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Im verschneiten Mydworth wird eines Nachts der junge Ben Carter ermordet aufgefunden. Und die Beweise scheinen eindeutig: Sein bester Freund Oliver muss der Täter sein. Obwohl dieser seine Unschuld beteuert, sind Richter und Geschworene sich einig und der junge Mann wird zum Tode verurteilt. Wenige Tage vor der Vollstreckung des Urteils werden Harry und Kat auf den Fall aufmerksam und beginnen zu ermitteln ... Können sie den wahren Täter rechtzeitig finden und einen Unschuldigen retten?
Ein glamouröses Ermittlerduo, ungewöhnliche Verbrechen, schnelle Autos, schicke Kleider und rauchende Revolver - das ist Mydworth, die neue Serie von Matthew Costello und Neil Richards, den Autoren der britischen Erfolgsserie Cherringham. Sir Harry Mortimer, der ehemalige Spion im Dienste Seiner Majestät, ermittelt zusammen mit seiner umwerfenden Ehefrau Kat, die es mit jedem Bösewicht aufnehmen kann! Mydworth ist eine spannende Zeitreise ins England der 20er Jahre - für Fans von Babylon Berlin, Downton Abbey und Miss Fishers mysteriösen Mordfällen.
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Seitenzahl: 158
Veröffentlichungsjahr: 2021
Cover
MYDWORTH – Ein Fall für Lord und Lady Mortimer. Die Serie
Über diese Folge
Die Hauptfiguren
Über die Autoren
Titel
1. Die letzte Runde
2. Eine ziemlich ernste Angelegenheit
3. Ben und Ollie
4. Der Fall wird zum Fall
5. Ben Carter
6. Eine sonnenklarer Fall
7. Die Slip-Knot Alley
8. Der zum Tode Verdammte
9. Das Station Inn
10. Was Will sah
11. Die Zeit vor dem Mord
12. Endlich ein Durchbruch
13. Es wird tiefer gegraben
14. Geheimnisse
15. Der lange Arm des Gesetzes
16. Die Wahrheit über Blackmead Farm
17. Ein ungewöhnlicher Abgang
18. Eine lange Nacht
19. Die letzten Stunden
20. Der Valentinsball
In der nächsten Folge
Impressum
Ein glamouröses Ermittlerduo, ungewöhnliche Verbrechen, schnelle Autos, schicke Kleider und rauchende Revolver – das ist Mydworth, die neue Serie von Matthew Costello und Neil Richards, den Autoren der britischen Erfolgsserie Cherringham. Sir Harry Mortimer, der ehemalige Spion im Dienste ihrer Majestät, ermittelt zusammen mit seiner umwerfenden Ehefrau Kat, die es mit jedem Bösewicht aufnehmen kann! Mydworth ist eine spannende Zeitreise ins England der 20er Jahre – für Fans von Metropolis Berlin, Downton Abbey, und Miss Fishers mysteriösen Mordfällen.
Im verschneiten Mydworth wird eines Nachts der junge Ben Carter ermordet aufgefunden. Und die Beweise scheinen eindeutig: Sein bester Freund Oliver muss der Täter sein. Obwohl dieser seine Unschuld beteuert, sind Richter und Geschworene sich einig und der junge Mann wird zum Tode verurteilt. Wenige Tage vor der Vollstreckung des Urteils werden Harry und Kat auf den Fall aufmerksam und beginnen zu ermitteln ... Können sie den wahren Täter rechtzeitig finden und einen Unschuldigen retten?
Sir Harry Mortimer (32) kehrt nach langer Zeit im Ausland in seinen Heimatort Mydworth zurück. Der Sohn der wohlhabenden englischen Adelsfamilie hat als Pilot im Ersten Weltkrieg gekämpft und war danach zehn Jahre offiziell im diplomatischen Dienst tätig – in Wirklichkeit aber arbeitete Harry für den britischen Geheimdienst. Bei einem Einsatz in Kairo trifft er die wunderschöne Amerikanerin Kat Reilly, die ebenfalls verdeckt für ihre Regierung arbeitet. Die beiden verlieben sich und heiraten nach einer stürmischen Romanze. Das ungleiche Paar beschließt, zusammen nach England zu ziehen, um zur Ruhe zu kommen und sich dort ein beschauliches Leben aufzubauen. Aber es kommt anders als geplant ...
Kat Reilly (32) kommt aus einer anderen Welt als ihr adliger Ehemann. Sie stammt aus New York und ist in ärmlichen Verhältnissen in der Bronx aufgewachsen. Aber sie ist tough, intelligent und abenteuerlustig. Sie erkämpft sich ein Stipendium an der Universität, arbeitet im Ersten Weltkrieg als Krankenschwester auf den Schlachtfelder Frankreichs und wird dann vom amerikanischen Außenministerium rekrutiert. Ihr scharfer Humor und ihre modernen Ansichten bringen frischen Wind in das verschlafene Mydworth. Aber an ihre Rolle als Lady Mortimer muss sie sich erst noch gewöhnen ...
Matthew Costello ist Autor erfolgreicher Romane wie Vacation (2011), Home (2014) und Beneath Still Waters (1989), der sogar verfilmt wurde. Er schrieb für verschiedene Fernsehsender wie die BBC und hat dutzende Computer- und Videospiele gestaltet, von denen The 7th Guest, Doom 3, Rage und Pirates of the Caribbean besonders erfolgreich waren. Er lebt in den USA.
Neil Richards hat als Produzent und Autor für Film und Fernsehen gearbeitet sowie Drehbücher für die BBC, Disney und andere Sender verfasst, für die er bereits mehrfach für den BAFTA nominiert wurde. Für mehr als zwanzig Videospiele hat der Brite Drehbuch und Erzählung geschrieben, u. a. The Da Vinci Code und, gemeinsam mit Douglas Adams, Starship Titanic. Darüber hinaus berät er weltweit zum Thema Storytelling. Bereits seit den späten 90er Jahren schreibt er zusammen mit Matt Costello Texte.
Seit 2013 schreiben das transatlantische Duo Matthew Costello und Neil Richards die Serie CHERRINGHAM, in der inzwischen 38 Folgen erschienen sind. MYDWORTH ist ihr neues gemeinsames Projekt.
MATTHEW COSTELLONEIL RICHARDS
Der falsche Mann
Aus dem Englischen von Sabine Schilasky
Police Constable Bert Loxley ging langsam an der geschlossenen Pforte von St. Thomas vorbei und die Church Street hinunter. Er passierte Mydworth Motors. Bei seiner nächtlichen Runde durchs Dorf ließ er sich Zeit. Man konnte die Uhr danach stellen, wann er sich vergewisserte, dass alles möglichst ruhig und friedlich war, alle Geschäfte ordentlich verriegelt, die Fenster geschlossen und die Rollläden heruntergelassen waren.
Hinter ihm läutete die Kirchenglocke zur halben Stunde. Der Constable blieb stehen und zückte aus purer Gewohnheit seine Taschenuhr.
Auf die Minute.
Im Moment waren die Straßen leer und sein Schatten das Einzige, was sich unter den Gaslaternen bewegte.
Genau genommen hatte er den ganzen Abend kaum eine Menschenseele gesehen, was nicht weiter überraschte: Ein kalter Novembernebel waberte über dem Ort, und der Constable fühlte, wie ihm die Kälte sogar durch die schwere Uniform unter dem Regenmantel kroch.
Als er umdrehte und die High Street hinunterschritt, hallten seine Schritte auf dem Pflaster.
Ja, friedlich und still, auch wenn die Nacht nicht so begonnen hatte.
Wegen einiger Gäste im Station Inn war auf der Wache angerufen worden. Die Männer hatten ein Glas zu viel getrunken und waren im Begriff gewesen, eine Schlägerei anzufangen. Was aufregender gewesen wäre als alles, was er bisher in den zwei Wochen auf seinem neuen Posten in Mydworth erlebt hatte. Zuvor hatte es einen Fall von häuslichem Unfrieden gegeben, der damit geendet hatte, dass sich das Paar schluchzend in die Arme gefallen war und den ganzen Zwist plötzlich vergessen hatte. Wahrscheinlich bis zum nächsten Streit.
Heute Abend jedoch, als er im Pub angekommen war, schienen die fraglichen Männer ernstlich im Begriff gewesen zu sein, nach draußen zu gehen und sich zu prügeln.
Wie sich herausstellte, genügte seine bloße Ankunft, dass beide erstarrten. Es hatte eindeutig keiner von ihnen große Lust auf eine Nacht in der Zelle. Loxley brauchte nichts weiter zu tun, als zu fragen: »Alles in Ordnung, Gentlemen?«, und schon wurden die hochroten Gesichtszüge weicher, senkten sich die Lider über funkelnde Augen und war aller Ärger verpufft.
Loxley überlegte, sich ihre Namen zu notieren, hauptsächlich um sie zu ermuntern, dass sie austranken und ruhig nach Hause gingen. Doch da sie sich offenbar gefangen hatten – und ohnehin gleich die letzte Runde ausgerufen werden würde –, hielt er es für unnötig, die Angelegenheit weiterzuverfolgen.
Er hatte ein paar Namen in sein Notizbuch geschrieben, dem Wirt eine gute Nacht gewünscht und war durch die Station Road zurück in den Ort gegangen.
Jetzt, als Loxley die High Street entlanglief, schaute er in die Fenster des Green Man, angeblich das zivilisierteste Wirtshaus hier.
Der Wirt wischte die Zapfhähne ab, während ein paar Stammgäste am Tresen austranken und eine Handvoll andere Gäste sich verabschiedeten, um den Heimweg anzutreten.
Mydworth. Was für ein ruhiger kleiner Ort, dachte Loxley. Eher wie ein Dorf. Und wenn er ehrlich sein sollte, fragte er sich, wie lange er dieses verschlafene Auf und Ab des Lebens aushalten würde.
Bei der Metropolitan Police in London zu arbeiten wäre sehr viel eher nach seinem Geschmack gewesen. Dort gab es reichlich Verbrechen, und Loxley wusste, dass The Met die allerneuesten Methoden anwandte, um alle erdenklichen Fälle aufzuklären.
Hier hingegen hatte ihm Sergeant Timms gleich am ersten Tag auf der Wache gesagt: »Wir gehen auf die altmodische Art vor, Loxley. Mit Methoden, die sich über lange Jahre bewährt haben.«
Allerdings vermutete Loxley, dass Timms' Methoden nicht allzu oft auf die Probe gestellt wurden.
Doch die Welt veränderte sich, wurde mit jedem Tag komplizierter. Die Leute wollten andere Dinge, und die Friedenszeit brachte nicht allen den Frieden oder Wohlstand, den sie erwartet hatten. Oder der ihnen von den Politikern versprochen worden war.
Und heute, in dieser kühlen Novembernacht, die den Winter zu proben schien, blieb Mydworth verschlafen und ruhig.
Schließlich gelangte Loxley zum Marktplatz, wo er am Rathaus und der Bank vorbei zur Hill Lane ging. Er blickte in die stillen Seitenstraßen, hier waren die Läden vergittert und die meisten Häuser dunkel.
Hier gehen die meisten Menschen wohl zeitig zu Bett, sogar an einem Samstagabend.
Demnächst hatte auch er Feierabend. Es wurde Zeit, zur Wache zurückzukehren, in der ebenfalls bald die Lichter ausgeschaltet werden würden.
Die seltenen nächtlichen Notrufe wurden direkt zu Timms nach Hause umgeleitet, und der würde Loxley – sollte irgendetwas Wichtiges passiert sein – aus dem möblierten Zimmer holen, das er über dem Herrenausstatter angemietet hatte.
Auf halbem Weg durch die Hill Lane, wo keine Läden mehr waren und die letzten Straßenlaternen brannten, bog Loxley wie üblich nach links in die Slip-Knot Alley. Es war eine viel benutzte Abkürzung zum Sportplatz und einer Reihe schäbiger Cottages am Ortsrand, bei denen seine Streifenrunde endete.
Wie nennen die Einheimischen diese Gassen noch gleich? Ach ja, ... Durchgänge ... So war es.
Er löste seine Taschenlampe von der Gürtelspange und schaltete sie ein. Im fahlen Schein über dem Weg vor ihm waberten Dunstschleier herum.
Seine Schritte hallten durch die sich schlängelnde Gasse mit den Ziegelmauern zu beiden Seiten.
Dieser Durchgang musste bei den jungen Paaren im Ort beliebt sein, die sich einige Minuten jenseits neugieriger Blicke wünschten, dachte er.
Würde mich nicht wundern, sollte ich mal über eines stolpern, selbst in einer kalten Nacht wie dieser.
Und tatsächlich, als die Gasse eine letzte Biegung machte und eine von dichten Büschen umrahmte Rasenfläche erschien, sah Constable Loxley etwas im Lichtstrahl seiner Taschenlampe.
Für einen Moment erstarrte er und dachte, das weiter vorn könnte solch ein Liebespaar sein, wie er es sich eben noch vorgestellt hatte.
Aber nein. Loxley erkannte rasch, worum es sich bei der gekrümmten Gestalt handelte.
Natürlich.
Irgendein Bursche hatte auf dem Heimweg vom Pub diese Abkürzung genommen, musste gestolpert sein und beschlossen haben, dass einige Minuten dösen genau das Richtige für ihn war.
Noch bevor er die Gestalt erreichte, räusperte Loxley sich, um den Mann vorzuwarnen. »Hey, Sie da! Haben wir ein kleines Problem, ja? Am besten versuchen Sie ...«
Loxley erwartete, dass sich der Mann beim Klang seiner lauten Stimme regte, immerhin hörte er sich so autoritär an, wie es bei einem Polizisten sein sollte.
Doch es geschah ... nichts.
Loxley ging näher, und weil es beständig kälter wurde, war er nun sogar ein wenig in Sorge um den Burschen.
»Na, kommen Sie, mein Guter. Zeit, nach Hause zu gehen. Stehen Sie auf!«
Mit diesen Worten stupste er den Schuh des Mannes mit dem Fuß an. Es war nur ein minimaler Stoß.
Und er blieb wirkungslos.
Also bückte sich Constable Loxley und sah neben dem Körper etwas Feuchtes im Schein seiner Taschenlampe glänzen.
Loxleys Magen krampfte sich zusammen. Er griff in die Ellbogenbeuge des Mannes, um ihn umzudrehen, damit er besser sehen konnte, was überall um ihn herum schimmerte wie eine Wasserpfütze. Etwas, das Loxley noch nie in solcher Menge gesehen und womit er in Mydworth auch nicht gerechnet hatte.
Blut. Sehr viel Blut.
Eine Sekunde lang war Loxley unsicher, was er tun sollte. Dann drehte er den Mann um, damit er sein Gesicht betrachten konnte und – was noch wichtiger war – die Wunde.
Es war ausgeschlossen, dass er noch lebte. Bei solch einem Blutverlust war das unmöglich.
Und jetzt sah er im Licht seiner Taschenlampe zweierlei.
Die Wunde oder vielmehr die Wunden befanden sich am Oberbauch des Mannes.
Wer das getan hatte, war schnell und brutal gewesen. Der Anblick dieser Verletzungen war geradezu furchteinflößend, wie der Constable sich eingestehen musste.
Und ihm fiel noch etwas auf: Das Gesicht des Mannes ... Er erkannte es wieder.
Das war einer der Kerle, die im Pub aneinandergeraten waren.
Einer von ihnen ist nun tot.
Constable Loxley stand auf, trat einen Schritt von der Leiche zurück und überlegte, was zu tun war.
Hier kam seine kürzlich abgeschlossene Ausbildung ins Spiel. Entdeckung eines verdächtigen Todesfalls ... Was hatte für den Constable in diesem Moment Vorrang?
Langsam, der Reihe nach ...
Der Bereich um die Leiche herum muss gesichert und Sergeant Timms verständigt werden. Die Gasse muss zu beiden Enden abgesperrt und gründlich nach Spuren abgesucht werden.
Loxley hakte im Geiste die Liste dessen ab, was zu tun war.
Bald würden die Anwohner mitbekommen, dass sich etwas ereignet hatte, wenn hier Taschenlampen und Automobilscheinwerfer aufleuchteten. Es müsste mehr Polizei aus Chichester zu Hilfe gerufen werden.
Hatte der Mann Familie? Die müsste man mitten in der Nacht wecken, sobald sie die grundlegendste aller Fragen beantwortet hatten: Wer war er?
Und die noch entscheidendere Frage schob er vorerst beiseite: Wer hat Interesse daran gehabt, diesen Mann zu ermorden? Und warum?
Loxley nahm sich einen Augenblick Zeit und holte tief Luft, um den metallischen Blutgeruch aus seinen Atemwegen zu vertreiben.
Und bevor er mit allem begann, was getan werden musste, kam ihm noch ein Gedanke: Vielleicht war Mydworth doch nicht ganz so verschlafen.
Harry ging die Stufen zum Rathaus hinauf, wobei Schnee von seinem warmen Kamelhaarmantel stob. Er fragte sich, wie Kat – die vorhin von Arundel aus hergefahren war – mit dem Alvis im Schnee zurechtgekommen sein mochte.
Beim Frühstück hatte sie noch über die ersten Flocken gelacht. »Das nennst du Schnee? Da solltest du mal New York im Winter sehen! Wo ich herkomme, Sir Harry, bezeichnen wir das als Staubschicht.«
Er hatte gelächelt. Ihm gefiel, wie Kat seiner britischen Sicht der Dinge solch eine hübsche amerikanische Version entgegenhielt. Es war erfrischend!
In der Eingangshalle des Rathauses waren Gruppen von Leuten dabei, alles zu schmücken. Manche standen auf Leitern und hängten Girlanden auf, andere befestigten große rote Herzen aus Krepp an den Wänden.
Der Winter mochte sie noch einmal mit aller Wucht heimsuchen, doch hier drinnen schien alles für den Frühling bereit.
Und dann sah er Kat mit Tante Lavinia. Seine Frau stand ganz oben auf einer Leiter und reckte sich, um eine verdrehte Girlande mit der Aufschrift Happy Valentine's Day! an den jahrhundertealten Wänden des Rathauses zu befestigen.
Harry warf seinen Mantel auf einen Klappstuhl und eilte zu ihr. Ihre Fingerspitzen schienen das Ziel nur um Zentimeter zu verfehlen.
»Das Einsatzkommando ist da«, sagte er und stützte die Leiter mit einer Hand.
Kat drehte sich um. Selbst in ihrer Gartenhose und dem weiten grauen Wollpullover sah sie umwerfend aus.
Verblüffend, wie sie das immer wieder hinbekommt.
»Tja, deine Tante und ich suchen einen Herrn mit ein wenig größerer ... sagen wir ... Reichweite?«, meinte Kat.
»Wusste ich es doch, dass ich zu irgendwas nütze bin.«
Sie stieg die Leiter hinunter und reichte ihm die weiß-rosa Girlande.
Als er oben war, blickte er zu seiner Tante Lavinia und Kat und sagte: »Ich nehme an, dass ich eine recht gute Figur mache, oder?«
»Du weißt, was bekanntlich nach dem Hochmut kommt, oder?«, entgegnete Kat und rüttelte an der Leiter.
»Hey, nicht doch! Willst du etwa deinen Charleston-Partner für Samstag zu Boden stürzen sehen?«
Kat lachte über etwas, das Lavinia vom letzten Valentinsball erzählte – eine Geschichte über einen Mann in einem Smoking, der ihm seit Jahren nicht mehr passte –, da hörte sie, wie die Eingangstür aufflog.
Sie wandte sich um und sah Nicola vom Women's Voluntary Service. Neben ihr eine andere Frau, jung und hübsch, mit einem kleinen Mädchen an der Hand, das einen Teddybären fest im Arm hielt.
Kat arbeitete ein paar Tage die Woche für Nicola beim WVS und half in der Verwaltung und bei rechtlichen Fragen aus. Die unterfinanzierte Freiwilligenorganisation unterstützte die Frauen in Mydworth bei allen möglichen Problemen und stellte grundsätzlich keine Fragen.
Kat hatte gestern Nicola gegenüber erwähnt, dass sie beim Schmücken der Rathaushalle für den Wohltätigkeitsball am Samstag dabei wäre, und sie vermutete, dass Nicola hier war, um mit ihr zu sprechen.
Nun kam sie mit der anderen Frau auf Kat zugelaufen, und es war nicht zu übersehen, dass die Mutter des Kindes geweint hatte. Oder – um es zutreffender zu formulieren – sehr viel geweint hatte.
Harry hatte seine Tante stehen gelassen und war zu ihnen gekommen. »Was haben wir hier?«, fragte er, als Nicola fast bei ihnen angekommen war.
Ihr Auftritt vertrug sich gar nicht mit den bunten Girlanden und Kreppherzen überall. Denn was sie auch herführte – feierlich war es ganz sicher nicht.
Wie immer kam Nicola gleich zur Sache.
»Kat, Sir Harry«, sagte sie und zu Lavinia: »Mylady.«
Dann blickte sie kurz zu der offensichtlich verzweifelten Frau neben sich. »Könnten wir kurz allein reden? Dies ist Mabel Brown. Und die kleine Elsie. Es ist eine ziemlich ernste Angelegenheit.«
Kat nickte, noch ehe Nicola ausgesprochen hatte. Lavinia schaltete sofort, trat einen Schritt vor und beugte sich zu dem flachsblonden Mädchen hinab. »Ich glaube, ich habe hier irgendwo einen Teller mit Keksen gesehen.«
Kat bemerkte, wie sie der Mutter und Nicola einen Blick zuwarf.
»Wie wäre es, wenn wir beide mal nachschauen, ob wir ihn finden?«, fuhr sie lächelnd fort.
Das kleine Mädchen sah zu seiner Mutter auf, die stumm nickte.
Dann nahm Lavinia die freie Hand des Kindes, das weiterhin seinen Teddybären umklammerte, und sagte zu Kat: »Hinter der Bühne gibt es einen kleinen Raum, da seid ihr ungestört.«
Und dann zog sie mit Elsie los und sprach von der Auswahl an Keksen, die das Mädchen erwartete, als würden sie zu einem großen Abenteuer aufbrechen.
»Wollen wir?«, fragte Kat und zeigte zur Seitentür, die hinter die Bühne führte.
Sie zogen sich vier Stühle in die Mitte eines Raumes voller Kisten mit uralten Requisiten und Krimskrams. Kat bedauerte, dass sie keinen Tee anbieten konnte, hatte sie doch gelernt, dass der in solchen Situationen nahezu unentbehrlich war.
Ihr entging nicht, dass Harry weiterhin gelassen blieb und eine wohltuende Ruhe ausstrahlte.
»Also, was gibt es, und wie können wir helfen?«, fragte er mit einem flüchtigen Blick zu Kat.
Nicola sah Mabel an, die ihre Hände rang, als würde sie einen inneren Kampf ausfechten.
Kat glaubte, mehr Tränen in ihren Augenwinkeln schimmern zu sehen.
»Es geht um meinen Ollie«, antwortete Mabel zaghaft. »Meinen Mann.«
Sie holte sehr tief Luft.
»E-er sitzt im Pentonville Prison in London. Und sie werden ihn hängen! Freitag im Morgengrauen. Im Morgengrauen!«
Und mit diesen Worten begann die Frau, bitterlich zu schluchzen.
Nicola legte einen Arm um sie.
Alle warteten, bis sie sich wieder gefangen hatte.
Harry stand auf, gab der Frau sein Taschentuch, und sie wischte sich die Augen ab, ehe sie fortfuhr.
»Sie sagen, dass er Ben Carter umgebracht hat. Ihn ermordet hat!«
Harry setzte sich wieder. Er kannte den Fall. Es kam nicht oft vor, dass Mydworth von solch einer schaurigen Geschichte erschüttert wurde. Der junge Mann, Carter, war brutal ermordet in dem engen Durchgang am Ortsrand gleich oberhalb der Hill Lane aufgefunden worden.
Wie der Mydworth Mercury berichtet hatte, waren die Beweise erdrückend: Beim Haus von Oliver Brown war ein blutiges Messer entdeckt worden, und in seinem Gemüsegarten hatte man ein blutverschmiertes Hemd ausgegraben. Die Sachen waren anscheinend hastig und schlecht versteckt worden.
Harry und Kat hatten sich über den Fall unterhalten, als die unheimlichen Einzelheiten bekannt geworden waren, und den Prozess verfolgt, bis kurz vor Weihnachten am Old Bailey in London das Schuldurteil gefällt worden war.