Münchnerinnen - Ludwig Thoma - E-Book

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Ludwig Thoma

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Beschreibung

Der Roman aus der Isar-Metropole erzählt die Geschichte von Benno, dem geldsüchtigen Karrierist und seiner Frau Paula, die er immer mehr vernachlässigt und die erst beim Studenten Franz ihr Glück findet und daraufhin ihr Leben radikal umkrempelt ...

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Münchnerinnen

Ludwig Thoma

Inhalt:

Ludwig Thoma – Biografie und Bibliografie

Münchnerinnen

Münchnerinnen, Ludwig Thoma

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

Loschberg 9

86450 Altenmünster

ISBN: 9783849637637

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

Ludwig Thoma – Biografie und Bibliografie

Geb. am 21. Januar 1867 in Oberammergau als fünftes Kind des Försters Max Thoma und dessen Ehefrau Katharina, gest. 26. August 1921 in Tegernsee. Mit 7 Jahren Umzug nach München-Forstenried und Tod des Vaters. Schon als Schüler war Thoma immer wehrhaft gegen die damalige Doppelmoral und besuchte bis zum Abitur 1886 insgesamt 5 Gymnasien. Es folgte ein Jura-Studium und eine Anstellung als Rechtspraktikant von 1890 bis 1893. Nach dem Tod der Mutter 1894 beginnt er in Dachau als Rechtsanwalt zu arbeiten und entdeckt alsbald seine literarische Ader. 1899 widmet sich Thoma mehr und mehr der Zeitschrift "Simplicissimus" und wird im folgenden Jahr dessen Chefredakteur. Es folgte seine produktivste Zeit, die 1906 in der Herausgeberschaft der Zeitschrift "März", zusammen mit Hermann Hesse, gipfelte. Im Ersten Weltkrieg dient Thoma als Sanitäter, erkrankt aber selbst an der Ruhr. Er stirbt 1921 an Magenkrebs in seinem Haus in Tegernsee.

Wichtige Werke:

1897: Agricola1899: Die Witwen1901: Die Medaille1901: Assessor Karlchen1902: Die Lokalbahn1904: Der heilige Hies, illustriert von Ignatius Taschner1905: Lausbubengeschichten1906: Andreas Vöst1907: Tante Frieda1907: Kleinstadtgeschichten1909: Moral1909: Briefwechsel eines bayrischen Landtagsabgeordneten1910: Erster Klasse1911: Der Wittiber1911: Lottchens Geburtstag1911: Ein Münchner im Himmel1912: Magdalena1912: Jozef Filsers Briefwexel1913: Die Sippe1913: Das Säuglingsheim1913: Nachbarsleute1916: Die kleinen Verwandten1916: Brautschau1916: Dichters Ehrentag1916: Das Kälbchen1916: Der umgewendete Dichter1916: Onkel Peppi1916: Heimkehr1916: Das Aquarium und anderes1917: Heilige Nacht1918: Altaich1919: Münchnerinnen1919: Erinnerungen1921: Der Jagerloisl1921: Der Ruepp1921: Kaspar Lorinser (Fragment)

Münchnerinnen

I.

In einer Seitengasse der inneren Stadt lag die Spezereiwarenhandlung von Nepomuk Globergers sel. Erben. Zwei Ladenfenster und eine mit Schnitzereien geschmückte Glastüre nahmen zu ebener Erde die Front des schmalen Globergerschen Hauses ein; in einer Nische über den Fenstern des ersten Stockwerkes stand eine schmerzhafte Mutter Gottes, und davor brannte in einer roten Ampel ein ewiges Licht, gestiftet vom Gründer des Geschäftes, Nepomuk Globerger, der unter Max Joseph aus der Altöttinger Gegend nach München verzogen war.

Wer sich an alten Häusern als den Wahrzeichen und Zeugen einer lieben Vergangenheit erfreut, mochte gerne vor dem Hause stehen bleiben und die Rokokoornamente über den Fenstern betrachten.

Aber der Laden mit den Auslagen mußte ihn aus der Behaglichkeit aufstören, denn Benno Globerger, der jetzige Besitzer, war dem Zeitgeiste, der Höhe und Breite braucht, um sich protzig zu geben, gefolgt und hatte die Fenster vergrößert, mit Spiegelscheiben versehen und mit Rolläden geschmückt.

Hinter den Fenstern leuchteten Plakate von Zigarettenfabriken, von Kakao-, Feigen- und Malzkaffeefirmen hervor.

Sympathische Hausmütterchen tranken aus großen Tassen ihre Lebenselixiere, Andreas Hofer schwang die Fahne zu Ehren eines Feigenkaffees, und reizvolle Damen rauchten Zigaretten und zeigten ihre schlanken Waden her.

Wer in den Laden eintrat, wurde von einem älteren, anscheinend schwerhörigen Ladendiener ohne sich überstürzende Höflichkeit begrüßt und konnte an seiner bedächtigen Manier, die Waren in Papier einzuschlagen, sehen, daß man hier Zeit hatte.

Ein Lehrbub, dessen sommersprossiges Gesicht Lust zu dummen Streichen verriet, stand gaffend hinter der Budel und schlenkerte mürrisch zur hinteren Türe hinaus, wenn ihm der Ladendiener in grobem Ton einen Auftrag gab.

Viel beschäftigt schien nur Herr Benno Globerger zu sein, der im anstoßenden offenen Kontor hinter einem Pulte stand.

Aber wenn er spielerisch mit dem Federhalter Kreise beschrieb, um schwungvolle Kaufmannsbuchstaben aufs Papier zu malen, oder wenn er sorgfältig ein Lineal auflegte, um rote Striche unter schwarze zu ziehen, erkannte man, daß seine Arbeit mehr qualitativ als quantitativ bedeutend war.

Er liebte es, sich vor Kunden ein Ansehen zu geben, und rief Fragen oder Befehle in den Laden herein, aber das mehrte seinen Ruhm nicht, denn der Ladendiener gab respektlose Antworten, und der Lehrling verzog das Gesicht zu einem heimlichen Lachen. Ob der Gram über den Mangel an Autorität, oder ob ein anderes Gefühl Herrn Globerger täglich kurz vor elf Uhr mit Unruhe erfüllte, mag dahingestellt sein; jedenfalls zog er stets um diese Zeit einigemal seine Uhr aus der Tasche, schüttelte den Kopf, murmelte etwas von dringenden Geschäften und holte dann mit einem energischen Ruck den Hut vom Nagel herunter, um schleunig ins Freie zu eilen.

Durch die Gasse ging er im Geschwindschritte, und sein Gesicht behielt einen sorgenvollen, überanstrengten Ausdruck bei, der sogleich einem aufatmenden Behagen wich, wenn Globerger auf den Marienplatz kam. Da schlenderte er langsam, alle Passanten jovial betrachtend, jedem Dinge Beachtung schenkend, einer Weinstube zu und trat von Wohlwollen strahlend ein. Er grüßte nach allen Seiten, erwiderte fröhliche Zurufe und zeigte in familiärer Behandlung der Kellnerin die Rechte des Stammgastes.

Hier war der Ort, wo er das glückliche Gefühl hatte, etwas zu gelten.

Und in der Tat konnte, wer sein Vermögen vergrößern und durch glückliche Unternehmungen Reichtum erwerben wollte, nichts Besseres tun, als auf Herrn Globerger hören, der bei einem Schoppen Wein die besten Ratschläge bereit hatte und genau wußte, wie aus der Entwicklung der Stadt erhebliche Gewinne zu ziehen wären.

Seine Pläne waren kühn und weit ausschauend, und sein Tadel gegen Rückständigkeit war herb.

Allerdings waren ihm selber alle Versuche, den Fortschritt auszubeuten, mißlungen, aber daran waren Zufälle, die auch der klarste Kopf nicht hatte berechnen können, schuld gewesen.

Sein geschäftlicher Rückgang aber fand die beste wie einfachste Erklärung darin, daß die Erfolge der Konkurrenz auf unsauberen Machenschaften beruhten. Da mußte man es wohl gelten lassen, daß sich ein Altmünchner gegen das neuzeitliche, unreelle Wesen sträubte und mit Rechtssinn und Biederkeit in Schwierigkeiten geriet.

An denen fehlte es nicht, und sie stellten sich zu allen Jahreszeiten ein; die Verfalltage ausgestellter Wechsel kamen hinter den Verfalltagen der Hypothekenzinsen, und sie hatten das gemeinsam, daß sie stets überraschend eintrafen.

Jedesmal äußerte Globerger sein unwilliges Erstaunen gegen den schwerhörigen Ladendiener, und jedesmal wunderte sich dieser über die Gunst des Schicksals, das im letzten Augenblick Hilfe schickte.

Auf schlimme Zeiten folgten schönere, wenn Herr Globerger etwa mit dem Vertreter einer Firma, die ihn bedrängt hatte, wieder zusammentraf.

Als gekränkter Ehrenmann war er groß in Seitenhieben und sarkastischen Bemerkungen über wahre Noblesse und Solidität, und seine Briefe an Geschäftshäuser, die ihn mit Klage bedroht hatten, waren vollends meisterhafte Leistungen voll treffenden Humors, der sich schon gleich in der auffälligen Vermeidung von Höflichkeitsformeln zeigte.

In diesen Dingen war Benno Globerger keine Ausnahmeerscheinung; er gehörte der zahlreichen Klasse behäbiger Bürger an, die von einem Kredite zum andern sehr auskömmlich leben.

Diese jeder nationalökonomischen Wissenschaft Hohn sprechende Kunst fand in München stets eine treffliche Pflege.

Der Vater Bennos, der Globerger Muckl, war ein Mann, der seinem Sohne außer den Anfängen des geschäftlichen Rückganges alle Eigenschaften hinterlassen konnte, die den Menschen vor Hast und Ruhelosigkeit bewahren.

Da er seine Frühschoppen, Abendschoppen und Kaffeehaussitzungen gewissenhaft unter die Kundschaft verteilte, und da er vielen Vereinen eine selbstlose, hingebende Tätigkeit widmete, hatte er keine Zeit, sich um die Erziehung zu kümmern.

Er überließ sie vertrauensvoll der Frau wie der Schule.

Wie recht er hatte, nicht überängstlich zu sein, bewies der Erfolg, denn auch Benno erreichte das eigentliche Ziel aller Vorbildung, die Berechtigung zum Einjährigendienste, die für ihn als Gradmesser wertvoll blieb, auch als er wegen Herzverfettung frei wurde. Er trat als Volontär bei einem befreundeten Kaufmanne ein, und es lag schon im Begriffe dieses Wortes begründet, daß er sich nicht überanstrengte.

Als der Globerger Muckl an einem sonnigen Novembertage von einem Ausfluge zum Giesinger Weinbauern nicht mehr heimgekehrt, sondern ohne Umstände und Vorbereitungen vom Schlage gerührt in einem Straßenbahnwagen verschieden war, übernahm Benno das väterliche Geschäft. Er war von der Bedeutung seiner Stellung als Bürger und Geschäftsherr tief ergriffen und zeigte in den ersten Wochen oder Monaten einen Eifer, den Kenner und Freunde der Globergerschen Familie belächelten.

Er trug sich mit großen Plänen und wollte den Betrieb reformieren, organisieren und dem Zeitgeiste anpassen. Er nahm sich vor, in Hamburg wie in Bremen Anschluß an bedeutende Firmen zu suchen, um das Beste in Kaffee, Tabak und Zigarren zu führen.

Er knüpfte Verbindungen mit der Londoner City an und wollte den feinsten Tee für München erhalten.

Die Nachbarn sahen mit Staunen, wie der junge Mann eine Stunde vor der üblichen Zeit den Laden öffnen ließ, wie er auf die Straße hinaustretend das Arrangement der Auslage überwachte, und sie übersahen es nicht, daß auch nach Ladenschluß noch längere Zeit Licht im Kontor brannte.

Durchs Fenster, das nicht verhängt war, konnte man sehen, wie Benno am Pulte stand und eifrig schrieb.

»Der Bub reibt sich auf«, sagte seine Mutter zu Bekannten. »Essen und Trinken kennt er schon bald nimmer. Wenn ich ihn an mein Mann selig erinnere bei dems doch nie so pressant war, laßt er mich net ausreden. ›Mami‹, sagt er, ›der Pappi hat einer andern Zeit anghört. Da is 's noch pomadig gangen; die Neuzeit‹, sagt er, ›verlangt eiserne Tatkraft.‹ I hab wirkli Angst um mein Beni.«

Auch der schwerhörige Ladendiener hatte Angst, Gram und Ärger, denn der junge Herr jagte ihn aus seiner Gemächlichkeit heraus, fragte, forschte, befahl und hielt feurige Ansprachen an ihn.

»Dös mach i nimmer lang«, sagte der Kommis, der Charles Flunger hieß, aber von Benno, der es damals mit der englischen Tüchtigkeit hielt, Tscharlie genannt wurde. »I mag einfach nimmer. Heut will er Bilanz aufnehmen, morg'n will er an Ausverkauf arrangieren, 's Lager will er säubern, und 's Lager will er umbau'n, a Kaffeerösterei will er haben, neue Räume für'n Tee will er haben, von oan Eck hetzt er mi ins andere, und allaweil dös Schimpfen über alte Schlamperei, na, fallt mir net ei. A Monat schau i no zua... Wird's net anders, sag i auf...«

Es wurde anders.

Die Reformen im Großen verlieren ihren Reiz durch die ermüdenden Details, durch Schwierigkeiten und Widerstände. Gerade die flammenden Begeisterungen ersticken in der Atmosphäre von Nüchternheit und Mißtrauen.

Die alte Kundschaft wollte keine Neuerungen, sie hing am Hergebrachten, besonders an den alten Preisen.

Es erging dem Eifer Bennos wie den Blechdosen der Firma John Baxter and Donley, die mit köstlichem Tee angefüllt waren.

Zuerst standen sie auffällig in der Auslage, dann erhielten sie einen bescheideneren Platz im Laden, und nach etlichen Monaten standen sie in einer Ecke des Kontors, wo sie mit Staub überzogen wurden.

Benno stellte seine fieberhafte Tätigkeit nach Ladenschluß ein, und die Nachbarn konnten sich an seinem Fleiße nicht mehr erbauen.

Übrigens war auch der Rolladen heruntergezogen.

Tscharlie wurde nicht mehr vom Laden ins Lager, vom Lager in den Keller gehetzt, und bald kam der Tag, wo Globerger junior, ganz so wie sein Vater, kurz vor elf die Uhr aus der Tasche zog, etwas von Geschäften murmelte und ins Freie eilte.

Es gab noch einmal eine Zeit der besten Vorsätze zu Aufschwung und Tätigkeit.

Das war, als sich Benno mit Paula, der Tochter des Hutmachers Schoderer, verheiratete.

Nicht als ob ihn eine tiefe Leidenschaft für das hübsche, gutmütige Mädel erfüllt hätte; sie gefiel ihm, und seine Werbung wurde angenommen.

Es war nichts Aufwühlendes, was ihn zu dem Vorsatze brachte, ein regsamer, vorwärts schreitender Handelsherr zu werden; es war eine milde Stimmung, der er sich als weicher, lenkbarer Mensch hingab.

Als der Pfarrer von den Stürmen des Lebens sprach, denen der Mann ruhig entgegen steuere, nickte Benno bestätigend mit dem Kopfe.

Als es dann hieß, die zarte Frau klammere sich an den Mann, wie sich der Efeu um den Baum ranke, nickte er wieder, und Tränen füllten seine Augen. Kämpfen, stark sein, das wollte er. Und er blickte gerührt auf dieses zarte, vertrauensvolle Wesen, das er fortan vor den Stürmen behüten sollte.

Einige Frauen der Hochzeitsgesellschaft bemerkten seine Bewegung und fanden Gefallen daran.

Wenn sie Tscharlie, der als Zuschauer im Hintergrunde stand, auch bemerkt hätte, wären in ihm schlimme Ahnungen aufgestiegen, Erinnerungen an schweißtriefende Reformpläne.

Aber er sah sie nicht, und als Benno mit der jungen Frau von der Hochzeitsreise heimkehrte, hatten seine Vorsätze alle Heftigkeit verloren.

Seine Zärtlichkeit war abgeflaut, und schon vor dem Einzuge ins eigene Heim sah Paula, wie so manche junge Frau, mit Erstaunen, wie einschläfernd Gewohnheit auf junge Ehemänner wirkt.

Wenn dieses Einschlummern mit dem Erwachen des anderen Teiles zusammentrifft, gibt es Enttäuschungen und Leiden, jenes bittere Durchringen zur Erkenntnis der Ehe.

Gutmütigkeit und ein bequemes, erregten Auftritten abgeneigtes Naturell verhinderten Paula, in diesen Kämpfen leidenschaftlich zu werden.

Wenn Benno ihre Zärtlichkeiten, mit denen sie auch zur Unzeit freigebig war, nicht erwiderte, schmollte sie etwas täppisch, um sich gleich wieder anzunähern.

Nur ganz allmählich setzte sich in ihr eine leise Mißachtung gegen den Mann fest, der immer von Grundsätzen und vom Ernst des Lebens sprach, wenn er seinen nichtssagenden Freuden nachging und sie vernachlässigte.

Aber die Stimmung hielt nicht an.

In Vergnügungen und Gewohnheiten, im Klatsch mit den Bekannten und auch ein wenig im kleinen Krieg mit der Schwiegermutter übersah sie, wie leer und nichtssagend ihr Leben war.

Daß der Kindersegen ausblieb, bedrückte sie in den ersten zwei Jahren; später sah sie darin eine Bequemlichkeit, die ihr zusagte.

Eines Tages sagte Tscharlie auf und verließ Haus und Firma Globerger, um die Witwe eines Mühldorfer Kaufmanns zu heiraten.

Es waren unangenehme Zeiten für Benno, der nunmehr die Unzuverlässigkeit der neuzeitlich verbildeten Angestellten, ihre hohen Ansprüche, ihren Mangel an Kenntnissen, ihr taktloses Benehmen, ihre Undankbarkeit so gründlich kennen lernte, daß er darüber die lehrreichsten Gespräche in der Weinstube führen konnte.

Selbst diese Erholung wäre ihm beinahe durch den ständigen Wechsel der Ladendiener verkümmert worden, und mehr wie einmal hatte er den Hut wieder an den Nagel gehängt, um bis zur Mittagszeit zu bleiben und dem neuen Kommis ein Beispiel der Pflichttreue zu geben.

Aber zuletzt siegte stets der unwiderstehliche Trieb in ihm, und er fand auch Mittel, den Neuling zu täuschen, indem er laut nach dem Postauslauf fragte, oder ein Bankgeschäft telephonisch anrief und ihm seinen sofortigen Besuch in Aussicht stellte, oder sich irgendwie mit Widerstreben, unter Seufzen über Zeitverlust, durch dringlichste Angelegenheiten bewegen ließ, einen Gang zu machen.

Zuweilen füllte er ein Geldkuvert mit leeren Briefbögen an, petschierte es sorgfältig an den vier Ecken und in der Mitte mit Siegellack und hantierte damit so auffällig im Laden, daß der neue Kommis den Geldbrief sehen und an eine wichtige Postsendung glauben mußte.

Allein es war zumeist überflüssig, daß der grinsende Lehrling den Neuling über die wahre Natur der Geschäftsgänge aufklärte.

Wenn Angestellte von der Natur noch so kümmerlich mit geistigen Gaben bedacht sind, sie besitzen doch einen ungemein sicheren Instinkt für die Fehler und Schwächen ihrer Prinzipale.

Ein paar tüchtige junge Leute sahen darin die Unmöglichkeit, Nützliches zu leisten, und gingen, so schnell sich's machen ließ; einige Taugenichtse mißbrauchten sie schon nach einigen Tagen so plump, daß man sie entlassen mußte.

Das Ladengeschäft wurde zusehends schlechter und Benno immer verdrießlicher.

Als sechster in der Reihenfolge meldete sich ein junger Mann aus Innsbruck, Sebastian Rubatscher, der wenig Aussicht auf den Posten gehabt hätte, wenn nicht so viele Enttäuschungen vorausgegangen wären.

Er war ein vierschrötiger Mensch, langsam und bedächtig in jeder Bewegung und von einer unerschütterlichen Gemütsruhe.

Antreibende oder heftige Worte erwiderte er mit einem wohlwollenden Lächeln, zu dem er den Mund kaum eigens verziehen mußte, denn es saß immer um seine Lippen.

Zuweilen sagte er auch: »Woll, woll, Herr Ch... Chloberger«, und die in tiefen Kehllauten gesprochenen Silben kamen eine nach der andern mühsam hervor.

Seine Arbeit erledigte er willig, und es ließ sich ihm kein Versehen nachweisen, nur durften ihm nervenschwache Menschen nicht zusehen, wie er etwa Kaffee abwog oder die Waren in Papier einschlug oder Zigarren in die Tüten steckte, denn die Langsamkeit seiner übergroßen Hände wirkte aufpeitschend.

Und wenn er dazu, den Kopf seitlich geneigt, etwas träumerisch ins Leere schaute und vor sich hinlächelte, konnten reizbare Kunden in Wut geraten.

Aber da der Andrang nicht stärker wurde, ging die Sache von Woche zu Woche ihren ruhigen Gang; der Prinzipal bemerkte mit Wohlgefallen, daß sein Kommis immer gleich dienstfertig blieb und ehrerbietig zuhorchte, wenn er nach dem Präsentieren eines Wechsels über die unglaubliche Insolenz der Lieferanten und über das Schwinden aller reellen Prinzipien loszog.

Rubatscher machte zustimmende Gebärden und raffte sich sogar zu einer Bemerkung auf.

»Es sein höllische Facken«, sagte er.

»Was?«

»Höllische Facken sein s', sölle Lieferanten.«

»Dieser betreffende Wechsel da, der wo gestern in meiner Abwesenheit präsentiert worn is, bezieht sich auf eine Kaffeelieferung«, erklärte Benno. »Ich hab sofort reklamieren lassen, weil ich eine solchene Ware meinen Kunden nicht vorsetzen kann, ich hab auch Order geben, daß er auf der Stell der betreffenden Firma zur Verfügung gestellt werd. Natürlich, der Pilzweyer, Ihr Vorgänger, hat die Sache wieder einmal verschlampt. Aber die Tatsache, daß ich reklamiert habe, bleibt bestehen. Eine solche Firma hätte einem langjährigen Primakunden, von dem sie Tausende verdient hat, ganz einfach schreiben müssen: Soundso, wir bedauern Vorgefallenes und berechnen das Kilo mit soundso viel weniger und hoffen mit nächster Sendung geneigtes Wohlwollen oder Zufriedenheit oder so erwerben zu können. Das wäre kulant gewesen. Aber das gibt's ja nimmer, im Zeitalter der Warenhäuser und Schwindelfirmen! Schickt mir ganz einfach den Wisch, aber ich werde dieser Firma Dudenbostel und Kompagnie ein Licht aufstecken. Vielleicht werden die Herrschaften begreifen, mit wem sie es zu tun haben.«

Rubatscher legte sich auch innerlich nicht die Frage vor, warum der Herr Prinzipal den Wechsel ausgestellt habe, wenn und so weiter...

Er machte eine ernste Miene zu der unbegreiflichen Rücksichtslosigkeit der Firma Dudenbostel, und Benno ging als Sieger ab, um im Kontor einen beißenden Brief mit Weglassung aller Höflichkeitsformeln zu schreiben.

»Eigentlich kein übler Mensch«, sagte der Prinzipal zu sich selber. »Langsam und ein bissel dumm und ein echter tiroler Wastel, aber der Mensch versteht wenigstens, was ma der Autorität schuldig is. So was gfallt mir...«

Den Dienstmädeln in der Nachbarschaft gefiel Rubatscher auch; an der Joppe trug er auf der linken Achsel eine doppelte geflochtene grüne Schnur, die wie eine Epaulette aussah; wenn er sich auf der Straße sehen ließ, hatte er einen Steyrerhut schief auf dem Kopfe sitzen, und darüber ragte kerzengerade ein Gemsbart in die Luft.

Er hatte etwas Gebirglerisches an sich; man dachte gleich an romantische Alpenlandschaften und an treuherzige Menschen, wenn man ihn erblickte.

Einige erzählten, daß er wunderschön auf der Zither spiele und dazu singe; in den Abendstunden hörte man die anheimelnden Klänge, wenn sich Rubatscher in seinem Dachzimmer am offenen Fenster hören ließ:

»Drunt im tiaf'n Toll Rauscht a Wossafoll...«

oder

»Zillachtoll, du bischt mei Freid!«

Das weibliche Gemüt neigt sich dem Ungewöhnlichen zu und ist dankbar für alles, was die Phantasie anregt.

Und die beschäftigte sich gerne mit dem Lande, in das man sich hineinträumen konnte, wenn man in klaren Herbsttagen von der Sendlingerhöhe aus die verschneiten Berge sah; aus Theaterstücken und Romanen wußte man, wie bieder und herzig die Leute dort sind, und wie sich das Leben dort viel ergreifender abspielt als in flachen Gegenden.

Von der erträumten Herrlichkeit, die stärker wirkt. als jede Wirklichkeit, fiel ein Schimmer auf Sebastian Rubatscher und verschonte ihn – was notwendig war, denn sein unreiner Teint, seine schadhaften Zähne und sein spärlicher Haarwuchs hätten streng urteilende Mädchen abstoßen müssen.

Die junge Frau Globerger hatte Augen für diese Mängel, und da angedichtete Romantik nur auf Entfernung standhält, im täglichen Umgange aber sogleich verblaßt, fand sie an dem neuen Ladendiener nichts, was ihr gefallen konnte.

Ganz abgeneigt war ihm die alte Frau, weil sein ungestümer Appetit eine Gefahr für den Haushalt bedeutete und, wenn man ihn nicht befriedigte, Grund zu schlimmen Befürchtungen gab.

Im Ofenloche in Rubatschers Zimmer hatte die rüstige Alte Häute von Zervelat- und Salamiwürsten entdeckt, auch in der Dachrinne lagen etliche neben einer Sardinenbüchse. Sie hinterbrachte das Ergebnis ihrer durchdringenden Forschungen sogleich Benno, der aber von der Aufforderung, den Sohn der Berge zu inquirieren, gar nicht angenehm berührt war.

Jemanden zur Rede stellen, lag nicht in seiner Natur.

So unzufrieden, ja so wütend er über die Vorgänger Rubatschers oft gewesen war, er hatte keinem seine Meinung gesagt.

Im Kontor hatte er vor seinem Pulte erregte Selbstgespräche gehalten und mit dem Lineal wütende Hiebe in die Luft geführt.

»Was wollen Sie? Frech wollen Sie sein? Machen Sie, daß Sie hinauskommen, Sie unverschämter Flegel... Mich hintergehen, betrügen, faul sein, und noch 's Maul anhängen. Marsch hinaus!« Wenn er dann in den Laden ging, murrte er unverständliche Worte vor sich hin, öffnete hier eine Kiste, dort eine Büchse, schlug die Deckel geräuschvoll zu, hustete und zog sich ins Kontor zurück, um gleich wieder eine wohlgesetzte Rede zu halten:

»Also das verstehen Sie unter Ihren Pflichten und Aufgaben? Das ist Ihre Auffassung? Und ich habe sie einfach hinzunehmen? Meinen Sie? Nicht genug – schweigen Sie! jetzt rede ich! –, nicht genug, daß Sie mir die Sachen verderben lassen, daß Sie mir die Kunden vertreiben, kommen Sie mir auch noch so! Sie irren sich, Verehrtester... Es ist jetzt« – Benno zog die Uhr und blickte so energisch in den leeren Raum wie ein Feldherr oder ein oberster Richter – »es ist jetzt viertel über zehn... wenn Sie in einer Stunde noch im Hause sind, lasse ich Sie hinauswerfen... in einer Stunde, habe ich gesagt...«

Wenn er sich dann nach diesen gewalttätigen Selbstgesprächen etwas beruhigt hatte, schrieb er die Kündigung in höflicher Form nieder und steckte sie in ein Kuvert, das er dem Ladendiener oben im Stübchen auf den Tisch legte.

Am darauf folgenden Tage vermied es Benno geflissentlich, mit dem Menschen allein zu sein; er ließ den Lehrling ins Kontor kommen und gab ihm, um den er sich sonst nie kümmerte, allerlei schriftliche Aufgaben, sprach lehrhaft und gütig mit ihm und zeigte nebenher sein unbekümmertes Gemüt dadurch an, daß er vor sich hinträllerte. So wie Kinder singen, wenn sie im Dunkeln sitzen oder durch einen unheimlichen Wald gehen.

Wie hätte er nun Rubatscher ins Gebet nehmen, ihm einen peinlichen Verdacht ins Gesicht schleudern sollen? Das ging nicht, aber er wollte auch seinem Ansehen bei der Mutter nicht durch eine Weigerung schaden.

Er brummte mürrisch, daß er schon achtgeben wolle, und er ging auch einige Male ins Lager und zählte die Würste ab, die an Stangen hingen.

Zweiundzwanzig Salami, tags zuvor waren es vierundzwanzig gewesen.

Die Hände in den Hosentaschen, arglos vor sich hinpfeifend, ging er ein paarmal durch den Laden, blieb dann stehen und sagte:

»Apropos, daß i net vergiß, der Verkauf von Salami is jetzt wieder lebhafter, net wahr?«

»Söll woll, Herr Ch... Chloberger«, antwortete der Ladendiener, als müsse er seine Freude über das Aufblühen des Geschäftes zeigen.

»Nach meiner Berechnung müssen gestern allein zwei bis drei weggegangen sein... waren's größere oder mittlere?« fragte Benno.

»Sie wern nit gar so machtig gwösen sein...«

»So... No, jedenfalls wer i nach Verona dös Weitere veranlassen, daß uns der Vorrat net ausgeht.«

Benno ging ins Kontor, pfiff sein Lied zu Ende und trällerte ein paar Töne vor sich hin, warf aber doch einen versteckten und recht mißtrauischen Blick auf den Ladendiener hinaus, der gerade eine Tüte aufbließ und sehr mühsam einige Zigarren hineinsteckte.

»Hm... tra... lala... Denn so wie du... So lieblich und so schön...«

Der Prinzipal schloß die Türe zwischen Laden und Kontor, wippte das Lineal nachdenklich auf und ab, und plötzlich nahm sein Gesicht einen forschenden, durchdringenden Ausdruck an.

Er sah im Geiste vor sich den tirolischen Jüngling und hielt ein Selbstgespräch an ihn:

»Rubatscher, ich bin gewohnt, Vertrauen zu haben. Wenn ich aber einmal anfange, mißtrauisch zu werden, habe ich auch schon aufgehört damit. Denn in diesem Augenblick, in diesem Moment, a tempo – verstengan Sie? – is's aus. Radikal. Da gibt's kein Zurück mehr. Grad weil ich meinen Ehrenstandpunkt darein setze, zu vertrauen, weil es mir gegen die Natur geht – verstengan Sie? –, reagier ich auf die leiseste Verletzung dieses Vertrauens. Ich führe heute noch den etwas unnatürlichen Verbrauch von Salami auf zufällige Bedürfnisse der Kundschaft zurück... heute noch... Verstengan Sie? Ob ich es morgen noch kann, weiß ich nicht. In dem Augenblicke, wo ich nicht mehr das Recht habe, zu vertrauen, hört jede Rücksichtnahme auf: das erfordert meine Stellung als Chef. Ich denke, wir haben uns verstanden, Herr Rubatscher?...«

Benno blickte noch eine Weile durchbohrend, die Stirne ernst in Falten gezogen, gegen die Wand hin. Dann ging er zur Türe und öffnete sie, als hätte er sie nur aus Versehen oder zufällig geschlossen.

Er trällerte an seinem Liede weiter:

»... so lieblich und so schön... Kind, glaube mi-hir... War keine der Feen.«

Der Tiroler aber schaute, leicht angelehnt an die Ladenbudel, mit seitlich geneigtem Haupte zum Fenster hinaus und lächelte milde wie ein geschnitzter Heiliger im Dorfkirchlein.

Dabei sagte er halblaut vor sich hin: »Hot der höllische Deifel, söller Drachen, das Malafizweibsstück, was geschpannt.«

Der Brauch war, am Bennotage einen Ausflug zu machen und dem Namenstage des Herrn Globerger dadurch einen festlichen Anstrich zu geben.

In den ersten zwei Jahren hatte sich Benno dazu verstanden, mit Paula allein über Land zu fahren. Er ließ sich die harmlose Fröhlichkeit der Frau gefallen, ohne herzlich darauf einzugehen, und er verbarg kaum die Geringschätzung, die ein gesetzter Mann der Weiblichkeit entgegenbringt. Später war ihm aber die Verpflichtung so lästig, daß er auf Ausreden sann und die Zumutung, einen ganzen langen Tag allein mit seiner Frau zu sein, als sehr unbillig empfand.

»Alles, was recht is«, pflegte er im Gespräche mit Freunden zu sagen. »Man weiß ja und man anerkennt dös ja auch, daß ma gewisse Rücksichten aufs Familienleben zu nehmen hat. Und ma hat sei Frau auch gern; aber was red'st damit den ganzen Tag? Ma kann sich doch in Gottes Namen net in solchene Interessen vertiefen, lauter Kleinlichkeiten und gewissermaßen kindisch. A vernünftiger Dischkurs is doch faktisch ausgeschlossen...«

Aber Paula hing nach Frauenart zäh an ihrem Rechte auf diesen Ausflug, und sie verteidigte es mit einer Heftigkeit, die sie in wichtigeren Dingen nicht zeigte.

»Du magst mi nimmer«, schluchzte sie in ihr Taschentuch hinein. »Amal hast g'sagt, der Tag soll uns heilig sein, und unser ganz Leben, hast g'sagt, soll uns der Tag g'hör'n...«

»Ich sag doch net, daß...«

»Jawoi, du hast ausdrücklich g'sagt, ma muß sich bei solchene Gelegenheiten vom Alltag erholn...«

»Hab ich g'sagt, schön...«

»Was hab ich denn von dir? Vom Laden gehst zum Frühschoppen, und kaum hast an Löffel hing'legt, gehst ins Kaffeehaus, und...«

»Tut ma denn das gern? Glaubst, mir wär's net auch lieber, wenn ich mich im Kreise der Familie erholen könnt und net der Kundschaft nachlaufen müßt? Glaubst, ich hab net auch Momente, wo...«

»Und auf d' Nacht gehst wieder fort, und jeden Tag und jeden Tag...«

»Mit euch Frauen ka ma über so was net red'n... Daß ich als Geschäftsmann gebunden bin...«

»I weiß schon, mei Mutter hat mir's oft g'sagt...«

»Was hat s' g'sagt?«

»Daß dös der Anfang is, wenn d' Lieb aufhört. Daß nacha der Mann lauter Pflicht und G'schäft und Ausreden hat...«

»Das is einfach lächerlich...«

»Nein! Ich merks doch so auch! Dös merkt ma doch an allem; was hab ich denn noch von dir? Und jetzt is dir sogar dös z'viel, und 's ganze Jahr hab ich mich drauf gefreut...«

»Also schön! Von mir aus. Ich sag ja net, daß ich net will. Aus g'schäftlichen Rücksichten hätt ich eventuell...«

»Nein, und es is amal der Tag...«

»Hätt ich... laß mich doch ausreden! Weil von der Firma Samhammer der Vertreter da is. Aber wenn du mir solchene Sachen amputierst, muß ich halt anders disponieren, nacha fahr'n ma übermorg'n...«

»Es is ja so a Feiertag...«

»Deswegen hätt ich das Geschäft schon abwickeln können; aber, wie g'sagt, mir fahr'n...«

Paula zeigte über die Einwilligung eine solche Freude, daß Benno über die kindische Natur des Weibes neue und bleibende Eindrücke gewann. Um den Tag nicht ganz zu verlieren, überredete er seinen Freund, den Eisenhändler Nikolaus Schegerer, mitzufahren. Den übernächsten Tag saßen die vier, denn Schegerer hatte auch seine Frau Therese, eine üppige Blondine, mitgenommen, im Zuge, der sie nach Schliersee führen sollte.

Es war ein kühler Junimorgen, und daß die beiden Herren nicht gewohnt waren, zu so früher Stunde aufzustehen, bewiesen sie durch oft wiederholtes Gähnen.

»I hätt eigentli heut in 'n Arzber... Arzber...« Schegerers Worte verloren sich in einem langen Gähnen »... in 'n Arzberger Keller soll'n... der Stadler Muckl und der... ah... der Schtraßberger Maxi kemman hi...«

»Einmal im Jahr kann ma sich ja zu einer Liebenswürdigkeit aufschwingen«, sagte lachend die Frau Resi. »Is der Ihrige auch so galant?« fragte sie Paula, die sich noch etwas schüchtern vor der neuen Bekannten zurückhielt.

»Der Benno war ganz gern dabei... gelt?«

»Wie lang sind S' schon verheirat'?«

»Mir? Im vierten Jahr...«

»Vier Jahr... na weiß i alles. O diese Männer! Da erlebt man seine Enttäuschungen...«

Frau Resi zeigte gerne beim Lachen ihre weißen Zähne. Dabei hatte sie die Gewohnheit, ihre rote, spitze Zunge vorzustrecken, und in allen ihren Bewegungen war etwas Quecksilbernes. Ihre aufgeworfenen Lippen wie ihre Augen verrieten eine wache Sinnlichkeit, die der breitspurige Schegerer, der an einem kugelrunden Gesichte einen entstellenden Knebelbart hängen hatte, sicherlich nicht einzuschläfern versuchte.