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Die junge Lizzie Spence träumt davon, Schauspielerin zu werden. Sie beschließt, von zuhause wegzulaufen und ihr Glück in einem der unzähligen Theater im Londoner West End zu suchen. Dort verschwindet sie spurlos. Harry und Kat werden auf den Fall aufmerksam und machen sich auf die Suche nach dem vermissten Mädchen.
Ein glamouröses Ermittlerduo, ungewöhnliche Verbrechen, schnelle Autos, schicke Kleider und rauchende Revolver - das ist Mydworth, die neue Serie von Matthew Costello und Neil Richards, den Autoren der britischen Erfolgsserie Cherringham. Sir Harry Mortimer, der ehemalige Spion im Dienste Seiner Majestät, ermittelt zusammen mit seiner umwerfenden Ehefrau Kat, die es mit jedem Bösewicht aufnehmen kann! Mydworth ist eine spannende Zeitreise ins England der 20er Jahre - für Fans von Babylon Berlin, Downton Abbey, und Miss Fishers mysteriösen Mordfällen.
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Seitenzahl: 151
Veröffentlichungsjahr: 2019
Cover
MYDWORTH – Ein Fall für Lord und Lady Mortimer. Die Serie
Über diese Folge
Die Hauptfiguren
Über die Autoren
Titel
Impressum
Prolog
1. Der Women’s Voluntary Service
2. Besorgte Eltern
3. Eine Zufallsbegegnung
4. Das Stadtquartier
5. Spaziergang durchs West End
6. Ein Pint mit Alfie
7. Ein vergnüglicher Abend in der Stadt
8. Der Red-Rabbit-Club
9. Verirrt
10. Showtime
11. Die Geheimnisse des Red Rabbit
12. Eine sehr private Party
13. Die bittere Wahrheit
14. Die Frühbesprechung
15. Der Moment zählt
16. Das Spiel ist aus
17. Die Royal Box
In der nächsten Folge
Ein glamouröses Ermittlerduo, ungewöhnliche Verbrechen, schnelle Autos, schicke Kleider und rauchende Revolver – das ist Mydworth, die neue Serie von Matthew Costello und Neil Richards, den Autoren der britischen Erfolgsserie Cherringham. Sir Harry Mortimer, der ehemalige Spion im Dienste ihrer Majestät, ermittelt zusammen mit seiner umwerfenden Ehefrau Kat, die es mit jedem Bösewicht aufnehmen kann! Mydworth ist eine spannende Zeitreise ins England der 20er Jahre – für Fans von Metropolis Berlin, Downton Abbey, und Miss Fishers mysteriösen Mordfällen.
Die junge Lizzie Spence träumt davon, Schauspielerin zu werden. Sie beschließt, von zuhause wegzulaufen und ihr Glück in einem der unzähligen Theater im Londoner West End zu suchen. Dort verschwindet sie spurlos. Harry und Kat werden auf den Fall aufmerksam und machen sich auf die Suche nach dem vermissten Mädchen.
Sir Harry Mortimer (32) kehrt nach langer Zeit im Ausland in seinen Heimatort Mydworth zurück. Der Sohn der wohlhabenden englischen Adelsfamilie hat als Pilot im Ersten Weltkrieg gekämpft und war danach zehn Jahre offiziell im diplomatischen Dienst tätig – in Wirklichkeit aber arbeitete Harry für den britischen Geheimdienst. Bei einem Einsatz in Kairo trifft er die wunderschöne Amerikanerin Kat Reilly, die ebenfalls verdeckt für ihre Regierung arbeitet. Die beiden verlieben sich und heiraten nach einer stürmischen Romanze. Das ungleiche Paar beschließt, zusammen nach England zu ziehen, um zur Ruhe zu kommen und sich dort ein beschauliches Leben aufzubauen. Aber es kommt anders als geplant …
Kat Reilly (32) kommt aus einer anderen Welt als ihr adliger Ehemann. Sie stammt aus New York und ist in ärmlichen Verhältnissen in der Bronx aufgewachsen. Aber sie ist tough, intelligent und abenteuerlustig. Sie erkämpft sich ein Stipendium an der Universität, arbeitet im Ersten Weltkrieg als Krankenschwester auf den Schlachtfelder Frankreichs und wird dann vom amerikanischen Außenministerium rekrutiert. Ihr scharfer Humor und ihre modernen Ansichten bringen frischen Wind in das verschlafene Mydworth. Aber an ihre Rolle als Lady Mortimer muss sie sich erst noch gewöhnen …
Matthew Costello ist Autor erfolgreicher Romane wie Vacation (2011), Home (2014) und Beneath Still Waters (1989), der sogar verfilmt wurde. Er schrieb für verschiedene Fernsehsender wie die BBC und hat dutzende Computer- und Videospiele gestaltet, von denen The 7th Guest, Doom 3, Rage und Pirates of the Caribbean besonders erfolgreich waren. Er lebt in den USA.
Neil Richards hat als Produzent und Autor für Film und Fernsehen gearbeitet sowie Drehbücher für die BBC, Disney und andere Sender verfasst, für die er bereits mehrfach für den BAFTA nominiert wurde. Für mehr als zwanzig Videospiele hat der Brite Drehbuch und Erzählung geschrieben, u. a. The Da Vinci Code und, gemeinsam mit Douglas Adams, Starship Titanic. Darüber hinaus berät er weltweit zum Thema Storytelling. Bereits seit den späten 90er Jahren schreibt er zusammen mit Matt Costello Texte, bislang allerdings nur fürs Fernsehen.
Seit 2013 schreiben das transatlantische Duo Matthew Costello und Neil Richards die Serie CHERRINGHAM, in der inzwischen 34 Folgen erschienen sind. MYDWORTH ist ihr neues gemeinsames Projekt.
MATTHEW COSTELLONEIL RICHARDS
Spur nach London
Aus dem Englischen von Sabine Schilasky
Deutsche Erstausgabe
»be« – Das eBook-Imprint der Bastei Lübbe AG
Für die Originalausgabe:
Copyright © 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln
Titel der britischen Originalausgabe: »Mydworth Mysteries – London Calling!«
Für diese Ausgabe:
Copyright © 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln
Textredaktion: Julia Feldbaum
Lektorat/Projektmanagement: Kathrin Kummer
Covergestaltung Guter Punkt, München | www.guter-punkt.de unter Verwendung von Motiven © Getty Images: Kharchenko_irina7 | Anton_Sokolov | SHansche
eBook-Erstellung: 3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)
ISBN 978-3-7325-7319-6
www.be-ebooks.de
www.lesejury.de
Lizzie Spence lag auf ihrem Bett und lauschte den nächtlichen Geräuschen im Haus, während sie durch die schweren Spitzenvorhänge den ersten Anzeichen des Sonnenaufgangs entgegenblinzelte. Sie konnte kaum glauben, was sie vorhatte.
Ich laufe weg von zu Hause. Ich! Die schüchterne kleine Lizzie. Lizzie, die in der Ecke steht, die immerzu den Kopf gesenkt hält und vor allem und jedem Angst hat. Keiner wird es glauben! Weglaufen aus dem langweiligen, öden Mydworth, wo nie irgendwas passiert. Weglaufen nach London! Weglaufen, um Ruhm und Reichtum zu finden!
Zum einhundertsten Mal, so kam es ihr vor, blickte sie zu der kleinen Uhr auf ihrem Nachttisch. Zwanzig vor fünf am Morgen. Nur noch fünf Minuten, dann würde sie aufstehen. Ihre Tasche war bereits fertig gepackt – versteckt unter dem Bett, wo ihre Mum sie nicht sah. Dann würde sie in der Morgendämmerung das Haus verlassen, hinunter zum Bahnhof von Mydworth gehen und den frühen Zug nach London nehmen.
Ihr Abenteuer begann. Ihre ersten Schritte zum West End, um ein Star zu werden, und danach – wer weiß! – vielleicht zum Broadway oder sogar nach Hollywood zum Tonfilm! So wie ihre Leinwandidole Clara Bow, Greta Garbo, Mary Pickford und Betty Balfour.
Abermals schaute sie zur Uhr. Neben ihr lag die kurze Nachricht, die sie ihrer Mutter geschrieben hatte. Ein Anflug schlechten Gewissens suchte sie heim, doch sie verdrängte ihn.
Viertel vor fünf!
Ja, es war Zeit zu gehen.
Sie konnte ihre Aufregung kaum zügeln, als sie aus dem Bett schlüpfte – bereits vollständig bekleidet und mit dem Mantel darüber! – und sich ihre Tasche schnappte.
Sie schlich zu ihrer Tür, öffnete sie so leise wie möglich und betete, dass sie nicht von knarzenden Dielen verraten würde. Dann sah sie über den Flur zur Schlafzimmertür ihrer Eltern. Von drinnen war das beruhigende Schnarchen der beiden zu hören. Sie hoffte, dass das Hausmädchen Ellen oben im Dachgeschoss gleichfalls tief und fest schlief.
Pochenden Herzens tapste sie auf Zehenspitzen den Flur entlang und die Treppe hinunter, wobei sie achtgab, nicht mit ihrer kleinen Ledertasche gegen das Geländer zu stoßen.
An der Haustür hörte sie die alte Standuhr Viertel schlagen – sie ging mal wieder nach, wie immer.
Für eine Sekunde bekam sie Angst vor dem faszinierenden, gefährlichen Unterfangen und schaute sich im sanften Dämmerlicht um, das durch das Buntglasfenster in der Haustür fiel.
Dann schüttelte sie ihre Furcht ab. Sie musste hier raus. Die Zukunft beim Schopf packen! Es war 1929, und die Welt veränderte sich!
Hatte Oliver nicht genau das in der Tanzschule zu ihr gesagt?
»Bau dir dein eigenes Leben auf, Mädchen«, waren seine Worte gewesen, und seine Augen hatten geblitzt. »Du bist eine Ausnahme, junge Dame, das sehe ich. Du bist etwas Besonderes, und du wirst mal ein Star.«
Danach hatte Lizzie gewusst, dass sie es sich nie vergeben würde, sollte sie im verschlafenen Mydworth bleiben und irgendeinen langweiligen, eingebildeten Mann heiraten, der wahrscheinlich in London arbeitete und die ganze Nacht schnarchte, während sie sich mit Kirchenbasaren, Sherry-Partys, Bridge-Abenden und dem Tennisclub beschäftigte.
Ihr ganzes Leben wäre so unsagbar öde!
Oh Gott, nein!
Sie wollte, nein, sie brauchte die funkelnden Lichter der Großstadt, die jubelnden Mengen, die Kameras und die roten Teppiche!
Und deshalb öffnete sie die Haustür, trat hinaus auf die makellos gefliesten Stufen und atmete den sommerlichen Morgengeruch von Mydworth ein.
Vielleicht zum letzten Mal. Warum sollte ich jemals zurückkehren?
Dann schloss sie lautlos die Tür hinter sich und ging die Einfahrt hinunter zur Straße, die zum Bahnhof führte – und zu ihren Träumen.
Kat Reilly – oder vielmehr »Lady Mortimer«, wie der Titel lautete, an den sie sich langsam, wenn auch nicht sehr begeistert gewöhnte – wischte sich die farbverschmierten Hände an ihrem Overall ab und trat von der Bürowand zurück, die sie gestrichen hatte.
»Ta-daah!«, sagte sie und wandte sich um zu Melissa und der Leiterin des Women’s Voluntary Service, Nicola Green, die in der anderen Ecke des neuen WVS-Büros standen, wo sie Bücher aus Kartons auspackten und in Regale sortierten. »Na, was meint ihr zwei? Nicht schlecht gestrichen, oder?«
Die beiden Frauen unterbrachen ihre Tätigkeit und kamen herüber; dabei mieden sie sorgsam die wurmzerfressenen losen Dielenbretter in dem schäbigen alten Raum.
»Ich würde sagen, dass Sie Ihre Berufung verfehlt haben, Kat«, antwortete Nicola.
Kat gefiel, dass Nicola keinerlei Problem damit hatte, auf das ganze »Lady«-Theater zu verzichten.
»Die Farbe finde ich gut«, sagte Melissa.
»Ein Jammer, dass die halbe Dose in meinem Haar gelandet zu sein scheint«, sagte Kat. »Steht da drauf, ob sie sich rauswaschen lässt? Ich will es schwer hoffen, denn ich bin nicht sicher, ob Limonengrün meine Farbe ist. Na gut – was kommt als Nächstes?«
Kat beobachtete, wie Nicola Green sich noch eine ihrer eklig riechenden Zigaretten ansteckte, einen Tabakkrümel ausspuckte und sich im Raum umblickte.
Rauchen war eine Angewohnheit, mit der Kat noch nie geliebäugelt hatte.
In ihrer Tweedjacke, der ausgewaschenen Bluse und der uralten Hose sah Nicola für Kat stets aus, als wollte sie auf einem Bauernhof arbeiten. Oder auf einer Rinderfarm, sofern es solche in Sussex gab.
Nun zog sie an einem Lichtschalter an der Wand, der einzig durch die viktorianische Tapete gehalten zu werden schien.
»Sie verstehen nicht zufällig etwas von Elektrik, oder?«, fragte Nicola, während kleine Putzbrocken zu Boden rieselten. »In den anderen Räumen ist sie in Ordnung, aber dieser Lichtschalter hier muss wohl ersetzt werden.«
»Nun, da erwischen Sie mich kalt. Mit Streichen erschöpfen sich meine handwerklichen Fähigkeiten eigentlich schon. Ich kann den ein oder anderen Nagel einschlagen, allerdings nicht allzu gerade.«
»Macht nichts. Ich kenne jemanden, der das erledigen kann«, sagte Melissa, die neueste – und bislang einzige – Rekrutin des WVS. »Billy Pagett von der Werkstatt drüben. Er ist in allem Möglichen sehr geschickt.«
»Aber wir könnten ihn nicht bezahlen«, entgegnete Nicola schnell. »Na ja, eventuell ein bisschen.« Sie warf Kat einen Blick zu. »Dennoch müssen wir auf jeden Shilling achten.«
»Ach, keine Sorge«, sagte Melissa grinsend. »Er ist furchtbar in mich verliebt. Wenn ich ihn darum bitte, macht er es ganz sicher umsonst.«
»Ah, sehr gut. Ja, dann geht es«, schlussfolgerte Nicola.
»Ist das keine Ausbeutung?«, fragte Kat mit einem Augenzwinkern.
»Mitnichten. Er gewinnt die Bewunderung und Achtung unserer jungen Melissa. Ich würde sagen, es ist ein fairer Handel!«, antwortete Nicola lachend.
Sie ging hinüber zum Erkerfenster, von dem man auf den Marktplatz von Mydworth hinabblicken konnte. »Jedenfalls müssen wir die Räumlichkeiten fertigbekommen. Es muss aufhören, dass ich Leute bei mir zu Hause empfange. Ganz zu schweigen von den dort überfälligen Reparaturen!«
Nicola öffnete das Fenster und schnippte die Asche von ihrer Zigarette.
Kat wusste, dass Nicola für diese Arbeit lebte. Der WVS war ein Rettungsanker für viele Frauen in und um Mydworth, die mit allen erdenklichen Problemen zu ihr kamen und auf Verständnis und Diskretion hofften. Und die oft dringend Hilfe benötigten.
Manchmal fand sich – mit Unterstützung von Kat und Harry – eine Lösung für ihre Sorgen.
Dennoch hatte es erst vor wenigen Wochen danach ausgesehen, dass die Organisation schließen musste. Der armselige Raum über dem Modeladen war ihnen gekündigt worden, und sie verfügten über so gut wie keine finanziellen Mittel.
Dann jedoch hatte es eine anonyme Spende gegeben, die es Nicola ermöglichte, dieses halb verfallene Haus am Markt zu mieten. Es verfügte über einen kleinen Hof und einen unscheinbaren Hintereingang, durch den man unbemerkt hineingehen und wieder herauskommen konnte. »Frauen, die zu uns kommen«, hatte sie gesagt, »sind oft von Gewalt bedroht, Kat. Es ist mutig von ihnen, sich Hilfe zu suchen. Das Mindeste, was wir für sie tun können, ist, dafür zu sorgen, dass sie diese Hilfe bekommen können, ohne gesehen zu werden.«
Das Geld hatte auch gereicht, um eine junge Assistentin zu finanzieren – Melissa Shreeve –, die sofort erkannt hatte, wie wichtig der Women’s Voluntary Service war. Die junge Frau hatte umgehend ihre Hilfe angeboten.
Kat hatte schon erlebt, wie leicht es Melissa mit ihren achtzehn Jahren fiel, Zugang zu den jungen Leuten in Mydworth zu bekommen – etwas, das Nicola und ihr unmöglich so einfach gelingen würde.
Gemeinsam hatten sie den letzten Monat damit verbracht, die drei Stockwerke des Hauses zu renovieren. Sie hatten gemalt, dekoriert und Mobiliar hereingeschleppt. Dieses oberste Stockwerk war das letzte, das sie fertigstellten, und nun konnte die richtige Arbeit beginnen.
»Wie wäre es«, sagte Nicola, die sich vom Fenster abwandte, »wenn Sie beide sich waschen, während ich …«
Doch ehe sie den Satz beenden konnte, klingelte das Telefon eine Etage tiefer. Das laute Schrillen hallte in dem leeren Gebäude wider.
»… ans Telefon gehe«, sagte Nicola und eilte nach unten.
Kat zog sich ihren mit Farbe bekleckerten Overall aus, und Melissa tat es ihr gleich. Nacheinander wuschen sie sich mit kaltem Wasser in dem kahlen Badezimmer.
Bis Nicola wieder erschien, war Kat bereits umgezogen und bereit, nach Hause zu gehen.
»Ich muss Sie um einen Gefallen bitten, Kat«, sagte Nicola.
»Sicher. Nur heraus damit.«
»Sind Sie und Harry heute Abend da?«
»Ähm, höchstwahrscheinlich«, antwortete Kat. »Harry will mit dem Zug um halb sieben aus London kommen.«
»Hervorragend!«, sagte Nicola. »Es geht um den Anruf eben. Jemand im Ort braucht unsere Hilfe. Wenn Sie es einrichten könnten, baldmöglichst mit dieser Person zu sprechen?«
»Es klingt dringend.«
»Ich denke, das könnte es sein. Die Einzelheiten erzähle ich Ihnen noch.«
»Was ist das Problem?«
»Eine vermisste Person«, antwortete Nicola.
»Aha? Wir befassen uns mit Vermissten?«, fragte Kat. »Ich dachte, das wäre gemeinhin Aufgabe der Polizei.«
»Stimmt. In diesem Fall scheint die Polizei jedoch nicht der Ansicht, dass es sich um einen tatsächlichen ›Vermisstenfall‹ handelt.«
»Ah«, sagte Kat und ahnte, was für eine Geschichte es sein könnte. »Der Ehemann von jemandem? Die kommen doch für gewöhnlich zurück, oder nicht?«
»Nein, das ist es nicht«, entgegnete Nicola. Sie sah erst zu Melissa, dann zurück zu Kat. »Es geht um eine junge Frau.«
»Oh, ich verstehe.«
Nicola drehte sich zu Melissa um. »Gehen Sie ruhig schon nach Hause, während ich alles mit Kat bespreche. Und vielen Dank für die großartige Unterstützung heute!«
»Ich helfe wirklich gern«, sagte Melissa. »Sehe ich Sie beide am Montag?«
»Darauf können Sie wetten. Genießen Sie Ihr Wochenende«, antwortete Kat lächelnd.
Sie wartete, während Melissa sich ihren Mantel und ihre Tasche nahm und das Haus verließ.
Danach erzählte ihr Nicola, die eindeutig nicht wollte, dass Melissa hiervon erfuhr – zumindest noch nicht –, von dem verstörenden Verschwinden der jungen Lizzie Spence.
Sir Harry Mortimer stieg um 17.35 Uhr aus dem Zug von der Victoria Station, klemmte sich seine Ausgabe der Times unter den Arm und wanderte schnellen Schrittes mit den anderen Pendlern die Station Road hinauf nach Mydworth.
Diese Pendler sind wie eine gut abgerichtete Herde, dachte er. Was ihn selbst betraf, war er sich nicht ganz sicher, ob er sich die Arbeit für das Außenministerium so vorgestellt hatte.
Alles fühlte sich, nun ja, recht heimisch und brav an.
Auch dieser Weg wurde ihm zusehends vertrauter, seit er nach Jahren im Regierungsdienst vor einigen Monaten mit seiner Frau Kat in den kleinen Ort in Sussex zurückgekehrt war.
Er nickte und lächelte seinen Mitreisenden zu, die einer nach dem anderen in unterschiedliche Richtungen nach Hause eilten. Zweifellos freuten sie sich alle auf ein Wochenende fernab vom Trubel, Lärm und Qualm der Großstadt.
Sie waren Büroangestellte, Buchhalter, Bankkaufleute und einige Staatsbedienstete, die allesamt – wie er – in Anzug und Hut gewandet waren. Harry schmunzelte vor sich hin. Keiner von ihnen ahnte, welche ziemlich ungewöhnliche Rolle er in der verborgenen Regierungsabteilung beim St. James′ Park spielte.
Verborgen – und streng geheim.
Was seine Stellung ohne Frage interessant machte. Nicht einmal Kat durfte Einzelheiten erfahren. Obwohl es nicht viel gab, was er ihr verschwieg. Er würde ihr sein Leben anvertrauen.
Natürlich wusste sie, dass seine Arbeit hier eine Fortsetzung seiner Tätigkeit in Kairo und er an eine Vertraulichkeitsvereinbarung gebunden war.
Da sie selbst einige Jahre eine ähnliche Position beim U.S.-Außenministerium bekleidet hatte, stellte sie nicht allzu viele Fragen, was Harry zu schätzen wusste.
Es war noch hell – das Wunder des Sommers! –, als er den Marktplatz überquerte und in die kleine Kopfsteinpflasterstraße abbog, hinauf zur alten Kirche und ihrem Haus dahinter.
Harry trat durch die Gartenpforte, ging die Kieseinfahrt hinauf, lockerte seine Krawatte und nahm den Hut ab. Er freute sich sehr darauf, ein wenig Zeit zu Hause mit seiner wunderschönen amerikanischen Ehefrau zu verbringen – mit ihr gemeinsam den ach so ersehnten Gin Tonic zu trinken und dabei durch den Garten zu schlendern, um Sträucher und Beete zu planen. Sie würden sich vor dem Dinner zusammensetzen und über die Ereignisse des Tages plaudern.
Andererseits musste er sich seine Sorge eingestehen, dass ihr das Leben hier in Sussex nicht genügend Abwechslung bot. Er kannte seine Kat und wusste, dass die junge Frau aus der Bronx ein wenig Aufregung mochte.
Als er die Eingangsstufen erreichte, ging die Haustür auf – und Kat stand im Mantel und mit der Handtasche über der Schulter da.
Sie war nicht wie üblich in einer langen, weiten Hose, sondern eher wie zu einer Verabredung gekleidet.
Erstaunlich …
»Der Krieger ist zurückgekehrt«, sagte sie und ging auf ihn zu.
»Lady Mortimer.«
»Sir Harry.«
Sie küssten sich.
»Hm«, sagte er einige Sekunden später. »Nun denn. Was den heutigen Abend betrifft … Überspringen wir den Gin und gehen direkt zum Hauptgang über?«
Wieder küsste sie ihn und sah ihn mit sanftem Blick an.
»Würde ich ja gern …«
Ihre blaugrünen Augen waren weit geöffnet und verbargen nichts.
»Aber?«
»Genau«, sagte sie. »Aber.«
»Ah, verstehe.« Er trat einen Schritt zurück und nahm seine beste Detektivpose ein. »Lass mich raten: Mantel, Handtasche, elegante Schuhe. Wir sind … eingeladen?«
»Nun ja«, erwiderte sie, zog seine Krawatte stramm und nahm Harry den Hut aus der Hand, um ihn ihm wieder aufzusetzen. »So etwas in der Art.«
»Was du nicht sagst. Ein neuer Fall?«, fragte Harry.
»Oh ja, ein Fall.«