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Ein Mensch ärgert sich durchschnittlich 15 bis 30 Mal am Tag. Die U-Bahn hat Verspätung, der Chef hat die Deadline vorverschoben oder die Waschmaschine ist kaputt. Und hat man erst einmal angefangen, sich aufzuregen, treibt einen jedes weitere Ärgernis nur noch mehr auf die Palme. Dieser Zustand ist nicht nur für das Umfeld belastend, sondern auch für einen selbst. Aber wie kann man aus diesem Teufelskreis ausbrechen? Die Coaching-Koryphäe Christine Lewicki hat ein Programm entwickelt, mit dem es jeder Mensch schaffen kann, in nur 21 Tagen dieser fiesen Plage zu entkommen. Ihre ultimative Anti-Ärger-Methode hat sie selbst getestet. In diesem Buch berichtet sie von ihren Erfahrungen, erläutert die einzelnen Schritte und hilft Ihnen mit nützlichen Tipps dabei, eingefahrene Denk- und Verhaltensweisen zu erkennen und abzustellen. Mit diesem Ratgeber kann die Herausforderung gelingen, Wut und Ärger hinter sich zu lassen und stattdessen ein freies, glückliches Leben zu führen!
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Seitenzahl: 179
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie.
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Für Fragen und Anregungen:
4. Auflage 2021
© 2017 by mvg Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH
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80799 München
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Copyright der Originalausgabe: © 2011 Groupe Eyrolles, Paris, France
Die französische Originalausgabe erschien 2011 bei Groupe Eyrolles unter dem Titel J’arrête de râler!
Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
Übersetzung: Martin Bauer
Redaktion: Silke Panten
Umschlaggestaltung: Laura Osswald
Umschlagabbildungen: Shutterstock/Gazoukoo, Shutterstock/alicedaniel, Shutterstock/mhatzapa
Illustrationen im Innenteil: Lili la baleine
ISBN Print 978-3-86882-806-1
ISBN E-Book (PDF) 978-3-96121-050-3
ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-96121-051-0
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Vorwort
ERSTER TEIL
Ich starte einen Selbstversuch: Ich höre auf, mich zu ärgern!
1. Wie alles begann
Ich Nörglerin
Ich und die Nörgler
Mein Aha-Erlebnis
Danke, Gandhi
2. Die Fratze der Nörgelei
Das Streben nach Glück
Die Angst, »anders« zu sein
Bitten Sie doch mal direkt um Hilfe
Befreien wir uns von unseren Automatismen
Meckern zur Erheiterung anderer
Vom Schimpfen zur Resignation
Schimpfen, um zu glänzen
Schimpfen, um zu überzeugen
Schimpfen, um zu rebellieren
ZWEITER TEIL
Was ich dabei gelernt habe
3. Das Glück wählen
Auch Lottogewinner meckern
Glück lässt sich lernen
Sich selbst umprogrammieren
Lernen, im Jetzt zu leben
Lernen, negative Gedanken loszulassen
Lernen, sich vom Kontrollwahn zu befreien
Vielleicht meint es das Schicksal auch gut
Wenn andere uns auf die Nerven gehen
4. Positiv kommunizieren
Meckern errichtet Mauern
Nörgeln ist leichter als positives Denken
Locker bleiben statt dramatisieren!
Lernen, die richtigen Worte zu sagen
Lernen, Missverständnisse zu bereinigen
Lernen, Bedürfnisse und Ärger anders zu äußern
Genießen statt schimpfen
5. Sein Leben selbst in die Hand nehmen
Nichts auf morgen verschieben
Raus aus der Opferrolle
Aufhören, nach Sündenböcken zu suchen
Wie man vermeidet zu explodieren
Die eigenen Grenzen schon vorher aufzeigen
Wer sich mehr freut, meckert weniger
Erst das Vergnügen, dann die Arbeit
Zum Glück der anderen beitragen
DRITTER TEIL
In 21 Tagen vom Ärgern zum Genießen
6. 21 Tage ohne Ärgern – wie geht das?
Das Prinzip mit dem Bändchen
Warum 21 Tage?
Lernen, ohne Schimpfen zu leben
Das Meckern erkennen und wahrnehmen
Meine ersten Tage ohne Ärgern
Die vier Phasen des Projekts
Akzeptieren, dass man nicht perfekt ist
Vom Schimpfen zum Genießen
7. Fragen und Antworten
1. Wie lange brauche ich für das Projekt ungefähr?
2. Darf ich meine Kinder noch ausschimpfen?
3. Wie steht es mit Klatsch und Tratsch?
4. Inwiefern führt das Projekt zu einer positiven Veränderung?
5. Was kann ich tun, damit andere aufhören zu meckern?
6. Was soll ich tun, wenn jemand das Projekt wagt, und ich erwische ihn beim Schimpfen?
7. Darf ich nie wieder meckern?
Schlusswort
21 Tage – Ich habe es geschafft!
21 Tage – Sie schaffen das auch!
ANHANG
Hilfsmittel für mehr Gelassenheit im Alltag
Übungen
Gewaltfreie Kommunikation
Einige menschliche Bedürfnisse, die wir alle haben
Wie wir uns fühlen, wenn unsere Bedürfnisse unerfüllt bleiben
Quellen
Verwendete Quellen und hilfreiche Literatur
Zitatnachweise
Meinem Mann Philippe gewidmet, der Liebe meines Lebens
Es ist eine schlechte Angewohnheit und in gewisser Form auch eine Grundeinstellung, wenn jemand ständig meckert – und oft ist es der umgebenden Kultur geschuldet. Auf Bali oder Mauritius schimpfen die Menschen nicht über ihr Schicksal, sie akzeptieren einfach, was das Leben ihnen hinwirft. Auch in den USA wird nicht viel gemeckert, allerdings aus anderen Gründen: Man handelt lieber!
In Frankreich hingegen motzt man gern. Jean Cocteau bezeichnete Franzosen einmal als »schlecht gelaunte Italiener«. In einer hierarchischen Gesellschaft wie der französischen hat der Kritisierende das Gefühl, er wäre »besser« als der Kritisierte. Leider hält ständiges Schimpfen uns davon ab, positiv zu denken: Einer Meinungsumfrage zufolge fürchten 41 Prozent aller Franzosen, man würde sie für dumm halten, wenn sie sich freundlich verhielten. Und diese Einstellung gibt es nicht erst seit gestern. Schon 1963 ließ der Regisseur Michel Audiard seinen Hauptdarsteller Jean Gabin in Lautlos wie die Nacht sagen: »Meckern macht immer einen guten Eindruck.«
Doch wahrscheinlich spielt noch ein anderer, völlig unbewusster Grund eine Rolle: Nörgeln erlaubt, sich trotz der eigenen Unvollkommenheit (oder vielmehr dessen, was man dafür hält) besser zu fühlen. Wir leben in einer Gesellschaft, die schon Schulkinder für ihre kleinen Schnitzer bloßstellt, anstatt ihre Anstrengungen zu würdigen. Wird den zukünftigen Erwachsenen da nicht bereits von klein auf ein mangelndes Selbstwertgefühl eingeimpft?
Der Nörgler fühlt sich nach seiner Tirade – ein wenig – besser, bemerkt dabei allerdings nicht, dass er sich durch seine Nörgelei seinen eigenen Alltag vermiest. Denn Meckern schafft nur einen oberflächlichen Ausgleich für Verletzungen des Egos, macht aber nichts besser.
Jeder gerät gelegentlich in dieses teuflische Räderwerk, und Nörgeln kann schnell zur Gewohnheit werden, wenn man nicht aufpasst. Doch es reicht nicht, sich der Gefahr bewusst zu werden. Die Frage muss vielmehr lauten: Wie befreie ich mich davon?
Wer nicht 15 Jahre in psychotherapeutischer Behandlung verbringen will, nur um dann schimpfend von der Couch zu springen und davonzustürmen, sollte dieses Buch lesen. Die Autorin weiß, wovon sie redet. Christine Lewicki hatte selbst das Mecker-Problem, und sie hat es gemeistert. Das Buch stammt also nicht von einem abgehobenen Denker, der ein ihm fremdes Phänomen mit analytisch kaltem Blick betrachtet und seine aus theoretischen Überlegungen abgeleiteten Ratschläge weitergeben will. Ganz im Gegenteil: Das Buch beruht auf dem wahren Leben, einem geerdeten Sinn für Realität und einem erlebten Kampf mit dem Alltäglichen. Man merkt, dass die Autorin eigene Erfahrungen mit dem Thema gemacht hat – das macht das Buch so authentisch, so überzeugend, so wertvoll, so wichtig. Und zwar für uns alle. Denn Nörgeln bedeutet, die ganze Welt runterzuziehen, indem man jeden darauf aufmerksam macht, was nicht funktioniert. Von Oprah Winfrey stammt der berühmt gewordene Satz: »What you focus on expands.« Auf Deutsch bedeutet das: »Was man betrachtet, wird größer.« Indem man Probleme, Nachlässigkeiten, Schnitzer, Unvollkommenheiten und andere Fehler herausstreicht, verleiht man ihnen eine Bedeutung. Man gibt ihnen dadurch die Gelegenheit, in unser Leben einzudringen. Und so beginnt der Gestank der Enttäuschung das Leben zu durchziehen und verleiht ihm einen Stich von Unzufriedenheit.
Wie heißt es doch so schön: In seinem Leben sollte man nur ein einziges Mal röcheln – bei seinem letzten Atemzug.
ERSTER TEIL
Ich starte einenSelbstversuch:Ich höre auf,mich zu ärgern!
Wenn ich ganz ehrlich bin, erinnere ich mich nicht mehr genau, wie alles begann. Es war ein schleichender Prozess, irgendwie kam vieles zusammen, und im Frühling 2010 erwachte der Wunsch in mir, endlich mit dem Nörgeln aufzuhören. Es hatte eine Zeit lang gedauert, bis der Entschluss gereift war. Doch dann hatte ich ein Aha-Erlebnis, woraufhin ich entschied: Jetzt ist Schluss! Und so kam es, dass ich mich in dieses außergewöhnliche Abenteuer stürzte. Sie sind jetzt sicher neugierig, was genau dieses Aha-Erlebnis war. Dazu komme ich gleich. Zuvor möchte ich aber, dass Sie mich noch ein wenig besser kennenlernen.
Eigentlich bin ich ein positiver Mensch. Doch irgendwann bemerkte ich, dass ich mich viel zu oft in Situationen wiederfand, in denen ich frustriert oder genervt war, in denen ich mich als Opfer fühlte – und mich ärgerte. Abends fühlte ich mich kaputt und ausgelaugt von all dem, was ich im Laufe des Tages »erlitten« hatte. Jeder Tag schien mir wie ein unablässiger Kampf: Kinder für die Schule fertig machen, im eigenen Unternehmen schuften, pünktlich sein, Haushalt und Job irgendwie unter einen Hut bekommen. Beim Einschlafen fragte ich mich, ob ich tagsüber irgendeinen schönen Moment erlebt hatte. Und meistens fiel mir nichts ein – obwohl die Tage in der Regel ganz gewöhnlich verlaufen waren, ohne größere Katastrophen. Alltag halt.
Das brachte mich ins Grübeln: Was hielt mich davon ab, meinen Alltag zu genießen? Ein grauer Tag folgte dem nächsten, und ich redete mir ein, später würde alles besser – wenn meine drei Kinder erst mal groß sind, wenn die Firma besser läuft, wenn ich wieder mehr Zeit für mich habe, wenn ich Urlaub machen kann, wenn die Kinder im Sommer bei Oma und Opa sind usw. Kurz: Das schöne Leben musste noch ein bisschen warten. Bis ich mich zu fragen begann: Warum soll ich bis morgen warten? Was hält mich davon ab, alles ein bisschen lockerer zu sehen und schon heute glücklich zu sein? Schließlich besteht das Leben doch hauptsächlich aus Alltag. »Gestern ist vorbei, morgen noch nicht da – es gibt nur das Heute.« Die Worte eines Weisen. Ich kannte den Ausspruch, doch erst 2010 machte ich mich daran, ihn umzusetzen.
Ich bin Unternehmerin, Ehefrau und Mutter, und meine Tage spielen sich ab im Spannungsfeld von Job, drei Kindern auf drei verschiedenen Schulen, ihren Freizeitaktivitäten wie Schwimmbad, Gitarre, Klavier usw. und einer ehrenamtlichen Tätigkeit im Vorstand des Coaching-Verbands Los Angeles. All das in Los Angeles, einer verrückten, gewaltigen Metropole! Und zu allem Überfluss lebt meine Verwandtschaft 10.000 km weit weg.
Eines Abends lag ich im Bett und überlegte, wie ich wieder Lockerheit und Zufriedenheit in meinen chaotischen Alltag bringen könnte. Wir alle kennen besonders glückliche und freudige Zeiten: Wochenenden, Ferien, Festtage, Abendessen mit Freunden, bei denen man sich kaputtlacht, Freizeit mit geliebten Menschen, Reisen – eigentlich eine doch recht lange Liste. Zusätzlich gibt es in jedem Leben kleine Augenblicke des Glücks: ein Spaziergang am ersten schönen Frühlingstag, ein Kaffee in der Sonne oder ein herzhaftes Kinderlachen. Diese Momente der Erfüllung lassen uns kurz aus dem täglichen Hamsterrad entfliehen. Doch sie währen nicht lange und hängen von seltenen, wenn nicht gar außergewöhnlichen äußeren Umständen ab.
Und was ist mit dem Rest unseres Lebens? Dem gewöhnlichen Alltag, in dem wir mit unseren zahllosen Aufgaben jonglieren? Was für eine gewaltige Verschwendung, all diese »normalen« Stunden des Lebens verstreichen zu lassen oder lediglich zu erdulden, ohne ihnen irgendetwas abzugewinnen! An jenem Abend im Bett erkannte ich: Ich wollte das Glück täglich spüren, denn irgendwann würde ich sterben. Jede Minute ist extrem wertvoll. Mein Leben ist ein Geschenk, und ich war fest entschlossen, es bis zur letzten Sekunde auszukosten. Ich merkte: Am stärksten zermürbten mich die Situationen, in denen ich mich laut ärgerte. Schimpfend vor sich hin arbeiten, den Computer verfluchen, über andere Autofahrer motzen, über andere Leute herziehen, sich über die Kinder beschweren, seufzen, murren, quengeln, nörgeln – all das vergällte mir das Leben. Und, sehen wir es doch ein: Schimpfen bringt gar nichts.
Im Bett liegend sah ich nach oben und erforschte mein Leben. Eigentlich gehöre ich zu dem Typ Mensch, der stets sagt: »Das Leben ist schön.« Was meckerte ich eigentlich? Ich war nicht depressiv, sondern fröhlich und positiv, gesund, glücklich verheiratet, vernarrt in meine Kinder, begeistert von meinem Beruf. Und doch konnte ich mich immer über irgendetwas ärgern, sodass ich jeden Abend erschöpft, frustriert und kaputt zu Bett ging.
Unser Glück oder Unglück hängt selten von der tatsächlichen Lage ab, sondern von unserer Wahrnehmung einer Situation, von unserer Fähigkeit, uns mit dem zufriedenzugeben, was wir haben.
Dalai Lama
Ich überlegte: Und wenn ich mich einfach nicht mehr ärgern würde? Nun, das ist leicht dahingesagt, denn sich nicht zu ärgern ist überhaupt nicht einfach, das weiß ich heute. Doch letztlich stand ich vor der Wahl: Will ich über das Glück philosophieren, zig Bücher zum Thema lesen und auf Seminare gehen – oder fange ich einfach heute damit an, alles mir Mögliche zu tun, um glücklicher zu leben? Ich nahm mir vor, mich 21 Tage hintereinander nicht ein einziges Mal laut zu ärgern, und wollte sehen, was passiert.
In den USA, wo ich seit zehn Jahren lebe, ist die Methode, sich in 21 Tagen etwas wie das Rauchen oder übermäßiges Essen abzugewöhnen oder etwas wie Meditieren oder Dankbarkeit anzugewöhnen, sehr verbreitet. Ich sagte mir: »So, jetzt muss es sein, ich ziehe das jetzt durch, für mich, mein Leben, meine Familie!« Im dritten Teil des Buchs erkläre ich genauer, was während dieser 21 Tage im Kopf passiert.
Als ich mein Experiment startete, war mir überhaupt nicht bewusst, wie oft ich laut schimpfte. Ich erlebte einen echten Schock, als mir das klar wurde! Und ebenso wenig ahnte ich, wie unglaublich schön es war, sich nicht mehr zu ärgern. Natürlich ist es utopisch zu glauben, man könnte es schaffen, sich nie wieder zu ärgern. Aber darum geht es auch nicht in diesem Experiment. Es geht darum, sich nicht laut zu ärgern, seinem Gemecker nicht ständig Luft zu verschaffen und das automatische Genörgel aus seinem Alltag zu verbannen.
Gibt es in Ihrem Leben Nörgler? Wie fühlen Sie sich, wenn Sie ihr Gemecker hören? Als ich mit meinem Experiment begann, fiel mir abgesehen von meiner eigenen Schimpferei auf, wie sehr mir die Nörgler in meinem Umfeld Energie raubten. Wenn ich im Alltag einem Nörgler begegne – in der Stadt, bei der Arbeit oder zu Hause –, kostet mich das Kraft. Ich bin sehr empfänglich für die negativen Schwingungen, die von solchen Menschen ausgehen. Sie können mir den ganzen Tag verderben. Entweder störe ich mich an ihrer Wut, oder ich leide mit ihnen. Manchmal fühle ich mich sogar schuldig, und ich überlege: »Liegt es an mir, dass sie sich ärgern?«
Da fiel bei mir der Groschen. Meine allergische Reaktion gegen das Geschimpfe der anderen zeigte mir, wie wichtig es war, selbst weniger zu nörgeln, zum Wohl meines gesamten Umfelds inklusive Ehemann, Kindern, Freunden, Kollegen und Kunden. Wenn ich selbst so empfindlich auf das Gemecker anderer reagiere, dann muss ich mich auch selbst ändern.
Ich erinnere mich genau an den Tag meiner Erleuchtung, an dem ich beschloss, jetzt wirklich ernst zu machen. Mein abendliches Gedankenspiel lag zwar schon ein paar Wochen zurück, doch ich hatte noch nicht den Mut aufgebracht, das Experiment wirklich zu wagen. 21 Tage ohne Nörgeln – das schien mir eine gewaltige Herausforderung. Ich hatte mir unzählige Ausreden zurechtgelegt: nicht die richtige Lebensphase, nicht der richtige Augenblick, keine Lust auf eine weitere Einschränkung in meinem Leben und so weiter und so fort.
Doch dann kam das Abendessen bei Sabine. Gemeinsam mit ein paar lieben Freunden genossen wir unseren Sonntagsbraten, umgeben von einer Horde herumtollender Kinder. Beim Espresso regten wir uns gemeinsam über Menschen auf, die an allem herumnörgelten. Wir stimmten alle überein: Es kostete ungeheuer Kraft, von Nörglern umgeben zu sein. Und ich hörte mich sagen: »Diese Querulanten vergeuden doch nur ihre Zeit. Meckern bringt doch nichts!« In dieser Sekunde schoss mir die Erkenntnis durch den Kopf: Ich nörgelte gerade über Nörgler!
Nach diesem Aha-Erlebnis rang ich mich endlich durch, etwas zu unternehmen. Ich musste etwas tun, um dieser schlimmen Spirale zu entkommen, um diese Angewohnheit abzulegen, die mir so gar nicht behagte. So entstand mein Vorsatz »Ich höre auf, mich zu ärgern!«. Ich drehte ein Video und postete es in einem eigens dafür angelegten Blog (www.jarretederaler.com), den ich über die sozialen Medien verlinkte. Die Neuigkeit sprach sich schnell herum, und schon nach wenigen Tagen schrieben einige bekannte Blogger darüber. Dann wurde ich von dem französischen Hörfunksender Radio Monte Carlo zu einem Gespräch eingeladen. Einige Wochen später erschienen in einer Zeitschrift für Psychologie und in einem Nachrichtenmagazin Artikel über meinen Blog. Offenkundig hatte ich da einen Nerv getroffen! Und so setzte ich bei meinem Selbstversuch weiterhin auf Öffentlichkeit. Mit dem Blog wollte ich meine Erfahrungen teilen, aller Welt erzählen, wie es mir erging. Das sollte mir eine Stütze sein. Und für mich wirkte diese Methode. Der Blog erlaubte mir, täglich Bilanz zu ziehen, mich mit meinen Lesern auszutauschen und aus meinen Erlebnissen zu lernen. Am Ende des Buches habe ich Ihnen hilfreiche Übungen zusammengestellt, zudem finden Sie dort einen Fragebogen. Beides wird auch Sie bei Ihrem Entschluss unterstützen, sich nie wieder zu ärgern.
Als ich mich auf meinen Weg begab, fühlte ich mich von der Weisheit Gandhis geleitet: »Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst für diese Welt.« Damit meinte er, man solle besser vor der eigenen Haustüre kehren, anstatt mit dem Finger auf andere zu zeigen. Denn das bringt eh nichts. Wenn Nörgler mich nerven, darf ich mich nicht lauthals über sie beschweren. Man verändert die Welt nicht, indem man andere kritisiert, sondern indem man mit gutem Beispiel vorangeht. Ich darf mir nicht anmaßen, andere ändern zu wollen, aber eines ist sicher: Ich kann mich verändern.
Als ich im April 2010 mit meinem Selbstexperiment loslegte, versprach ich, mindestens einen Monat lang täglich ein Video in meinem Blog zu posten. Darin wollte ich über den vergangenen Tag Bilanz ziehen, der Welt verraten, ob ich mich geärgert hatte, und vor allem analysieren, was passierte. Bevor ich die Videos machte, stellte ich mir immer folgende zwei Fragen:
Wenn ich meckerte: Was brachte es?
Wenn ich nicht meckerte: Was hatte ich verändert?
In folgenden Teil des Buchs beschreibe ich, was sich in uns abspielt, wenn wir nörgeln, und was wir tun können, um uns zu ändern. Ich bin fest überzeugt: Wenn wir die inneren Mechanismen erhellen, unserer Nörgelei den Schleier herunterreißen und klar identifizieren, was uns zu diesen Reaktionen treibt, lernen wir uns selbst besser kennen und können bewusst daran arbeiten, unser alltägliches Ich zu verbessern.
Aristoteles brachte es schön auf den Punkt, als er Glückseligkeit als das »höchste Gut« bezeichnete. Wir alle wünschen uns Glück. Das Streben danach macht den Kern unserer Existenz aus. Alles, was wir im Leben tun, hängt meiner Ansicht nach letztlich mit unserer Suche nach dem Glück zusammen. Auch wenn wir uns lautstark ärgern, wollen wir eigentlich nur glücklich sein.
Wer über seinen Chef herzieht, versucht sein Bedürfnis nach Anerkennung oder Respekt zu befriedigen.
Wer über Politiker schimpft, will sich von ihnen gehört und berücksichtigt fühlen.
Wer über Verkehrsrowdys flucht, hat das Bedürfnis, sicher anzukommen.
Wer seine Kinder schimpft, wünscht sich eigentlich Ruhe, Freiheit, Ordnung, eine Pause – oder nur die Bestätigung, dass wir bei der Erziehung alles richtig machen.
Man steht gereizt auf, ärgert sich vor dem Frühstück schon ein paarmal, meckert in der U-Bahn oder im Stau, beschwert sich über seine Kinder, den Staat, die Bürokratie, den Chef, man lästert über Kollegen oder mit ihnen, man schimpft über seinen Partner. Kurz: Man ärgert sich laut über Gott und die Welt. Doch Meckern macht uns nicht glücklicher – es erlaubt uns nur, uns als Opfer hinzustellen (siehe Kapitel 4). Gelegentlich ermuntert uns unser Umfeld geradezu, uns zu beschweren.
Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, dass wir oft schimpfen, um Kontakt zu Menschen herzustellen, die in der gleichen misslichen Lage sind? Wir gründen unsere Freundschaften auf gemeinsame Klagen über bestimmte Zustände. So knüpfen wir ein Band zu anderen – besonders am Arbeitsplatz oder im öffentlichen Raum. Oft meckern wir einfach, um eine peinliche Stille zu beenden, etwa im Fahrstuhl. Und dann meckern wir halt über das Wetter – brrr! – oder über die ständigen Verspätungen der S-Bahn.
Als Coach habe ich viele Bücher über die persönliche Weiterentwicklung von Menschen gelesen. Daher weiß ich, dass wir beschließen, eine Situation auf eine bestimmte Art zu erleben, und dass wir dadurch unsere Realität erst erschaffen. Dieses Phänomen erlebe ich im Berufsleben täglich. Klar, wir können uns nicht immer aussuchen, was uns zustößt – doch wir können selbst entscheiden, wie wir darauf reagieren. Und diese Reaktion hat Einfluss auf unseren Alltag, unser Leben.
Man hat jederzeit die Wahl, sein Leben so zu leben, wie man es sich wünscht, egal, was passiert. Schmerz, Misserfolg, Plackerei, Probleme – immer kann man sich als ohnmächtiges Opfer sehen oder sein Glück selbst in die Hand nehmen. Man entscheidet ganz allein, ob man sich niederschmettern lässt oder mit offenen Armen empfängt und genießt, was das Leben einem hinwirft. Mir fällt auf, dass viele Menschen zögern, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Wir sind umgeben von Menschen, die lieber meckern, sich beschweren, sich als Opfer hinstellen. Fast wirkt es, als gebe es eine umfassende Mecker-Kultur, und wer sich für das Glück entscheidet, ist ein Außenseiter, ist »anders«.
Es ist keine Schande, das Glück vorzuziehen.
Albert Camus, Die Pest (Rowohlt, 1998)
Sie haben in Ihrem Alltag vielleicht auch schon des Öfteren bemerkt, wie viel einfacher es ist, etwas zu kritisieren, als etwas zu loben. Unsere Kultur ermuntert uns zum Schimpfen; also machen wir unserem Ärger Luft. Wir hinterfragen das eigentlich gar nicht, wir folgen dem Strom, machen es wie alle anderen, schimpfen wie alle anderen. Mein Selbstversuch hat mir gezeigt, wie sehr man sich geborgen fühlt, wenn man sich mit den anderen über Negatives austauscht. Wir haben uns derart angewöhnt, gemeinsam zu schimpfen, dass wir vielleicht fürchten, wir würden von den anderen ausgegrenzt, wenn wir nicht mehr mitmeckern. Die Norm beruhigt; man weiß, was man erwarten darf, wenn man meckert: Der Gesprächspartner drückt sein Mitgefühl aus oder stimmt uns zu – wir haben einen Leidensgenossen gefunden.