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Tobias Bachmann nimmt seine Leser in dieser Kurzgeschichtensammlung mit in die düster-phantastische Welt der Teufelsbeschwörung und finsteren Rituale. In dieser Sammlung sind die Kurzgeschichten "Der Kondukt", "Das nekrotische Sakrament" und "Die Widmung des Teufels".
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Tobias Bachmann
Neonschwarze Messen I
Beschwörungen des Teufels
Düster-phantastische Kurzgeschichten
Ashera Verlag
Inhaltsverzeichnis
Der Kondukt
Das nekrotische Sakrament
Die Widmung des Teufels
Der Autor
Die Handlung und alle handelnden Personen sind frei erfunden. Jegliche Ähnlichkeit mit lebenden oder realen Personen wären rein zufällig.
Copyright © 2022 dieser Ausgabe by Ashera Verlag
Ashera Verlag GbR
Hauptstr. 9
55592 Desloch
www.ashera-verlag.de
Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck oder andere Verwertungen – auch auszugsweise – nur mit Genehmigung des Verlags.
Covergrafik: Pixabay
Szenentrenner: AdobeStock
Redaktion: Alisha Bionda
Lektorat & Satz: TTT
Vermittelt über die Agentur Ashera
(www.agentur-ashera.net)
»Ich gestehe, das alles, was ich über die Schwarze Messe gesagt und geschrieben habe, über den Priester, der sie zelebriert, über den Ort, wo ich meiner Behauptung gemäß ihr beigewohnt, über die Personen, die ich vorgeblich dort getroffen – dass alles dies reine Erfindung ist. Ich versichere, dass alle diese Geschichten meiner Einbildung entspringen und dass infolgedessen alles, was ich erzählt habe, falsch ist.«
Joris Karl Huysmans; aus: ›Die schwarze Messe des Kanonikus Docre‹ (1899)
Die Annonce im Sagunther Anzeiger ist klein und unscheinbar. Ich finde sie unter der Rubrik TAUSCHGESUCHE und bleibe selbstredend aufgrund der Suchanfrage an dem Kurztext hängen: »Suche: Sex! Biete: Horror!«, steht da und zuerst bin ich mir dessen nicht einmal sicher. Ich muss das fettgedruckte Tauschgesuch gleich drei Mal lesen, bis ich weiß, dass mir mein Unterbewusstes keinen Streich spielt. Da sucht jemand tatsächlich Sex gegen Horror.
Darunter findet sich keine weitere Erklärung. Lediglich eine Telefonnummer ist angegeben. Ich habe meinen Morgenkaffee noch nicht zu Ende getrunken, da wähle ich auch schon die Nummer. Nein, ich denke nicht näher über mein Handeln und Tun nach, geschweige denn, dass ich mir möglicher Konsequenzen bewusst werde.
Schon lausche ich dem Tuten der freien Leitung.
»Ja, hallo?«, meldet sich eine Stimme am anderen Ende der Leitung. Sie klingt schüchtern. Jung. Männlich zwar, aber nicht wie ein gestandener Mann.
»Ja, ähm, hallo«, stammele ich und weiß nicht recht, was ich sagen soll. »Ich rufe an, wegen der Anzeige.«
Schweigen.
»Hallo?«, rufe ich in den Telefonhörer.
Ich widersetze mich dem Drang aufzulegen, als sich die Stimme wieder meldet.
»Sind Sie wirklich interessiert?«
»Vielleicht könnten Sie etwas mehr ins Detail gehen.« Ich versuche, meine Stimme erotisch klingen zu lassen.
»Nein, nein. Nicht so. Nicht hier. Nicht am Telefon, meine ich«, sagt die Stimme, die nun an Heiserkeit gewinnt. »Am besten ist es wohl, wir treffen uns.«
»Ein Treffen«, erwidere ich. »Aha.«
»Ja, kommen Sie gegen halb neun heute Abend zu mir.«
»Und wo ist das, Bitteschön?«
Wie automatisiert schreibe ich eine Adresse mit, die mir durchgegeben wird, und lausche dem Klacken des Hörers am anderen Ende der Leitung.
Brock kniete auf allen vieren und war sich sicher, dass es diesmal klappen würde. Es muss einfach klappen, dachte er. Die letzten Versuche waren das reinste Desaster gewesen. »Ach was«, sagte er laut zu sich selbst. Es ein Desaster zu nennen, war übertrieben. Es war schlichtweg nichts passiert.
»Gar nichts!«, sagte er wieder laut. »Trotz all der Vorbereitungen.« Jahre lang hatte er die alten Schriften studiert und sich akribisch genau an jede noch so peinliche Anweisung gehalten, doch der Erfolg hatte sich nicht einstellen wollen. Vermutlich hatte er bei den letzten Versuchen nur eine unauffällige Kleinigkeit vergessen.
»Diesmal klappt es«, sagte er daher wieder und klopfte sich den Kreidestaub von den Händen. Dann erhob er sich, strich sich durch seinen Bart und betrachtete sein Werk.
Die Kreisform war ihm nahezu perfekt gelungen. Auch die fünf Zacken in ihrem Inneren schienen geometrisch gesehen richtig zu sein. Er wandte sich dem Buch zu und verglich zum wiederholten Male die Symbole und ihre Anordnungen.
»Perfekt.« Er verließ den Raum, lief den gekachelten Kellerflur entlang und eilte die Treppe nach oben ins Erdgeschoss. Irgendwo im Wohnzimmer musste seine Mutter eine Kiste mit Kerzen gelagert haben.
Tatsächlich fand er eine staubige und nach muffig altem Kerzenwachs riechende Pappschachtel, in dem die Überreste aus etlichen Weihnachtsfeiertagen, nur zur Hälfte genutzte Teelichter, Tafelkerzen und dicke Stumpen von Adventskränzen lagerten. Weitere fand er in der Küche und in dem schmalen Telefonschränkchen im Flur, wo die Telefonbücher lagen. Dort hatte er sogar Glück und fand eine noch ungeöffnete Packung Kerzen, samt Streichhölzer. »Das wird genügen«, murmelte er und begab sich wieder zurück in den Keller.
Als er das Zimmer mit dem Pentagramm vom Durchmesser eines Menschen auf dem Boden erreicht hatte, fuhr er mit seiner Arbeit fort, die Kerzen auf dem Boden zu befestigen. Dabei gab es keine Reihenfolge und auch sonst nichts im Speziellen, auf das er hätte achten müssen. In dem Buch stand lediglich, dass die gesamte Prozedur ohne Tageslicht stattfinden solle. Einzig Feuerschein darf den Kreis illuminieren, stand dort geschrieben.
Als alles fertig war, gab es nur noch eins zu tun – auf das Eintreffen seiner Anruferin zu warten. Eine schöne Stimme hatte sie gehabt. Das arme Ding.
Das Kleid, das ich für meine Verabredung wähle, ist gewagt. Ich stelle mir einen Gothic-Typen vor, weswegen ich auf schwarzen Lack zurückgreife. Dazu eine grobmaschige Netzstrumpfhose. Mein Büstenhalter ist aus Leder und ein Höschen trage ich aus Prinzip nicht.
Ich schminke mich dezent, umgebe mich mit einem Parfum aus Patschuli.
Sex habe ich schon den unterschiedlichsten Männern geboten, überlege ich, als ich mein Aussehen im Spiegel überprüfe und mein Dasein als sogenannte Hobbyhure überdenke. Stets habe ich ein kleines Taschengeld verlangt und wundersame, sehr oft erotische und nur manches seltene Mal unangenehme Abende oder Nächte verbracht. Der Anzeigenteil in der Tageszeitung bietet da muntere und abwechslungsreiche Möglichkeiten. Doch noch nie habe ich von Horror als Gegenleistung gelesen.
Vielleicht ist es wirklich ein verschrobener Leser. Ein Fan phantastischer Literatur, was immerhin eine Gemeinsamkeit wäre. Ich liebe die Bücher von Stephanie Meyers, habe die meisten Stephen King-Werke gelesen und bin sogar vertraut mit den Klassikern, wie Edgar Allan Poe oder den Texten Lovecrafts.
Und sollte der Mann eine körperliche Gegenleistung meinen, die irgendeinem Snuffmovie entsprungen sein mag, so werde ich die Flucht ergreifen und die Polizei rufen, nehme ich mir vor.
Gleichsam überkommt mich ein seltsames Schauern. »Biete: Horror!«
Das kann alles Mögliche sein, denke ich und lege noch einmal mit dem Parfum nach.
Er saß im Wohnzimmer und starrte vor sich hin. Schweiß stand auf seiner Stirn, als er sich an seine ersten Experimente zurückerinnerte. Den ersten Versuch hatte er mit Tommy gemacht. Sein Hund. Es hatte nicht geklappt, da sich der dämliche Köter nicht an Brocks Anweisungen gehalten hatte. Ums Verrecken war das Vieh nicht innerhalb des Kreises geblieben, so dass er ihm vor Wut die Kehle umgedreht hatte. Danach hatte er gemeinsam mit seinem Vater ein Grab im Garten geschaufelt, gut drei Meter vom Pool entfernt, nahe der kleinen Baumgruppe. Damals hatte er es irritierend gefunden, dass sein Vater keine Fragen stellte. Mutter hatte geweint, und Vater hatte ihr die Wange getätschelt.
Wenige Monate später hatte er das Grab wieder ausgehoben, und Mutter zu Tommy gelegt. Auch mit ihr hatte es nicht geklappt. Diesmal war Vater nicht dabei gewesen. Als er von seiner Dienstreise zurückkam, hatte er nur einmal gefragt, wo Mutter sei und er hatte lediglich geantwortet: »Bei Tommy«, woraufhin sich sein Vater ins Wohnzimmer zurückgezogen hatte und drei Tage lang nichts anderes getan hatte, als fernzusehen.
Eines Tages dann sah er seinen Vater im Garten, bei der Baumgruppe, wie er mit einem Spaten emsig damit beschäftigt war, ein Loch zu graben. Die Spitzhacke, die er zur Vermeidung des grausigen Fundes in den Schädel seines Vaters rammte, erfüllte ihren Zweck augenblicklich. Und sonderlich tief graben hatte er auch nicht müssen. Vater war ein gutes Stück vorangekommen.
Nachdem seine Eltern kein Hindernis mehr darstellten, war es einerseits einfacher für ihn geworden, an seinen Experimenten zu arbeiten, andererseits brachte ihr Fortsein auch Nachteile mit sich.
Vaters Firma rief unentwegt an und fragte nach, wo ihr Mitarbeiter abgeblieben sei, doch Brock sagte stets, er sei mit seiner Mutter übers Wochenende verreist und noch nicht wiedergekommen. Irgendwann stand die Polizei vor seiner Tür und er beharrte auf seiner Geschichte. Das Reiseziel seiner Eltern sei ihm nicht bekannt. »Sobald Sie etwas wissen, melden Sie sich bitte«, hatte er gesagt. »Vaters Firma hat bereits nach ihm gefragt.«
Drei Wochen danach kam wieder ein Beamter der Polizei und teilte Brock mit bedauerndem Blick mit, dass man davon ausgehe, seine Eltern seien bei einem Autounfall verstorben. Danach ließ man ihn in Ruhe. Sein Leben finanzierte er durch Aushilfsjobs in der Bücherei und in einem Supermarkt. Ein Jahr später bekam er irgendeine Lebensversicherung ausbezahlt, was ihm auch finanziell Ruhe bescherte. Danach intensivierte er seine Forschungen und führte alsbald ein neuerliches Ritual durch, das jedoch völlig aus dem Ruder lief, da die junge Dame, die er sich hierzu einlud, zu gewieft war, um auf seine Masche einzusteigen. Sie hatte ihm buchstäblich die Tour vermasselt.
Überhaupt war das größte Problem, eine geeignete Person für seine Experimente zu finden. Doch im Laufe der Jahre hatte sich die Masche der kryptischen Annoncen im Sagunther Anzeiger als am besten funktionierende herausgestellt.
Nur die Experimente selbst waren stets nicht von Erfolg gekrönt gewesen. Und so hatte er nach und nach den Garten nahezu umsonst umgegraben.
Brock beendete seine Überlegungen. Draußen fuhr ein Fahrzeug vor. Er blickte aus dem Fenster. »Das ist sie«, flüsterte er und befand, dass sie wirklich hübsch war.
Er hoffte nur, dass sie nicht auch wieder im Garten bei den anderen landen würde.
Da gehe ich nicht hin, denke ich mir, als ich schon auf dem Weg dorthin bin. Das wird so ein Perverser sein. Irgendein Verrückter. Nein. Da gehe ich nicht hin. Ich schaue lediglich, was es für ne Adresse ist. Ein Haus? Eine Mietwohnung? Plattenbau? Studentenbude?
Ich kenne das Viertel nicht. Der Stadtteil ist mir komplett unbekannt. Noch nie bin ich dort gewesen.
Der Taxifahrer kassiert 14,80 und fährt davon.
Ein leichter Nieselregen setzt ein.
Ich stehe einem ekelhaften 70er Jahre-Bungalow gegenüber. Leicht angeschrägtes Flachdach. Runde Tür- und Fensterbogen. Kleiner Vorgarten. Hinten würden ein Swimmingpool und ein verwucherter Garten von den Partys erzählen, die dort vor dreißig Jahren einmal stattgefunden haben mochten.