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Der weibliche Zyklus hat keinen guten Ruf, meist wird er mit PMS, Schmerzen und schlechter Laune verbunden. Völlig zu Unrecht, denn in ihm stecken echte Superkräfte! Wie man die nutzt? Durch ein zyklusorientiertes Leben: Der Körper folgt einem natürlichen, hormonellen Rhythmus. Jede Phase bringt eigene Bedürfnisse und besondere Fähigkeiten mit sich. Wird dem Raum gegeben, können sich psychische und physische Leiden auflösen, und die eigene Vielseitigkeit kraftvoll gelebt werden. Miriam Stark erklärt, wie das gelingt, und ermutigt Frauen, Paare, Unternehmen u.v.a., die Bedürfnisse menstruierender Menschen zu achten und so beruflich und privat das volle Potenzial des "Natural Flow" zu nutzen.
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Seitenzahl: 310
Der weibliche Zyklus hat keinen guten Ruf, meist wird er mit PMS, Schmerzen und schlechter Laune verbunden. Völlig zu Unrecht, denn in ihm stecken echte Superkräfte! Wie man die nutzt? Durch ein zyklusorientiertes Leben: Der Körper folgt einem natürlichen, hormonellen Rhythmus. Jede Phase bringt eigene Bedürfnisse und besondere Fähigkeiten mit sich. Wird dem Raum gegeben, können sich psychische und physische Leiden auflösen, und die eigene Vielseitigkeit kraftvoll gelebt werden. Miriam Stark erklärt, wie das gelingt, und ermutigt Frauen, Paare, Unternehmen u.v.a., die Bedürfnisse menstruierender Menschen zu achten und so beruflich und privat das volle Potenzial des »Natural Flow« zu nutzen.
Dr. Miriam Stark ist Wirtschaftspsychologin, Coachin und Unternehmensberaterin. Sie begleitet Einzelpersonen, Paare und Unternehmen dabei, dank Zyklusorientierung beruflich und privat Ziele zu finden und zu erreichen, und hat auch persönlich, u.a. durch das Überwinden einer Autoimmunkrankheit, erfahren, wie wichtig es ist, die eigenen Bedürfnisse zu erkennen und ihnen den Raum zu geben, den sie brauchen. Sie lebt mit ihrer Familie am Chiemsee.
D r. M i r i a m S t a r k
N A T U R A L F L O W
Wie du diePsychologie deines Zyklusfür dich nutzt
Vollständige E-Book-Ausgabe
des in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes
Alle Informationen in diesem Buch beruhen auf umfangreichen Recherchen der Autorin sowie ihrer umfassenden Erfahrung durch ihre Coachingarbeit. Alle Empfehlungen wurden entsprechend sorgfältig geprüft, dennoch kann keine Garantie übernommen werden. Jegliche Haftung der Autorin oder des Verlags für Gesundheitsschäden sowie Personen-, Sach- oder Vermögensschäden ist ausgeschlossen. Dieses Buch ersetzt keinen ärztlichen Rat und keine medizinisch oder psychologisch notwendige Behandlung.
Presseanfragen dürfen gerne an [email protected] gerichtet werden.
Originalausgabe
Copyright © 2023 by
Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln
Textredaktion: Beate De Salve, Pulheim
Umschlaggestaltung: Kristin Pang
Einband-/Umschlagmotiv: © Alina.Alina/shutterstock.com
Illustrationen auf Seiten 22, 23 und 38: Tietz Illustration (@Notietzblock)
Grafiken auf Seiten 47, 49, 66, 78 und 102: Denise Lackner
eBook-Produktion: hanseatenSatz-bremen, Bremen
ISBN 978-3-7517-4849-0
luebbe-life.de
lesejury.de
Für Penelope, weil sie mich gelehrt hat, meine Weiblichkeit zu genießen,für David, weil er mir beigebracht hat, meine Männlichkeit zu lieben,und für alle Menschen, die sich trauen, ihre Magie zu leben.
Ich gehe gerade durch das Gate A24 am Frankfurter Flughafen und bin auf dem Weg nach Nairobi, als ich merke, wie etwas Nasses aus meiner Vulva in meiner Unterhose landet. »Shit! Sperma? Nein, kann nicht sein, da war ein Kondom. Mist, Tage! Voll vergessen. Anspannen und hochziehen, Miriam!« Nach einer gefühlten Ewigkeit schaffe ich es auf die Flugzeugtoilette, bastle eine Ersatzbinde aus viel zu viel Toilettenpapier und bewege mich im Entengang, mit raschelndem Höschen, zurück auf meinen Platz.
Wir befinden uns im Jahr 2012. Ich bin jung, wild, wissensdurstig und abenteuerlustig und gemeinsam mit einer Kollegin auf dem Weg nach Ostafrika, wo wir unser Forschungsprojekt im Bereich Entrepreneurship an verschiedenen Universitäten implementieren wollen. Ich bin nicht aufgeregt, sondern tiefenentspannt, nicht nur weil ich völlig verkatert bin und nur drei Stunden geschlafen habe, sondern auch weil ich – dank meiner Weisheit in Phase 4, von der ich zu dem Zeitpunkt nicht den blassesten Schimmer habe – ganz tief in mir spüre, dass es das Richtige ist, was ich hier tue: Raus in die Welt und in der Entwicklungszusammenarbeit einen konstruktiven Beitrag leisten. Yeah! Dachte ich. Der Beitrag, den ich mit meiner Arbeit leistete, war bestimmt konstruktiv, aber raus in die Welt hatte ich mir anders vorgestellt.
In den nächsten drei Jahren veränderte sich mein Leben drastisch: Fliegen fühlte sich so normal an wie Straßenbahnfahren, und mein Leben fand größtenteils vor dem Bildschirm meines Laptops statt. Forschungsprojekte leiten, Lehre vorbereiten, im Nullkommanichts Fragen vom Prof beantworten können, Dissertation schreiben, Unternehmensaufbau einer gemeinnützigen GmbH, Studierende betreuen … Irgendwie rutschte ich dabei aus meinem Körper und landete in meinem Kopf. Wirklich spüren konnte ich mich nur noch, wenn ich feiern ging, high und betrunken die Nacht durchtanzte oder wilden Sex hatte. Aber ich zog es durch, die Promotion, den Lifestyle, die Unternehmensgründung. Bestimmt auch, weil ich wirklich tolle Menschen an meiner Seite hatte, die das unfreie Gefühl durch ihre freien, großen Geister phasenweise kompensieren konnten, vor allem aber, weil ich keinen anderen Weg kannte. »Zähne zusammenbeißen« war ein gängiges Prinzip in meinem persisch-tschechisch-ungarischen Elternhaus, das meine Eltern par excellence vorlebten. Nicht aus Masochismus, sondern – Menschen mit Migrationshintergrund werden es kennen – weil es für sie existenziell wichtig war, als »der bessere Deutsche« wahrgenommen zu werden, um meiner Schwester und mir einen perfekten Start in Deutschland zu ermöglichen.
Das lief also auch nach der Promotion eine Weile so weiter: ackern, im Kopf sein, beim Feiern kompensieren, Kater – repeat. Bis ich fast leer war.
Immer wieder blitzten Momente durch, in denen ich spürte: Hier stimmt doch was nicht? Das kann’s nicht sein. So soll sich Leben anfühlen? Nö! Aber laut genug, um mich auszubremsen, war nur der Satz »Ich kann leider keinen Herzton feststellen«, den ich von meiner Gynäkologin in der zehnten Schwangerschaftswoche zu hören bekam.
Ich fiel tief. Verdammt tief. Von niemandem in meinem Umfeld hatte ich zuvor von einer »Fehlgeburt«1 erfahren, und niemals hätte ich mit meinen damals zweiunddreißig Jahren gedacht, eine zu erleben. Ich rutschte raus. Diesmal nicht aus meinem Körper in meinen Kopf, sondern komplett aus mir raus. Ich stand vollkommen neben mir. In dem Zustand jagte ich wie ein Geist meiner selbst durch mein weiterhin eng getaktetes Leben – bis es ein Jahr später wieder passierte. Wieder kein Herzton.
Das war zu viel. Ich zog mich für eine Weile an den Chiemsee zurück und wollte hier heilen. Aber die Wunde, die in meinem Schoßraum klaffte, war riesig, und egal wie viel Qui-Gong, Transformative Meditation oder 5-Rhythmen-Tänze ich machte, das Gefühl, im Schoßraum kaputt zu sein, blieb. Mein Körper war es offensichtlich satt, mir dabei zuzusehen, wie ich nicht auf den Trichter kam, und begann den inneren Angriff auf meine Weiblichkeit in eine Krankheit zu übersetzen: zunächst Alopecia Areata, Kreisrunder Haarausfall, und irgendwann Alopecia Universalis, kein Haar am ganzen Körper. Nicht auf dem Kopf, im Gesicht, nicht an der Vulva, den Beinen und nicht mal in der Nase oder in den Ohren. Das Ausfallen selbst fühlte sich an, wie in einem Horror-Teenie-Movie festzustecken, in dem die Cheerleader-Prom-Queen unter der Dusche nach und nach büschelweise ihre Strähnen vom Kopf nimmt, weil jemand Haarentfernungscreme in ihr Shampoo gefüllt hat.
Was, um alles in der Welt, sollte das? Was wollte mir mein Körper sagen? Mithilfe von TCM, Ayurveda, Reiki, Yoga, Meditation, Somatic Experiencing, Energiearbeit, Tamalpa, Tanz-, Kunst- und Psychotherapie u. v. m. versuchte ich, den Fragen auf die Spur zu kommen. Immer wieder tauchten dabei hilfreiche Puzzleteilchen auf, die mich näher zu mir brachten und immer wieder das Thema »Weiblichkeit« streiften.
Einen förmlichen Big-Ben-Glocken-Gong hörte ich durch mich durchklingeln, als das Buch »Roter Mond« von Miranda Gray in meine Hände flatterte. Hier las ich 2018 das erste Mal, dass wir einen natürlichen Rhythmus haben, unseren Menstruationszyklus, und der hat vier Phasen:
Phase 1: Follikelphase – die Junge
Phase 2: Eisprung – die Mutter
Phase 3: Lutealphase – die Magierin
Phase 4: Menstruation – die Alte
What the actual fuck?! Warum musste ich erst vierunddreißig Jahre alt werden, um diese essenzielle Information aus einem halb vergilbten randomly bei mir gelandeten Buch einer Britin zu erfahren, die unter anderem (und da steige ich offiziell aus) über Mondtiere schrieb?! How? Why?
Ich spürte drei Dinge: 1. Die feurige Wut von tausend Flammen. 2. Dass ich eine essenzielle Information über mein Sein gefunden hatte, die ich nie wieder ignorieren wollte. 3. Dass das – ganz klar – die ganze Welt2 erfahren muss!
Mein alter wilder Wissensdurst wurde wieder wach, und ich saugte alle Informationen auf, die ich zum Thema »Zyklus« finden konnte.
Mittlerweile arbeitete ich als Wirtschaftspsychologin selbstständig und ließ das Wissen in meine Coachingarbeit einfließen. Dabei stellte ich fest, dass bestimmte Themen und Muster immer in bestimmten Zyklusphasen auftauchten:
Phase 1: Innere-Kind-Themen
Phase 2: Themen rund ums Muttersein
Phase 3: Probleme mit Rückzug oder dem Ausleben der eigenen beruflichen Wünsche
Phase 4: Loslassen und spirituelle Offenheit
Daraus entwickelte ich die Betrachtung des Menstruationszyklus, die du in diesem Buch findest.
Ich nehme dich auf den folgenden Seiten liebe- und manchmal auch humorvoll, vor allem achtsam an die Hand auf die kribbelig-aufregende Reise durch den menschlichen Menstruationszyklus. Damit du dabei auf festem Boden stehst, statte ich dich zunächst mit Informationen zur physischen Ebene des Zyklus aus. Dabei erkläre ich dir, anders als dein müffeliger Biolehrer in der achten Klasse, wie das Wunderwerk Zyklus funktioniert, welche Hormone ihre Finger im Zyklusspiel haben, was großartige Wege sind, zu bluten, und warum ich natürliche Familienplanung toll und die Pille schwierig finde.
Danach geht’s ans Eingemachte: Wir reisen genussvoll und von Fallgeschichten3 getragen durch die psychologische Ebene des Zyklus. Anschließend kannst du mehr über Besonderheiten im Zyklusgeschehen erfahren, zum Beispiel, dass wir bei Amenorrhö, Stillzeit, Schwangerschaft und Perimenopause auch einen Zyklus haben und welche psychosomatische Botschaft unseres Körpers hinter PMS, Mittelschmerz, Endometriose und PCOS stehen. Teil IV gibt dir ganz nahbare und praktische Hinweise an die Hand, wie du das Wissen über deinen Zyklus, seine Bedürfnisse und Superkräfte u. a. für dich, deine Arbeit, deine Lieben, in der Schule oder an der Uni nutzen kannst. Unsere gemeinsame Reise durch dieses Buch endet mit einem hoffnungsvollen, fröhlichen Blick in meine persönliche visionäre Zyklus-Utopie, in der das Blut frei fließt und Magie Alltag ist.
Ich wünsche dir von ganzem Herzen the time of your life sowie viele Aha- und Genussmomente beim Eintauchen in die Welt des Natural Flow.
Dieser Teil bietet die liebevolle, informative Basis, die es braucht, um das Zyklusgeschehen zu verstehen und Wertschätzung für den eigenen Körper zu empfinden.
Was ist denn da bitte überhaupt los? Im Sexualkundeunterricht der achten Klasse habe ich zum ersten Mal etwas über die unglaublichen Fähigkeiten der Gebärmutter, der Eileiter und Eierstöcke erfahren – damals allerdings in einer ausgesprochen rudimentären Form und von einem Biologielehrer, der nach den Roth-Händle-Zigaretten roch, die er sich in jeder Pause im Chemielabor (supersafe?!) in einem Atemzug reinzog, dazu gab’s einen Schnaps. Nicht gerade der Mensch, von dem ich mir gerne etwas über meinen Schoßraum und dessen unglaubliche Fähigkeiten erzählen lassen wollte.
Seitdem hat mir niemals wieder jemand erklärt, was da eigentlich – rein physisch – jeden Monat in mir vor sich geht. Und damit bin ich weder ein Einzelfall, noch ist das Zufall. Body illiteracy ist leider a fucking real thing: In einer britischen Studie von 2016 konnten fünfzig Prozent der Teilnehmerinnen nicht zuordnen, wo die Vulva liegt, und in einer Untersuchung von 2022 gab ein Viertel der Befragten an, keine Ahnung von ihrem Menstruationszyklus zu haben, obwohl gleichzeitig über sechzig Prozent gerne viel mehr darüber wissen wollten. Denn hier wie überall gilt: Wissen ist definitiv Macht. Und im Fall von Schoßraumwissen bedeutet es die absolute Selbstermächtigung, sich seines Körpers, seines Schoßraumes, dessen reproduktiven, zyklischen Prozessen und vor allem dessen Fähigkeiten als Lustorgan bewusst zu sein.
Warum? Weil es offensichtlich unglaublich mächtig macht, darüber bestimmen zu können, wann und wie wir schwanger werden, wie wir Lust empfinden und sie durch uns selbst spüren können, ohne dazu von jemandem abhängig zu sein.
Diese weit verbreitete Unwissenheit belegt jedoch sehr deutlich und schmerzhaft die bewusste gesellschaftliche Unterdrückung und Verdrängung dieses empowernden Wissens, denn frappierenderweise leben wir in einer Welt, in der auch die anatomische Forschung über die Funktionen des menschlichen Körpers keine sich linear aufbauende und entwickelnde Wissenschaft ist, sondern lediglich ein konstruiertes Abbild der aktuellen geistigen Gesinnung.
Ein Beispiel: Bereits der gute Hippokrates beschrieb die Klitoris im fünften Jahrhundert vor Christus schon als »columnella«, die kleine Säule, doch in fünfhundert Jahre später entstandenen anatomischen Aufzeichnungen taucht sie nicht mehr auf. Erst 1844 wurde diese Schönheit eines Organs von dem deutschen Anatom Georg Ludwig Kobelt in seinen Studien über das »menschliche Wollustorgan« in einer unglaublichen Präzision minuziös abgebildet. Doch im 20. Jahrhundert erfolgte wieder eine »aktive Entfernung klitoraler Strukturen aus den wichtigsten anatomischen Fachbüchern«4: In der Auflage des Anatomiestandardwerks »Gray’s Anatomy« von 1901 tauchte nur ein Relikt unseres Prachtorgans in Form einer kleinen, lächerlichen Bohne auf. In der Auflage von 1913 sucht man die Klitoris dann vergebens. Und trotz der zahlreichen extensiven und enttarnenden Publikationen der renommierten Urologin Helen O’Conell, die die Klitoris 1998 in ihrer gesamten komplexen Schönheit entdeckte und beschrieb, existiert bis heute medizinische Fachliteratur, in der von der Klitoris als erbsengroßem Organ gesprochen wird. Doch wir befinden uns auf einem hoffungsvollen Weg, denn 2022 entschieden sich gleich zwei deutsche Schulbuchverlage dazu, die Klitoris vollständig und korrekt abzubilden. Yai!
So, und jetzt genug in die belastende Vergangenheit geschaut. Blicken wir lieber stark, mutig und hoffnungsvoll in eine Zukunft, in der wir alle wissen, wie juicy und kraftvoll unsere Schoßräume sind. Damit diese Zukunft schon heute beginnt, schließen wir jetzt mal ganz liebevoll diese patriarchal erzeugte Wissenslücke und füllen sie mit folgenden bezaubernden Bildern und dem so wertvollen Wissen darüber, wo was in unserem Schoßraum sitzt:
Okay, jetzt, wo du weißt, was wo ist, tauchen wir eine Ebene tiefer und schauen mal, wie genau das mit dem Zyklus funktioniert. Ich werde dir im Folgenden einen wohlig-liebevollen Überblick darüber geben, was sich im weiblichen Schoßraum auf rein biologischer Ebene so abspielt. Also lehne dich zurück und enjoy!
Zunächst möchte ich kurz die Frage klären: Wann beginnt mein neuer Zyklus eigentlich? Die Medizin benötigt, als maskulin dominierte Fachrichtung, einen handfesten Beweis für den Zyklusstart, das Blut, und beginnt daher ab dem ersten Tag der Blutung zu zählen. Emotional, energetisch, psychosomatisch und ganzheitlich betrachtet, endet der Zyklus mit der Blutung, daher macht die medizinische Zählweise nur wenig Sinn. Eigentlich, und in diesem Buch, startet der neue Zyklus nach der Blutung, also am ersten blutungsfreien Tag, und genau hier beginnt unsere Phase 1 (ca. Tag 7 bis 12.)5
Was geht ab in Phase 1? Die Eizellreifung ist hier schon in vollem Gange, denn bereits während der Blutung hat das FSH, das Follikelstimulierende Hormon, von der Hypophyse (Hirnanhangsdrüse) und im Hypothalamus (ein Bereich des Zwischenhirns) sein hormonelles Signal an einen der perlfarbenen Eierstöcke geschickt, mit der Information, dass dieser mit der Eizellreifung loslegen darf. Jeder dieser prachtvollen Eierstöcke enthält Eibläschen, Follikel genannt, die unreife Eizellen enthalten. Und diese mit Eizellen gefüllten Follikel reifen, wie Pralinen des Lebens, am liebsten in muckeligen Zehnergrüppchen heran.
Kurzer Moment für etwas Eizell-Mathematik und den ultimativen Mindblow: Anders als bei der Spermaproduktion verfügen wir von Beginn an über eine endliche Anzahl an Eizellen. Ziemlich spannend, wenn wir uns bewusst machen, was es in Bezug auf den Urtrieb der Arterhaltung für einen seelischen Unterschied macht,
a)sich über seine dauerhafte Reproduktionsfähigkeit theoretisch keine Gedanken machen zu müssen.
b)sich bewusst zu sein, dass es eine bestimmte Anzahl an Jahren möglich ist, Kinder zu bekommen, und danach definitiv (!) nicht mehr.
Vielleicht macht dieses Wissen um die endliche Fähigkeit der Reproduktionsmöglichkeiten besser darin, vorausschauend zu planen, bestimmt lässt es einen demütiger sein angesichts des Geschenks, das es ist, überhaupt Menschenleben kreieren zu können (unabhängig davon, ob es klappt oder nicht, ob man es möchte oder nicht).
Aber zurück zur Eizell-Mathematik und dem Mega-Mindblow: Um genau zu sein, besitzen wir schon als Fötus in der 22. Schwangerschaftswoche alle Eizellen, die wir je haben werden, schlappe sieben Millionen. Diese reduzieren sich durch konstante Crème-de-la-Crème-Selektion bis zum Zeitpunkt der Geburt auf eine Million und dann weiter bis zum Zeitpunkt der Menarche (erste Blutung) auf 400.000. Etwa vierhundert Mal bluten wir in unserem Leben, und wenn die Eizellen in Zehnergrüppchen heranreifen, dann – na, wer hat aufgepasst? – genau, fehlen da aber irgendwie 396.000 Eizellen. Tja, und die zergehen einfach still und leise im Prozess der Selektion aka Apoptose. (Die findet im Übrigen auch statt, wenn wir aufgrund einer hormonellen Verhütungsmethode keinen Eisprung haben, das heißt, wir können Eizellen z. B. durch die Einnahme der Pille nicht konservieren.)
Wie wir wissen, sind wir aus der allerbesten Crème-de-la-Crème-Eizelle entstanden. Das Abgefahrene daran ist aber, dass genau diese Eizelle, aus der du entstanden bist, eben schon in der 22. pränatalen Lebenswoche deiner Mutter angelegt war, als diese im Bauch deiner Oma lebte. Prchchchchchchch! Verrückt, oder? Meiner Meinung nach ist das der handfeste physische Beweis für Themen, die sich in deiner weiblichen Ahnenlinie vererben6.
Aber weiter geht’s im Zyklusgeschehen: Dieser Heranreifungsprozess der muckeligen Zehner-Eizellgrüppchen stimuliert die Produktion des Power-Hormons Östradiol. Östradiol ist das wichtigste Hormon in der ersten Zyklushälfte und gehört zu der Hormongruppe der Östrogene. Es sorgt dafür, dass sich in der Gebärmutter das Endometrium, die Gebärmutterschleimhaut, neu aufbaut, und dafür, dass wir gerne im Außen aktiv sind. Die genaue und psychologische Wirkung der Hormone schauen wir uns im nächsten Kapitel an.
Hat das gute Östradiol dann irgendwann seinen Zenit dadurch erreicht, dass die Eizellen maximal herangereift sind und eine von ihnen ihren Heranreifungs-Job ganz besonders gut gemacht hat, befinden wir uns in Phase 2 unseres Menstruationszyklus. Diese besteht (ungefähr) aus den beiden Tagen vor dem Eisprung, dem Tag des Eisprungs selbst und den zwei Tagen danach, ergo aus fünf Tagen. Und hier passiert die Magie: Hat der Östradiolspiegel seinen Höhepunkt erreicht, fällt der Startschuss für das luteinisierende Hormon (LH), das ebenfalls in der Hirnanhangsdrüse (Hypophyse) produziert wird. Dieses Hormon wiederum sendet sein Signal in den fleißigen wunderschön perlfarbenen Eierstock und zu genau der einen Eizelle, die ihren Job am besten gemacht hat – hier ist der Follikel von ursprünglich 0,1 auf bis zu 29 mm groß geworden –, und sagt nichts anderes zu ihr als: »Spring!«
So simpel! So filigran! So gut durchdacht! So wunderschön! Die so fröhlich aus ihrer Follikelhülle gehüpfte Best-of-Eizelle springt dann ganz waghalsig aus dem Eierstock in die Ampulle, den Arm der Gebärmutter, und macht sich von dort aus auf den Weg in den Gebärmutterkörper.
Crazy funfact: Wenn der eine Arm der Gebärmutter nicht schnell genug reagiert, um die gesprungene Eizelle – und damit die kostbare Essenz des Lebens – aufzufangen, schwingt einfach der andere Arm der Gebärmutter rüber und schnappt sich das gute Stück. Meist sind diese Eisprünge deutlich, aber nicht unbedingt schmerzhaft spürbar. (Was es mit einem regelmäßig schmerzhaften Eisprung, dem sogenannten Mittelschmerz, auf sich hat, erfährst du auf S. 163.)
Während die Eizelle ganz zart und fluffig von kleinen Flimmerhärchen in der Ampulle, die sich – halte dich fest – im Rhythmus des Atmens bewegen, weiter Richtung Gebärmutterkörper transportiert wird, sinkt der Östradiolspiegel im Blut, denn der Job dieses Hormons, »Steigen bis zum Eisprung«, ist getan7. Die zurückgelassene Follikelhülle, aus der die Eizelle gesprungen ist, verwandelt sich nun auf zauberhafte Weise in eine Drüse mit eigener Blutzufuhr (Gelbkörper) – irre! – und beginnt, das für die zweite Zyklushälfte entscheidende Hormon zu produzieren: Progesteron.
Und damit befinden wir uns in der sagenhaften Phase 3. Progesteron ist auch bekannt als das Nestbauhormon, das völlig gleichberechtigt zum Östradiol in unserem Körper produziert wird. Während das Östradiol dafür gesorgt hat, dass wir gerne im Außen aktiv sind, sorgt das Progesteron dafür, dass wir lieber im Innen aktiv sind und uns in uns selbst zurückziehen möchten.
Nur noch mal, um das festzuhalten: Das habe nicht ich mir ausgedacht, sondern Mutter Natur, und es ist schlichtweg die hormonelle biologische Gegebenheit unseres weiblichen Seins: Es gibt ein Hormon, das will, dass wir uns in uns zurückziehen! Wer auf Zack ist, hört hier die PMS-Nachtigall schon trapsen, aber dazu später. Bleiben wir bei der verlassenen Follikelhülle, die sich nun im Eierstock in den sogenannten Gelbkörper verwandelt und fleißig Progesteron produziert. Progesteron sorgt neben unserem natürlichen Rückzugbedürfnis auf physischer Ebene dafür, dass es muckelig in der Gebärmutter wird: Das in der ersten Zyklushälfte gebildete Endometrium (Gebärmutterschleimhaut) beginnt nun, sich mit Blut zu füllen, und die Körpertemperatur steigt um ein halbes Grad an.
Warum das alles? Weil der Körper nicht zum Spaß diese ganzen filigranen Eizellreifungszauber veranstaltet, sondern das mit der Arterhaltung verdammt ernst meint. Deshalb geht er auch jedes einzelne Mal, wenn eine Eizelle springt, davon aus, dass es zu einer Schwangerschaft kommen wird. Daher steigt der Progesteronspiegel zunächst an, und alles wird so vorbereitet, dass die Eizelle sich gemütlich und sicher einnisten kann.
Erst ungefähr zehn Tage nach dem Eisprung stellt der Körper fest, ob eine Eizelle befruchtet wurde oder nicht. Wurde sie nicht befruchtet, beginnt der Gelbkörper im Eierstock zu schrumpfen (nennt man Luteolyse), wandelt sich in Narbengewebe um, produziert dabei immer weniger Progesteron, wird weiß und verschmilzt mit dem Bindegewebe des Eierstocks. Deswegen kann man Eierstöcken auch ihr Alter ansehen: Die jungen sind glatt, und die älteren zeigen auf ihrer Oberfläche wunderschöne Male der zergangen Gelbkörper-Geister, die sie in sich tragen.
Stellt der Körper allerdings fest, dass die Eizelle befruchtet wurde und all seine hormonellen Bemühungen erfolgreich waren, steigt der Progesteronspiegel vor Freude in maximale Höhen, denn der Gelbkörper wächst fröhlich vor sich hin, bis er den gesamten Eierstock ausfüllt und die befruchtete Eizelle mit Progesteron und Östradiol (das ist dann wieder für die Schwangerschaft relevant) versorgt. Ab der 8. SSW übernimmt die Plazenta dann den Job. (Damit werden wir in das Paralleluniversum Schwangerschaft katapultiert. Um deinen Zyklus in dieser besonderen Zeit – ja, du hast auch in der Schwangerschaft einen Zyklus! – noch besser verstehen zu können, lies gern auf Seite 133 nach.)
Wenn der Körper jedoch merkt, dass keine Schwangerschaft stattgefunden hat, beginnt der Progesteronspiegel wieder zu sinken, bis er einen kritischen Tiefpunkt erreicht, der dem – mit Blut gefüllten – Endometrium das Signal gibt: »Du darfst renovieren!« Damit setzt die Blutung ein.
Genau zu diesem Moment tauchen wir ein in Phase 4. In Phase 4 steht unser System an einem Nullpunkt: dem hormonellen Tiefstand. Östradiol und Progesteronspiegel haben ihren Tiefpunkt erreicht. Das bewirkt zwei Dinge in uns: Einerseits sind wir physisch nicht sonderlich leistungsfähig (was vollkommen okay ist!), andererseits aber ziemlich klar im Kopf, weil wir weder mit Östradiol noch mit Progesteron gedoped sind. Wenn wir in dieser Zeit das tun, was unser Körper von uns möchte – nämlich ruhen und klar im Geist sein –, haben wir hier die Chance auf eine physische Supertankstelle. Besonders an Tag 2, an dem die Blutung meist am stärksten ist, empfehle ich, mindestens den halben Tag in der Waagerechten zu verbringen. Auch den Rest der Zeit sollte man starke körperliche Anstrengung vermeiden. Damit meine ich nicht, dass du die komplette Zeit der Blutung im Bett verbringen sollst, aber es ist eben auch nicht empfehlenswert, einen Marathon zu laufen oder den ganzen Tag zu sitzen oder zu stehen.
Warum? Weil starke körperliche Aktivität in dieser Zeit genauso viel bringt, wie Vollgas zu geben, obwohl der Tank fast leer ist. Das geht für einen kurzen Moment, und danach droht der Motorschaden. Oder etwas weniger Auto-metaphorisch gesprochen: Wir verlangen von einem Baum auch nicht, im Winter gefälligst Früchte zu tragen. Das Coole ist: Geben wir unserem natürlichen Rhythmus den Raum, den er braucht, belohnt er uns mit einer satten Ladung Energie.
Während der Blutung hat nun, meist im anderen Eierstock, durch das Signal des Follikelstimulierenden Hormons (FSH) aktiviert, ein weiteres Zehnergrüppchen Eizellen mit dem Heranreifen begonnen und ein neuer Zyklus nimmt seinen Lauf. Was dieser majestätische Prozess auf emotionaler und psychologischer Ebene bewirkt, erfährst du im nächsten Kapitel.
Naheliegend bei den hormonellen akrobatischen Zauberkünsten, die der Körper veranstaltet, um die Arterhaltung sicherzustellen, ist natürlich auch die Frage, wie man es verhindern kann, wenn man keine Lust hat, sich fortzupflanzen. Auf diese Frage gibt es meiner Meinung nach nur eine Antwort, die diesem spektakulären Prozess unseres Zyklus gerecht wird: die NFP – also die Natürliche Familien Planung (nach sensiplan®-Methode8). Klingt jetzt erstmal nicht direkt nach Verhütungsmethode und ist gleichzeitig sicherer als jedes Kondom und sogar als manche Minipille.9
Die Verhütungsmethode besteht aus drei Komponenten, die gemeinsam gemessen werden: Basaltemperatur (die Körpertemperatur direkt nach dem Aufwachen), Zervixposition und Zervixschleim. Wer jetzt bei Zervix »Hä?« und bei Schleim »Iiih« denkt, die/der atme einmal tief durch und entspanne sich. Wer im Zyklusgeschehen aufgepasst hat, weiß, dass die Basaltemperatur mit der Progesteronproduktion ansteigt. Durch die Messung der Basaltemperatur kann somit der Temperaturanstieg nach dem Eisprung nachvollzogen werden. Zusätzlich wird die Zervixposition überprüft.
Kurzer Kniefall vor diesem unglaublichen Teil der Gebärmutter: Die Zervix (auch bekannt als Gebärmutterhals) ist die coolste Türsteherin zum heiligsten Ort der Welt! Sie öffnet sich nur bei Eisprung, Blutung und Geburt und kann zudem ihre Position verändern: An den fruchtbaren Tagen sitzt sie höher, um den heranschwirrenden Spermien den Weg zur Ampulle – dem Teil des Eileiters, in dem die Befruchtung der Eizelle meist stattfindet – zu verkürzen, und wird außerdem weicher. Wie umsichtig, oder? Kurz vor und während unserer Menstruation sitzt sie tiefer.
Ertasten kannst du sie ganz leicht: Kurz in einen Squat, also in die Hocke, und sanft den Zeigefinger an der vorderen Vaginalwand entlang einführen. Dort kannst du meist schon etwas ertasten, das sich anfühlt wie ein Grübchen in der Nase oder – wenn du bereits vaginal geboren hast – eher wie ein Paar gespitzte Lippen. And that’s it: The holy moly Cervix uteri.
Bitte nicht erschrecken, wenn du deine Zervixöffnung nicht auf Anhieb findest. Die Gebärmutterhalslänge ist bei jedem Menschen anders, und darüber hinaus ist die Cervix nicht kerzengerade, sondern in sich und zur Vagina geneigt (»Anteflexion« und »Anteversion« nennen sich diese Ausrichtungen). Länge und Neigungen an den verschiedenen Stellen sind vollkommen individuell, und daher darfst du, wenn es sich für dich gut anfühlt, ganz sanft auf eigene Entdeckungsreise nach deiner Queen Cervix gehen.
Ein weiterer Coolness- und relevanter NFP-Faktor der Zervix ist, dass sie in der Lage ist, Zervixschleim von unterschiedlicher Konsistenz zu produzieren. (Wie gesagt: Wer jetzt noch »Igitt« denkt, der atme und lasse sich von dem Zug der Faszination aus dem Land des völlig unbegründeten Ekels in die wunderbare Welt der Body Literacy nehmen.) Zervixschleim misst man am besten, indem man ihn am Gebärmutterhals abnimmt. Wenn dir das am Anfang zu ungewohnt ist, kannst du ihn auch am Vaginaleingang entnehmen. Aber eigentlich ist nichts schlimm daran, Zervixschleim am Gebärmutterhals zu testen: Kurz mal Ihre Majestät Queen Cervix besuchen und abstreifen, was es abzustreifen gibt. C’est ça! An Tagen, an denen wir nicht fruchtbar sind, hat der Zervixschleim eine eher feste und klebrige Konsistenz und sieht gräulich aus. Je fruchtbarer wir sind, desto durchsichtiger und »spinnbarer« wird der Schleim, bedeutet, dass er sich besser zwischen zwei Fingern ausdehnen lässt, weil der Wasseranteil höher ist, um die Spermien besser surfen zu lassen. So klug!
Apropos klug: Diese Beschreibung ersetzt keine NFP-Beratung! Sei also klug und investiere deine wertvolle Lebenszeit in eine sinnvolle, erhellende und vor allem nachhaltig-gewinnbringende Beratung (z. B. bei Adelaide Dechow unter natuerlichefamilienplanung.de), denn der Knall im All ist: Auf diese Weise lernst du deinen Körper besser kennen und enttabuisierst patriarchal-gesellschaftlich konstruierte Themen. Zudem kannst du bares Geld und dir schmerzhafte Eingriffe sowie unnötige Rennerei zu Ärzten und Apotheken sparen. Doch das Wichtigste ist: Du gibst deinem Zyklus den Raum, sein zu dürfen, und kannst so von seiner Weisheit profitieren.
Auf die Frage, wie wir am besten bluten, gibt es meiner Meinung nach ebenfalls nur eine Antwort, die diesen unglaublichen Prozess unseres Zyklus und der Fähigkeit, bluten zu können, würdig ist, nämlich: frei! Auch wenn Mooncups, Menstruationstassen etc. ökologisch gesehen eine tolle Erfindung sind, repetieren sie durch den Anwendungsmechanismus (Reinschieben) ein toxisches Narrativ, nämlich, dass es an unserem Menstruationsblut etwas gäbe, was es so frühzeitig wie möglich aufzufangen gilt, um die Sichtbarkeit maximal zu reduzieren. Gleichzeitig ist es während der Phase 4 ziemlich kontraintuitiv, dem Unterleib bzw. der Vagina (also dem Geburtskanal) etwas zum Halten zu geben, während dieser ganz offiziell mit Loslassen beschäftigt ist. Tatsächlich kann das Einführen eines Gegenstandes in die Vagina (ob Tampon oder Mooncup) zu zusätzlicher – und vor allem konstanter – Kontraktion der Beckenbodenmuskulatur führen und dadurch zu Unterleibskrämpfen. Evolutionär war es nämlich mal so gedacht, dass die Beckenbodenmuskulatur und die Muskulatur rund um die Vagina darauf ausgelegt waren, das Menstruationsblut zu sammeln und später kontrolliert abfließen zu lassen. Das Ganze nennt sich free bleeding und gilt als der heilige Gral des freien Blutens. Tatsächlich kann es jede*r lernen, gleichzeitig empfehle ich, keine krampfige Challenge daraus zu machen, sondern vor allem mit der Tradition des »Sich-Zukorkens« zu brechen und liebevoll seiner Gebärmutter die Zeit und den Raum zu geben, den sie braucht, um ihr Wunder der Renovation zu vollbringen.
Vielleicht noch ein empowerndes Wort zum Blut als solches: Es gibt keinen spannenderen, biologisch faszinierenderen, magischeren und heiligeren Ort als die Gebärmutter. Es ist der Ort, an dem jede*r Einzelne von uns entstanden ist. Hier wird zelluläre Materie zum Menschen. Seelen zu Personen. Daher gibt es kaum etwas Absurderes, als das Blut, das von diesem Ort stammt, als »unhygienisch« zu bezeichnen, und die Produkte, die dem Auffangen des Blutes dienen, als »Hygieneartikel«. Das dürfen wir kollektiv, zusammen mit dem ökologisch und physisch schadhaften Gebrauch von Tampons, einfach sein lassen!
Es wundert mich immer wieder: Wir können zum Mond fliegen, aber die Welt der Hormone fühlt sich, sogar im Gespräch mit vielen Gynäkolog*innen, wie ein Kosmos der Ungewissheiten an. Natürlich hat die Endokrinologie pharmazeutische Antworten auf hormonelle Unstimmigkeiten in der Schublade. Und wer Lust auf tiefergreifende Antworten hat, wird auch schon in der Psychosomatik fündig. Doch die Suche nach der Ursache einer hormonellen Schieflage rund um das Thema »Zyklus«,, die dabei helfen würde, diese auf natürlichem Wege zu behandeln, gelingt oft leider nur auf eigene Faust oder im Underground der Alternativmedizin.
Meiner Meinung nach zeigt diese Behandlungslücke zwei Dinge:
Medizin und Psychologie sollten sich noch ein bisschen enger zusammenkuscheln, um den heiligen Gral der ganzheitlichen – und dadurch nachhaltigen – Heilung gemeinsam anzustreben, auch wenn die pharmazeutischen Quick-Fix-Lösungen noch so verlockend winken.Der Forschungsstand in einem bestimmten Fachgebiet ist immer auch Spiegelbild des gesamtgesellschaftlichen Interesses. Und da aus bekannten Gründen (s. ab S. 19) das Wissen über den weiblichen Schoßraum in einer patriarchalen Gesellschaft strategisch bewusst verdrängt wird, sind auch Untersuchungen zum Thema »Zyklushormone« in der medizinischen Forschungslandschaft nicht sonderlich populär.Das Blöde daran ist, dass das hormonelle Gleichgewicht in unserem Körper so zentral und entscheidend für unsere körperliche und mentale Gesundheit ist. Und der Witz ist, dass diese Wunderstoffe genau die Schnittstelle zwischen Seele und Physis bilden. Unsere Hormonproduktionszentren reagieren wie feine Seismographen auf unser Seelenleben, beispielsweise passen sie die Cortisol-Produktion an unser jeweiliges Stresslevel an, um diesen runterzuregulieren.
Also würde sich das engere Zusammenkuscheln von Medizin und Psychologie doch eigentlich richtig lohnen. So könnten wir nämlich die möglichen hormonellen Dysbalancen im Zyklusgeschehen sowohl medizinisch als auch psychologisch betrachten und im Zusammenwirken beider Disziplinen nachhaltig heilen. Hach, wär das schön!
Aber von welchen Hormonen rede ich da eigentlich die ganze Zeit? Die beiden wichtigsten Hormone im Zyklusgeschehen sind Mylady Östradiol und Mrs. Progesteron. Kleine, aber entscheidende Nebenrollen spielen noch das Luteinisierende Hormon (LH) und das Follikelstimulierende Hormone (FSH). Genau genommen werden LH und FSH aus dem Ursprungshormon Gonadoliberin gebildet, das von der Hirnanhangsdrüse produziert wird. Die chronologische Choreographie dieses brillanten hormonellen Zyklusballetts funktioniert dabei wie folgt:
Die Hirnanhangsdrüse produziert FSH, daraufhin beginnt die Eizellreifung. Durch die Eizellreifung wird Östradiol produziert. Durch den steigenden Östradiolspiegel wird die Reifung weiterer Follikel verhindert.Die weitere Reifung der Follikel (die Synthese von Androgenen durch die Thekazellen) unterstützt wiederum die Östradiolproduktion, bis der Spiegel einen Maximalwert erreicht, der dann bewirkt, dass das LH nicht wie sonst durch das Östradiol unterdrückt, sondern schockartig ausgeschüttet wird.Das LH sorgt dafür, dass die Eizelle, die am größten gereift ist, springt.Die Follikelhülle der gesprungenen Eizelle wandelt sich zu einer eigenen Drüse, dem Gelbkörper, und beginnt Progesteron zu produzieren.Der Östradiolspiegel sinkt zunächst und das sorgt u. a. dafür, dass kein LH mehr ausgeschüttet wird.Wenn die Eizelle nicht befruchtet wird, beginnt das Progesteron zehn Tage nach Eisprung wieder zu sinken und das Östradiol sinkt mit. Dadurch werden pro-inflamatorische Zellen in die obere Schicht des Endometriums eingeladen. Die so erzeugte (völlig natürliche und ungefährliche!) Entzündung in den Zellen führt zur Ablösung der obersten Schicht des Endometriums (Stratum functionalis) und die Blutung setzt ein.Der absolute Wahnsinn, oder?
Östradiol ist dabei aber nicht nur für die Eizellreifung verantwortlich, sondern kann noch eine ganze Menge mehr: In der Embryonalentwicklung unterstützt Östradiol die Entwicklung und Differenzierung der weiblichen Geschlechtsorgane Vulva, Gebärmutter, Eierstöcke und Eileiter. Während der Pubertät pusht Östradiol die Entwicklung der Körperbehaarung, den Beginn der Menstruation und das Brustwachstum. Im Zyklusgeschehen ist es, wie gesagt, für die Eizellreifung, aber auch für die Bildung des Endometriums, also der Gebärmutterschleimhaut, verantwortlich. Darüber hinaus hat Östradiol Auswirkungen auf die weibliche Körperbehaarung, die Libido und das Konzentrationsvermögen, zudem kann es stimmungsaufhellend wirken. Es hat einen positiven Effekt auf die Durchblutung des Körpers und den Cholesterinspiegel, die Größe und das Wachstum der Brüste, die Regeneration, Durchblutung und Elastizität der Haut sowie auf das Wachstum und die Stabilität der Knochen. Boom!
Das Progesteron ist im Zyklusgeschehen für die Anfüllung des Endometriums mit Blut und dessen Abstoßung bei Nichtbefruchtung der Eizelle verantwortlich. Außerdem unterdrückt es Gebärmutterkontraktionen, was besonders während einer Schwangerschaft wichtig ist. Wird die Eizelle befruchtet, steigt der Progesteronspiegel ordentlich an: In den ersten vier bis fünf Wochen einer Schwangerschaft produziert die verlassene Follikelhülle fleißig das Progesteron, danach übernimmt die Plazenta die Produktion, und der Progesteronspiegel steigt weiterhin fröhlich an, bis er kurz vor der Geburt plötzlich absinkt.
Warum? Weil das Progesteron während der Schwangerschaft zunächst dafür verantwortlich ist, dass für die befruchtete Eizelle ideale Bedingungen herrschen. Es sorgt dafür, dass es muckelig wird (Endometrium mit Blut füllen und Temperatur um 0,6–1°C hochdrehen), ruhig ist (unterdrückt die Kontraktion des Myometriums, also der glatten Muskulatur der Gebärmutter), die Eizelle geschützt ist (Zervix schließt sich und bleibt lang) und die Umgebung gesund bleibt (unterdrückt Entzündungsprozesse!). Während der Schwangerschaft wirkt Progesteron zusätzlich milchproduktionshemmend, damit die Plazenta nicht abgestoßen wird, denn Plazenta abstoßen und Milch produzieren soll ja erst nach der Geburt passieren. Kurz vor der Geburt sinkt das Progesteronlevel schlagartig, um das Myometrium aus seinem Dornröschenschlaf zu erwecken und Wehen eintreten zu lassen.
Darüber hinaus hat Progesteron eine sedierende und schlafverbessernde sowie neuroprotektive Wirkung, es schützt also die Nervenzellen im Gehirn. Auch wirkt es, wie gesagt, entzündungshemmend, kann die Körpertemperatur um 0,6–1°C ansteigen lassen, unterstützt die Bildung des Brustdrüsengewebes, schützt die Knochen vor dem »brüchig werden« (osteoprotektiv), schließt die Zervix und lässt den Zervixschleim weniger spinnbar – und damit weniger spermadurchlässig – werden. Bäm!
Die häufigste hormonelle Unausgeglichenheit im zyklischen Geschehen ist die Östrogendominanz; gemeint ist damit ein Überschuss an Östradiol und ein damit einhergehender Mangel an Progesteron. Was es damit so auf sich hat, erfährst du auf S. 157.
Der wohl heftigste Eingriff in unser hormonelles Zyklusgeschehen ist die Antibabypille. Mal ganz abgesehen von den Hardcore-Nebenwirkungen, also dem erhöhten Risiko für Thrombosen und Embolien, sorgt die Pille, besonders bei längerer Einnahme, dafür, dass unsere Hormonproduktionsstätten »verlernen«, die relevanten Zyklushormone zu produzieren. Und das ist nicht nur dann blöd, wenn man irgendwann doch einen Kinderwunsch haben sollte, sondern auch, weil die so fein orchestrierten und ausbalancierten hormonellen Prozesse in unserem Zyklus Grundvoraussetzung für unsere physische und psychische Gesundheit sind.
Also wie wirkt das kleine Teufelchen Pille genau? Die meisten Pillen bestehen aus einer Kombination aus der chemisch nachempfundenen Version des Östradiols (z. B. Ethinylestradiol) und einem Gestagen, der chemisch nachempfundenen Version des Progesterons. Das Gestagen sorgt zum einen dafür, dass der Zervixschleim sich verfestigt und für Spermien undurchlässig wird. Zum anderen sorgt das konstant gehaltene Gestagenlevel dafür, dass das FSH unterdrückt und somit die Eizellreifung verhindert wird. Durch die Zugabe einer geringen Menge künstlichen Östrogens wird die Eizellreifung blockiert. Gleichzeitig reicht die Menge aber aus, um das Endometrium, also die Gebärmutterschleimhaut, so weit aufzubauen, dass bei der Pillenpause eine Entzugsblutung ausgelöst wird. Pfiffig gebaut, das kleine Teufelchen.
Die Entzugsblutung hat jedoch nichts mit einer normalen Menstruation zu tun. Sie ist eher ähnlich zu einer Abbruchsblutung, bei der der Körper sich um die Produktion von Östradiol bemüht, jedoch nicht genug zusammenbekommt, irgendwann aufgibt und die bisher aufgebaute Gebärmutterschleimhaut entlässt, um dann wieder von vorne anfangen zu können. In beiden Fällen findet kein Eisprung statt, also keine Phase 2, keine Phase 3 und keine Phase 4. Die Einnahme der Pille kreiert somit eine Situation, in der wir künstlich in Phase 1 gehalten werden. (Was das emotional für einen Menschen bedeutet, erfährst du im nächsten Kapitel.)
Das zusätzlich Problematische an der Pille ist, dass die zugeführten chemischen Versionen von Östradiol und Progesteron an den Hormonrezeptoren des echten Östradiols und Progesterons andocken und diese blockieren. Meist brauchen sie auch nach dem Absetzten der Pille lange, bis sie wieder in der Lage sind, natürliches Östradiol und Progesteron aufzunehmen.