Mystic Highlands 4: Mythenschwert - Raywen White - E-Book

Mystic Highlands 4: Mythenschwert E-Book

Raywen White

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Beschreibung

**Von dunklen Elfen und anderen Mythen** Der Gedanke, Logan verloren zu haben, lässt Kathrine in ein tiefes Loch fallen. Der attraktive und charismatische Druide war alles für sie und das nicht nur, weil er ihr gezeigt hat, dass hinter den magischen Mythen ihrer Heimat viel mehr steckt als nur Geschichten. Allein und gefangen im zerstörten Reich der Síd, droht sie alle Hoffnung zu verlieren. Sie weiß nicht, dass ihr geliebter Schotte noch nicht völlig verloren ist. Währenddessen bereiten sich die Síodhach auf den alles entscheidenden Krieg zwischen Elfen und Menschen vor – einen Kampf, in dem Kathrine eine weitaus größere Rolle spielt, als sie ahnt…   Raywen White verzaubert ihre Leser mit einer einmaligen Landschaft und einer atemberaubend romantischen Story. Alle Bände der sagenhaften Highland-Fantasy-Reihe:  //Die Geschichte von Rona & Sean   -- Mystic Highlands 1: Druidenblut    -- Mystic Highlands 2: Druidenliebe    -- Mystic Highlands: Band 1-2 der fantastischen Highland-Reihe im Sammelband (Die Geschichte von Rona & Sean)    //Die Geschichte von Kathrine & Logan    -- Mystic Highlands 3: Mythenbaum   -- Mystic Highlands 4: Mythenschwert    -- Mystic Highlands: Band 3-4 der Fantasy-Reihe im Sammelband (Die Geschichte von Kathrine & Logan)//   //Die Geschichte von Ciarda & Darach   -- Mystic Highlands 5: Feenhügel  -- Mystic Highlands 6: Feenkampf -- Mystic Highlands: Band 5-6 der Fantasy-Reihe im Sammelband (Die Geschichte von Ciarda & Darach)//  Diese Reihe ist abgeschlossen.

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Dark Diamonds

Jeder Roman ein Juwel.

Das digitale Imprint »Dark Diamonds« ist ein E-Book-Label des Carlsen Verlags und publiziert New Adult Fantasy.

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Das Dark-Diamonds-Programm wurde vom Lektorat des erfolgreichen Carlsen-Labels Impress handverlesen und enthält nur wahre Juwelen der romantischen Fantasyliteratur für junge Erwachsene.

Raywen White

Mystic Highlands 4: Mythenschwert

**Von dunklen Elfen und anderen Mythen** Der Gedanke, Logan verloren zu haben, lässt Kathrine in ein tiefes Loch fallen. Der attraktive und charismatische Druide war alles für sie und das nicht nur, weil er ihr gezeigt hat, dass hinter den magischen Mythen ihrer Heimat viel mehr steckt als nur Geschichten. Allein und gefangen im zerstörten Reich der Síd, droht sie alle Hoffnung zu verlieren. Sie weiß nicht, dass ihr geliebter Schotte noch nicht völlig verloren ist. Währenddessen bereiten sich die Síodhach auf den alles entscheidenden Krieg zwischen Elfen und Menschen vor – einen Kampf, in dem Kathrine eine weitaus größere Rolle spielt, als sie ahnt …

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Vita

Danksagung

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© privat

Raywen White lebt gemeinsam mit ihrem Mann im Raum Frankfurt am Main. Erst 2014 entdeckte sie ihre Leidenschaft für das Schreiben und erzählt nun Geschichten, in denen Liebe und Magie der Fantasie keine Grenzen setzen. Jedoch haben in ihrem Leben Bücher schon immer eine wichtige Rolle gespielt. Es gibt nichts Schöneres, als in eine Geschichte einzutauchen und den Alltag vergessen zu können. Dieses Gefühl möchte sie auch ihren Lesern ermöglichen.

Für alle, die den Mut finden, über sich hinauszuwachsen.

1

Ein schmerzhafter Stoß in den Magen ließ Kathrine langsam aus der Dunkelheit auftauchen. Zuerst sah sie nur grauweiße Schleier, bis sich die Textur des Stoffes, der ihr vor den Augen baumelte, deutlich abzeichnete. Sie blickte weiter hinab, folgte dem hellen Gewebe und erkannte an dessen Ende einen ausgetretenen Pfad zwischen hohen Grashalmen, der sich schnell bewegte. Das Grün verwischte, als würde sie aus einem fahrenden Auto schauen. Verwirrt drehte sie den Kopf. Alles um sie schien verkehrt herum zu stehen, hüpfte auf und ab und wurde jedes Mal von einem Knuff in ihren Unterleib begleitet. Sie konnte die von Bergen eingerahmte Landschaft erkennen. Grüne Hänge fielen steil in das Tal hinab, durch das sie gerade liefen. Die Sonne tauchte den Horizont in ein flammendes Orange und hatte die Schatten der Nacht noch nicht vollständig vertrieben. Oder ging sie gerade erst unter?

Schmerzhaft dröhnte es in ihrem Schädel und sie ließ sich wieder hängen. Ihr Kopf schien wie in Watte gepackt und nur langsam erfasste sie die Situation. Kleine Kieselsteine lösten sich aus dem roten Fels unter den Füßen desjenigen, der sie gerade wie einen Sack Kartoffeln durch die Gegend trug, und sprangen über das andere Gestein davon. Ihre Finger krallten sich in den seidigen Stoff, den er trug, aus Angst zu fallen, als er über einen schmalen Bachlauf sprang.

»Sie ist wach, Mylord«, erklang eine schmeichelnde Stimme auf Höhe ihrer Hüfte. Das Hüpfen der Landschaft hörte auf, doch dafür drehte sie sich nun in schneller Geschwindigkeit, bis sich alles wieder am rechten Platz befand und sie Widerstand unter ihren bloßen Füßen spürte. Kleine Steine bohrten sich in ihre Sohlen. Ihre Beine gaben nach und sie fiel vornüber. Ihr Mageninhalt wanderte die Speiseröhre hinauf, doch sie schluckte den bitteren Geschmack hinunter.

Feuchtes Gras kitzelte ihre Handflächen, als sie versuchte sich wieder hochzustemmen. Sie fühlte sich wie erschlagen und ihre Muskeln zitterten vor Anstrengung. Als sie den Kopf hob, begegnete sie dem finsteren Blick eines Fremden mit dunkelblauen Augen und braunem Haar, der sie mit durchdringendem Blick maß und auf irgendetwas zu warten schien. Sein Gesicht besaß eine markante Kieferpartie, die einen unbeugsamen Willen ausstrahlte. Andere hätten ihn vielleicht als gut aussehend bezeichnet, doch bei seinem Anblick verstärkte sich ihre Übelkeit. »Guten Morgen, Kathrine Evans.«

Diese Stimme. Ich glaube, Rona wird die Botschaft auch so verstehen. Die Erinnerungen kamen wie ein Tsunami auf sie zugerollt. Ihr Körper bebte vor Angst, während sie entsetzt auf die riesige Welle blickte, die sich vor ihr auftürmte, um sie zu verschlingen. Wie ein Film im Schnelldurchlauf schossen die Bilder durch ihren Kopf, als diese sie traf. Der Angriff eines Wolfes, der so groß wie ein Kleinbus war. Ihre erste Begegnung mit dem gut aussehenden Schotten, der sie vor dieser Bestie rettete. Die Fahrt auf seinem Motorrad durch die Highlands. Sein verschmitztes Grinsen, wenn er sie neckte. Das Grübchen in seiner Wange, wenn er lächelte, und das bei ihr immer ein Kribbeln im Magen auslöste. Ihre kleinen Kabbeleien, ihr erster Kuss.

Alles war wieder da. Sie hatte sich in ihn verliebt, auch wenn sie es niemals gewollt hatte. Hals über Kopf. Mit jeder Faser ihres Seins. »Logan«, flüsterte sie sehnsüchtig, ohne sich ihrer Umgebung noch länger bewusst zu sein.

Ihr Herz begann wie wild zu schlagen. Kälte rauschte durch ihre Adern und vertrieb die Wärme, die sie zuerst verspürt hatte. Sie wollte nicht mehr sehen, aber das dunkle Wasser aus Erinnerungen riss sie mit sich und durchtränkte sie mit einer Qual, die sie erneut in den Abgrund zerrte.

Das Bild, wie das Schwert durch seinen Leib fuhr, würde sie niemals loslassen. Der Schmerz über seinen Verlust brannte sich wie ein glühendes Eisen durch ihr Herz. Es war, als könnte sie spüren, wie die Waffe durch seinen Leib getrieben wurde. Das Geräusch, wie das silbrig funkelnde Metall durch Gewebe und Knochen drang, hallte in ihrem Kopf und übertönte ihren Schrei.

Fassungslos sah er an sich hinab und klappte zusammen.

»Nein! Logan! Nein!« Wie Stahlbänder legten sich die Arme des Síodhachs, der Logans Mörder begleitete, um ihre Brust und hielten sie zurück. Sie zerrte an seiner Kleidung, biss in seinen Arm und trat mit aller Kraft um sich. Vergeblich.

»Du darfst mich nicht verlassen!«, rief sie und erst danach wurde ihr bewusst, was dieser Satz bedeutete.

»Kat«, flüsterte er, als wollte er ihr sagen, dass alles in Ordnung sei. Aber das war es nicht. Ihr Widerstand verlor sich in ihrem Entsetzen. Überall war Blut. Sie bewegte sich keinen Millimeter, sah nur zu, wie es langsam in den Teppich sickerte.

Heiße Tränen liefen ihr die Wangen hinab.

»Kat.« Er hustete und das Blut füllte seinen ganzen Mund. Er sah sie an und in seinem Blick lag die Gewissheit, dass es das letzte Mal war. Er öffnete den Mund, um noch etwas zu sagen, doch statt Worten quollen Blutstropfen über seine Lippen.

Logan! Sie schrie und zugleich herrschte Stille. Die Stahlbänder zogen sich fester um ihre Brust. Sie bekam keine Luft mehr. Ihre Zähne klapperten, so kalt war ihr. Der Mann zog sie fort, obwohl sie nichts anderes wollte, als in diesem Moment bei Logan zu sein. Sie krallte ihre Fingernägel in den Türrahmen und hielt sich fest. Vor ihr lag nur noch schwarzes Nichts und sie stürzte sich erleichtert hinein, um der Qual zu entkommen, die sich ihrer Seele bemächtigte.

Plötzlich riss ein scharfer Schmerz sie von dem Abgrund zurück. Ihre Wange brannte und sie strich mit ihren Fingern darüber. Verwirrt blinzelte sie, als sich vor ihr nicht mehr Logans lebloser Körper in einer Blutlache befand, sondern das frische Grün eines warmen Sommertages.

Ihr Puls dröhnte noch in ihren Ohren und das Gefühl, ihr wäre gerade das Herz herausgerissen worden, klang nur langsam ab. Beruhigend rieb sie sich über die Brust und versuchte das Stechen zu vertreiben. Es kam ihr wie ein Albtraum vor, aus dem sie gerade erwacht war. Sie saß mitten auf einer Wiese, umgeben von Leben.

Ein Schatten fiel auf die Grashalme vor ihr und sie blickte auf. Fassungslos betrachtete sie den Mann, den Logan Éber genannt hatte und der hochmütig und genervt auf sie herabsah. Seine Hand befand sich noch in der Nähe ihrer Wange, die von seinem Schlag pochte.

»Wir müssen weiter«, sagte er emotionslos, als wäre nichts gewesen. Als hätte er nicht Logan ein Schwert durch die Brust gestoßen. Ihn kaltblütig ermordet. Sie erkannte keine Reue oder Bedauern über diese Tat. Ihm war es schlicht egal – ein Feind weniger.

Wie sehr wünschte sie sich in diesem Moment, dass sie alles nur geträumt hätte. Aber die Verzweiflung und der Schmerz waren real. Als hätte jemand einen Teil von ihr brutal aus ihr herausgerissen. Noch nie in ihrem Leben hatte sie sich so verloren und einsam gefühlt. Nicht einmal als sie am Grab ihrer Mutter gestanden hatte.

Warum? Warum musste Logan sterben?

Der Schmerz schlug um in gleißenden Zorn, der sie alles vergessen ließ – nicht nur ihre Angst, sondern auch ihre Trauer. »Du hast ihn umgebracht! Du hast gesagt, dass ihm nichts passiert, wenn ich freiwillig mitkomme!«, schrie sie und sprang auf. Ihre Hände waren zu Klauen geformt, die sie diesem Bastard durch seine Visage ziehen wollte. »Du verdammter …« Weiter kam sie nicht, denn schon landete sie hart auf dem Boden und ihr wurde sämtlicher Atem aus den Lungen gepresst.

»Fessel und kneble sie, Fearghas«, sagte Éber gelassen und wandte sich desinteressiert ab.

Empört schnappte Kathrine nach Luft und drehte sich auf den Rücken.

»Jawohl, Mylord.« Der Síodhach mit dem weißblonden Haar und den violetten Augen verbeugte sich und wollte nach ihr greifen. Sie wich ihm aus und trat nach ihm. Mit einer anmutigen Bewegung wischte er ihr Bein zur Seite, als wäre es eine lästige Fliege.

»Lass mich!« Sie versuchte seinen Händen auszuweichen, die nach ihren Handgelenken griffen, doch innerhalb von Sekunden hielt er sie mit nur einer Hand fest und wickelte ein raues Seil darum, was an ihrer Haut kratzte.

Es gab kein Entkommen. Sie hatte keine Chance. Hatte nie eine besessen, egal wie viel ihr Logan beigebracht hatte. Logan. Eine Welle aus Schmerz überrollte sie und nahm ihr die Luft. Der blinde Zorn verpuffte und zurück blieb nur die dumpfe Qual, einen wichtigen Teil ihres Lebens verloren zu haben. »Wo bringt ihr mich hin?« Ihre Worte waren ein gebrochenes Winseln.

Als Antwort wurde ihr ein modriger Lappen in den Mund gestopft und hinter ihrem Kopf zusammengebunden. Im Knoten verfingen sich einzelne Haare und Tränen schossen in ihre Augen vor Schmerz und Frustration. Der Geschmack, der sich in ihrem Mund ausbreitete, war erdig und bitter. Kathrine sah nur noch eine verwischte Bewegung, bevor Fearghas sie erneut über seine Schulter warf und mit zügigen Schritten seinem Meister folgte. Der abrupte Richtungswechsel und Stoß in ihre Magengrube verstärkten bei Kathrine den Würgereflex, den sie mit eisernem Willen niederkämpfte. Fearghas’ Arm schlang sich um ihre Kniekehlen und hielt sie wie in einem Schraubstock. Ihr Zopf löste sich und einige ihrer blonden Strähnen fielen wie ein Vorhang vor ihre Augen. Unablässig rollten heiße Tränen über ihre Wangen. Am liebsten hätte sie sich einfach nur zusammengerollt, damit der Schmerz nicht länger eine Angriffsfläche besaß. Logan. Was soll ich nur tun?

Erneut sah sie ihn vor sich. Wie das Blut aus seinem Mund quoll und sich sein Blick trübte. Diese Wesen hatten ihn umgebracht, nur damit sie sie entführen konnten.

Warum? Sie wollte schreien, wollte um sich treten. Doch das Einzige, was sie zustande brachte, war ein leises Wimmern, das vom Stoff in ihrem Mund verschluckt wurde.

Wegen mir ist Logan tot.

Ihr ganzer Körper begann zu zittern. Sie fühlte sich ausgelaugt und kraftlos, hatte keine Ahnung, wohin sie verschleppt wurde, worum es ging oder was Éber mit ihr vorhatte. Sie wusste nicht einmal, wer er war oder wieso der Síodhach ihm folgte. Er besaß keine spitzen Ohren oder hellen Haare wie die Bewohner des Síds, sondern sah wie ein gewöhnlicher Mensch aus. Ein Druide schien er auch nicht zu sein, denn bisher hatte sie keine Tattoos auf seinen Armen entdecken können. Denk nach, Kathrine. Denk nach! In ihrem Kopf herrschte Chaos. Der Schmerz und die Angst übertönten jeglichen Gedanken. Alles verlor seinen Sinn und ging in einem grauen Wirbel unter.

Erst nach einer Weile bemerkte sie, dass ihr die Landschaft seltsam vertraut vorkam. Eine kleine malerische Brücke spannte sich über einen Bachlauf und dichte Laubbäume säumten das Ufer.

Weitere Erinnerungen stiegen hoch. Diesmal an ihre Mutter, die mit ihr als Kind in diesen Bergen wandern gewesen war. Sie erinnerte sich, wie sie hier ein Picknick veranstalteten. Die Decke war rot-blau kariert. Es gab selbst gebackene Scones. Ihre Mutter hatte gelacht.

Mit jedem neuen Detail, das Kathrine einfiel, erhöhte sich der schmerzhafte Druck in ihrem Herzen. Es fühlte sich an, als würde ihr die Haut abgezogen, als sie daran dachte, wie anders ihre Mutter sie damals angesehen hatte. Nicht voller Hass wie auf der Brücke, wo sie sie einfach in den Fluss hatte werfen wollen, als wäre sie Abfall.

Missgeburt.

Was war nur passiert, dass ihre Mutter sie so genannt hatte? Was hatte sich geändert? War sie am Ende doch einfach nur verrückt gewesen? Vor Kathrines Augen verschwamm das sommerliche Grün. Was stimmt nicht mit mir? Warum musste sie jeden in ihrem Leben, der ihr etwas bedeutete, verlieren? Sie hatte geahnt, dass sie niemanden an sich heranlassen durfte, hatte immer Abstand zu den Menschen in ihrem Leben bewahrt. Nur zu Logan nicht. Logan hatte es geschafft, sich durch die vielen Schutzschichten, die sie um sich errichtet hatte, in ihr Herz zu schleichen. Und jetzt war er tot.

Ihr ganzer Körper fühlte sich immer schwerer an. Erschöpft ließ sie ihre Glieder hängen und hatte keine Kraft mehr, sich gegen den düsteren Sog aus Reue, Schuld und Kummer zu wehren. Gegen die schrecklichen Bilder, die ihr ganzes Denken einnahmen.

Éber und Fearghas sprachen kein einziges Wort. Nur das leise Rascheln des Grases war zu hören, wenn sie hindurchschritten. Es war so still, dass die Erinnerungen laut in ihr schrien. Die Einsamkeit fraß sich wie Säure durch ihre Adern. Sie fühlte sich innerlich tot und war dankbar für die Taubheit. Müde schloss sie die Augen und nur das leise Plätschern eines kleinen Wasserfalls durchstieß die Stille. Der Knebel in ihrem Mund klebte an ihrer Zunge und ihr Hals brannte vor Durst. Sehnsüchtig sah sie zu dem glitzernden Bachlauf. Das Licht der Sonne, das sich darin spiegelte, hinterließ dunkle Flecken in ihrem Blick. Sie traute sich nicht auf sich aufmerksam zu machen. Sie hatte auch keinerlei Motivation dazu. Was würde das ändern? Logan würde davon auch nicht wieder lebendig werden.

Es schien, als wären sie bereits Stunden unterwegs gewesen, als Fearghas plötzlich stehen blieb und sie herunterließ. Sie schwankte gefährlich und ihr war schwindelig. Der Síodhach packte ihre Schultern, als sie drohte zusammenzubrechen. Er blinzelte ihr zu und gab ihr einen Moment, sich wieder zu fangen. Verwirrt blickte sie von ihm weg und sah sich um. Sie befand sich auf einer Anhöhe und konnte die Täler sehen, aber nichts, was ihren Halt rechtfertigte. Éber stand mit verschränkten Armen nur wenige Meter von ihr entfernt und beobachtete sie lauernd. Wie eine Schlange die Maus, kurz bevor sie sie verschlang. Er ließ die Arme fallen und trat einen Schritt vor, als würde er durch eine Tür gehen wollen. Irgendetwas befand sich vor ihnen. Der Mann schien in seiner Bewegung zu verharren, als wäre er auf Widerstand gestoßen. Ganz langsam, wie in Zeitlupe, bewegte er sich dennoch vorwärts. Er stöhnte und sein Gesicht wurde zu einer verzehrten Maske aus Anstrengung, fürchterlichen Qualen und zugleich schien er verzückt zu sein.

Der Síodhach hinter ihr stieß sie in den Rücken, genau auf die unsichtbare Barriere zu. Ein kurzer Anflug von Panik ließ sie die Fersen widerspenstig in die Erde bohren. Erneut presste Fearghas seine Hand auf einen Punkt zwischen ihren Schulterblättern und schob sie das letzte Stück. Sie spürte einen Widerstand, aber stolperte dennoch vorwärts. Es war, als würde sie durch ein Netz aus Spinnweben gehen, die eklig an ihrer Haut klebten und sie für einen Moment verlangsamten, bevor sie rissen. Es schüttelte sie, aber sie spürte keinen Schmerz. Das Gefühl war so schnell vorbei, wie es gekommen war. Etwas hatte sich dennoch geändert. Plötzlich wirkte alles düster und bedrückend. Die Luft schien feucht und schwer. Mit rasendem Herzen sah sie sich um. Das Gras war nicht mehr von einem saftigen Grün, sondern türkis und die Felsen waren fast schwarz. Obwohl es wirkte, als hätten sich Wolken vor die Sonne geschoben, konnte Kathrine keine entdecken. Die leuchtende Scheibe hing hoch am Himmel, war jedoch so schwach, dass sie sie ohne Probleme betrachten konnte, wie durch eine dieser Brillen, die es bei einer Sonnenfinsternis gab.

»Willkommen in der Anderswelt«, sagte Éber. Seine kratzige Stimme ließ sie zusammenzucken. Er nickte Fearghas zu und Kathrines Blick wanderte wie von selbst zurück zu dem Síodhach, der noch auf der anderen Seite verharrte.

Von dieser Seite konnte Kathrine die Barriere durch die bunten Schlieren, die sie überzogen und an eine Seifenblase erinnerten, deutlich erkennen.

Als Fearghas sich durch die transparente Membrane schob, veränderte er sich. Für einen Wimpernschlag wirkte der Síodhach wie eine verrottete Leiche. Die wässrige Haut hing ihm in Fetzen von den Knochen und von seiner Haarpracht waren nur noch einzelne Strähnen auf dem kahlen, ausgebleichten Schädel vorhanden.

Der Knebel dämpfte ihren Schrei.

Fearghas sah sie ruhig an, bevor er seinen Blick senkte. Sein Gesicht zeigte kaum eine Reaktion, als er im Vorbeigehen den Strick um ihre Hände nahm und sie hinter sich herzog. Aber für einen Moment schien es, als hätte Trauer in seinen Augen gelegen.

Ihr Blick huschte fragend und ängstlich zu Éber. Er stand einfach da, den Kopf leicht schräg gelegt und studierte sie, als ob sie ein exotisches Tier wäre.

Beunruhigt schluckte sie und versuchte das Zittern ihres Körpers unter Kontrolle zu bekommen. Sie war sich sicher, dass Éber ihre Aufmerksamkeit mit Absicht auf Fearghas gelenkt hatte, damit sie dessen kurze Wandlung miterlebte. Also hatte sie es sich nicht eingebildet. Die Frage war nur, warum er das getan hatte. Um sie in Angst und Schrecken zu versetzen? Das war ihm auf jeden Fall gelungen. Ihr Herz schien ihr aus der Brust hüpfen zu wollen und der Knebel verhinderte, dass sie panisch nach Luft schnappen konnte.

Fearghas zog an ihren Fesseln und sie folgte ihm apathisch. Es war zu viel. Alles.

Nur wenige Schritte vor ihr türmten sich die Felsen weiter auf. Erst als sie direkt davorstand, erkannte sie die ausgetretenen Stufen, die in eine schmale und pechschwarze Spalte zwischen dem Gestein führten.

Ihr Körper weigerte sich weiterzugehen, doch Fearghas zog sie unerbittlich mit sich in die Dunkelheit, die sie wie ein gefräßiges Monster verschluckte. Schon nach wenigen Sekunden sah sie ihre eigene Hand vor Augen nicht mehr. Ängstlich schob sie einen Fuß vor den anderen und ertastete den rauen Fels, der steil abfiel. Die scharfen Steinkanten schnitten in ihre bloßen Füße. Ihr Puls dröhnte in ihren Ohren. Sie konnte den Druck des Gesteins, das sich über ihr befand, regelrecht spüren. Immer tiefer drangen sie ins Innere der Erde. Nur das unbarmherzige Zerren an ihren Fesseln gab ihr die Gewissheit, dass sie nicht allein war in dieser belastenden Enge.

Ein kühler Lufthauch streichelte über ihre nackten Arme und ließ sie frösteln. Von einem auf den anderen Moment änderte sich die Atmosphäre. Das Gefühl, eingesperrt in einem kleinen Raum zu sein, verschwand. Nur langsam gewöhnten sich ihre Augen an das Dämmerlicht, das nun herrschte, und sie konnte einzelne Schatten vor sich ausmachen, die wirkten wie Berge vor dem dunkelvioletten Horizont. Verwirrt betrachtete sie die Illusion von Weite, als würde sie unter dem freien Himmel stehen, der voller Sterne war. Einer dieser Sterne löste sich aus dem dunklen Hintergrund und begann langsam wie eine fallende Feder Richtung Erde zu segeln, bevor er kurz darauf anfing zu flattern und zu tanzen, bis er immer kleiner wurde.

Irritiert starrte Kathrine noch auf die Stelle, wo es verschwunden war, während ihre Entführer keinen Blick dafür hatten und weitereilten. Der Ruck durchfuhr ihre Arme bis hinauf in die Schultern, als Fearghas sie stumm aufforderte ihm zu folgen. Der schwarze Boden unter ihren Fußsohlen fühlte sich an wie feiner Kies. Es war unangenehm, aber nicht schmerzhaft. Kurz warf sie einen Blick über ihre Schulter zurück, doch nichts deutete mehr auf den steilen Tunnel, durch den sie in dieses Reich unter der Erde gelangt waren. Erneut zog etwas am Seil und sie bewegte sich mechanisch vorwärts.

Alles wirkte düster, bedrohlich und fremd. Eine unnatürliche Stille lastete auf der Ebene, deren Boden nur aus schwarzem Staub bestand, der bei jedem Schritt aufgewirbelt und von kleinen Böen fortgetragen wurde. Selbst das Flüstern des Windes war nicht zu hören. Es schien, als würde der Tod hier wohnen. Ein Schaudern lief ihr über den Rücken.

Die Angst vertrieb die schmerzhaften Gedanken an Logan nur für den Moment, bevor sie sich gnadenlos wieder auf sie stürzten und ihr den Atem raubten. Sie war am Ende ihrer Kraft, sowohl physisch als auch psychisch.

Éber warf ihr nur einen herablassenden Blick zu und starrte dann in die Ferne, wo Kathrine zwei helle Punkte entdeckte, die immer größer wurden, bis sie menschlichen Gestalten ähnelten. Ihre weiße Kleidung hob sich deutlich von dem schwarzen Staub ab und ließ Kathrine ungläubig blinzeln. Es sah aus, als wären es Engel, die ihr zu Hilfe eilten.

Mit jedem Schritt, den die beiden Gestalten auf sie zukamen, wurde jedoch deutlicher, dass es sich nicht um Engel, sondern um Síodhach handelte. Ihre hellen Gewänder schienen aus etlichen durchsichtigen Stoffbahnen zu bestehen, mit denen der Wind spielte und so die Illusion schuf, als besäßen sie Flügel. Immer wieder blitzte es silbern auf und beim Näherkommen der beiden Síodhach erkannte Kathrine, dass diese einen Brustschutz trugen, der das schummrige Licht der Sterne reflektierte. Auch an Handgelenken und Schultern entdeckte sie metallische Rüstungsteile. Die Haare der beiden Síodhach fielen glatt bis zur Taille, nur einzelne Strähnen waren zu dünnen Zöpfen geflochten.

Kathrine schluckte und verfiel in eine ehrfürchtige Starre. Die Gesichter der beiden Síodhach waren ebenmäßig und aristokratisch – auf eine kühle und leblose Art wunderschön.

Die glänzenden Rüstungsteile waren alle mit filigranen Verzierungen versehen, die detailgenau Flora und Fauna wie aus einem Märchen abbildeten. Beide hielten sie lange Speere in den Händen, die sie wie einen Wanderstock benutzten.

Die Stiele der Waffen schimmerten perlmuttfarben und die silbrige Spitze war kunstvoll geformt. Erst jetzt fiel Kathrine auf, dass eine der beiden sich ähnelnden Gestalten eine Frau war. Ihr Gesicht war weicher und ihr Brustpanzer gewölbt.

Die beiden Síodhach blieben vor ihnen stehen, legten vollkommen synchron ihre rechte Faust oberhalb des Herzens auf ihre Brust und verbeugten sich tief. »Mylord, wir sind erfreut Euch wohlauf zu sehen«, sprach der Mann mit einer dunklen melodischen Stimme, in der eine hypnotische Kraft lag.

Kathrines Magen schien ein einziger Knoten zu sein, unsicher sah sie zu Éber, der die ehrfürchtige Geste mit einem Nicken anerkannte. »Dachtest du, ich würde meinen Ausflug in die Menschenwelt ohne deine Wachen nicht überleben, Thorn?« Der belustigte Tonfall enthielt etwas Drohendes und ein Schatten huschte über das makellose Antlitz des Angesprochenen. »Unsere Aufgabe ist es, Euch zu beschützen, Mylord. Ihr hättet nicht alleine gehen sollen.«

»Eure Aufgabe ist es, mir zu gehorchen, und nicht, mir zu sagen, was ich zu tun oder zu lassen habe.« Genervt drehte sich Éber zu Kathrine um. Seine dunklen Augen schienen sie regelrecht zu erdolchen. Auch Thorns Blick wanderte zu ihr, sein Gesicht war vollkommen ausdruckslos. Kathrine verharrte reglos wie ein Reh, das sich plötzlich im hellen Scheinwerferlicht wiederfand, und hätte sich am liebsten in Luft aufgelöst. Eine Gänsehaut überzog ihre Arme.

Thorn trat näher an sie heran und schnüffelte in der Luft. Vor Ekel verzog er das Gesicht. »Sie sieht aus und stinkt wie ein Mensch.«

»Sie ist ein Mensch«, erwiderte Éber gelassen.

Verachtung leuchtete Kathrine aus den violetten Augen von Thorn entgegen. »Und für so etwas riskiert Ihr, Euren Feinden in die Hände zu fallen?« Der Hass, der ihr entgegenschlug, ließ ihr die Knie weich werden. Schwindel erfasste sie und sie streckte hilflos ihre gefesselten Hände nach einem Halt aus, aber Thorn wich vor ihr zurück, als hätte sie eine ansteckende Krankheit. Ihre Beine gaben unter ihr nach.

Er sah ihr tatenlos zu, wie sie zu Boden sank. »Sie wird nicht einmal einen Tag hier überleben«, schnaubte er.

Kathrine schluckte ängstlich und starrte gedemütigt auf den schwarzen Staub vor sich. Wie gern würde sie jetzt ihre Augen schließen, in einen tiefen Schlaf fallen und sobald sie erwachte, feststellen, dass alles nur ein böser Traum gewesen war.

Aber es war keiner. Schmerzhaft bohrten sich die kleinen schwarzen Sandkörnchen wie Splitter in die Haut ihrer Knie.

»Sie ist mein Gast und steht unter meinem Schutz«, verkündete Éber streng. »Sollte ihr auch nur ein Haar gekrümmt werden, mache ich dich dafür verantwortlich«, erklärte er mit Nachdruck.

Überrascht schaute Kathrine auf und begegnete Ébers Blick. Er hatte die Arme vor der Brust verschränkt und sah sie nachdenklich an. Thorns Gesichtsausdruck wurde immer finsterer. Zwischen seinen geraden Augenbrauen bildeten sich kleine steile Fältchen, als diese sich dichter zusammenschoben. »Wie Ihr wünscht, Mylord.« Er deutete eine Verbeugung an. So wie er sie ansah, hatte Kathrine das Gefühl, als würde sie es noch bereuen, dass Éber ihm diese Aufgabe erteilt hatte.

Die Frau, die leicht schräg hinter Thorn stand, verzog missbilligend den Mund. »Wenn Euch das Leben Eures neuen Spielzeuges so sehr am Herzen liegt, sollten wir jetzt aufbrechen, Mylord.« Misstrauisch und besorgt ließ die Síodhach ihren Blick über die schwarze Ebene gleiten.

Éber nickte und sofort wandten sich Thorn und seine Begleiterin wieder in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Entgeistert blickte Kathrine ihnen nach.

Sollte so ihr zukünftiges Leben aussehen? Umgeben von Wesen, die sie aufs Blut hassten, und als Spielzeug eines Mannes, der sie entführt hatte. In ihren Vorstellungen sah sie sich schon, wie sie Logans Mörder gefällig sein musste, bis dieser ihrer überdrüssig war. Ekel stieg in ihr auf und schüttelte sie. Nein, das war keine Option. Sie musste fliehen. Selbst in dieser Einöde zu sterben, erschien ihr in diesem Augenblick die bessere Alternative.

2

Die Stimmen klangen entfernt und dumpf, wie durch ein Rohr. Sein Kopf pochte, während der Rest seines Körpers kaum zu spüren war. Er fühlte sich wie benebelt, unfähig einen klaren Gedanken zu fassen. Ein unangenehmer metallischer Geschmack lag auf seiner Zunge und ihm wurde übel.

»Ich glaube, er kommt zu sich.«

»Mist! Sorg dafür, dass er stillhält.« Das war Sean. Wovon sprach er? Logan stöhnte. Kräftige Hände legten sich auf seine Schultern und versuchten ihn niederzudrücken. Instinktiv wehrte er sich. Seine Augen fühlten sich verklebt an und er hatte Mühe, sie zu öffnen. Alles war verschwommen und unscharf.

»Willst du ihn nicht lieber betäuben?« Undeutlich nahm er etwas Rotes wahr. Die kräftige Farbe von Ronas rubinrotem Haar hätte er überall erkannt. Sie klang besorgt und er verstand nicht, warum.

»Soll ich ihn etwa bewusstlos schlagen?«, grollte sein Freund.

»Ich mache mir genauso Sorgen wie du, also hör auf mich anzumaulen.«

Logan blinzelte verwirrt und die Konturen der Gesichter, die sich über ihn beugten, wurden schärfer. Rona biss sich auf die zitternde Unterlippe und ihr Kopf entfernte sich. Sean wirkte nicht glücklich.

»Tu es einfach.« Darachs Gesicht schob sich von oben in Logans Blickfeld.

Was sollte wer tun?

Es fühlte sich an, als würde jemand mit einem brennenden Schwert durch sein Inneres fahren. Sein eigenes schmerzhaftes Brüllen zog Logan endgültig aus der Bewusstlosigkeit. »Scheiße, was machst du da?«

»Ich sorge dafür, dass du nicht verblutest. Die Klinge hat deine Lunge durchbohrt. Wärst du ein Mensch, wärst du schon lange tot.«

Welche Klinge? Entgeistert sah Logan an sich hinunter und bemerkte das Blut, das den Boden bedeckte und an seiner Haut klebte. In Seans Hand befand sich eine kleine Kugel Feuer, die erlosch, als er seine Handfläche schloss. Das konnte jetzt nicht sein Ernst sein. »Scheiße! Und da musst du gleich die Wunde ausbrennen, statt Hilfe zu holen?« Er versuchte sich instinktiv zusammenzukrümmen, doch die Hände auf seinem Körper ließen es nicht zu. Der Schmerz raubte ihm den Atem.

»Der nächste Heiler ist mindestens drei Stunden entfernt. Ich hatte keine Wahl.«

»Als ob ich das nicht selbst wüsste«, keuchte er. Das kam davon, wenn man nicht einfach ins nächstgelegene Krankenhaus spazieren konnte, da die Ärzte seine beschleunigte Wundheilung bemerken würden. Stöhnend ließ Logan den Kopf nach hinten fallen und wollte einfach nur die Augen schließen, um wieder in die schmerzfreie Bewusstlosigkeit abzudriften.

Was war nur passiert? Wieso lag er nur mit einer Boxershorts bekleidet auf dem Boden und blutete den Teppich voll? Sein Schädel fühlte sich an, als würde er von einer Axt gespalten. Das Letzte, woran er sich erinnerte, war, dass er Kathrine in dieses Hotelzimmer gebracht hatte. Er spürte noch ihre Lippen auf seinen. Ihre Hände auf der bloßen Haut.

In seinem Hinterkopf gingen die Alarmglocken an. Kathrine! Sein Herz blieb einen Augenblick stehen und sein Oberkörper schnellte hoch. Erneut hatte er das Gefühl, als würde ihn ein Schwert aufspießen. Er sah einen Mann vor sich. Éremón. »Wo ist Kat?«

Sean wandte den Blick ab und Darach drückte ihn bestimmt zurück auf den Teppich. »Du musst dich beruhigen.«

Wütend stemmte er sich gegen den Síodhach. »Ich will mich aber nicht beruhigen. Wo ist sie?«

Eigentlich kannte er die Antwort auf diese Frage bereits. Éremón, dieser verlogene Drecksack! Halt, nicht Éremón hatte Kat mit sich genommen, sondern sein Bruder, Éber. »Ich muss ihn aufhalten!«

»Mit dieser Verletzung? Bist du nicht mehr ganz dicht? Ich habe die Wunde zwar ausgebrannt, aber sie könnte sich entzünden. Sie muss zuerst versorgt werden.« Sean unterstützte Darach dabei, ihn auf dem Boden festzuhalten.

»Wir haben für so einen Scheiß keine Zeit. Wer weiß, was dieses Dreckschwein mit ihr vorhat. Warum seid ihr nicht hinter ihnen her?«

»Hätten wir dich besser verbluten lassen sollen?«, schnaubte Sean. »Außerdem befanden sich alle Hotelgäste und damit auch wir unter einem Schlafbann.«

Erneut versuchte er sich vom Boden zu stemmen und sich aus dem Griff der beiden Männer zu befreien.

»Du bleibst liegen. Erzähl uns erst, was passiert ist.« Sean konnte manchmal genauso stur wie Dan sein, wenn es darum ging, ihn auszuquetschen. »Éber hat Kathrine. Das ist passiert!« Um ehrlich zu sein, wusste er es nicht genau. Seine Gedanken waren ein einziges Durcheinander.

»Éber?« Sean runzelte verwirrt die Stirn. »Was will er von ihr?«

»Woher zum Teufel soll ich das wissen?«, brüllte Logan und zerrte an Seans Arm, der ihn immer noch zu Boden drückte.

Rona stand über ihnen und wirkte völlig aufgelöst. »Das ist alles meine Schuld«, flüsterte sie.

»Allerdings. Hättest du nicht die Grenze …«

»Logan.« Warnend musterte Sean ihn und verengte die Augen. Beschämt presste Logan die Lippen aufeinander und gab frustriert seine Gegenwehr auf. Er wusste, dass er zu weit gegangen war. Rona hatte genug durchgemacht und war nur eine Schachfigur in einem Spiel, das andere bereits vor Jahrtausenden begonnen hatten.

»Denkst du wirklich, du würdest Kathrine in deinem Zustand helfen können?«, fragte Darach ruhig.

Dummerweise hatte dieser Mistkerl recht. Das Adrenalin hatte ihm nur einen kurzen Kick beschert, doch nun fühlte er sich wie erschlagen.

Der Druck von Seans Händen löste sich und kurz darauf stand er auf. »Ich werde Dan anrufen und um Unterstützung bitten.«

»Bis die hier ist, sind die doch schon längst über alle Berge.« Jetzt, wo Logan ruhig auf dem Rücken lag, stürzten die Erinnerungen an die Nacht schmerzhaft auf ihn ein und verselbstständigten sich. Er erinnerte sich, wie ein Síodhach seinen Arm um Kathrines Brust gelegt und sie von ihm fortgezerrt hatte. Dieser verdammte Síodhach mit dem Bogen, der ihnen bereits bei der Hütte auf dem Weg nach Gorm aufgelauert hatte. Er hätte damals schon die Gefahr für Kathrine eliminieren müssen. Der Gedanke, was alles passieren und was dieser Verrückte mit ihr vorhaben könnte, machte ihn wahnsinnig. Er hatte versagt. Genauso wie bei seiner Schwester.

Sie ist einzigartig und ihr Blut der Schlüssel.

Was wollte dieser verdammte Mistkerl von ihr?

Darach löste seinen Griff und erhob sich, sodass Logan sich vorsichtig aufrichten konnte. Die Haut spannte sich und es tat höllisch weh. Seine Muskeln versteiften sich und er schnappte nach Luft. Jemand packte ihn unter dem Oberarm. »Warte, ich helfe dir«, erklang Seans Stimme.

Logan wehrte sich gegen den Griff und schwankte gefährlich, als ihn sein Freund losließ. Sofort fing Sean ihn auf und wollte ihn zum Bett bugsieren. Logan hasste es, so hilflos zu sein – so schwach. »Ich kann das selbst«, grollte er und stützte sich auf eine Kommode, die neben dem Fenster stand.

Seine ganze Seite juckte, denn der Heilungsprozess hatte längst begonnen. Mit der Hand tastete er über die Wunde und zuckte zusammen, als der Schmerz wie ein Blitz durch seinen Körper schoss. Das Blut war längst getrocknet. Wie lange war es her, dass Éber Kathrine mit sich genommen hatte?

»Ich denke, ich weiß, wo sie hinwollen«, erklärte Darach und Logan verharrte in der Bewegung. Ungläubig sah er den Wechselbalg an. »Du weißt es?« Darach hatte sie in Glasgow verlassen, um diesen Mistkerlen hinterherzujagen. Er hätte sie aufhalten können. »Wenn du blödes Arschloch das schon alles weißt, warum hast du es nicht verhindert?«, explodierte Logan und wollte sich auf ihn stürzen.

»Logan.« Entgeistert starrte ihn Rona an. In ihrem Gesicht stand viel zu viel Verzweiflung, die er ebenfalls spürte. Ein verdächtiges Brennen schlich sich in seine Augen. Er biss fest die Zähne zusammen, drehte sich zum Fenster und rieb sich über das Gesicht, bevor er sich aufgelöst durch das Haar fuhr. Schwindel überkam ihn und er lehnte sich an die Kante der Fensterbank.

»Lass ihn. Aus ihm spricht nur der Schmerz«, erklärte Darach.

Eine zarte weibliche Hand legte sich tröstend auf Logans angespannte Schulter. Er schüttelte sie direkt ab und wandte sich diesem besserwisserischen Wechselbalg zu, der ihn mal wieder bis aufs Blut reizte. »Leck mich. Du hast doch keine Ahnung! Ich war schon schlimmer verletzt. In spätestens einer Stunde bin ich wieder auf dem Damm.«

»Es geht nicht um die Stichwunde, sondern um Kathrine.«

Das war ein Volltreffer. Logan hatte das Gefühl, als hätte ihm etwas den Brustkorb aufgerissen und das Loch schmerzte mehr als die tatsächliche Wunde, die zwischen seinen unteren Rippenbögen hindurchlief.

Logan schloss beschämt die Augen. Wie hatte er nur ein solcher Idiot sein können? Wieso hatte er nicht besser aufgepasst?

Ich darf sie nicht verlieren.

Er ließ seine Stirn gegen das kühle Glas des Fensters sinken und starrte hinaus. Ein Auto fuhr durch die Straße, an der das Hotel lag, und auf der gegenüberliegenden Seite schlenderte ein Pärchen Händchen haltend über den Bordstein. Sie wirkten glücklich und ahnten nichts von den Schrecken, die in der Nacht auf sie lauerten.

Im Hintergrund hörte er Seans Gemurmel. Er achtete nicht auf die Worte. Sein Kopf war wie leer gefegt.

»Du solltest dich hinlegen.« Leise war Rona an ihn herangetreten und berührte nur mit den Fingerspitzen seinen Unterarm. Es fühlte sich falsch an. Er sah die feingliedrigen Finger und dachte an Kats. Erst gestern hatte sie noch mit ihren Fingern die Linien des Lebensbaums auf seiner Brust nachgefahren. Ihre Lippen hatten seine Haut berührt.

Seine Muskeln zitterten vor Anstrengung und Sehnsucht. Er hatte das Gefühl, nicht länger stehen zu können, und ließ sich erschöpft von Rona zum Bett führen. Bestimmt drückte sie ihn auf die Matratze, auf der er erst gestern Abend Kat geliebt hatte. Ein Hauch ihres Duftes stieg von der Bettwäsche auf. Eiswasser rauschte durch seine Adern.

Sean stellte sich neben das Bett und seufzte. »Dan ist spätestens in zwei Stunden hier.«

Logan stieß verwundert die Luft aus. »Er ist uns nicht direkt gefolgt, als wir aus Gorm abgehauen sind?«

Sean rieb sich über das Gesicht und schüttelte den Kopf. »Er und Ian sind erst letzte Nacht aufgebrochen, nachdem ich ihm von Kenan berichtet habe.«

Stimmt, da war noch etwas gewesen. Kenan. Durch Logans Kopf sausten die Bilder, wie der Druide sich in einen riesigen schwarzen Wolf verwandelt und sie angegriffen hatte. Von dem Kampf zwischen diesem Verräter und dem weißen Tier, das Kathrine beschützt hatte. Am Ende hatten sich beide Wölfe einfach in Luft aufgelöst. Warum war dieses blöde Vieh ihr nicht jetzt zu Hilfe gekommen? »Ich dachte, damit wäre die Sache erledigt. Ich dachte, dass sie nicht mehr in Gefahr ist. Es ist alles meine Schuld«, murmelte Logan und ließ den Kopf hängen. Er schluckte, als sein Blick auf den bräunlichen Teppich fiel, auf dem ein riesiger dunkler Fleck zu sehen war. Wäre das Schwert nur ein paar Zentimeter höher in seinen Körper eingedrungen, könnte er die Radieschen jetzt von unten sehen. Aufgewühlt rieb er sich über den Mund.

»Wir werden sie finden«, versuchte Sean ihm Mut zu machen.

»Am besten ruhst du dich aus, bis die anderen kommen.«

»Ich will mich nicht ausruhen«, murmelte Logan und quälte sich wieder hoch. Er wusste, dass Seans Vorschlag vernünftig war, aber wann war er jemals vernünftig gewesen?

»Du solltest dich hinlegen«, beschwor ihn Rona. Er ignorierte sie, klaubte seine zerknüllten Klamotten vom Vortag vom Boden und stapfte wortlos ins Badezimmer, zog die Tür hinter sich zu und lehnte sich schwer atmend dagegen. Seine Gedanken fuhren Achterbahn, kreisten einzig um Kathrine. Frustriert rieb sich Logan die Stirn. Er brauchte einen klaren Kopf.

Stöhnend stemmte er sich von der Tür weg, zog die blutigen Boxershorts auf dem Weg zur Duschkabine aus und stieg ein. Einen Moment brauchte das Wasser, um sich zu erhitzen, doch selbst dann erreichte die Wärme nicht sein Inneres, das sich eisig anfühlte. Hypnotisiert starrte er auf den Abfluss, in dem das vom Blut rot gefärbte Wasser in einem Wirbel verschwand, bis es irgendwann wieder klar war. Er schloss die Augen und lehnte sich mit seiner Stirn an die kühlen Fliesen. Jeglichen Gedanken ließ er einfach an sich abperlen.

Aus dem Zimmer drangen wütende Gesprächsfetzen zu ihm und er spitzte die Ohren. Offensichtlich war Sean klar, dass er nicht vorhatte zu warten, bis die Kavallerie eintraf. Er konnte nicht hierbleiben und nichts machen, während Kat in Gefahr schwebte. Für ihn stand es außer Frage, dass er ihr folgen würde. Die Frage war nur, ob allein oder in Begleitung. Sean wusste das.

»Das ist Wahnsinn! Er ist zu schwer verletzt und sollte sich erholen«, schrie Rona.

»Willst du ihn etwa ans Bett fesseln?«, fragte sein Freund sarkastisch.

»Wenn es sein muss.« Die Stimmen wurden zu einem Flüstern, das sich mit dem Rauschen des Wassers, das auf ihn niederprasselte, zu einem Gemurmel verband. Sie wussten, dass er sie durch die dünnen Wände nur zu gut hören konnte. Aber sie brauchten sich die Mühe eigentlich nicht zu machen. Ihre Meinung war ihm scheißegal. Er würde gehen. So oder so.

Logan rieb sich müde über das Gesicht, stellte die Dusche aus und trocknete sich ab. Das Frottee schlang er sich um die Hüfte und stand unschlüssig in dem kleinen Hotelbadezimmer. Etwas ließ ihn zögern, dabei sollte er besser keine Sekunde verlieren. Mit der flachen Hand wischte er über den Spiegel und betrachtete sich. Seine Augen lagen tief in den Höhlen und wirkten stumpf und hoffnungslos. Er konnte seinen eigenen Anblick nicht ertragen.

Sein Blick wanderte tiefer und er betrachtete das Bild des Lebensbaums auf seiner Brust. Das Laub war gelblich braun und stark ausgedünnt um die Stelle, wo das Schwert in seinen Körper eingedrungen war.

Amber. Jetzt wusste er, was ihn zögern ließ. Er rieb sich über die Brust, spürte die Energie des Zaubers, der sie am Leben hielt, und nur noch ein schwaches Flüstern war.

Er konnte nicht beide retten. Ein scharfer Schmerz pulsierte durch seinen Brustkorb und das Spiegelbild wurde für einen Moment unscharf. Er kippte nach vorn. Schwer stützte er sich auf das Waschbecken und hörte es knirschen. Wenn Dan ihn so sah, würde er ihm niemals erlauben Kat zu folgen.

Doch er brauchte keine Erlaubnis. Von niemandem. Er würde Kat nicht verlieren! Jede Bewegung, die er mit seinem linken Arm unternahm, schickte weitere Schmerzenswellen durch seinen Körper. Reiß dich zusammen.

Er biss die Zähne zusammen und als seine Wunde von dem schwarzen Shirt bedeckt war, hatten sich feine Schweißtropfen auf seiner Oberlippe gebildet. Seine Muskeln zitterten vor Anstrengung und er sah wütend in den Spiegel, aus dem ihm ein jämmerliches Abbild seines Selbst entgegenstarrte. Er würde sich von so einem Wehwehchen sicherlich nicht aufhalten lassen. Ungehalten verließ er das Badezimmer und betrat den Raum. Rona saß auf dem Bett, ein Bein angewinkelt und das andere baumelte über den Rand. Sie wirkte erschöpft und lehnte sich an Sean, der hinter ihr saß und sie fest in seinen Armen hielt, das Kinn auf ihrer Schulter.

Logan beneidete die beiden und die Sehnsucht, Kat ebenfalls in seinen Armen zu halten, ließ ihn beinahe in die Knie gehen. Schnell ließ Sean Rona los, als er ihn bemerkte, rückte von ihr ab und stand auf. Der Blick, den er ihm zuwarf, war verständnisvoll, aber auch besorgt. Er verschränkte die Arme vor der Brust und hob fragend eine Augenbraue. »Fühlst du dich wirklich in der Lage dazu?«

Eigentlich nicht, aber das würde Logan niemals zugeben. »Du kannst gerne versuchen mich aufzuhalten.«

»Du weißt, dass Dan dich nicht gehen lassen wird, sobald er hier ist.«

»Aye, deswegen muss ich jetzt verschwinden.«

»Hast du einen Plan?«, hakte Sean nach.

Natürlich nicht. Und das wusste sein Freund ganz genau. Sean war der Stratege von ihnen beiden. »Nein«, presste Logan hervor.

»Du willst also einfach hinterher und was dann? Willst du dich umbringen lassen? Wenn du tot bist, wirst du Kathrine wohl kaum retten können.«

Logan hatte gedacht, sein Freund würde ihn unterstützen und nicht versuchen ihm diese Sache auszureden. »Ich weiß selbst, wie idiotisch das ist!«, schrie er und raufte sich die Haare. »Aber ich kann nicht hierbleiben und Däumchen drehen.«

»Dann sollten wir los«, meinte Sean und sah ihn entschlossen an.

»Ich geh allein.«

Überrascht öffnete Sean den Mund und sah ihn entgeistert an. »Bist du völlig irre? Das wäre Selbstmord.«

»Das ist mir klar und genau aus dem Grund werde ich alleine gehen.« Die Anderswelt war gefährlich für ihresgleichen. Druiden waren der Staatsfeind Nummer eins. Logan ballte die Faust. »Du wirst bald Vater.«

Für einen Moment huschte ein Schatten über Seans Gesicht und er warf Rona einen unsicheren Blick zu, bevor er sich wieder entschlossen zu ihm wandte. Sie war weiß wie eine Wand. »Du kannst jede Unterstützung gebrauchen, die du bekommst. Außerdem muss ja irgendjemand auf dich aufpassen, damit du keinen Blödsinn baust.«

Logan sah ihm deutlich an, dass ihm die Vorstellung, Rona zurückzulassen, nicht gefiel. »Ich nehme Darach mit.« Er sah zu dem Síodhach, der in einer Ecke an der Wand gelehnt stand und die Diskussion mit unergründlicher Miene beobachtete. Pikiert hob er eine Augenbraue und allein das reichte schon, damit Logan wütend die Hand zur Faust ballte.

Sean stieß genervt die Luft aus. »Aye. Spätestens morgen habt ihr euch gegenseitig umgebracht.«

Zugegeben, Logan war immer noch stinksauer auf Darach und alles in ihm sträubte sich dagegen, mit diesem Mistkerl zusammenzuarbeiten, denn er vertraute ihm nicht. Aber in der Not fraß der Teufel bekanntlich Fliegen.

»Wir verschwenden unsere Zeit und sollten endlich los«, schimpfte Rona, stand auf und marschierte zur Tür. Ihr Kinn war energisch vorgestreckt und ihre Augen funkelten angriffslustig.

Logan konnte Rona nur ungläubig ansehen. Hatte sie jetzt wirklich vor ebenfalls mit in den Síd zu gehen? Ein Blick zu Sean zeigte ihm, dass sein Freund genauso schockiert war wie er. Sein Gesicht wechselte die Farbe von Weiß zu Rot. »Du wirst nicht mitkommen!«, brüllte Sean. Mit einem Satz war er bei ihr und schlug die Tür, die sie gerade geöffnet hatte, mit einem Knall wieder zu.

Trotzig sah sie ihn an. »Wo du hingehst, gehe ich auch hin!«

Sean packte sie an den Oberarmen und schüttelte sie leicht. »Verdammt, Rona. Es ist zu gefährlich für dich und das Baby.«

»Als ob ich das nicht wüsste«, fauchte sie und riss sich von ihm los. Sie schritt zum Fenster, stützte sich auf die Fensterbank und sah hinaus in den wolkenverhangenen Himmel. Es hatte angefangen zu nieseln und kleine Wassertröpfchen sammelten sich an dem Glas.

»Dann sei doch vernünftig.«

»Ich kann euch helfen.« Ihr warmer Atem beschlug das Glas. Ein Flehen lag in ihrer Stimme.

Sean trat hinter sie. »Aye, indem du zurück nach Gorm fährst und dort in Sicherheit bist.«

Rona schnaubte. »Damit ich dann dort in der Burg wieder den ganzen Anfeindungen der Druiden ausgesetzt bin, während ich darauf warte, dass du nach Hause kommst? Was meinst du, was passiert, wenn bekannt wird, dass ich schwanger bin?« Die Anspannung wich aus Ronas Körper, sie senkte den Kopf und drehte sich zu ihm um. »Ich schaffe das nicht ohne dich.« Ihre Stimme war belegt und in ihren Augen glitzerte es verdächtig. »Ich ertrag es nicht noch einmal, von dir getrennt zu sein.« Die Spannung zwischen den beiden war fast greifbar. Sean wirkte wie ein getretener Hund und Logan befürchtete, dass sein bester Freund jeden Moment den größten Fehler seines Lebens begehen und nachgeben würde. Logan wollte genauso wenig, dass Rona mit ihnen kam wie Sean. Ébers ausgestoßene Drohung gegenüber Sean und Rona kam ihm in den Sinn und es lief ihm eiskalt den Rücken runter. Es war einfach zu gefährlich und genau aus dem Grund wäre es besser, wenn er allein ginge.

»Rona, ich …«

Logan stieß seinen Freund mit dem Ellenbogen an und unterbrach ihn. »Hey, gib es zu, du willst nur ihren Stimmungsschwankungen entkommen und nicht nachts um drei Uhr rausmüssen, um frische Erdbeeren zu besorgen«, flachste er.

Sowohl Rona als auch Sean warfen ihm vernichtende Blicke zu. »Du kannst manchmal wirklich ein Arsch sein«, stieß Sean wütend aus.

»Du weißt, dass sie dir bei der ersten Gelegenheit folgen würde«, sagte Logan leise und musterte Ronas Profil.

Sean atmete tief durch und fuhr sich durch die Haare, bevor er Logan einen frustrierten Blick zuwarf. »Sie ist so stur.«

Logan hob kapitulierend die Hände. »Sie ist deine Freundin.«

»Ich hoffe, dass Kathrine dich irgendwann auch in den Wahnsinn treibt.«

»Du hast ja keine Ahnung«, murmelte Logan.

3

Logan war froh, als Sean den Geländewagen auf einem Parkplatz kurz vor Ystradfellte abstellte und er endlich der aufgeladenen Atmosphäre im Fahrzeug entkommen konnte. Keiner hatte in der letzten Stunde auch nur ein Wort gesagt. Sean sah immer noch aus, als hätte er in eine Zitrone gebissen, und Logan konnte richtig spüren, wie es in seinem Freund brodelte.

Seufzend sah er sich um und bemerkte die vielen Fahrzeuge, die von Touristen oder Wanderern abgestellt worden waren. Sie würden aufpassen müssen, dass sie nicht dabei gesehen wurden, wie sie mit übermenschlicher Geschwindigkeit durch die Gegend liefen. »Und du bist dir sicher, dass er den Übergang hier in der Nähe nimmt?«, fragte er noch einmal Darach, der ebenfalls aus dem Auto stieg und sich streckte.

»Die meisten Zugänge zum Síd sind in dieser Gegend schon vor Jahrhunderten zerstört worden. Es ist der Einzige in diesem Gebiet, der noch halbwegs sicher passiert werden kann.«

»Wer hat die Übergänge zerstört?«, fragte Rona neugierig.

Logan wurde hellhörig. Die Antwort interessierte auch ihn brennend. Die Druiden hatten jahrhundertelang vergeblich versucht die Übergänge zwischen dem Síd und ihrer Welt zu verschließen, damit nicht weitere Síodhach über die Grenzen kamen. Aber vielleicht war das auch nur eine von den vielen Lügen, die ihnen Éremón aufgetischt hatte.

Darach zuckte mit den Schultern. »Ich weiß es nicht.«

Sean öffnete den Kofferraum und zerrte zwei Rucksäcke vor, die er noch einmal kontrollierte und ergänzte. Kleidung, Verbandsmaterial, Taschenlampen. Immer wieder warf er einen Seitenblick auf Rona, die sich von Darach verabschiedete. »Vergiss es«, knurrte Logan.

Sean fuhr sich über das Gesicht. »Ich lass dich nur ungern im Stich.«

Sein Freund musste ihm gar nicht erklären, was in ihm vorging. »Ich verstehe, dass du lieber hier bei Rona bleiben willst.« Besonders jetzt, da Logan wusste, wie es war, wenn es jemanden gab, ohne den man sich nicht vollständig fühlte. Jemanden, der einem wichtiger war alles andere.

»Du wirst sie finden«, versuchte Sean ihm Mut zu machen.

Er ergriff seine Hand, zog ihn in eine freundschaftliche Umarmung und klopfte ihm auf den Rücken. »Pass auf dich auf.«

Logan unterdrückte ein schmerzhaftes Zischen und setzte stattdessen ein Grinsen auf. »Du kennst mich doch.«

Sean verdrehte die Augen. »Genau deswegen. Überleg es dir noch einmal. Du solltest wenigstens auf Dan und Ian warten.«

»Du weißt, warum ich das nicht kann.«

»Ich pass auf ihn auf«, erklärte Darach und schnappte sich einen der Rucksäcke. Frustriert ergriff Logan den anderen und warf ihn wie gewohnt über die Schulter. Ein Fehler. Er hatte das Gefühl, ihm würde erneut ein Schwert durch die Brust gestoßen, und zischend zog er die Luft ein.

Rona stand vor ihm und sah aus, als wäre sie niedergestochen worden und nicht er. Ihre Augen waren gerötet und ihr Gesicht ganz verquollen. »Es tut mir leid«, meinte sie schniefend, schob ihre Arme unter seinen hindurch und drückte sich fest an ihn. Schluchzer schüttelten ihren zarten Körper und er schloss seine Arme fester um sie. »Hey. Vielleicht solltest du doch mitkommen. Mit deinem Geheule schlägst du jedes männliche Wesen in die Flucht.« Hilflos blickte er zu Sean, der genauso unzufrieden aussah.

»Du bist ein Idiot«, fauchte sie und boxte ihn auf den Oberarm, bevor sie ihn direkt wieder umarmte. »Versprich mir, dass du heil zurückkommst«, flüsterte sie ihm ins Ohr. »Du und Kathrine, ihr solltet doch unsere Trauzeugen sein.«

Logan schluckte und zog Rona noch fester in die Arme. »Ich werde sie zurückholen.«

***

Du musst überleben. Versprich es mir. Kathrines Herz krampfte sich zusammen, als sie sich an Logans Worte erinnerte. Sie hatten trainiert, wie jeden Morgen seit dem Überfall auf sie in Gorm. Ihre Motivation hatte den Kampf gegen ihren inneren Schweinehund mal wieder verloren und die Übungen waren ihr so sinnlos erschienen. Im Gegensatz zu ihm besaß sie kein göttliches Blut, das ihr übermenschliche Fähigkeiten verlieh.

Du bist schwach und angreifbar. Du musst lernen dich zu verteidigen, hatte er ihr mehr als einmal eingebläut.