammele ich meine über den Esstisch verstreuten Stifte ein. Zusammen mit drei Studienkollegen arbeite ich im Augenblick an einem wichtigen Themenprojekt, und da ich mir unsere Ideen halbwegs genau in bildlicher Form darstellen kann, wurde ich kurzerhand zur Erstellung der Skizzen beauftragt. Obwohl ich am Anfang ziemlich protestiert habe, macht mir das Zeichnen mittlerweile Spaß. Dennoch hasse ich es aber. Ich bin kein geduldiger Mensch, und diese verdammte Farbe lässt sich extrem schwer wegradieren.

Die Stifte landen in meiner Tasche, und wie üblich wartet Tom vor meiner Wohnungstür. Er reicht mir einen Becher Cappuccino und einen Bagel. Solange mein Dad ihn für solche Dienste bezahlt, scheine ich für die Familie Gibbs noch existent zu sein.

Bleibt immer noch die Frage, ob es andersherum nicht besser wäre.

„Hey, Tom“, murmele ich in die winzige Plastiköffnung des Pappbechers.

„Lady Gibbs, einen schönen guten Morgen.“

„Zwei Dinge, die nicht zusammenpassen – gut und Morgen. Der Tag ist in der Früh immer scheiße. Erst gegen Abend wird er besser. Genau wie jede Party – die ist am Anfang auch immer scheiße.“

„Jeder Morgen gibt einem die Gelegenheit, ein besserer Mensch als am Tag zuvor zu sein“, kontert er sinnig, und ich drehe mich im Gehen kurz zu ihm um, um ihm einen vielsagenden Blick zuzuwerfen.

Wir erreichen die enge Treppe. Tom geht hier jedes Mal Schulter an Schulter mit mir. Doch wir haben uns arrangiert – wie bei so vielen Dingen.

„Stand der Spruch heute früh auf Ihrem Abziehkalender, oder sind Sie gestern noch in einen Topf voll Weisheit gefallen?“

„Nichts von beidem, Miss.“

Irgendwo in seinem Protokoll steht bestimmt, dass er mir jede Frage beantworten muss. Und das geht mir auf die Nerven.

„Das war sarkastisch gemeint.“

„Oh, tut mir leid.“

„Schon okay“, murmele ich, weil ich auf der Suche nach meinem Handy bin, das irgendwo in meiner Handtasche sein muss und ein unermüdliches Klingeln ertönen lässt.

Stifte in allen Farben – Rot, Grün, Blau, Braun, Pink –, dann endlich finde ich es. Tom beäugt den Saustall in meiner Handtasche, doch natürlich hält der Kerl die Klappe. Er weiß, wie mies ich um diese Uhrzeit drauf bin.

Wer es nicht zu wissen scheint, ist aber meine Freundin, deren Stimme viel zu hoch und viel zu aggressionsfördernd klingt. „Na, du Wonneproppen? Wie hast du geschlafen?“

„Ich schlafe immer wie ein Baby“, erwidere ich, während ich Tom zum Wagen folge und einsteige. „Und selbst?“

„Frag nicht. Mir ist heute früh eingefallen, dass ich einen megalangen Drehtag habe. Aber ich muss mir für diese Rolle meinen Arsch aufreißen.“

„Ich hoffe, du meinst mit Arsch aufreißen nicht, dass du mit dem Produzenten vögelst. Irgendwann einmal kommen solche Dinge ans Tageslicht, und dann kosten sie dich deine Karriere.“

Sie schnaubt. „Mein Höschen bleibt dort, wo es ist. Weswegen ich eigentlich anrufe: Ich habe heute beim Frühstück über dein Treffen mit Adam nachgedacht. Du solltest ihm wirklich eine Chance geben. Vielleicht war er nur schlecht drauf. Er ist eigentlich ein netter Kerl und ein toller Architekt.“

Genau das hat sie mir gestern auch schon vorgebetet. „Meine Güte, du scheinst auf diesen Calvin ja mehr zu stehen, als ich dachte. Adam Stone ist ein Arschloch; dieser Tatsache musst du ins Auge blicken, Mädchen. Aber weil ich ein so guter Mensch bin und du meine beste Freundin bist, werde ich ihm eine Chance geben.“

Ihre Stimme klingt erfreut. „Du wirst es nicht bereuen, Val! Komm schon, sei ehrlich. Du findest ihn viel zu scharf, um ihn gleich wieder abzuservieren.“

Verdammt.

„Ich finde ihn furchtbar – total unfreundlich und arrogant.“

„Er ist ein Augenschmaus“, redet sie weiter.

„Er ist ein Wichser, der sich permanent über mich lustig gemacht hat.“

Eigentlich ist er verboten heiß. Viel zu attraktiv für jemanden, der solch ein abstoßendes Wesen verkörpert.

„Du musst ihn ja nicht gleich heiraten, Val. Außerdem beschwerst du dich ständig, wenn dich Leute wie ein rohes Ei behandeln, weil sie dich aus dem Fernsehen kennen.“

„Ich werde mir seine Vorschläge anschauen. Aber wenn er weiter gegen mich arbeitet, kann er mich wirklich mal“, beende ich die Diskussion.

„Super, Süße. Ich muss jetzt los. Wir sehen uns spätestens am Freitag.“

„Geht klar. Ich freue mich.“

„Ich mich auch. Bye.“

„Bye.“

Ich lege auf, während Tom auf den Parkplatz der Uni zusteuert. Ich bedanke mich, steige aus und folge einer Gruppe von Männern ins Innere des vierstöckigen Gebäudes. Den leeren Kaffeebecher entsorge ich artgerecht, und da ich heute etwas früher dran bin, hole ich mir noch schnell eine Flasche Mineralwasser aus dem Automaten. Ich nehme einen Schluck, als mein Handy erneut klingelt. Die Nummer auf dem Display kenne ich nicht. Einige Millisekunden starre ich sie an, bis meine Neugierde siegt und ich abhebe.

„Gibbs“, stelle ich mich mit selbstsicherer Stimme vor.

Obwohl meine Nummer geheim ist, schafften es über die Zeit einige überwitzige Reporter, an sie ranzukommen, und belagerten mich mit nervtötenden Fragen. Sicheres Auftreten ist das A und O im Umgang mit dieser Meute.

Doch es ist nicht die aufdringliche Stimme eines Reporters, die mich begrüßt, sondern jene tiefe, die durch Mark und Bein geht und mich augenblicklich daran erinnert, wie prickelnd das Gefühl zwischen meinen Beinen gestern Abend, als ich zu Bett ging, war.

„Lady Gibbs, hier ist Adam Stone. Ich … ich rufe an, um mich bei Ihnen für mein Verhalten gestern Nachmittag zu entschuldigen“, erklärt er todernst, und ich falle fast aus allen Wolken.

Trotzdem – ich kann diesem Kerl nicht glauben.

Eine Entschuldigung? Das passt so gar nicht zu dem Eindruck, den ich von ihm habe.

„Okay“, erwidere ich daher verhalten. Ich bezweifele jedoch, dass Stone mit Luftsprüngen meinerseits gerechnet hätte.

Einen kurzen Augenblick schweigt er, während ich das Telefon fest umklammert halte. Mein Körper ist in Aufruhr. Ganz gleich wie gestern, als ich in seinem Büro saß und in dieses verstörend attraktive Gesicht blickte.

„Ich war respektlos. Sie müssen wissen, dass ich mich auf eine mögliche Zusammenarbeit sehr freuen würde. Das ist eigentlich alles, was ich sagen wollte.“

Ich frage mich, ob Jasmine irgendwie die Finger im Spiel hat. Oder hat Stone von seiner Angestellten, seiner möglichen Freundin eine auf den Deckel bekommen?

„Okay“, höre ich mich erneut sagen.

„Gut“, erwidert er verunsichert. „Na dann … einen schönen Tag und bis Donnerstag.“

„Ihnen auch.“

Er legt auf – als Erster natürlich –, und ich stehe da wie ein Häufchen Elend. Ich sollte mich über Stones Entschuldigung freuen, aber ich ärgere mich darüber. Weil … weil es im weitesten Sinne wieder ein Sieg meines Dads ist.

Masochistisch und rebellisch, wie ich bin, würde ich Stone am liebsten zurückrufen und ihn bitten, mich wieder genauso herablassend zu behandeln wie gestern. Er mochte mich bei unserem ersten Treffen nicht; das konnte ich spüren. Nun verstellt er sich – wegen mir, wegen meines blöden Namens und all dieses verfickten Einflusses, den mein Vater hat.

Vermutlich scheint Stone begriffen zu haben, was es für seine Firma bedeutet, wenn Beaumanor Hall als Referenz auf seiner Internetseite zu finden ist. Keine Ahnung, ob ich ihn jetzt noch als Architekten haben will.

Ich hebe meine Tasche auf und klemme mir das Handy ans Ohr, während ich Jasmine anrufe, um ihr von diesem seltsamen Telefonat zu erzählen. Es klingelt, einmal, zweimal.

Dann höre ich dieses leise Knacken und plappere gleich drauflos. „Dieser Mistkerl hat mich angerufen, um sich wie ein kleines Mädchen für sein Verhalten gestern zu entschuldigen. Die Nummer ist durch, Jas. So göttlich er auch aussieht. Ich kann mit solch jämmerlichen Schlappschwänzen nicht zusammenarbeiten.“

Sie sagt nichts, weshalb ich umständlich mein Handy in die Hand nehme, um nachzusehen, ob sie noch dran ist.

Augenblicklich durchfährt mich ein kalter Schreck. Ich seufze laut, presse die Augen fest zusammen, und mein Gehirn rattert.

Das kann doch nicht wahr sein!?

Bitte nicht!!

Ich atme tief durch und drücke mir das Handy zurück ans Ohr. „Ich … ich habe mich verwählt. Aber jetzt kennen Sie meine Antwort auf Ihre Entschuldigung, Mr Stone.“

„Es hätte mich auch gewundert, wenn Sie tatsächlich den Mut gehabt hätten, mir direkt die Wahrheit zu sagen“, dringt seine Stimme zu mir durch.

„Ah, das klingt schon sehr viel mehr nach Ihnen. Ich war enttäuscht, das gebe ich zu. Zweifelsfrei war es nicht Ihre freiwillige Entscheidung, mich anzurufen.“

Ich eile zur Treppe, um es noch irgendwie zu meiner ersten Vorlesung zu schaffen. Doch im Grunde weiß ich, dass ich lieber zu spät komme, als mein Gespräch mit Stone zu beenden.

„Ich treffe meine Entscheidungen immer selbst.“

Wer’s glaubt.

„Warum verhielten Sie sich dann gestern derart respektlos?“

„Ich weiß es nicht“, antwortet er.

Ich glaube ihm nicht. „Sie halten mich für eine verwöhnte, zickige Göre. Wissen Sie, Mr Stone, ich mache diesen Tochter-Job schon mein gesamtes Leben. Das heißt, ich habe ein paar Jahre Berufserfahrung auf dem Buckel. Und so, wie Sie sofort erkennen, dass ein Gebäude schief steht, erkenne ich die Sorte Mensch, die meint, ich wäre ein Parasit in ihrem System. Früher habe ich mir die Mühe gemacht, mich für meine bloße Existenz zu rechtfertigen, aber damit ist es vorbei. Ich muss nicht jedem zu Gesicht stehen. Und es ist mir egal, ob das bei Ihnen der Fall ist oder nicht. Das ist die Wahrheit, und nun haben Sie bemerkt, dass ich doch den Mut habe, Ihnen diese direkt zu sagen.“

Gott, ich bin so stolz auf mich.

„Dann würde ich vorschlagen, dass wir noch mal neu anfangen und ich Ihnen verspreche, meine allerbeste Leistung abzuliefern.“

Warum zum Teufel klingt alles, was dieser Mann sagt, nach Ich-werde-dich-ficken?!

„In Ordnung. Eine Chance gebe ich Ihnen noch“, erkläre ich ihm.

„Ich frage mich, ob dies einzig und alleine meinem göttlichen Aussehen zu verschulden ist“, wird er vorlaut, und ich kann hören, dass er grinst.

Er ist tatsächlich ein überheblicher Arsch.

Aber mit so einem dummen Spruch kann er mich nicht aus der Reserve locken. „Ich weiß natürlich aus eigener Erfahrung, wie leidig es ist, lediglich auf sein hübsches Äußeres reduziert zu werden. Aber Sie bekommen nun die Möglichkeit, mich auch von Ihrem beruflichen Können zu überzeugen.“ Ich kann mir ein Lachen nicht verkneifen und muss permanent an die Lippen dieses Arsches denken.

„Oh, tut mir leid. Ich wusste nicht, dass dies eine Form von Fishing for Compliments war“, meint er, und wieder einmal fällt es mir schwer einzuschätzen, ob er mich bloß nett aufzieht oder sich über mich lustig macht. „Aber natürlich ist Ihnen klar, dass ich nicht der Typ bin, der mit Komplimenten um sich wirft.“

Flirtet er mit mir?

Das ist ernsthaft verwirrend.

„Tatsächlich? Wäre mir noch gar nicht aufgefallen.“

„Keine Ursache. Ich helfe Ihnen gerne.“

Du könntest mir helfen, indem du die Klappe hältst, herkommst und mich mit diesen Wahnsinnslippen zum Orgasmus bringst.

Aber der würde sicher erst über seine Bedingungen verhandeln, ehe er zur Sache käme.

Ich seufze, weil ich den Kerl frustrierend finde. Oder vielmehr empfinde ich meine Aussichten, bei ihm zu landen, als gering.

„Gut … ähm … war trotz allem nett, mit Ihnen zu plaudern. Ich muss jetzt aber zu einer Vorlesung, zu der ich ohnehin schon zu spät komme. Sie wissen ja: Ich liebe zwar den großen Auftritt, aber vor zwanzig Leuten zusammengestaucht zu werden ist nicht ganz so cool.“

„Natürlich“, meint er übertrieben verständnisvoll. „Ich vergaß, dass Sie einen geregelten Arbeitstag haben.“

Da ist er wieder – dieser Unterton. Ich halte mich grundsätzlich für jemanden, der Sarkasmus versteht, aber dieser Kerl hat eine ganz eigene Form davon perfektioniert.

„Dann sehen wir uns am Donnerstag“, entschließe ich mich endlich, das Telefonat zu beenden, bevor ich ganz einknicke.

„So sieht es aus. Sollten Sie mich nicht noch einmal unabsichtlich anrufen, um über mich zu tratschen, dann hören und sehen wir uns erst am Donnerstag. Natürlich gilt mein Angebot bezüglich Fragen, die Sie, da Sie nun im Besitz meiner Handynummer sind, mir gerne stellen dürfen.“

Wie lange will er mich noch für meine peinliche Aktion aufziehen?!

Bei ihm scheint meine Peinlichkeitsrate ohnehin auf ein ungesundes Maß anzusteigen. Zuerst das blöde Foto vom Foto und nun mein verbaler Erguss an die falsche Adresse. Das ist so unangenehm, dass es schon wehtut.

„Danke. Bis bald.“

„Wiederhören.“

„Arsch“, nuschele ich, nachdem ich mich vergewissert habe, auch tatsächlich aufgelegt zu haben.

Dieser Mann macht mich verrückt. Und das heißt was, wenn ich das denke oder sage. Denn eigentlich finde ich, dass Männer sehr einfach gestrickt sind. Ich komme mit ihnen immer gut klar. Nur mit diesem einen Exemplar auf einmal nicht.

Aber warum?

Was hat dieser Typ an sich, das mich anzieht? Mich verunsichert? Mich dummes Zeug plappern lässt? Ich erkenne mich kaum noch selbst, so kribbelig, wie ich mich fühle. Ich verstehe nicht, wieso mein Herz auf einmal schneller schlägt oder wie sehr ich mich darauf freue, ihn am Donnerstag wiederzusehen. Denn bestimmt wird es nicht einfach werden. Er wird mir auf die Nerven gehen. Ich werde danach eine Menge Alkohol konsumieren müssen, um mir diesen Mann aus dem Kopf zu verscheuchen.

Es wird ein Kampf. Aber für Kämpfe bin ich geboren.

3

Adam

Ich bin einer dieser Typen, der als gefestigt, vielleicht ein wenig zu aufbrausend, aber zielstrebig bezeichnet werden kann. Oberflächlichkeiten sind mir ein Gräuel; für mich zählen Leistung und Ehrlichkeit. Ich hatte das Glück, in einer großartigen Familie aufzuwachsen. Meine Eltern führen seit jeher eine gute Beziehung, wir sprachen stets offen über Probleme, und ich erfuhr immer die allerbeste Unterstützung, die man sich wünschen kann. Waren es die Miniträume, die ich als Knirps hatte, oder meine spätere berufliche Laufbahn ­– sie waren immer für mich da.

Ich mag es, wenn Dinge unkompliziert sind – zugleich schrecke ich auch vor Herausforderungen nicht zurück.

Gut, die Beschreibung meiner Person klingt zunehmend nach einem Bewerbungsschreiben auf einen Job, den ich eigentlich nicht haben möchte. Generell ist es so: Ich bin ein lockerer Typ, der lieber mit seinen Freunden auf ein Bier in eine gemütliche Bar geht, als sich die Nächte feiernd um die Ohren zu schlagen.

In meinem Job stelle ich mich gern herausfordernden Projekten. Mir ist bewusst, dass sich unsere Firma von der Konkurrenz abheben muss. Wenn wir das nicht schaffen, gehen wir sang- und klanglos unter.

Eigentlich wäre diese schräge Valerie Gibbs DAS perfekte Aushängeschild in Sachen Referenz für uns. Doch während ich zunehmend wütender vor dem Anwesen ihrer verstorbenen Großmutter warte, frage ich mich, wie masochistisch ich sein konnte, mir diese Schnepfe anzutun.

Natürlich kommt sie zu spät. Sie hält sich wohl für die allergrößte schöpferische Meisterleistung dieser Welt. Sie ist verwöhnt und eingebildet. Und sie hat nie etwas anderes zu tun gehabt, als sich aufzubrezeln und mit anderen feinen Herrschaften Sekt zu trinken.

Sie ist mir bei unserer ersten Begegnung wirklich auf die Nerven gegangen, und ihr unbeabsichtigter Anruf bei mir vor zwei Tagen zeigte, dass sie ziemlich dämlich und ungehobelt ist.

Die würde sicher keine Woche ohne die Hilfe ihres Daddys oder ihrer Horde an Angestellten überleben.

Doch so groß meine Abneigung auch ist – ich muss mich zusammenreißen. Noch immer habe ich die Worte meines Vaters im Ohr. Er las mir, nachdem er dank Holly von meinem eher unfreundlichen Verhalten ihr gegenüber erfahren hatte, ordentlich die Leviten. Null-Grips-Gibbs, wie ich die Lady seither gerne nenne, ist unsere – meine – Chance, Stone Architecture in aller Munde zu bringen. Deshalb muss ich meine Abneigung für einen Moment vergessen und professionell agieren.

Das hört sich easy an, wäre da nicht dieses selbstgefällige Grinsen, das sie zur Schau trägt, als sie Augenblicke später aus dem schwarzen Range Rover steigt und ihre Sonnenbrille aufsetzt. In ihrer Glamourwelt bestimmt sie vermutlich jede noch so plumpe Wiese zum Laufsteg. Und das kotzt mich so an, dass ich am liebsten demonstrativ umdrehen und weggehen würde, anstatt ihrem Auftritt auch noch Aufmerksamkeit zu schenken.

Wie immer befindet sich ihr Schoßhündchen dicht auf den Fersen. Verglichen mit dem Typ, der vermutlich eine Knarre zum Schutz von Prinzessin Schick trägt, hat mein Kühlschrank ja noch mehr Emotionen zu bieten. Vielleicht ist seine Anwesenheit tatsächlich erforderlich, da ich ihr sonst womöglich noch den Hals umdrehen würde. So dürr der aussieht, wäre das bestimmt kein Problem.

Danke, Calvin, dass du mir diesen Braten aufgehalst hast! Ich finde – und das sage ich jetzt, ohne altmodisch wirken zu wollen –, in meinem Alter sollte ich mich nicht mehr mit Girlies wie Gibbsy herumschlagen müssen.

Widerwillig finde ich mich mit meiner wartenden Position ab und tue es ihr gleich, indem ich meine Augen mit einer Sonnenbrille schütze. Ich traue meinen Gesichtszügen nicht.

Ich muss außerdem reumütig zugeben, dass dieses Haus der Traum jedes Vollblutarchitekten ist. Daraus kann man so viel machen – alles von modern bis klassisch. Es hat Flair, wie ich an den Plänen erkennen konnte, eine gut strukturierte Aufteilung, und auch die Grundsubstanz ist auf den ersten Blick noch gut erhalten. Als ich vor gut zwanzig Minuten die Auffahrt raufgefahren bin, sind mir fast die Augen aus dem Kopf gefallen. Aber mal ehrlich: Was habe ich bei einer Familie wie dieser auch erwartet? Eine Bruchbude, die dahergelaufene Junkies als Drogenumschlagplatz nutzen? Hier erscheint alles so verdammt gepflegt, dass sich jeder Kleingärtner des Landes die Finger ablecken würde; vorausgesetzt, werte Lady Gibbs gestattet einem Vertreter des niederen Volks Zutritt zu ihrer perfekten Welt.

Generell also würde ich einen Luftsprung hinsichtlich dieses Auftrags machen, wäre ich nicht gezwungen, mich mit den Wünschen dieser Göre befassen zu müssen.

„Mr Stone“, kommt sie mit ausgestreckter Hand auf mich zu. Ich greife danach und bemerke, dass ich wohl ein weniger fester zudrücke, als ich sollte. „Sie sind überpünktlich; freut mich.“

Die spinnt doch. In welchem Universum lebt die, bitte?!

„Lady Gibbs“, erwidere ich anstatt eines gehässigen Spruchs und ringe mir ein überfreundliches Lächeln ab. „Pünktlichkeit zählt zu den Grundvoraussetzungen, um im Leben voranzukommen.“ Außer man heißt Lady Valerie Gibbs und bekommt das Geld seines Daddys in den Arsch geschoben.

„Nach Ihrem Ermessen vermutlich genauso sehr wie Disziplin, Ordnung und Strenge“, meint sie mit fester Stimme und verzieht ihren rot geschminkten Mund zu einem breiten Lächeln. Ihre dunkelbraunen Haare hat sie zu einem Pferdeschwanz gebunden. Sie trägt ein schwarzes Kleid mit dünnen Trägern und einem v-förmigen Ausschnitt, der ihre Brüste zur Geltung bringt. Ich kann sie ehrlich nicht leiden, aber selbst unter Berücksichtigung meiner Abneigung muss ich zugeben, dass sie verdammt scharf ist. So scharf, dass ich Mühe habe, nicht permanent auf ihren Mund zu gaffen und mich zu fragen, wie es sich anfühlen würde, diese Lippen zu berühren.

Sie verunsichert mich, und das gefällt mir gar nicht. „Wollen Sie mir das Haus zeigen? Meinen patentierten Röntgenblick habe ich heute ausnahmsweise im Büro gelassen.“

Wieder dieses Grinsen, als stünde sie auf meine freche Art. Doch sie leistet meiner Bitte umgehend Folge, ignoriert meine Bemerkung und zieht einen Schlüsselbund aus ihrer Tasche. Ohne ein weiteres Wort zu sagen, betritt sie das Podest vor der Haustür und schließt auf.

Von außen wirkt das Haus mit seiner steinernen Fassade und den dunklen Holzelementen recht grob. Der Eingangsbereich ist jedoch heller – mit weißen Marmorfliesen und weißer Holzvertäfelung. Das ist zwar nicht mehr zeitgemäß, aber dennoch hübsch. Ich blicke mich neugierig um und präge mir mein erstes Gefühl hier drin gut ein. Dank dieses ersten, unverfälschten Eindrucks fällt mir die spätere Planung immer leichter. Ich werde von der Hausherrin von Raum zu Raum geführt und mache mir ab und an Notizen. Die ganze Zeit über hält Lady Gibbs tatsächlich die Klappe – wie erfrischend.

Erst als wir die Küche im hinteren Teil des Gebäudes betreten, meldet sie sich zu Wort. „Mein Lieblingsraum“, verkündet sie und streicht über die dunkle, etwas abgenutzt wirkende Arbeitsplatte.

Die Möbel gehören erneuert; vielleicht sollte man, um die Küche heller wirken zu lassen, diesen Raum mit dem Esszimmer verbinden. Ich lege meine Unterlagen auf die Anrichte und gehe zum Fenster.

„Ein toller Blick in den Garten“, sage ich. „Wir könnten eine Tür nach draußen einbauen und davor eine Terrasse anlegen. Dazu müssten wir einen Teil des Gartens roden. Aber ich kann gerne einen erstklassigen Landschaftsgärtner damit beauftragen. Er hat immer gute Ideen.“

Sie wirkt verhalten und ein wenig skeptisch. Dieselbe Reaktion wie bei jedem Vorschlag, den ich ihr bis jetzt gemacht habe.

Während ich zu ihr blicke, in Erwartung ihrer Antwort, wird mir die Spannung zwischen uns erneut so richtig bewusst. Ich habe mir zwischenzeitlich ein paar Artikel über sie angeschaut, weil ich Zeit hatte und wissen wollte, mit wem ich es zu tun habe. Die Erkenntnis war ernüchternd. Sie scheint ein männermordender Vamp zu sein.

„Okay“, lässt sie sich schließlich doch herab, irgendetwas zu sagen, auch wenn sie mir damit genau keine Antwort auf meinen Vorschlag bietet.

„Wird das Gebäude im Augenblick von jemandem betreut?“, will ich aus purer Neugierde wissen.

„Es gibt ein Verwalterpaar, das sich um anfallende Reparaturen und die Reinigung kümmert.“

„Also wohnen Sie noch nicht hier?“

„Nein. Oder sieht es danach aus?“

Meine Güte, was für eine schnippische Alte. Ich presse die Lippen aufeinander, um nichts entgegnen zu können. Gar nichts. Kein Wort. Stattdessen atme ich tief durch. „Wollen wir uns den Rest ansehen?“

„Gerne.“ Sie geht vor. Dabei steigt mir ihr frischer, femininer Duft in die Nase.

Die obere Etage beherbergt drei Schlafzimmer, zwei Bäder und einen kleinen Balkon. Meine Auftraggeberin wünscht jedoch, dass ein Bad in einen begehbaren Kleiderschrank umfunktioniert wird. Bis jetzt sind ihre Wünsche machbar. Im Vergleich zu unserem ersten Treffen, ist sie heute sehr ruhig. Während wir wieder nach unten gehen, weiß ich jedoch nicht, ob ich darüber erfreut oder enttäuscht sein soll.

„Ich zeige Ihnen noch den alten Saal, dann können Sie sich Ihren Messungen widmen“, verkündet sie mir über die Schulter und steuert auf eine doppelflügelige Tür zu.

Dahinter verbirgt sich ein kleiner Saal, von dem vier Türen nach draußen führen, mit hoher Stuckdecke und Holzboden. Die Wände gehören dringend gestrichen, und der Geruch ist nicht überwältigend. Im Vergleich zum Rest des Hauses wirkt dieser Raum beinahe vernachlässigt.

„Es riecht feucht“, lautet mein erster Kommentar, während ich mit der Hand an der Wand entlangstreiche.

„Keine Ahnung“, ertönt ihre Stimme neben mir.

Die Wand fühlt sich kalt, aber nicht nass an. „Hier möchten Sie den Pool haben?“

„Widerstrebt es Ihnen so sehr, meine Wünsche ernst zu nehmen?“, fährt sie mich an.

Ich richte mich auf und wische mir die Hand notgedrungen an meiner schwarzen Anzughose ab. „Ich nehme Sie ernst. Ich kann aber leider keine Gedanken lesen. Sie müssen daher mit mir sprechen und mir alles genau erklären.“

Sie kneift ihre Augen zusammen. „Ja, hier will ich den Pool. Ich habe mir gedacht, dass wir auch einen ansprechenden Außenbereich hinzufügen.“

„Ich werde es mir ansehen.“

„Sehr gut“, meint sie gönnerhaft, als wäre ich ihr Lakai. „Dafür bezahle ich Sie schließlich. Messen Sie den Raum ab, oder machen Sie, was auch immer Sie noch zu tun haben – ich warte solange draußen auf Sie.“

Es sollte mir egal sein, dass sie mich wie ihre Schlampe behandelt. Mit Geld kann man alles und jeden kaufen, meint sie wohl. Allerdings ist ihre Kohle tatsächlich der einzige Grund, weshalb ich jetzt in Verhandlungen mit ihr stehe.

Was zur Hölle habe ich mir nur dabei gedacht, diesen Auftrag anzunehmen?!

Und wie kann eine Frau, die solch sanfte Gesichtszüge hat, so unerträglich sein? Sie sieht aus wie ein Engel, verhält sich aber wie der Teufel höchst selbst.

Ich mache mir einige Notizen und versuche ihre Definition von „draußen“ zu eruieren. Meint sie draußen im Garten? Vor dem Haus? Das Letzte, was ich im Moment möchte, ist, ihr wie ein Hündchen hinterherzulaufen. Ich entschließe mich, ihren Aufpasser nach ihrem Verbleib zu fragen. Schließlich ist es sein Job, diese Nervensäge zu überwachen. Tom, oder wie auch immer dieser unsympathische Kerl heißt, lehnt an seinem Wagen und blickt mit verschränkten Armen zu mir.

„Wissen Sie, wo ich Lady Gibbs finden kann?“, frage ich.

„Sie telefoniert“, erwidert er. Ich könnte schwören, dass er, seit ich ihn zum ersten Mal gesehen habe, noch kein einziges Mal geblinzelt hat.

Was für ein schräger Kerl.

„Gut, dann richten Sie ihr bitte aus, dass …“

„Sie will noch einmal mit Ihnen sprechen und erwartet Sie im Garten.

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ISBN: 978-3-7394-4438-3