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In Mydworth taucht ein gut gekleideter Fremder mit einer rätselhaften Kopfverletzung auf: Niemand weiß, wer er ist oder wie er dort hingekommen ist - nicht einmal er selbst. Kat und Harry nehmen sich seiner an, aber schnell wird klar, dass der Unbekannte auf der Flucht ist und seine Verfolger ihm dicht auf den Fersen sind.
Kat und Harry können seine Spur bis ins Londoner East End zurückverfolgen, doch ihre Gegenspieler sind verzweifelt. Sie würden alles tun, um zu verhindern, dass der unbekannte Gentleman sein Gedächtnis wiedererlangt, - und ihnen läuft die Zeit davon ...
Über die Serie:
Ein glamouröses Ermittlerduo, ungewöhnliche Verbrechen, schnelle Autos, schicke Kleider und rauchende Revolver - das ist Mydworth, die neue Serie von Matthew Costello und Neil Richards, den Autoren der britischen Erfolgsserie Cherringham. Sir Harry Mortimer, der ehemalige Spion im Dienste Seiner Majestät, ermittelt zusammen mit seiner umwerfenden Ehefrau Kat, die es mit jedem Bösewicht aufnehmen kann! Mydworth ist eine spannende Zeitreise ins England der 20er Jahre - für Fans von Babylon Berlin, Downton Abbey und Miss Fishers mysteriösen Mordfällen.
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Seitenzahl: 170
Veröffentlichungsjahr: 2024
Cover
Grußwort des Verlags
Über diese Folge
MYDWORTH – Ein Fall für Lord und Lady Mortimer. Die Serie
Die Hauptfiguren
Titel
1. Wer bin ich?
2. Tee bei Tilly
3. Ein unerwarteter Gast im Dower House
4. Schlafenszeit
5. George
6. Wie man einen verlorenen Mann findet
7. Ein Rumpeln in der Nacht
8. London ruft
9. Wimbledon
10. Eine unerwartete Wendung
11. Ramsay, der Retter
12. Emily war hier
13. Es wird Nacht in London
14. In tiefer Dunkelheit
15. Alles klärt sich
16. Ein kurzes Wiedersehen
17. Willkommen in der Wessex Bank
18. Eine sehr große Abhebung
19. Nachmittagstee mit einer angenehmen Überraschung
Über die Autoren
Impressum
Leseprobe – Nuss und Schluss: Ein Hansel & Pretzel Krimi
Kapitel 1
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In Mydworth taucht ein gut gekleideter Fremder mit einer rätselhaften Kopfverletzung auf: Niemand weiß, wer er ist oder wie er dort hingekommen ist – nicht einmal er selbst. Kat und Harry nehmen sich seiner an, aber schnell wird klar, dass der Unbekannte auf der Flucht ist und seine Verfolger ihm dicht auf den Fersen sind.
Kat und Harry können seine Spur bis ins Londoner East End zurückverfolgen, doch ihre Gegenspieler sind verzweifelt. Sie würden alles tun, um zu verhindern, dass der unbekannte Gentleman sein Gedächtnis wiedererlangt, – und ihnen läuft die Zeit davon ...
Ein glamouröses Ermittlerduo, ungewöhnliche Verbrechen, schnelle Autos, schicke Kleider und rauchende Revolver – das ist Mydworth, die neue Serie von Matthew Costello und Neil Richards, den Autoren der britischen Erfolgsserie Cherringham. Sir Harry Mortimer, der ehemalige Spion im Dienste seiner Majestät, ermittelt zusammen mit seiner umwerfenden Ehefrau Kat, die es mit jedem Bösewicht aufnehmen kann! Mydworth ist eine spannende Zeitreise ins England der 20er Jahre – für Fans von Metropolis Berlin, Downton Abbey, und Miss Fishers mysteriösen Mordfällen.
Sir Harry Mortimer (32) kehrt nach langer Zeit im Ausland in seinen Heimatort Mydworth zurück. Der Sohn der wohlhabenden englischen Adelsfamilie hat als Pilot im Ersten Weltkrieg gekämpft und war danach zehn Jahre offiziell im diplomatischen Dienst tätig – in Wirklichkeit aber arbeitete Harry für den britischen Geheimdienst. Bei einem Einsatz in Kairo trifft er die wunderschöne Amerikanerin Kat Reilly, die ebenfalls verdeckt für ihre Regierung arbeitet. Die beiden verlieben sich und heiraten nach einer stürmischen Romanze. Das ungleiche Paar beschließt, zusammen nach England zu ziehen, um zur Ruhe zu kommen und sich dort ein beschauliches Leben aufzubauen. Aber es kommt anders als geplant ...
Kat Reilly (32) kommt aus einer anderen Welt als ihr adliger Ehemann. Sie stammt aus New York und ist in ärmlichen Verhältnissen in der Bronx aufgewachsen. Aber sie ist tough, intelligent und abenteuerlustig. Sie erkämpft sich ein Stipendium an der Universität, arbeitet im Ersten Weltkrieg als Krankenschwester auf den Schlachtfelder Frankreichs und wird dann vom amerikanischen Außenministerium rekrutiert. Ihr scharfer Humor und ihre modernen Ansichten bringen frischen Wind in das verschlafene Mydworth. Aber an ihre Rolle als Lady Mortimer muss sie sich erst noch gewöhnen ...
MATTHEW COSTELLONEIL RICHARDS
Der unbekannte Gentleman
Aus dem Englischen von Sabine Schilasky
Der Mann kam die Treppe des schäbigen Gebäudes herunter, eine Hand am rostigen Geländer, um sich zu stützen. Die Luft war am späten Nachmittag von vielen strengen Düften erfüllt.
Lauter Gerüche, von denen er glaubte, sie erkennen zu müssen – und allesamt unangenehm. Bislang fielen ihm keine Worte ein, um sie zu beschreiben.
Er blickte nach rechts: Dunkle Mietshäuser ragten zu beiden Seiten der Straße auf, deren Kopfsteinpflaster von Schlaglöchern und Pfützen durchsetzt war. Weiter weg kickten einige Kinder einen Ball gegen eine Mauer.
Linker Hand sah die Straße elend und verlassen aus.
Wo entlang?
Er zögerte nur einen sehr kurzen Moment, denn – dessen war er sich sicher – er musste in Bewegung bleiben.
Seine Entscheidung fiel auf Links.
Als er wegging, hörte er Stimmen.
Das laute Schreien eines Babys. Dann ein wütendes Brüllen. Lautes Gelächter.
So viele Geräusche und Gerüche!
Seine Sinne waren überwältigt.
Er kam an einem Mann vorbei, der auf dem Gehweg hockte und auf dessen Schulter ein angeleintes Tier saß. Er suchte nach dem Namen des Tieres. Von irgendwoher fiel er ihm ein.
Ein Affe!
Wieder musste er eine Entscheidung fällen – nach rechts gehen, nach links ... oder zurück.
Er brauchte bloß einen Moment, bevor er nach rechts abbog. Er machte schnelle Schritte, blieb auf dem Gehweg und mied die Kopfsteinpflaster-Straße, auf der hin und wieder ein Lastwagen beängstigend schnell vorbeiraste.
Jetzt fiel ihm noch etwas auf. Da war Schmerz. Gleich da, in seinem rechten Bein, nahe der Kniescheibe. Bei jedem Schritt empfand er einen Stich.
Und das Bein war nicht das Einzige, was ihm wehtat. Er blieb stehen und griff an seinen Kopf.
Dort fühlte er einen anderen Schmerz, der stärker wurde, als er vorsichtig die Stelle berührte. Da war etwas Nasses, Glitschiges.
Im Nachmittagsschatten der Häuser konnte er den Flecken in den Fensterscheiben nicht richtig sehen. Doch wenige Schritte weiter, wo ein bisschen mehr Licht war, sah er ein sehr dunkles Rot.
Etwas war mit seinem Kopf geschehen.
Aber was?
Die Frage konnte er nicht beantworten. Und eine noch größere Frage hing wie eine dunkle Wolke über ihm.
Die Frage lautete: Wer bin ich?
Sein Gang führte ihn zu Straßen und Kreuzungen, und aus Gründen, die er nicht kannte, zögerte er nicht. Beinahe so ... als wüsste er den Weg.
Diese Straßen, an denen sich Läden und Straßenhändler aneinanderreihten, waren belebt: Automobile, Busse und Pferdefuhrwerke kamen an ihm vorbei.
Und so viele Menschen stießen ihn im Vorbeieilen an.
Jetzt bemerkte er, dass sie ihn anstarrten – Männer mit Melonen und eleganten Anzügen; Damen, die gleich wieder wegschauten.
Es muss etwas mit meinem Aussehen sein. Etwas Ungewöhnliches? Vielleicht sogar ... Beängstigendes?
Egal. Er strebte weiter durch die Menschenmasse.
Als er eine Ecke erreichte, kam eine Frau mit einem Korb voller Blumen auf ihn zu und sagte Worte, die er nicht verstand.
»Glücksheide, Sir! Kaufen Sie meine Glücksheide!«
Er sah erst die Frau, dann die Blumen an.
»Glück?«, fragte er. »Bringt die wirklich Glück?«
»Oh ja, Sir«, sagte die Frau und hielt ihm einen kleinen Zweig hin. »Nur einen Penny.«
Nun ja. Ich schätze, heute brauche ich ein wenig Glück.
Er griff in seine Tasche und holte eine Silbermünze hervor, die er ihr hinhielt.
Die Frau blickte erst die Münze und dann ihn an. »Ein Shilling, Sir?«, fragte sie und runzelte die Stirn, als wäre sie unsicher, ob sie die Münze nehmen sollte.
Er nickte lächelnd. Die Frau nahm sie, biss auf den Rand und steckte ihm dann einen kleinen Blumenzweig ans Revers.
»Gott schütze Sie, mein Herr!«, sagte sie mit einem zahnlosen Grinsen, und er beobachtete, wie sie davoneilte. Er sah hinunter zu dem Zweig, klopfte kurz darauf und setzte seinen Weg fort.
Es stellten sich mehr Gedanken ein, die ihn beunruhigten: Wohin gehe ich? Bin ich dort schon einmal gewesen? Wo bin ich gewesen? Was war das für ein Ort? Warum bin ich von da weg?
Unwillkürlich berührte er wieder seinen Kopf, der sich nun weniger nass anfühlte. Weniger glitschig.
Was auch immer jene Wunde verursacht hatte, sie blutete nicht mehr. Mithin war es unnötig, sie versorgen zu lassen.
Hospital!
Als ihm plötzlich dieses Wort doch erneut in den Sinn kam, reagierte er nervös. Ein kalter Schauer überkam ihn, und er spürte, dass er sich beeilen musste.
Nachdem er noch einige Straßen weitergewandert war, kam er um eine Ecke und sah eine große Brücke.
Er eilte darauf zu, während der Verkehr an ihm vorbeirauschte und um ihn herum Passanten mit gesenkten Köpfen entschlossen ihres Weges gingen.
Die Brücke führte über einen breiten Fluss mit Alleen zu beiden Seiten, und in der Ferne sah er prächtige Bauwerke; sogar eine Kirche mit einer großen Kuppel.
Alles war irgendwie vertraut.
Gleich drüben war ein Bahnhof, der die Gebäude um ihn herum deutlich überragte, und auf der Steinfassade oben stand Waterloo Station.
Der Mann dachte: Ja, diesen Ort kenne ich.
Ihm war, als wäre dieses Gebäude wichtig, weshalb er der Menge die breiten Stufen hinauf und in den Bahnhof folgte.
Durch Wolken von Dampf und waberndem Rauch sah er riesige Züge an den Bahnsteigen warten. Links von ihm erkannte er Kioske und ein Café. Leute eilten in alle Richtungen.
Eines aber erregte seine Aufmerksamkeit, zog ihn gleichsam an. Eine riesige Uhr mit Zifferblättern in alle vier Richtungen hing von dem Dachgewölbe.
Unter ihr befand sich ein Bereich, in dem einige Dutzend Menschen standen, die ihre Hälse reckten und zu einer großen Tafel voller Namen, Zeiten und Nummern aufblickten.
Ja! Gleisnummern, dachte der Mann, als wäre er über eine geheime Information gestolpert, die sich ihm jetzt erst enthüllte.
Er gesellte sich zu der Menschenmenge und schaute ebenfalls nach oben an die Tafel, wo die Namen und Zeiten verschwanden und aufs Neue erschienen.
Ihm fiel auf, dass ab und an jemand nickte, bevor er oder sie von der Tafel weg und durch eine der offenen Pforten zu einem Zug hineilte ... oder zu einem leeren Bahnsteig.
Dies hier ... fühlte sich wichtig an. Er hatte nur leider nicht die geringste Ahnung, warum.
Als er die Tafel betrachtete, ließ ihn ein Wort innehalten. Ein Ortsname, wie ihm schnell klar wurde.
Er sprach die Silben laut aus. »Myd-worth.« Dann wiederholte er sicherer: »Mydworth.«
Aus unerfindlichem Grund wusste er, dass das sein Ziel war.
Er suchte auf der Tafel nach der Bahnsteignummer ... 14.
Am Bahnsteig 14 stand ein Zug, dessen Lokomotive dicke Rauchwolken in die Luft blies. Abermals zögerte der Mann nicht, sondern eilte zu dem Bahnsteig. Die Lokomotive puffte, sah bereit, ja, fast ungeduldig aus, sich endlich aus der Stadt zu bewegen. Zu dem Ort namens Mydworth.
Der Mann ging den Gang in einem der Waggons hinunter. Viele Plätze waren besetzt – von Männern mit aufgeschlagenen Zeitungen, ein paar Frauen, die zusammensaßen und sich angeregt unterhielten, jedoch kurz verstummten, als sie ihn sahen.
Er fand zwei freie Plätze und setzte sich hin. Bei dieser Bewegung fühlte er sein Bein, dessen Beugung bewirkte, dass ein scharfer Stich sein Knie durchfuhr.
Dennoch tat es gut zu sitzen. Er lehnte sich an das weiche Polster in seinem Rücken. Es war angenehm.
Mydworth also.
Wieder murmelte er den Namen vor sich hin, als fürchtete er, ihn andernfalls zu vergessen. Denn er wusste, dass er irgendwie sehr viel vergessen hatte.
Und dann, nach einem lauten Pfiff, der ihn erschreckte, fühlte er, wie sich der Zug schwerfällig in Bewegung setzte ...
Und er schlief ein.
»Verzeihung, Sir. Äh, haben Sie sich verletzt? Ein böser Schlag an die alte Birne?«
Abrupt wachte der Mann auf und sah eine Gestalt in Uniform vor sich stehen, an deren Schulter eine seltsame Maschine hing.
Richtig, dachte er. Die Worte waren auf einmal da, wallten in ihm auf. Der Schaffner! Der war er.
»Birne?«, fragte der Mann. »Ah, ja, ich glaube, ich habe mich irgendwie verletzt. Vielleicht, ja, Sie haben recht ... ein Schlag gegen den Kopf. Wie Sie sagten.«
»Haben Sie das mal richtig ansehen lassen? Wie ist es passiert?«
Der Mann hatte keine Ahnung, was er sagen sollte. Alles, was er anbieten konnte, war ein simples »Ich weiß es wirklich nicht«.
Der Schaffner blieb zunächst stumm. »Verstehe. Tja, wie dem auch sei. Ihren Fahrschein bitte, Sir? Sie wollen nach ...?«
»Mydworth«, sagte er. »Ich fahre nach Mydworth.«
Was jedoch nur bewirkte, dass der Schaffner wiederholte: »Und Ihr Fahrschein, Sir?«
Ach so! Ein Fahrschein. Ich brauche einen Fahrschein. Natürlich.
Er begann, in seinen Jackentaschen zu graben, und stellte rasch fest, dass sie leer waren. Als er in seine Hosentaschen griff, lächelte er dem geduldigen Schaffner zu.
Die linke Tasche war auch leer. Als er die rechte Hand in die Tasche auf der Seite schob, ertastete er mehrere Münzen und einen Schlüsselbund ... aber sonst nichts.
»Ich, ähm, scheine keinen Fahrschein zu haben.« Der Mann hielt seine Hand auf, um zu zeigen, was er hatte.
»Keinen Fahrschein? Nun, Sir, ich glaube, Sie haben da genug Münzen, um den Fahrpreis zu zahlen. Darf ich?«
Der Schaffner nahm die meisten Münzen aus seiner Hand, bis nur noch einige kupferfarbene übrig blieben.
Pennys, dachte der Mann, als er die Münzen ansah. Ja, das sind ganz klar Pennys.
Der Schaffner stellte mit seiner Maschine einen Fahrschein aus. »Und, Sir, ich empfehle Ihnen dringend, in Mydworth schnellstmöglich zu einem Arzt zu gehen.«
Der Schaffner tippte sich an die Stirn, als wollte er es so vollkommen klarmachen, und der Mann nickte.
Obwohl er beim besten Willen nicht sagen konnte, was er tun würde, wäre er erst in diesem Mydworth.
Ich weiß es schlicht nicht.
Also wandte er sich wieder zum Fenster, zu den Weiden, auf denen Schafe oder Kühe grasten, die dem vorbeirasenden Zug keinerlei Beachtung schenkten.
Und innerhalb weniger Minuten war er erneut eingeschlafen.
»Mydworth! Ihr Halt, alter Knabe!«, rief eine laute Stimme, und der Mann fühlte, wie eine Hand an seiner Schulter rüttelte.
Er schrak aus dem Schlaf und sah, dass die Wagentür offen stand und Leute aus dem Zug stiegen. Ein Gesicht war nahe vor seinem.
»Schnallen Sie lieber die Rollschuhe an, Sir!«, sagte der Fremde und half ihm vom Sitz auf.
Der Mann blinzelte zur offenen Tür und sah ein Schild mit der Aufschrift Mydworth. Gleichzeitig hörte er einen schrillen Pfiff und einen lauten Ruf: »Alles einsteigen! Alles einsteigen!«
Er sprang aus dem Wagen auf den Bahnsteig, vernahm, wie die Tür hinter ihm zugeschlagen wurde, und drehte sich um, als das Gefährt schon losrollte.
Die Waggons bewegten sich immer weiter weg, bis der Zug zu einem Punkt in der Ferne geschrumpft war und schließlich zu einer Rauchspur über fernen Bäumen.
Es war still geworden, bis auf das Vogelgezwitscher in den Bäumen um den Bahnhof.
Er schaute sich um. Der Bahnsteig war inzwischen leer bis auf einen alten Mann, der einen Käfig mit einer Katze darin trug.
»Ist dies hier Mydworth?«, fragte er den Mann.
»Der Bahnhof von Mydworth? Ja, ist es. Wollen Sie ins Dorf?«
Der Mann überlegte kurz. Bisher erschien ihm nichts an diesem Ort bekannt. »Ich glaube, ja«, antwortete er.
»Tja, das Dorf ist den Weg da rauf«, sagte der Katzenmann und nickte zur Straße hin. Dann schritt er pfeifend von dannen.
Der Mann blickte in die entsprechende Richtung. Die Landluft roch süßlich, so anders als in der lauten Stadt.
Sein Bein schmerzte, trotzdem wäre ein wenig Gehen schön.
Also machte er sich auf den Weg zu diesem Ort namens Mydworth, der aus ihm unbekannten Gründen wohl sein Ziel war.
Kat trank einen Schluck Tee, während Nicola Greene, die Leiterin des Women's Voluntary Service, ihr mal wieder schilderte, in welcher prekären finanziellen Lage sich die Organisation befand.
Nicola war ihr eine gute Freundin geworden, seit sie mit ihrem Mann, Sir Harry Mortimer, hergekommen war und sich unversehens als New Yorkerin in Sussex wiedergefunden hatte – und noch dazu als echte »Lady«!
Wobei Kat keineswegs im Sinn hatte, ein ruhiges Leben als englische Adlige zu führen. Neben anderer wohltätiger Arbeit sorgte sie dafür, zwei Tage die Woche mit Nicola zusammenzuarbeiten und den Frauen von Mydworth und Umgebung die dringend nötige Unterstützung zu bieten.
Wozu auch die heutige Aufgabe gehörte, nämlich in der Grafschaft herumzufahren und Spenden bei vermögenden Ortsansässigen einzutreiben. Oder es zumindest zu versuchen.
Heute war sie auf den üblichen höflichen Widerstand gestoßen: »Die Zeiten sind hart«, »Wir spenden schon so viel« und sogar: »Sollten diese Frauen sich nicht selbst um ihre Probleme kümmern?«
Kat hatte gehofft, dass ihr heutiges Treffen mit Nicola am Ende des Arbeitstags in Tillys Café am Marktplatz von Mydworth positiver ausfallen würde. Doch anscheinend hatte der WVS kaum noch die Mittel, sich bis Weihnachten zu halten.
»Die regelmäßigen Spenden sind sehr verlässlich. Ich bin dir und Sir Harry wirklich dankbar für eure Gaben. Und auch eure Tante Lavinia spendet so großzügig wie eh und je.«
»Aber es reicht nicht?«, fragte Kat.
»Je mehr Leuten wir helfen, desto mehr schnellen die Kosten in die Höhe – und desto ärmer werden wir.«
»Was nur zeigt, wie sehr wir diese Organisation brauchen. Also, wie schlimm sieht es aus?«, fragte Kat leise, weil sie nicht belauscht werden wollte.
»Tja, wenn die Bank uns keinen Überziehungskredit gewährt, fürchte ich, dass wir gerade genug haben, um noch drei Monate zu überleben.«
Kat hatte nicht gewusst, dass die Lage so ernst war. »Hast du dort nachgefragt?«
»Noch nicht. Ich habe morgen früh einen Termin bei Mr Thrimble«, antwortete Nicola. »Aber große Hoffnungen mache ich mir nicht. Er hält mit seiner Ansicht nicht hinterm Berg, und die ist anscheinend, dass wir bloß ›schwierige Frauen‹ sind.«
»Hm, ich würde ihm gern mal eine Deutung von ›schwierig‹ geben«, sagte Kat. Doch sie wusste, dass es nur eine Bank in Mydworth gab, weshalb es wenig ratsam war, sich mit deren Direktor anzulegen.
»Wie wäre es, wenn wir bei den hiesigen Geschäftsleuten um mehr Unterstützung bitten würden?«, fragte sie. »Sicher könnte ich ...«
Doch sie verstummte abrupt, als sie sah, wie die Tür des Cafés aufgestoßen wurde, worauf die kleine Glocke oben drüber wie verrückt losbimmelte.
Ein Mann kam herein. Oder vielmehr stolperte er herein, blieb sofort wie versteinert stehen und schaute sich um, während alle Gäste verstohlen zu ihm blickten.
Im Café verstummten alle.
Der Mann trug keinen Hut, aber auf den ersten Blick wirkte seine Kleidung nicht ungewöhnlich: ein hellgraues Tweedsakko, Weste, gebügelte Hose, kragenloses Hemd. Doch Kat entging nicht, dass alles eingestaubt war, teils eingerissen und knittrig – und mit dunklen Flecken gesprenkelt, die wie Blut aussahen.
»Was in aller ...?«, begann Nicola.
Sogar die allzeit muntere Elsie, ein Urgestein des Cafés, sah aus, als wäre eben ein Geist eingetreten.
Dann kam der Mann, dessen weit aufgerissene Augen den leeren Tisch neben Kats erkannt hatten, herübergeschlurft. Sein Gang sah komisch aus.
Stimmt etwas mit seinem Bein nicht?
Er setzte sich und blickte sich verwirrt um.
Elsie, die Kat ihren typischen Keine Ahnung, was hier los ist-Blick zuwarf, ging auf den Tisch des Mannes zu.
Mit fast normaler Stimme – auch wenn Kat hörte, dass da ein Hauch von Anspannung war – begrüßte sie den Gast.
»Guten Tag, Sir. Was darf ich Ihnen denn heute bringen?«, fragte sie, als handelte es sich bei diesem zittrigen Gentleman um einen Stammgast.
Der Mann schaute sich weiter mit leerem Blick im Lokal um. Kat sah, dass er die kleine Speisekarte aufnahm, die zwischen Zuckerschale und Salz- und Pfefferstreuer stand (kleine Keramikfiguren, die wie Katze und Hund in Frack und Zylinder aussahen).
Er blickte die Karte an, als würde er nichts verstehen, schüttelte den Kopf und steckte sie zurück.
Dann blickte er zu Kats Tisch. Dort fixierte er einen Teller mit Keksen, auf dem nur noch einer übrig war, und eine kleine Teekanne, aus der bereits zwei Tassen eingeschenkt worden waren, sodass sie nicht einmal mehr dampfte.
»Ich ... äh ... ähm ... Kann ich das haben?«
Der Mann zeigte hin und klang, als würde er um Erlaubnis bitten. Sein Tonfall war ... seltsam.
Elsie antwortete so unbekümmert wie möglich: »Kommt sofort, Sir!«
Als sie zum Tresen eilte, sah Kat sich die Augen des Mannes genauer an. Sie waren dunkel und hatten einen beinahe gehetzten Ausdruck.
Sie neigte sich hinüber und fragte so behutsam wie möglich: »Verzeihung, Sir, brauchen Sie Hilfe?«
Der Mann drehte den Kopf zu ihr, bevor er sich ganz nach rechts neigte und Kat einen Moment lang anstarrte. Solche Bewegungen hatte Kat, die im Krieg als Krankenschwester gedient hatte, schon früher gesehen – Soldaten mit Gefechtstrauma, die nichts mehr verstanden, zumindest eine Weile lang nicht.
»Hilfe? Ich, ähm, weiß wirklich nicht ...«
»Hatten Sie einen Unfall?«
»Einen Unfall? Ich? Oh, nun ja, ich weiß nicht. Denken Sie ... dass ich ...?« Seine Stimme verklang.
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