Münchhausen - Gottfried August Bürger - E-Book

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Gottfried August Bürger

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Beschreibung

Illustrierte Fassung Jeder kennt den Ritt auf der Kanonenkugel, das halbierte Pferd, das nicht mit dem Saufen aufhört, da es hinten ausläuft oder den Kraftakt, mit dem sich jemand am eigenen Schopf aus dem Sumpf zieht. All diese Husarenstreiche werden dem Baron Münchhausen zugeschrieben. Hieronymus Carl Friedrich Freiherr von Münchhausen (1720-1791), der Namensgeber gleichnamiger Lügengeschichten, hat tatsächlich gelebt – womit der Fakten schon genüge getan ist. Von niederem Adel und schon früh Halbwaise, lebte er mit seiner Mutter und sechs Geschwistern auf einem eher bescheidenen Gut im Weserbergland, das auch heute noch zu besichtigen ist. Münchhausen liebte es, nach der Rückkehr aus dem Kriegsdienst seine Freunde und Jagdgäste mit erfundenen Geschichte von absurder Komik und Abenteuerlichkeit zu unterhalten. Schon zu seinen Lebzeiten, was ihm nicht immer zum Vorteil geriet, wurden seine Geschichten literarisch verarbeitet und so fand er sich nicht selten gleichgesetzt mit der Person in den Büchern, mit dem Lügenbaron. Gottfried August Bürger schrieb bereits 1786 auf Grundlage eines englischen Textes, das wiederum auf einem anonym verfassten deutschen Urtext fußte, die bis heute bekannteste Version. Lang ist die Liste von Verfilmungen (die bekannteste sicherlich mit Hans Albers aus dem Jahre 1943), Adaptionen, Variationen und Zitaten. Schließlich wird der Name sogar durch eine eigene psychische Erkrankung "geadelt": Das Münchhausen-Syndrom wird geboren. Null Papier Verlag

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Seitenzahl: 138

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Gottfried August Bürger

Münchhausen

Wunderbare Reisen zu Wasser und zu Lande

Gottfried August Bürger

Münchhausen

Wunderbare Reisen zu Wasser und zu Lande

Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2019 1. Auflage, ISBN 978-3-954189-62-5

null-papier.de/446

null-papier.de/katalog

Inhaltsverzeichnis

Ers­tes Ka­pi­tel – Rei­se nach Russ­land und St. Pe­ters­burg

Zwei­tes Ka­pi­tel – Jagd­ge­schich­ten

Drit­tes Ka­pi­tel – Von Hun­den und Pfer­den des Frei­herrn von Münch­hau­sen

Vier­tes Ka­pi­tel – Aben­teu­er des Frei­herrn von Münch­hau­sen im Krie­ge ge­gen die Tür­ken

Fünf­tes Ka­pi­tel – Aben­teu­er des Frei­herrn von Münch­hau­sen wäh­rend sei­ner Ge­fan­gen­schaft bei den Tür­ken. Er kehrt in sei­ne Hei­mat zu­rück

Sechs­tes Ka­pi­tel – Ers­tes See­aben­teu­er

Sie­ben­tes Ka­pi­tel – Zwei­tes See­aben­teu­er

Ach­tes Ka­pi­tel – Drit­tes See­aben­teu­er

Neun­tes Ka­pi­tel – Vier­tes See­aben­teu­er

Zehn­tes Ka­pi­tel – Fünf­tes See­aben­teu­er

Elf­tes Ka­pi­tel – Sechs­tes See­aben­teu­er

Zwölf­tes Ka­pi­tel – Sie­ben­tes See­aben­teu­er nebst au­then­ti­scher Le­bens­ge­schich­te ei­nes Par­tis­ans, der nach der Ent­fer­nung des Barons als Spre­cher auf­tritt

Drei­zehn­tes Ka­pi­tel – Fort­ge­setz­te Er­zäh­lung des Frei­herrn

Vier­zehn­tes Ka­pi­tel – Ach­tes See­aben­teu­er

Fünf­zehn­tes Ka­pi­tel – Neun­tes See­aben­teu­er

Sech­zehn­tes Ka­pi­tel – Zehn­tes See­aben­teu­er. Eine zwei­te Rei­se nach dem Mon­de

Sieb­zehn­tes Ka­pi­tel – Rei­se durch die Welt nebst an­de­ren merk­wür­di­gen Aben­teu­ern

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Feld­zü­ge und lus­ti­ge Aben­teu­er des Frei­herrn von Münch­hau­sen, wie er die­sel­ben bei der Fla­sche im Zir­kel sei­ner Freun­de selbst zu er­zäh­len pflegt.

Erstes Kapitel – Reise nach Russland und St. Petersburg

Ich trat mei­ne Rei­se nach Russ­land von Haus ab mit­ten im Win­ter an, weil ich ganz rich­tig schloss, dass Frost und Schnee die Wege durch die nörd­li­chen Ge­gen­den von Deutsch­land, Po­len, Kur- und Liv­land, wel­che nach der Be­schrei­bung al­ler Rei­sen­den fast noch elen­der sind als die Wege nach dem Tem­pel der Tu­gend, end­lich, ohne be­son­de­re Kos­ten hoch­preis­li­cher, wohl­für­sor­gen­der Lan­des­re­gie­run­gen, aus­bes­sern müss­te. Ich rei­se­te zu Pfer­de, wel­ches, wenn es sonst nur gut um Gaul und Rei­ter steht, die be­quems­te Art zu rei­sen ist. Denn man ris­kiert als­dann we­der mit ir­gend­ei­nem höf­li­chen deut­schen Post­meis­ter eine Af­faire d’hon­neur zu be­kom­men, noch von sei­nem durs­ti­gen Po­stil­li­on vor jede Schen­ke ge­schleppt zu wer­den. Ich war nur leicht be­klei­det, wel­ches ich ziem­lich übel emp­fand, je wei­ter ich ge­gen Nord­ost hin kam.

Nun kann man sich ein­bil­den, wie bei so stren­gem Wet­ter, un­ter dem raues­ten Him­melss­tri­che, ei­nem ar­men, al­ten Man­ne zu­mu­te sein muss­te, der in Po­len auf ei­nem öden An­ger, über den der Nord­ost hin­schnitt, hilf­los und schau­dernd dalag und kaum hat­te, wo­mit er sei­ne Scham­blö­ße be­de­cken konn­te.

Der arme Teu­fel dau­er­te mir von gan­zer See­le. Ob mir gleich selbst das Herz im Lei­be fror, so warf ich den­noch mei­nen Rei­se­man­tel über ihn her. Plötz­lich er­scholl eine Stim­me vom Him­mel, die die­ses Lie­bes­werk ganz aus­neh­mend her­aus­strich und mir zu­rief: »Hol’ mich der Teu­fel, mein Sohn, das soll dir nicht un­ver­gol­ten blei­ben!«

Ich ließ das gut sein und ritt wei­ter, bis Nacht und Dun­kel­heit mich über­fie­len. Nir­gends war ein Dorf zu hö­ren noch zu se­hen. Das gan­ze Land lag un­ter Schnee; und ich wuss­te we­der Weg noch Steg.

Des Rei­tens müde, stieg ich end­lich ab und band mein Pferd an eine Art von spit­zem Baum­sta­ken, der über dem Schnee her­vor­rag­te. Zur Si­cher­heit nahm ich mei­ne Pis­to­len un­ter den Arm, leg­te mich nicht weit da­von in den Schnee nie­der und tat ein so ge­sun­des Schläf­chen, dass mir die Au­gen nicht eher wie­der auf­gin­gen, als bis es hel­ler lich­ter Tag war. Wie groß war aber mein Er­stau­nen, als ich fand, dass ich mit­ten in ei­nem Dorf auf dem Kirch­ho­fe lag! Mein Pferd war an­fäng­lich nir­gends zu se­hen; doch hör­te ichs bald dar­auf ir­gend­wo über mir wie­hern. Als ich nun em­por­sah, so wur­de ich ge­wahr, dass es an den Wet­ter­hahn des Kirch­turms ge­bun­den war und von da her­un­ter­hing. Nun wuss­te ich so­gleich, wie ich dran war. Das Dorf war näm­lich die Nacht über ganz zu­ge­schnei­et ge­we­sen; das Wet­ter hat­te sich auf ein­mal um­ge­setzt, ich war im Schla­fe nach und nach, so wie der Schnee zu­sam­men­ge­schmol­zen war, ganz sanft her­ab­ge­sun­ken, und was ich in der Dun­kel­heit für den Stum­mel ei­nes Bäum­chens, der über dem Schnee her­vor­rag­te, ge­hal­ten und dar­an mein Pferd ge­bun­den hat­te, das war das Kreuz oder der Wet­ter­hahn des Kirch­tur­mes ge­we­sen.

Ohne mich nun lan­ge zu be­den­ken, nahm ich eine von mei­nen Pis­to­len, schoss nach dem Half­ter, kam glück­lich auf die Art wie­der an mein Pferd und ver­folg­te mei­ne Rei­se.

Hier­auf ging al­les gut, bis ich nach Russ­land kam, wo es eben nicht Mode ist, des Win­ters zu Pfer­de zu rei­sen. Wie es nun im­mer mei­ne Ma­xi­me ist, mich nach dem Be­kann­ten »länd­lich sitt­lich« zu rich­ten, so nahm ich dort einen klei­nen Renn­schlit­ten auf ein ein­zel­nes Pferd und fuhr wohl­ge­mut auf St. Pe­ters­burg los. Nun weiß ich nicht mehr recht, ob es in Est­land oder in In­germ­an­land war, so viel aber be­sin­ne ich mich noch wohl, es war mit­ten in ei­nem fürch­ter­li­chen Wal­de, als ich einen ent­setz­li­chen Wolf mit al­ler Schnel­lig­keit des ge­frä­ßigs­ten Win­ter­hun­gers hin­ter mir an­set­zen sah. Er hol­te mich bald ein; und es war schlech­ter­dings un­mög­lich, ihm zu ent­kom­men. Mecha­nisch leg­te ich mich platt in den Schlit­ten nie­der und ließ mein Pferd zu un­serm bei­der­sei­ti­gen Bes­ten ganz al­lein agie­ren. Was ich zwar ver­mu­te­te, aber kaum zu hof­fen und zu er­war­ten wag­te, das ge­sch­ah gleich nach­her. Der Wolf be­küm­mer­te sich nicht im min­des­ten um mei­ne We­nig­keit, son­dern sprang über mich hin­weg, fiel wü­tend auf das Pferd, riss ab und ver­schlang auf ein­mal den gan­zen Hin­ter­teil des ar­men Tie­res, wel­ches vor Schre­cken und Schmerz nur de­sto schnel­ler lief. Wie ich nun auf die Art selbst so un­be­merkt und gut da­von­ge­kom­men war, so er­hob ich ganz ver­stoh­len mein Ge­sicht und nahm mit Ent­set­zen wahr, dass der Wolf sich bei­na­he über und über in das Pferd hin­ein­ge­fres­sen hat­te. Kaum aber hat­te er sich so hübsch hin­ein­ge­zwän­get, so nahm ich mein Tem­po wahr und fiel ihm tüch­tig mit mei­ner Peit­schen­schnur auf das Fell. Solch ein un­er­war­te­ter Über­fall in die­sem Fut­te­ral ver­ur­sach­te ihm kei­nen ge­rin­gen Schreck; er streb­te mit al­ler Macht vor­wärts, der Leich­nam des Pfer­des fiel zu Bo­den, und sie­he, an sei­ner Statt steck­te mein Wolf in dem Ge­schir­re. Ich mei­nes Orts hör­te nun noch we­ni­ger auf zu peit­schen, und wir lang­ten in vol­lem Ga­lopp ge­sund und wohl­be­hal­ten in St. Pe­ters­burg an, ganz ge­gen un­se­re bei­der­sei­ti­gen re­spek­ti­ven Er­war­tun­gen und zu nicht ge­rin­gem Er­stau­nen al­ler Zuschau­er.

Ich will Ih­nen, mei­ne Her­ren, mit Ge­schwätz von der Ver­fas­sung, den Küns­ten, Wis­sen­schaf­ten und an­de­ren Merk­wür­dig­kei­ten die­ser präch­ti­gen Haupt­stadt Russ­lands kei­ne Lan­ge­wei­le ma­chen, viel we­ni­ger Sie mit al­len Int­ri­gen und lus­ti­gen Aben­teu­ern der Ge­sell­schaf­ten vom Bon­ton, wo die Frau vom Hau­se den Gast al­le­zeit mit ei­nem Schnaps und Schmatz emp­fängt, un­ter­hal­ten. Ich hal­te mich viel­mehr an grö­ße­re und ed­le­re Ge­gen­stän­de Ih­rer Auf­merk­sam­keit, näm­lich an Pfer­de und Hun­de, wo­von ich im­mer ein großer Freund ge­we­sen bin; fer­ner an Füch­se, Wöl­fe und Bä­ren, von wel­chen, so wie von an­derm Wild­bret, Russ­land einen grö­ßern Über­fluss als ir­gend­ein Land auf Er­den hat; end­lich an sol­che Lust­par­ti­en, Rit­ter­übun­gen und preis­li­che Ta­ten, wel­che den Edel­mann bes­ser klei­den als ein biss­chen muf­fi­ges Grie­chisch und La­tein oder alle Riech­sä­chel­chen, Klun­kern und Ka­prio­len fran­zö­si­scher Schön­geis­ter und – Haar­kräu­se­ler.

Da es ei­ni­ge Zeit dau­er­te, ehe ich bei der Ar­mee an­ge­stellt wer­den konn­te, so hat­te ich ein paar Mo­na­te lang voll­kom­me­ne Muße und Frei­heit, mei­ne Zeit so­wohl als auch mein Geld auf die ade­ligs­te Art von der Welt zu ver­jun­ke­rie­ren. Man­che Nacht wur­de beim Spie­le zu­ge­bracht und vie­le bei dem Klan­ge vol­ler Glä­ser. Die Käl­te des Lan­des und die Sit­ten der Na­ti­on ha­ben der Bou­teil­le un­ter den ge­sell­schaft­li­chen Un­ter­hal­tun­gen in Russ­land einen viel hö­hern Rang an­ge­wie­sen als in un­serm nüch­ter­nen Deutsch­lan­de; und ich habe da­her dort häu­fig Leu­te ge­fun­den, die in der ed­len Kunst zu trin­ken für wah­re Vir­tuo­sen gel­ten konn­ten. Alle wa­ren aber elen­de Stüm­per ge­gen einen grau­bar­ti­gen, kup­fer­far­bi­gen Ge­ne­ral, der mit uns an dem öf­fent­li­chen Ti­sche spei­se­te. Der alte Herr, der seit ei­nem Ge­fech­te mit den Tür­ken die obe­re Hälf­te sei­nes Hirn­schä­dels ver­miss­te und da­her, so­oft ein Frem­der in die Ge­sell­schaft kam, sich mit der ar­tigs­ten Treu­her­zig­keit ent­schul­dig­te, dass er an der Ta­fel sei­nen Hut auf­be­hal­ten müs­se, pfleg­te im­mer wäh­rend dem Es­sen ei­ni­ge Fla­schen Wein­brannt­wein zu lee­ren und dann ge­wöhn­lich mit ei­ner Bou­teil­le Ar­rak1 den Be­schluss oder nach Um­stän­den ei­ni­ge Male da capo zu ma­chen; und doch konn­te man nicht ein ein­zi­ges Mal auch nur so viel Be­trun­ken­heit an ihm mer­ken. – Die Sa­che über­steigt Ihren Glau­ben. Ich ver­zei­he es Ih­nen, mei­ne Her­ren; sie über­stieg auch mei­nen Be­griff. Ich wuss­te lan­ge nicht, wie ich sie mir er­klä­ren soll­te, bis ich ganz von un­ge­fähr den Schlüs­sel fand. – Der Ge­ne­ral pfleg­te von Zeit zu Zeit sei­nen Hut et­was auf­zu­he­ben.

Dies hat­te ich oft ge­se­hen, ohne dar­aus nur Arg zu ha­ben. Dass es ihm warm vor der Stir­ne wur­de, war na­tür­lich, und dass er dann sei­nen Kopf lüf­te­te, nicht min­der. End­lich aber sah ich, dass er zu­gleich mit sei­nem Hute eine an dem­sel­ben be­fes­tig­te sil­ber­ne Plat­te auf­hob, die ihm statt des Hirn­schä­dels diente, und dass als­dann im­mer al­ler Dunst der geis­ti­gen Ge­trän­ke, die er zu sich ge­nom­men hat­te, in ei­ner leich­ten Wol­ke in die Höhe stieg. Nun war auf ein­mal das Rät­sel ge­löst. Ich sag­te es ein paar gu­ten Freun­den und er­bot mich, da es ge­ra­de Abend war, als ich die Be­mer­kung mach­te, die Rich­tig­keit der­sel­ben so­gleich durch einen Ver­such zu be­wei­sen. Ich trat näm­lich mit mei­ner Pfei­fe hin­ter den Ge­ne­ral und zün­de­te, ge­ra­de als er den Hut nie­der­setz­te, mit et­was Pa­pier die auf­stei­gen­den Düns­te an; und nun sa­hen wir ein eben­so neu­es als schö­nes Schau­spiel. Ich hat­te in ei­nem Au­gen­bli­cke die Wol­ken­säu­le über dem Haup­te un­se­res Hel­den in eine Feu­er­säu­le ver­wan­delt, und der­je­ni­ge Teil der Düns­te, der sich noch zwi­schen den Haa­ren des Hu­tes ver­weil­te, bil­de­te in dem schöns­ten blau­en Feu­er einen Nim­bus, präch­ti­ger, als ir­gend­ei­ner den Kopf des größ­ten Hei­li­gen um­leuch­tet hat. Mein Ex­pe­ri­ment konn­te dem Ge­ne­ral nicht ver­bor­gen blei­ben; er war aber so we­nig un­ge­hal­ten dar­über, dass er uns viel­mehr noch manch­mal er­laub­te, einen Ver­such zu wie­der­ho­len, der ihm ein so er­ha­be­nes An­se­hen gab.

Ar­rak, auch Ar­rack, ist eine aus rei­nem Palm­saft oder Zucker­rohr und Reis­mai­sche de­stil­lier­te Spi­ri­tuo­se mit 35–70 Vo­lu­men­pro­zent Al­ko­hol.  <<<

Zweites Kapitel – Jagdgeschichten

Ich über­ge­he man­che lus­ti­ge Auf­trit­te, die wir bei der­glei­chen Ge­le­gen­hei­ten hat­ten, weil ich Ih­nen noch ver­schie­de­ne Jagd­ge­schich­ten zu er­zäh­len ge­den­ke, die mir merk­wür­di­ger und un­ter­hal­ten­der schei­nen. Sie kön­nen sich leicht vor­stel­len, mei­ne Her­ren, dass ich mich im­mer vor­züg­lich zu sol­chen wa­cke­ren Kum­pa­nen hielt, wel­che ein of­fe­nes, un­be­schränk­tes Wald­re­vier ge­hö­rig zu schät­zen wuss­ten. So­wohl die Ab­wech­se­lung des Zeit­ver­trei­bes, wel­chen die­ses mir dar­bot, als auch das au­ßer­or­dent­li­che Glück, wo­mit mir je­der Streich ge­lang, ge­rei­chen mir noch im­mer zur an­ge­nehms­ten Erin­ne­rung.

Ei­nes Mor­gens sah ich durch das Fens­ter mei­nes Schlaf­ge­machs, dass ein großer Teich, der nicht weit da­von lag, mit wil­den En­ten gleich­sam über­deckt war. Flugs nahm ich mein Ge­wehr aus dem Win­kel, sprang zur Trep­pe hin­ab, und das so über Hals und Kopf, dass ich un­vor­sich­ti­ger­wei­se mit dem Ge­sich­te ge­gen die Tür­pfos­te renn­te. Feu­er und Fun­ken sto­ben mir aus den Au­gen; aber das hielt mich kei­nen Au­gen­blick zu­rück. Ich kam bald zum Schuss; al­lein wie ich an­leg­te, wur­de ich zu mei­nem großen Ver­drus­se ge­wahr, dass durch den so­eben emp­fan­ge­nen hef­ti­gen Stoß so­gar der Stein von dem Flin­ten­hah­ne ab­ge­sprun­gen war. Was soll­te ich nun tun? Denn Zeit war hier nicht zu ver­lie­ren. Glück­li­cher­wei­se fiel mir ein, was sich so­eben mit mei­nen Au­gen zu­ge­tra­gen hat­te. Ich riss also die Pfan­ne auf, leg­te mein Ge­wehr ge­gen das wil­de Ge­flü­gel an und ball­te die Faust ge­gen eins von mei­nen Au­gen. Von ei­nem der­ben Schla­ge flo­gen wie­der Fun­ken ge­nug her­aus, der Schuss ging los, und ich traf fünf Paar En­ten, vier Rot­hälse und ein Paar Was­ser­hüh­ner. Ge­gen­wart des Geis­tes ist die See­le mann­haf­ter Ta­ten. Wenn Sol­da­ten und See­leu­te öf­ters da­durch glück­lich da­von­kom­men, so dankt der Weid­mann ihr nicht sel­te­ner sein gu­tes Glück.

So schwam­men einst auf ei­nem Land­see, an wel­chen ich auf ei­ner Jagd­strei­fe­rei ge­riet, ei­ni­ge Dut­zend wil­der En­ten all­zu weit von­ein­an­der zer­streut um­her, als dass ich mehr denn eine ein­zi­ge auf einen Schuss zu er­le­gen hof­fen konn­te; und zum Un­glück hat­te ich mei­nen letz­ten Schuss schon in der Flin­te. Gleich­wohl hät­te ich sie gern alle ge­habt, weil ich nächs­tens eine gan­ze Men­ge gu­ter Freun­de und Be­kann­ten bei mir zu be­wir­ten wil­lens war. Da be­sann ich mich auf ein Stück­chen Schin­ken­speck, wel­ches von mei­nem mit­ge­nom­me­nen Mund­vor­rat in mei­ner Jagd­ta­sche noch üb­rig­ge­blie­ben war. Dies be­fes­tig­te ich an eine ziem­lich lan­ge Hun­de­lei­ne, die ich auf­dre­he­te und so we­nigs­tens noch um vier­mal ver­län­ger­te. Nun ver­barg ich mich im Schilf­ge­sträuch am Ufer, warf mei­nen Speck­bro­cken aus und hat­te das Ver­gnü­gen, zu se­hen, wie die nächs­te Ente hur­tig her­bei­schwamm und ihn ver­schlang. Der ers­ten folg­ten bald alle üb­ri­gen nach, und da der glat­te Bro­cken am Fa­den gar bald un­ver­daut hin­ten wie­der her­aus­kam, so ver­schlang ihn die nächs­te, und so im­mer wei­ter. Kurz, der Bro­cken mach­te die Rei­se durch alle En­ten samt und son­ders hin­durch, ohne von sei­nem Fa­den los­zu­rei­ßen. So sa­ßen sie denn alle dar­an wie Per­len an der Schnur. Ich zog sie gar al­ler­liebst ans Land, schlang mir die Schnur ein hal­b­es Dut­zend mal um Schul­tern und Leib und ging mei­nes We­ges nach Hau­se zu. Da ich noch eine ziem­li­che Stre­cke da­von ent­fernt war und mir die Last von ei­ner sol­chen Men­ge En­ten ziem­lich be­schwer­lich fiel, so woll­te es mir fast leid tun, ih­rer all­zu vie­le ein­ge­fan­gen zu ha­ben. Da kam mir aber ein selt­sa­mer Vor­fall zu­stat­ten, der mich an­fangs in nicht ge­rin­ge Ver­le­gen­heit setz­te. Die En­ten wa­ren näm­lich noch alle le­ben­dig, fin­gen, als sie von der ers­ten Be­stür­zung sich er­holt hat­ten, gar mäch­tig an mit den Flü­geln zu schla­gen und sich mit mir hoch in die Luft zu er­he­ben. Nun wäre bei man­chem wohl gu­ter Rat teu­er ge­we­sen. Al­lein ich be­nutz­te die­sen Um­stand, so gut ich konn­te, zu mei­nem Vor­teil und ru­der­te mich mit mei­nen Rock­schö­ßen nach der Ge­gend mei­ner Be­hau­sung durch die Luft. Als ich nun ge­ra­de über mei­ner Woh­nung an­ge­langt war und es dar­auf an­kam, ohne Scha­den mich her­un­ter­zu­las­sen, so drück­te ich ei­ner Ente nach der an­de­ren den Kopf ein, sank da­durch ganz sanft und all­mäh­lich ge­ra­de durch den Schorn­stein mei­nes Hau­ses mit­ten auf den Kü­chen­herd, auf wel­chem zum Glück noch kein Feu­er an­ge­zün­det war, zu nicht ge­rin­gem Schreck und Er­stau­nen mei­nes Ko­ches.

Ei­nen ähn­li­chen Vor­fall hat­te ich ein­mal mit ei­ner Ket­te Hüh­ner. Ich war aus­ge­gan­gen, um eine neue Flin­te zu pro­bie­ren, und hat­te mei­nen klei­nen Vor­rat von Ha­gel ganz und gar ver­schos­sen, als wi­der al­les Ver­mu­ten vor mei­nen Fü­ßen eine Flucht Hüh­ner auf­ging. Der Wunsch, ei­ni­ge der­sel­ben abends auf mei­nem Ti­sche zu se­hen, brach­te mich auf einen Ein­fall, von dem Sie, mei­ne Her­ren, auf mein Wort, im Fal­le der Not Ge­brauch ma­chen kön­nen. So­bald ich ge­se­hen hat­te, wo sich die Hüh­ner nie­der­lie­ßen, lud ich hur­tig mein Ge­wehr und setz­te statt des Schro­tes den Lad­stock auf, den ich, so gut sichs in der Eile tun ließ, an dem obe­ren Ende et­was zu­spitz­te. Nun ging ich auf die Hüh­ner zu, drück­te, so­wie sie auf­flo­gen, ab und hat­te das Ver­gnü­gen, zu se­hen, dass mein Lad­stock mit sie­ben Stücken, die sich wohl wun­dern moch­ten, so früh am Spie­ße ver­ei­nigt zu wer­den, in ei­ni­ger Ent­fer­nung all­mäh­lich her­un­ter­sank. – Wie ge­sagt, man muss sich nur in der Welt zu hel­fen wis­sen.

Ein an­de­res Mal stieß mir in ei­nem an­sehn­li­chen Wal­de von Russ­land ein wun­der­schö­ner schwar­zer Fuchs auf. Es wäre jam­mer­scha­de ge­we­sen, sei­nen kost­ba­ren Pelz mit ei­nem Ku­gel- oder Schrot­schus­se zu durch­lö­chern. Herr Rei­ne­ke stand dicht bei ei­nem Bau­me. Au­gen­blick­lich zog ich mei­ne Ku­gel aus dem Lau­fe, lud da­für einen tüch­ti­gen Brett­na­gel in mein Ge­wehr, feu­er­te und traf so künst­lich, dass ich sei­ne Lun­te fest an den Baum na­gel­te. Nun ging ich ru­hig zu ihm hin, nahm mein Weid­mes­ser, gab ihm einen Kreuz­schnitt übers Ge­sicht, griff nach mei­ner Peit­sche und kar­batsch­te ihn so ar­tig aus sei­nem schö­nen Pel­ze her­aus, dass es eine wah­re Lust und ein rech­tes Wun­der zu se­hen war.