New Feelings - Nina Barth - E-Book

New Feelings E-Book

Nina Barth

0,0

Beschreibung

Anni ist ein Mädchen, das sich nicht sonderlich für Make-up, Partys und Jungs interessiert. Letzteres ändert sich, als sie im Urlaub Mason kennenlernt. Vom ersten Augenblick an ist sie von ihm angezogen. Doch im einen Moment küsst er sie und im anderen lässt er sie eiskalt stehen. Aus diesem Grund wollte sie sich eigentlich von Jungs fernhalten. Nach einem Hin und Her öffnet sie sich zum ersten Mal einem Jungen und lernt die schönen Seiten der Liebe kennen. Doch Mason hat ein Geheimnis, dass ihre Liebe auf die Probe stellen wird.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 435

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Die Idee der Geschichte beruht auf einer wahren Begebenheit.

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 1

Mit einem Seufzer schlug ich mein Buch zu und kletterte aus der Hängematte. Liebesgeschichten schafften es einfach jedes Mal, Gefühle in mir zu erwecken. Wenn ich lese, dann tauche ich ganz in die Welt der Buchstaben ein und vergesse alles um mich herum. Sobald ich den ersten Satz lese, werde ich direkt in den Strudel Wörter gezogen und tauche in einer anderen Welt auf, wo ich all meinen Problemen entfliehen kann. Für mich sind Bücher das Tor in eine andere Welt, in der man jemand anderes sein und die verschiedensten Abenteuer erleben kann. Ich werde dann zum Hauptcharakter. Ich denke und fühle mit der Person. Wenn sie leidet, leide ich. Wenn sie sich verliebt, dann verliebe ich mich auch ein Stück weit in die andere Figur. Es gibt Menschen, die das über Filme sagen. Wenn sie ins Kino gehen und einen Film schauen, dann tauchen sie in die farbige Welt der Pixel ein. Ich gehöre zu den Personen, die ein gutes Buch mit den detaillierten Beschreibungen einem Film vorziehen und die Filme hassen, die auf Büchern beruhen. Diese Filme werden einfach nie gut. Man kann das Geschriebene in einem Buch, mit den vielen Wörtern und Handlungen nicht in einem anderthalbstündigen Film unterbringen.

Am liebsten lese ich Romane. Es geht doch nichts über eine gute Liebesgeschichte. Bei einem guten Buch fällt es mir schwer aufzuhören und ich lese es meist in einem Rutsch durch. Ich bin von der Geschichte gefesselt und wenn ich aufhöre, dann brauche ich kurze Zeit, bis ich wieder in meiner eigenen Welt ankomme.

In Romanen faszinierte mich schon immer die Liebe. Verschiedene Geschichten, die mir zeigen, wie stark und schön die Liebe sein kann. Liebe kann etwas Schönes sein, aber sie hat auch etwas Schmerzvolles an sich. In Romanen geht es um verschiedene Gefühle, meist zuerst um das Durcheinander und den Herzschmerz, den die Charaktere erleben. Diesen Herzschmerz fühle ich beim Eintauchen in jedes meiner Bücher, möchte ihn aber nicht selbst durchleben. Doch wie meine Romane mir zeigen, geht mit der Liebe meist auch ein Schmerz einher. Das ist womöglich der Grund, weswegen es mir schwerfällt, mich anderen zu öffnen. Ich möchte mich verlieben. Aber in einen guten Jungen, der mir nicht das Herz brechen wird.

Ich bin jetzt achtzehn Jahre alt und war noch nie richtig verliebt. Ich hatte nur Liebe empfunden, wenn ich zum Hauptcharakter in meinen Büchern wurde. In der Realität hatte ich das bisher noch nicht erlebt. Zu sehr hielt mich die Angst, verletzt zu werden, davon ab. Und der Richtige war mir bisher noch nicht begegnet, der diese Gefühle, die ich spüren wollte, in mir auslöste.

Liebe ist nicht immer einfach. Sie ist kompliziert, hart und verwirrend. Doch durch die Liebe erkennen wir das Gute im Leben und was es bedeutet, nicht alleine zu sein. So sehr ich Angst hatte, verletzt zu werden, wünschte ich mir dennoch die Schmetterlinge im Bauch zu fühlen. Das Herzklopfen, das eine Person auslöst und mich um den Verstand bringt. Dass sich meine Gedanken nur noch um diese eine Person drehen und er mir seine Aufmerksamkeit schenkt. Jemand, der für mich da ist und mich ergänzt. Doch im Leben muss man oft erst den Schmerz fühlen, um glücklich zu sein und genau das machte mir Angst. Ich hatte schon Erfahrungen mit Jungs und war auch in einer festen Beziehung, aber ich wusste von Anfang an, dass es keine wirkliche Liebe war und auch keine der Liebesgeschichten, wie ich sie mir erhofft hatte.

Josh war ein netter Junge. Er sah gut aus mit seinen blonden kurzen Haaren und den blauen Augen. Er spielte in unserer Football-Mannschaft, war durchtrainiert, beliebt und ein anständiger Junge. Unsere Eltern kannten sich seit Jahren und es hatte alles gepasst. Er hatte mich immer gut behandelt und wir hatten eine schöne Zeit zusammen, doch Liebe war es in meinen Augen nicht. Für mich bedeutet Liebe alles für den anderen zu tun. Nur noch an ihn zu denken und ständig dieses Kribbeln im Bauch zu spüren. Ich mochte Josh, doch dieses Kribbeln hatte er nie in mir ausgelöst.

Wir waren ein gutes Jahr zusammen, doch ich wollte ihm nichts vormachen und ehrlich zu ihm sein. Anfang des Jahres hatte ich unsere Beziehung beendet und ihm erklärt, dass es mit uns nicht funktionieren kann. Ich konnte ihm nicht vorspielen, dass es eine gemeinsame Zukunft für uns geben wird, vor allem jetzt nach unserem Abschluss. Die Prüfungen waren vorbei und nach den Ferien würden wir an unterschiedliche Colleges gehen. Er war zu Beginn enttäuscht und verletzt, doch mittlerweile kamen wir gut miteinander aus, worüber ich froh war. Wir waren noch Freunde, was ich sehr schätzte.

Optisch waren Josh und ich uns sehr ähnlich. Meine Haare waren ebenfalls blond, gingen mir bis knapp über die Brust und fielen in leichten Wellen an mir herab. Meine Augen waren blau wie seine, hatten aber einen dunkleren Ton und erschienen dadurch manchmal grau. Mein Aussehen hatte ich von meiner Mom. Sie hatte dieselben blauen Augen und blonde Haare, die sie allerdings kürzer trug. Mein Dad hingegen hatte hellbraunes Haar, dass mittlerweile von grauen Strähnen durchzogen war und braune Augen.

Josh hatte alles von einem Jungen, was ich mir wünschte, wie Anstand, ein gutes Verhalten, er war intelligent, aufmerksam und gefühlvoll. Doch das allein reichte nicht aus, wenn dieses Kribbeln nicht da war. Er hatte dieses Grinsen, mit dem er jedes Mädchen um den Finger wickeln konnte, doch er wollte immer nur mich. Schon als Kinder konnte ich sein Interesse mir gegenüber spüren, das immer größer wurde, je älter wir wurden. Mein Interesse war und blieb rein freundschaftlich, all die ganzen Jahre lang.

Josh ist für mich der typische Hauptprotagonist in den ganzen Teenie-Filmen oder meinen Romanen. Vielleicht dachte ich deshalb, dass ich Gefühle für ihn haben sollte oder welche entwickeln könnte. Ich hatte mich oft gefragt, warum er Interesse an mir zeigte. Ich war schüchtern und zurückhaltend und es gab genug andere schöne Mädchen an unserer Schule, die nie sein Interesse gewinnen konnten. Nach unserer Trennung warfen sich ihm mehrere Mädels an den Hals, aber er sagte mir immer wieder, dass er nur mich möchte und gab alles, um mich zurückzugewinnen. Für mich gab es aber kein Zurück mehr. Ich hatte einfach keine romantischen Gefühle für ihn und ich wusste, dass sich nichts daran ändern würde. Es gab in den letzten Jahren auch andere Jungs, die Interesse an mir gezeigt hatten, aber bis jetzt gab es noch nie jemand, der mich wirklich interessiert hat. Ich war nicht jemand, die sich direkt jedem öffnete. Ich musste erst mal Vertrauen aufbauen und jemand kennenlernen, aber viele Jungs sind oft nur an einer schnellen Nummer interessiert. Außerdem machte ich mir nicht viel aus Mode, Make-up und Partys. Ich blieb an einem Samstagabend lieber daheim und las ein gutes Buch oder traf mich mit meiner besten Freundin Zoe. Feiern und Alkohol trinken hatte mich nie sonderlich angelockt. Zudem wollte ich später etwas erreichen und lernte dafür viel, weswegen ich auch Jahrgangsbeste wurde. Heutzutage bedeuteten Schule und Bildung viel. Man wird nur noch an Leistungen und Noten gemessen, die zwar nicht viel über die eigentliche Intelligenz aussagen, aber dennoch viel bedeuten. Es war nicht immer einfach, sich auf die Schule zu fokussieren und öfters hatte ich meine Schulbücher gegen einen Roman getauscht, aber ich hatte dennoch mein Ziel erreicht. Ich nahm mir vor, am College genau so weiterzumachen, um weiterhin erfolgreich zu sein und meine Ziele für die Zukunft zu erreichen. Mein Traum war es, Lektorin bei einem großen Verlag zu werden. So würde ich meiner Lieblingsbeschäftigung und Leidenschaft Bücher zu lesen, nachgehen können.

Meine beste und einzige Freundin Zoe hingegen liebte es, auf Partys zu gehen und hatte mich manchmal mitgenommen. Wenn sie mich nicht dazu überreden konnte, verbrachten wir Zeit zu Hause und schauten uns einen Film an, was ich lieber tat, als mich bei lauter Musik mit betrunkenen Menschen herumzuschlagen. Auch wenn Zoe und ich einen unterschiedlichen Charakter hatten, waren wir seit der ersten Klasse beste Freundinnen. Wir ergänzten uns und ich konnte mir niemand anderen an meiner Seite vorstellen. Ich war gespannt, ob ich am College eine Freundin finden würde, die Zoe auch nur annähernd nahekam. Ansonsten würden es ein paar einsame Jahre werden, in denen ich einzig meine Bücher hätte.

Auf das Collegeleben mit Partys und Alkohol freute ich mich nicht. Warum man Alkohol trank, hatte ich noch nie verstanden. Man hatte seinen Körper nicht mehr unter Kontrolle und tat Dinge, die man im nüchternen Zustand nie tun würde. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass ich am College etwas verpassen würde, wenn ich meine Samstagabende in der Bücherei verbringe, anstatt auf einer Party. Zoe meinte öfters, dass ich etwas verpasse, aber ich hatte nie das Gefühl und war zufrieden, wie mein Leben bisher verlaufen war.

Tja, und das hier ist meine Geschichte. Wie ich zum ersten Mal die große Liebe finden werde und auch mich selbst. Doch die Liebe bringt oft Herzschmerz mit sich, der mich mit voller Wucht treffen wird...

Ich schwang mich aus meiner Hängematte und lief ins Haus. Immer wenn das Wetter schön war, was bei uns in Salt Lake City meistens im Sommer der Fall war, lag ich draußen in meiner Hängematte. Sie hing zwischen zwei großen Bäumen im Garten, so war die Sonne und Hitze etwas erträglicher. Unser Garten war recht groß. Wir hatten einen Pool wie fast jedes Haus bei uns in der Gegend sowie eine Rasenfläche und Terrasse. Das Grundstück wurde von einer großen Hecke eingegrenzt. Mein Dad liebte es, den Rasen zu mähen und die Hecke zu schneiden. Auf der rechten Seite lag Moms Rosenbeet. Ihre Leidenschaft waren ihre Rosen. Das Beet sah aus, als wäre es direkt einer Zeitschrift entsprungen. Mom gab sich viel Mühe, was man definitiv sehen konnte. Es gab Rosen in verschiedenen Farben, jedoch waren die meisten Rot. Meine Lieblingsblumen, da rote Rosen für mich das Symbol der Liebe darstellten.

Ich öffnete unsere Terrassentüre, die direkt in die Küche führte. Mom war dabei, einen Kuchen für meine heute stattfindende Abschlussfeier zu backen. Die Prüfungen und der Abschlussball lagen hinter mir. Unser Abschlussball war schön. Auch wenn ich mich nicht gerne zurechtmachte, kaufte ich mit Mom ein schönes Kleid und ließ mir von ihr eine Frisur machen. Ich ging nicht zum Friseur und zur Maniküre wie die anderen Mädchen aus meiner Stufe. Das waren Dinge, die ich nicht brauchte. Josh und ich gingen gemeinsam zum Ball, allerdings nur als Freunde. Ob Josh das wirklich so verstanden hatte, bezweifelte ich. Es gab einen Kuss zwischen uns, mehr aber nicht. Ich wollte ihn nicht noch mehr verletzen und ihm falsche Hoffnungen machen.

Heute fand die Zeugnisvergabe statt und dann war ich fertig mit der High School. Nachdem das alles vorbei war, konnte ich es nicht erwarten, auf das College zu gehen. Die Schulzeit war in Ordnung, aber ich war voller Vorfreude auf das College. Ich freute mich auf einen Neuanfang und die Herausforderung, auf eigenen Beinen zu stehen, Neues zu lernen und neue Erfahrungen zu machen. Mom hingegen wurde in den letzten Wochen ständig sentimental, wenn es um das College ging. Ich war ein Einzelkind, daher war es für sie schwierig, da ihr kleines Mädchen das Haus verlässt.

»Mom? Kannst du mir helfen, eine Frisur zu machen?« Ich legte das Buch auf den Tresen und setzte mich auf den Hocker der danebenstand.

»Natürlich mein Schatz.« Mom schob den Kuchen in den Ofen und kam zu mir herüber. Sie putzte sich ihre Hände an der Schürze ab. Sie nahm meine Haare in die Hand und steckte sie hoch.

»Ich verstehe nicht, warum du das Beautyprogramm mit den anderen Mädchen nicht mitmachst.«

Ich rollte genervt mit den Augen. »Du weißt doch, dass ich nichts für Make-up und das Ganze übrighabe. Es reicht mir, wenn du mir eine schöne Frisur machst. Ich muss mir nicht die Nägel lackieren, Wimpern auffüllen und stundenlang beim Friseur sitzen.«

»Du kommst in der Hinsicht definitiv nicht nach mir«, murmelte Mom lächelnd. »Wie wäre es mit einer Hochsteckfrisur? Oder doch lieber offen und ich stecke seitlich nur ein paar Haare hoch?«

»Das ist mir egal. Tob dich gerne aus. Ich gehe duschen.« Ich stand auf und nahm mein Buch vom Tresen.

»Ach meine Kleine, heute ist schon deine Abschlussfeier und nach unserem Urlaub wirst du schon aufs College gehen.« Mom drückte mich an sich.

Ich versuchte mich aus ihrem Griff zu befreien. »Mom, ich bin ja nicht aus der Welt und komme euch in den Ferien besuchen. Ich bin nur zwei Bundesstaaten von euch entfernt und wohne nicht am anderen Ende des Landes.«

»Ich weiß mein Schatz. Es ist nur ein bisschen schwer für mich.« Sie wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel.

Mom war schon immer eine sehr sentimentale und liebe Person. Diese Eigenschaften hatte ich von ihr. Manchmal machte sie sich zu viele Gedanken, aber das schätzte ich auch an ihr. Ich war meinen Eltern sehr dankbar. Sie hatten mir ein tolles Leben gegeben und unterstützten mich in allen Dingen. Es war auch für mich schwierig von hier wegzuziehen und sie nicht mehr jeden Tag zu sehen, aber ich freute mich auch auf die Unabhängig- und Selbstständigkeit.

Ich drückte Mom einen Kuss auf die Wange und lief dann mit meinem Buch in mein Zimmer. Auf dem Boden lag mein Koffer, den ich für unseren Urlaub hergerichtet hatte. In zwei Tagen ging unser Flug nach Dubai und ich konnte es nicht erwarten. Die letzten Monate waren stressig und ich brauchte eine Auszeit, bevor am College der Lernstress weitergehen würde. Ich freute mich darauf, ein paar Tage abschalten zu können, in der Sonne zu liegen und Bücher zu lesen.

Ich hatte angefangen meine Klamotten herzurichten. Bei meinen Büchern war ich mir noch unschlüssig, die wollte ich zum Schluss einpacken.

Meine Garderobe bestand aus einfachen Jeanshosen, T-Shirts oder Tops. Ich besaß nicht viele Blusen oder ausgefallene Klamotten. Ich hatte nur zwei Kleider, die ich so gut wie nie trug. Ich möchte lieber Hosen, da musste ich nicht aufpassen, dass etwas verrutschte. Neben meinen T-Shirts lagen die einzigen zwei Kleider, die ich besaß. Mom musste sie mir hingelegt haben, in der Hoffnung, dass ich sie im Urlaub tragen werde.

Ich seufzte. Ein Blick auf die Uhr zeigte mir, dass ich noch genügend Zeit hatte. Jedes andere Mädchen hätte Zeitdruck und wäre seit früh morgens damit beschäftigt, sich fertigzumachen. Ich aber lag noch gut im Zeitplan. Ich hatte alles perfekt geplant, wie immer.

Ich ließ mir beim Duschen Zeit und ging dabei meine Rede durch. Als Jahrgangsbeste wurde mir die Ehre zuteil, bei der Abschlussfeier eine Rede zu halten. Ich freute mich darüber, war aber gleichzeitig total nervös, vor so vielen Leuten zu sprechen.

Nachdem ich mir die Haare geföhnt hatte, lief ich nur mit einem Handtuch bekleidet in mein Zimmer. Mom stand vor meinem Spiegel und hielt mein Kleid in der Hand.

»Du wirst wunderschön darin aussehen.« Sie strahlte mich an.

Ich wurde leicht rot. Mit Komplimenten konnte ich noch nie gut umgehen. Viele betitelten mich als natürlich hübsch, was mir aber auch nie wichtig war. Für mich spielte Aussehen keine große Rolle. Außerdem lag Schönheit im Auge des Betrachters.

»Ich habe dir von meinem Schmuck etwas auf deine Kommode gelegt«, sagte Mom und hängte das Kleid an den Schrank. Das Kleid war ein elegantes Sommerkleid. Es hatte denselben Blauton wie meine Augen. Ich wollte ein recht schlichtes Kleid und als ich es gesehen hatte, wusste ich, dass es perfekt für mich und den heutigen Anlass war.

Das Kleid war eng anliegend, hatte einen leichten V-Ausschnitt und Spaghettiträger. Es bestand aus einem Satinstoff und ging bis zu meinen Knien. Dazu würde ich schlichte silberne Pumps mit einem kleinen Absatz tragen. Auf High Heels konnte ich noch nie laufen. Ich wollte zuerst keine hohen Schuhe anziehen, aber Mom hatte solange auf mich eingeredet, bis ich nachgegeben hatte. Wir haben uns dann auf kleine Absätze geeinigt, womit ich einverstanden war, da ich zugeben musste, dass flache Schuhe nicht so gut zum Kleid gepasst hätten.

Mom hatte mir lange silberne Ohrringe auf die Kommode gelegt, außerdem eine silberne Kette mit einem Edelstein als Anhänger und ein Armband mit kleinen Glitzersteinen. Das Armband hatte ihr Dad zum Hochzeitstag geschenkt.

Ich war total gerührt. »Danke Mom.«

»Gerne mein Schatz. Und jetzt setz dich.«

Ich setzte mich auf den Stuhl vor meinem Spiegel und beobachtete Mom, wie sie sich um meine Haare kümmerte.

»Ich kann mich noch gut an meinen Abschluss erinnern. Es war so aufregend und ich war traurig, die Zeit hinter mir zu lassen. Ich hatte richtig Panik vor dem College. Weit weg von zu Hause, und das erste Mal so richtig auf mich alleine gestellt zu sein.«

Ich blickte zu Mom. Sie hatte gerade eine Haarsträhne in der Hand und wickelte sie um den Lockenstab. Sie blickte auf und lächelte mich sanft an. »Aber das College war das Beste, was mir hätte passieren können. Da habe ich deinen Dad kennengelernt und es wurde zu einer meiner schönsten Zeiten in meinem Leben.«

Sie seufzte. »Auch wenn es mir schwerfällt dich gehen zu lassen, freue ich mich für dich, dass du diese Erfahrungen bald selbst erleben kannst und vielleicht lernst du dort deinen zukünftigen Partner kennen.«

Ich zuckte mit den Achseln und lächelte sie leicht an. Darauf hoffte ich insgeheim, was ich bisher keinem verraten hatte. Es wäre schön, einen Partner am College zu finden, der mir ähnlich war und mit dem ich meine freie Zeit verbringen oder gemeinsam lernen konnte.

»Oder es klappt doch noch mal mit Josh«, fügte sie hinzu.

Ich rollte genervt mit den Augen. »Mom bitte! Nicht jetzt…« Ich seufzte, während sie sich weiter um meine Haare kümmerte und mir diesen „Aber ihr passt doch so gut zusammen“-Blick zuwarf.

»Wie du sagst, das College wird eine neue Zeit, die auch Veränderungen mit sich bringt und vielleicht werde ich dort, wie du meinen zukünftigen Partner kennenlernen. Und wenn nicht, dann später bei der Arbeit oder sonst wo. Meine Priorität liegt nicht darin, einen Partner zu finden, sondern meinen Weg zu gehen, meine Ziele zu erreichen und das unabhängig von jemand anderem.«

Mom nickte. »Ich verstehe dich Spätzchen und ich bin stolz auf dich. Alles wird so kommen, wie es sein soll. Ich weiß, dass du am College Großes erreichen wirst, wie auch später in deinem Leben. Dein Ehrgeiz ist bewundernswert und dein Dad und ich sind sehr stolz auf dich. Ich kann es nicht erwarten, dich heute auf der Bühne zu sehen und deine Rede anzuhören.« Mom steckte mir meine Haare nach hinten und befestigte sie mit silbernen Spangen im Haar.

Als Mom meine Rede erwähnte, ging ich sie direkt wieder im Kopf durch. Ich konnte sie schon in- und auswendig, aber ich war so nervös, da ich noch nie vor so vielen Menschen gesprochen habe. Tagelang saß ich daran, die perfekte Rede zu schreiben. Ich war ein Perfektionist. Alles musste ganz genau passen und so sein, wie ich es mir vorstellte. Ich hatte unzählige Fassungen der Rede in den Müll geworfen, weil nichts gut genug für mich klang. Eine negative Eigenschaft, an der ich arbeiten musste. Der Perfektionismus hatte mich schon genug Kraft und Tränen in den letzten Jahren gekostet.

Die Haare, die Mom nicht seitlich hochgesteckt hatte, drehte sie mit dem Lockenstab ein. Sie fielen mir in sanften Wellen über meinen Rücken.

»Ich bin fertig.« Mom lächelte mich durch den Spiegel an. Ich betrachtete mich begeistert.

»Wow Mom! Das sieht toll aus.« Ich drehte meinen Kopf, um die Frisur ganz sehen zu können.

Normalerweise trug ich die meiste Zeit einen Zopf. Ich hatte zwar schöne Haare, aber ich konnte es nicht leiden, wenn sie mir ständig ins Gesicht fielen.

Kapitel 2

Mom half mir in mein Kleid zu schlüpfen und machte dann den Reißverschluss zu. Ich zog meine Schuhe an und stellte mich dann wieder vor den Spiegel. Das Kleid brachte meine Augen noch mehr zur Geltung und so wie Mom mich geschminkt hatte, wurden sie zusätzlich hervorgehoben. Es war mehr Schminke, wie ich normalerweise trug, aber es sah noch natürlich aus und veränderte nichts in meinem Gesicht. Es brachte nur das, was bereits da war, noch mehr zum Vorschein.

»Mom! Das hast du wirklich gut hinbekommen.« Ich lief, so gut wie es mir in den Schuhen möglich war, auf sie zu und umarmte sie.

»Gerne mein Schatz. Du siehst wunderschön aus.« Sie blickte auf ihre Armbanduhr.

»Oh nein! Die Zeit rennt… Wir müssen uns beeilen. Ich muss mich auch noch umziehen. Geh du schon mal nach unten. Hoffentlich ist dein Vater schon fertig.« Mom rannte an mir vorbei aus dem Zimmer.

»Und vergiss deinen Talar nicht!«, rief sie.

Ich packte meinen Talar und meine Kappe und lief vorsichtig die Treppen nach unten. Vielleicht hätte ich die Schuhe vorher einlaufen sollen, damit ich mich an die Absätze gewöhnen konnte, aber dafür war es zu spät. Zudem waren sie trotz des kleinen Absatzes leider nicht bequem.

Dad stand in seinem Anzug unten an der Treppe und lächelte zu mir hinauf, als er mich kommen sah.

»Nicht sehr elegant, Anni.«

»Sehr witzig Dad. Lauf du mal in solchen Schuhen die Treppe herunter«, murmelte ich, während ich mich am Geländer festhielt.

Dad streckte mir seine Hand als Stütze entgegen. Dankbar griff ich danach und ließ mich den Rest der Treppe von ihm helfen.

»Du siehst einfach bezaubernd aus. Das Kleid ist wunderschön und du, ach… ich bin so stolz auf dich.« Mein Vater drückte mich an sich.

»Dad sei vorsichtig, sonst geht meine Frisur kaputt.« Er ließ mich los und ich zwinkerte ihm zu. Er wusste, dass ich mir darüber keine Gedanken machte.

»Nicht das ich noch Ärger mit deiner Mutter bekomme«, murmelte er mit einem Grinsen im Gesicht.

»Was ist mit mir?« Mom kam schnellen Schrittes die Treppe herunter und schaute uns beide fragend an.

»Nichts«, antworteten wir gleichzeitig und fingen an zu lachen.

Mom schaute uns nur schief an und schüttelte dann lachend den Kopf. »Steve, wir müssen unbedingt los, sonst kommen wir zu spät.« Sie stürmte an uns vorbei in die Küche.

»WIR sind fertig Schatz.« Dad zwinkerte mir zu, während ich versuchte nicht zu laut zu lachen. Mom brauchte von uns immer am längsten.

»Wir warten im Auto«, rief Dad. Er führte mich nach draußen und half mir beim Einsteigen ins Auto.

Während der Fahrt ging ich noch mal meine Rede durch. Meine Nervosität stieg, je näher wir der Schule kamen. Auch wenn ich wusste, dass ich es wie immer gut hinbekommen würde, bekam ich diese blöde Nervosität einfach nicht los. Schon immer war ich angespannt und aufgeregt, vor einer Präsentation oder eines Tests. Sobald ich dann anfing, ließ meine Nervosität nach und ich konnte von Minute zu Minute spüren, wie ich selbstsicherer wurde. Ich hatte gehofft, dieses Verhalten bis zum College ablegen zu können und somit von Anfang an ein selbstsicheres und selbstbewussteres Auftreten zu haben. Womöglich nahm ich die Nervosität mit und musste mich zukünftig damit auseinandersetzen. Eine weitere Eigenschaft neben dem Perfektionismus, die ich nicht an mir mochte. Ich war schüchtern und mir fehlte es definitiv an Selbstbewusstsein. Ich versuchte daran zu arbeiten, aber bisher waren jegliche Versuche gescheitert und ich fiel immer wieder in meine alten Verhaltungsmuster zurück.

Ich versuchte nicht weiter an meine Rede zu denken und steckte meine Notizzettel weg. Als wir an der Schule ankamen und ich meine Mitschüler erkennen konnte, stieg meine Nervosität erneut wieder an. Ich bekam Magenkrämpfe, die alles in mir zusammenzogen. Mir war schlecht und auf meiner Haut breitete sich eine Gänsehaut aus, obwohl ich schwitzte. Ich rieb meine nassen Hände am Autositz ab und griff dann nach Dads Hand, der mir beim Aussteigen half.

Ich zog mir direkt den Talar über und setzte die Kappe auf.

»Bevor wir reingehen, müssen wir unbedingt Bilder machen.« Mom kramte in ihrer Handtasche und suchte nach dem Fotoapparat.

»Anni!!!« Ich drehte mich um und sah, wie meine beste Freundin Zoe auf mich zukam. Unglaublich, wie sie so schnell in diesen hohen Schuhen laufen konnte. Ihre Absätze waren bestimmt doppelt so hoch wie meine. Ihre Eltern folgten ihr.

Sie zog mich in ihre Arme und drückte mich. »Wow! Du siehst ja unglaublich aus, das Kleid, deine Haare und wie du geschminkt bist. Ich habe dir ja schon öfters gesagt, dass du mehr aus dir machen kannst und ab und zu mal etwas mehr Make-up tragen könntest«, sagte sie, während sie mich von oben bis unten begutachtete.

»Das habe ich ihr auch schon oft gesagt«, seufzte meine Mutter neben uns.

Ich schüttelte nur den Kopf. Ich wusste, dass ich mehr aus mir machen konnte, aber ich wollte es nicht. Ich war bisher immer zufrieden mit mir und meinem Aussehen. Die schicken Kleider und das perfekt gestylte Auftreten passten einfach nicht zu mir.

»Du siehst wunderschön aus Zoe.« Mom lächelte sie an. Geschmeichelt drehte sie sich im Kreis.

Zoe hatte kurze braune Haare, die ihr nur bis zu den Schultern reichten. Normalerweise trug sie ihre Haare glatt, doch heute hatte sie sich Locken eingedreht und eine Seite nach hinten gesteckt. Dazu trug sie ein enges, kurzes, weinrotes Kleid, das auf ihrer dunklen Haut umwerfend aussah.

»Stellt euch am besten da drüben hin, dann mache ich ein paar Bilder von euch. Und wir drei müssen dann auch noch eins machen.« Mom dirigierte uns vor einen Busch, während sie die Kamera einstellte.

Ich versuchte so schnell es mir möglich war, Zoe zu folgen. Wir stellten uns nebeneinander und legten uns gegenseitig einen Arm um die Hüfte.

Sie fehlte mir jetzt schon. Wir werden leider nicht auf dasselbe College gehen, aber wir hatten ausgemacht uns so oft wie möglich zu besuchen. Seit Kindheitstagen waren Zoe und ich beste Freundinnen. Wir sind gemeinsam erwachsen geworden und haben alles zusammen durchgemacht. Ich konnte mir noch gar nicht vorstellen, wie es werden würde, wenn wir so lange voneinander getrennt sind und uns nicht mehr jeden Tag sehen würden. Das gehörte leider dazu, auch wenn ich mir wünschte, am liebsten gemeinsam mit ihr zu studieren und später zu arbeiten. Es würde komisch werden, getrennte Leben zu führen, da sich unser bisheriges hier gemeinsam abgespielt hatte.

»Lachen Mädels. Zeigt mir, wie schön ihr seid«, rief Mom uns zu.

Zoe und ich lachten in die Kamera und Mom schoss ein paar Bilder. Danach machte ich noch welche mit Mom und Dad. Als wir endlich fertig waren, hatte ich das Gefühl, einen Muskelkater vom vielen Lachen in den Wangen zu haben.

Ich hakte mich bei Zoe ein und wir liefen gemeinsam in unsere Sporthalle. Normalerweise stank es hier nach Schweiß, aber für heute hatten wir sie festlich geschmückt und gründlich raus geputzt. Sie sah zwar immer noch wie eine Turnhalle aus, aber wenigstens ein bisschen schicker. Vorne stand eine Bühne, auf der wir unsere Zeugnisse überreicht bekommen sollten und ich auch meine Rede halten würde. In der restlichen Halle hatten wir aufgestuhlt. Vorne saßen wir Schüler, während weiter hinten die Plätze unserer Eltern waren.

Wir zeigten unseren Eltern ihre Plätze und setzten uns dann nach vorne. Inzwischen war ich so aufgeregt, dass meine Hände total schwitzig waren. Ich versuchte mich davon abzuhalten, sie an meinem Kleid abzuwischen. Mein Herz wummerte wie verrückt und schlecht war mir auch. Ich konnte den Moment nicht abwarten, an dem meine Rede zu Ende war und ich mein Zeugnis überreicht bekam.

Ich holte meine Notizzettel aus meiner Tasche und ging meine Rede noch einmal durch.

»Anni, leg doch mal die Zettel weg. Wie ich dich kenne, wirst du die Rede mittlerweile auswendig kennen«, stöhnte Zoe neben mir.

»Ja mag sein, aber du weißt doch, ich muss immer auf Nummer sichergehen«, antwortete ich. In dem Moment drückte mir jemand von hinten einen Kuss auf die Wange.

»Hey schönes Mädchen«, sagte eine tiefe und allzu bekannte Stimme.

Ich drehte mich um und blickte zu Josh. Er setzte sich auf den Platz hinter mich und schenkte mir sein vertrautes Lächeln.

»Hey, gut siehst du aus«, sagte ich. Und das meinte ich wirklich so. Er trug einen Anzug, der ihm sehr gut stand. Seine blonden Haare hatte er nach hinten gestylt. Keine Strähne stand ab. Bei Josh sah immer alles perfekt aus. Sein Lächeln, seine Frisur und selbst sein Auftreten waren von keinen Fehlern gekennzeichnet. Er war selbstbewusst und wenn er einen Raum betrat, dann wendete sich ihm jeder zu. Kein Wunder, dass ihn jeder mochte. Er wusste, was er sagen musste und schon hatte er jeden um seinen Finger gewickelt. Er wollte Anwalt werden, wie sein Vater, was perfekt zu ihm passte.

Als ich ihn anschaute, strahlten seine blauen Augen mich an. Er beugte sich vor und flüsterte mir ins Ohr. »Du aber auch. Das Kleid steht dir sehr gut. Du bist immer hübsch, aber heute siehst du noch umwerfender aus.«

Er lehnte sich wieder zurück und schaute mich mit seinem typischen Josh-Lächeln an. Vermutlich würde jedes andere Mädchen bei diesem Lächeln weiche Knie bekommen. Bei mir blieb dieses Gefühl aus.

Ich lächelte zaghaft zurück. »Danke«, murmelte ich und bekam direkt rote Wangen.

»Ich freue mich schon auf deine Rede. Ich weiß, dass sie großartig sein wird. Viel Erfolg, Süße.«

»Danke Josh.« Ich drehte mich um und spielte an meinen Notizzettel rum. Ich mochte es nicht, wenn er mich Süße nannte. Vor allem nicht, seitdem wir kein Paar mehr waren. Das Wort fühlte sich falsch aus seinem Mund an und gab mir ein unangenehmes Gefühl.

Das Deckenlicht wurde ausgeschaltet und die Scheinwerfer auf der Bühne gingen an. Erleichtert atmete ich aus.

»Herzlich willkommen zu unserer diesjährigen Abschlussfeier der Montgomery-Highschool. Liebe Schülerinnen und Schüler, ihr habt erfolgreich euren Abschluss geschafft und werdet im Herbst ein neues Kapitel in eurem Leben beginnen und auf ein College gehen. Ich wünsche allen viel Erfolg und alles Gute für die Zukunft«, begann unser Direktor seine Ansprache.

Währenddessen musste ich lächeln und Erleichterung machte sich in mir breit. Die vergangenen Jahre hatten mich geprägt und waren eine schöne Zeit, aber die Vorfreude auf meine Zukunft überwog.

Nach der Ansprache wurden die Zeugnisse verteilt. Ich bekam als Jahrgangsbeste meines zuerst. Davor war meine Rede dran. Als mein Name aufgerufen wurde, zitterte ich ein wenig.

»Das packst du«, flüsterte Zoe und drückte meine Hand.

Ich atmete noch einmal tief durch und lief dann nach oben auf die Bühne. Ich versuchte eine möglichst gute Figur in diesen hohen Schuhen zu machen und betete, dass ich nicht stolperte und hinfiel.

»Herzlichen Glückwunsch Anni. Sie sind die diesjährige Jahrgangsbeste.« Direktor Baker schüttelte mir die Hand.

Ich lächelte ihn an. »Vielen Dank.«

Ich nahm mein Zeugnis entgegen und stellte mich dann vor das Rednerpult. Das Zeugnis und meine Karten legte ich darauf ab und blickte dann in die Menge. Mom war aufgestanden und hatte wieder die Kamera in der Hand. Ich räusperte mich und stellte das Mikrofon ein. Dann begann ich mit meiner Rede.

»Meine lieben Mitschülerinnen und Mitschüler, liebe Lehrerinnen und Lehrer, liebe Eltern und Familienangehörige, für uns Schülerinnen und Schüler geht ein Lebensabschnitt zu Ende. Wir haben viel gelernt und sind reifer geworden. Wir haben Höhen und Tiefen erlebt und stehen jetzt hier mit unserem Zeugnis und unserem Abschluss in der Hand. Es liegt noch viel Unbekanntes vor uns, aber wir sind bereit, diese Herausforderungen zu meistern.« Je mehr ich redete, desto sicherer und entspannter wurde ich. Ich blendete die Anwesenden aus und konzentrierte mich nur noch auf meine Worte.

»Es gibt noch vieles, was wir lernen müssen. Aber ich weiß mit Sicherheit, dass jeder von uns die Gelegenheit nutzen und herausfinden wird, in was er gut ist. Wir werden unseren Platz in der Welt finden und bei dem, was wir tun, aufblühen. Das hier ist nicht unser Ende, sondern erst der Anfang einer langen Reise.« Mir schossen die Tränen in die Augen. Ich blinzelte und lächelte in die Menge, die vor meinen Augen verschwamm. Es war ein überwältigendes Gefühl und auch eine Erleichterung, dass alles geschafft zu haben. Mit dem Ende meiner Worte fiel eine Last von mir und ich atmete zufrieden aus.

»Wuhu!!! Anni!!!« Ich hörte Rufe und Pfiffe zwischen dem Applaus. Ich lächelte dankbar in die Menge und drehte mich dann um. Meine Lehrer und der Direktor standen ebenfalls und applaudierten.

Mr. Baker kam dabei auf mich zu und drückte mir noch einmal die Hand.

»Das war eine sehr ergreifende und wunderschöne Rede. Alles Gute für Ihre Zukunft. Aus Ihnen wird noch etwas Großes werden.«

»Danke Mr. Baker. Das bedeutet mir viel«, antwortete ich.

Ich nahm die Quaste an meiner Kappe und packte sie von der rechten auf die linke Seite. Dabei atmete ich erleichtert aus. Mit meinem Zeugnis in der Hand verließ ich die Bühne und ging mit einem Strahlen im Gesicht zurück zu meinem Platz.

»Anni, die Rede war umwerfend.« Zoe umarmte mich.

»Danke«, antwortete ich verlegen. Die ganze Anspannung war weg. Ich fühlte mich befreit und kein Anzeichen von Nervosität war mehr da. Mir war zwar heiß und ich hatte geschwitzt, aber der ganze Druck und Stress war weg. Ich saß mit einem fetten Grinsen im Gesicht auf meinem Platz, während Direktor Baker die nächsten Namen aufrief.

»Anni.« Josh stupste mich von hinten an. Ich drehte mich zu ihm um.

»Deine Rede war unglaublich. Ich bin stolz auf dich, das hast du gut gemacht.«

»Danke dir Josh.« Ich schenkte ihm ein Lächeln und blickte dann wieder zur Bühne.

Mit unserem Zeugnis in der Hand liefen Zoe und ich in Richtung Ausgang. Unsere Eltern warteten schon auf uns.

»Mein Schatz, ich bin so stolz auf dich.« Mom drückte mich an sich und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Dad umarmte mich ebenfalls.

Meine und Zoes Eltern unterhielten sich. Ich blickte mich derweil in der Menge um. Ich sah Josh, der gemeinsam mit seinen Eltern ein paar Meter von uns entfernt stand. Im selben Moment schaute er auf und zwinkerte mir zu. Gezwungen lächelte ich zurück.

»Ich gehe kurz auf die Toilette«, murmelte ich, als Josh und seine Eltern Anstalten machten, zu uns herüber zu kommen. Darauf hatte ich jetzt gar keine Lust.

Ich drückte mich durch die Menschenmasse und versuchte dabei den Halt zu bewahren. Die Toilette war zum Glück leer. Ich warf einen Blick in den Spiegel. Eine Strähne hatte sich aus der Spange gelöst. Ich steckte sie wieder zurück. Dann atmete ich tief durch und ließ mir genug Zeit, bevor ich wieder zurückging.

Ich wollte auf keinen Fall Josh und seinen Eltern begegnen. Sie waren liebe Menschen, aber ich konnte das ständige »Probiert es doch noch einmal« nicht mehr hören. Es reichte mir, dass ich Josh heute Abend sah. Das war ein weiterer Grund, weswegen ich mich freute, auf das College zu gehen. In der Schule hatte ich ihn jeden Tag gesehen und das College bot mir die Chance, ihn nicht mehr täglich sehen zu müssen. Das war bestimmt auch gut für ihn, damit er endlich von mir loskam. Ich verstand nicht, was er so anziehend an mir fand. Er könnte mit Leichtigkeit eine Partnerin finden, die besser zu ihm passte. Die selbstbewusst war, ein gepflegtes und schönes Äußeres hatte und gut Small Talk führen konnte. Er kam aus einem gehobenen Haushalt und bei den Familienfeiern, bei denen ich dabei war, fühlte ich mich jedes Mal komplett fehl am Platz. Ich war zwar gut erzogen und hatte ein gepflegtes Auftreten, aber diese oberflächliche Welt lag mir nicht. Ich mochte es einfach und wollte nicht ständig schicke Kleider tragen und von Veranstaltung zu Veranstaltung hetzen.

Heute Abend hatte Brad Wilson unseren Abschlussjahrgang eingeladen, bei ihm zu feiern und Zoe hatte mich überredet mitzukommen. Als Josh und ich zusammen waren, war ich häufiger bei Brads Partys, aber ich war absolut kein Fan. Zoe meinte, es sei das letzte Mal, das wir gemeinsam feiern können, bevor es ans College geht und es würde mich schon nicht umbringen. Ihr zuliebe hatte ich für heute zugesagt. Josh würde definitiv auch da sein, ein weiterer Grund, weswegen ich mich von der Party fernhalten wollte.

Brads Eltern waren ziemlich entspannt und ließen ihn fast jedes Wochenende eine Party schmeißen. Sie waren stinkreich und hatten ein riesiges Haus mit eigenem Pool, wodurch es kein Problem war, dort spontan eine Party zu veranstalten. Er und Josh waren gute Freunde, aber ich konnte ihn noch nie so richtig leiden. Er war jemand, der dachte, er sei der Beste und könnte jede haben und vor allem glaubte er, dass er sich mit Geld alles kaufen kann. Lernen gehörte nicht zu seinen Stärken, aber als Quarterback unseres Footballteams hatte er natürlich ein Stipendium bekommen, was gar nicht nötig wäre, da seine Eltern ihm problemlos das Studium hätten bezahlen können.

Ich strich mir mein Kleid zurecht und machte mich dann auf den Weg zurück. Zum Glück konnte ich Josh nirgends entdecken.

»Ach Schätzchen, jetzt hast du Josh und seine Eltern verpasst. Sie sind gerade vorbeigekommen und wollten mit uns reden«, sagte Mom enttäuscht.

»Oh schade, aber vielleicht sehe ich Mr. und Mrs. Mayer noch bevor ich gehe«, antwortete ich möglichst betroffen.

Zoe verkniff sich ein Lachen. Sie wusste, dass ich ihnen nicht begegnen wollte.

»Treffen wir uns vor der Party bei mir?«, fragte Zoe.

»Ja, ich komme, wenn ich mich daheim umgezogen habe.«

Zoe umarmte mich zum Abschied. »Bis später! Und zieh heute Abend unbedingt wieder ein Kleid an.« Sie schaute mich ernst an.

Ich verdrehte nur die Augen. Warum wollten alle nur, dass ich ein blödes Kleid anziehe? In der Beziehung mit Josh hatte er mich auch häufiger dazu gedrängt. Gut, in seinen Kreisen trugen Frauen meist Kleider. Seine Mom hatte mir öfters welche geliehen, wenn ich bei Veranstaltungen oder Feiern mit dabei war. Ich mochte es nicht, zu Dingen gedrängt zu werden, die ich nicht wollte. Ich konnte meine Persönlichkeit und mein Verhalten nicht auf einen Schlag ändern und wollte das auch nicht. Ich war vielleicht noch auf dem Weg, mich zu finden, aber man konnte mich nicht zu etwas verbiegen, dem ich nicht offen gegenüber war. Ich war gespannt, welche Auswirkungen das College und die Arbeitswelt auf mich haben würden. In einem meiner Romane hatte die Protagonistin eine Wandlung in ihrer Collegezeit durchgemacht. Sie hatte ihre Interessen und Ansichten verändert und dadurch ihre komplette Persönlichkeit. Ich mochte wie ich war, aber ich hoffte auf ein paar positive Veränderungen, wie ein größeres Selbstbewusstsein, dass ich mir nicht mehr zu viele Gedanken machte, mehr Bildung und Wissen und weiterhin ein Ehrgeiz, der mich zu Großem verleiten würde. Vielleicht würde ich eines Tages meinen eigenen Verlag haben und wäre die Power-Businessfrau, die ich mir in meinen Träumen ausmalte.

Kapitel 3

Zu Hause angekommen, zog ich mir als Erstes meine Schuhe aus. Meine Füße hatten rote Striemen und es fühlte sich so gut an, sie endlich loszuhaben. Ich verstand nicht, wie man freiwillig jeden Tag solche Dinger anziehen konnte. Klar, sie machten tolle Beine, aber laufen konnte man in ihnen nicht.

»Möchtest du noch etwas essen, bevor du gehst?«, fragte mich Mom.

»Nein, ich ziehe mich gleich um.« Ich lief nach oben in mein Zimmer.

Mühsam versuchte ich mein Kleid auszuziehen. Ich musste mich verdrehen, um den verflixten Reißverschluss aufzubekommen. In Unterwäsche stand ich vor meinem Schrank und holte eine kurze Jeanshose heraus. Gerade als ich sie anzog, tauchte Mom im Türrahmen auf.

»Zoe wollte doch, dass du ein Kleid anziehst.« Sie zog eine Augenbraue nach oben.

»Ja, aber du weißt doch, dass ich nicht gerne Kleider trage. Und nur weil Zoe etwas möchte, heißt das ja auch nicht, dass ich das tun muss«, antwortete ich genervt.

»Dieses eine Mal, kannst du doch ein Kleid anziehen.«

Genervt stöhnte ich auf. Weil ich keine Lust auf ein Hin und Her hatte, gab ich dieses Mal nach. »Na gut. Wenn es sein muss.«

Ich schlüpfte wieder aus der Jeans und nahm mein weißes Kleid, das auf meinem Bett lag. Es war das Einzige, das ich mir selbst gekauft hatte. Es war schlicht, hatte Spaghettiträger und einen nicht zu tiefen Ausschnitt, aber zeigte so viel, um das Dekolleté noch zu betonen. Es endete oberhalb meiner Knie und zeigte somit ein bisschen Haut, aber war nicht zu kurz, damit ich es die ganze Zeit runterziehen musste. Das Kleid war am Oberkörper eng anliegend und hing locker ab der Hüfte.

Ich zog es mir über und blickte in den Spiegel. »So, zufrieden?«, fragte ich leicht genervt.

Mom grinste. »Ja bin ich, nur dein Make-up müssen wir noch mal auffrischen.« Mom holte die Schminke.

Verwirrt schaute ich in den Spiegel und betrachtete mein Gesicht. »Wieso das?«

»Weil es nicht mehr so gut aussieht wie heute Mittag und sich ein wenig aufgelöst hat.«

Ich schaute noch einmal in den Spiegel, konnte aber keinen Unterschied zu heute Mittag erkennen. Um meine Mutter glücklich zu machen, setzte ich mich aufs Bett und ließ mich von ihr nachschminken.

»Jetzt kannst du gehen.« Mom stand auf und lächelte mich zufrieden an.

»Danke Mom.«

»Viel Spaß und pass auf dich auf.«

»Bis morgen.« Ich rannte die Treppe nach unten und suchte Dad. Er stand in der Küche und schenkte sich gerade ein Glas Wein ein.

»Kannst du mich zu Zoe fahren?«, fragte ich ihn.

»Klar.« Er schnappte sich seine Schlüssel und wir stiegen ins Auto.

»Viel Spaß und wenn du heim möchtest, dann ruf an. Ich hole dich«, sagte Dad, nachdem wir bei Zoe ankamen.

Ihre Mom öffnete mir die Tür. »Hi Anni, Zoe ist oben und zieht sich um.«

»Okay danke.« Ich lief die Stufen nach oben. Zoes zu Hause war wie mein Eigenes. Ich kannte es in- und auswendig und fühlte mich direkt wohl, wenn ich hier war. Zoe hatte noch einen älteren Bruder, er war schon seit zwei Jahren auf dem College und konnte daher nicht zu ihrer Abschlussfeier kommen. Ich konnte mich noch gut daran erinnern, wie er früher von uns ständig genervt war, wenn wir als Kinder immer in sein Zimmer platzten, während er ein Mädchen zu Besuch hatte.

»Du hast es wirklich getan. Einmal in deinem Leben hörst du auf mich.« Zoe umarmte mich und grinste mich zufrieden an.

»Mom stand drängelnd an der Tür. Ich konnte gar nicht anders«, sagte ich und seufzte.

Zoe wendete sich grinsend von mir ab und öffnete ihren Schrank. »Sehr gut. Ich hingegen weiß noch nicht, was ich anziehen soll.« Sie legte nachdenklich den Kopf schräg.

»Was ist an dem falsch, das du anhast?« Ich setzte mich auf ihr Bett und warf ihr einen fragenden Blick zu. Sie trug einen pinken Lederrock und ein schwarzes bauchfreies Top.

»Ich bin nicht zufrieden damit. Ich hoffe, dass Mark und ich heute den nächsten Schritt machen und da muss einfach alles perfekt sein. Vor allem auch mein Outfit.«

»Wie geht ihr damit um, wenn ihr auf zwei unterschiedliche Colleges geht?«, fragte ich.

Zoe seufzte schwer. »Es wird schwierig, das wissen wir beide, aber wir möchten es versuchen. Ich komme ihn besuchen und er mich und wir skypen regelmäßig. Ich weiß, Fernbeziehungen funktionieren meistens nicht, aber ich möchte es wenigstens probieren. Er bedeutet mir viel und er ist mein erster richtiger Freund. Daher freue ich mich umso mehr auf heute Abend, wenn ES passiert. Dass uns das wenigstens in Erinnerung bleibt, falls das mit uns nicht klappen sollte…«

»Ich wünsche euch auf jeden Fall, dass ihr die Zeit gemeinsam übersteht. Ihr seid ein tolles Paar und Mark ist toll.« Ich lächelte sie an.

»Danke Anni.« Zoe umarmte mich und wendete sich dann wieder ihrem Schrank zu.

»Aber jetzt hilf mir, was ziehe ich an?« Zoe streckte mir zwei Kleider entgegen.

»Das Schwarze. Das ist sexy und steht dir bestimmt sehr gut.«

Zoe zog sich aus und das schwarze Kleid an. Dann drehte sie sich vor dem Spiegel. Das Kleid war eng anliegend und schmeichelte ihrer schlanken Figur. Es hatte lange Ärmel und keinen weiten Ausschnitt, dafür war es am Rücken umso mehr ausgeschnitten. Es war sehr kurz. Zu kurz für mich, aber Zoe sah in dem Kleid unfassbar sexy aus.

»Das ist es.« Sie nickte zufrieden.

»Perfekt. Dann können wir ja gehen.« Ich sprang auf. Hoffentlich konnte ich verschwinden, sobald Zoe Mark gefunden hatte. Ich hatte jetzt schon keine Lust dahin zu gehen. Lieber würde ich mein Buch weiterlesen.

»Jetzt? Noch lange nicht.« Zoe öffnete ihren Schrank und holte eine Flasche hervor. Sie nahm einen großen Schluck daraus.

»Hier.« Sie hielt mir die Flasche entgegen.

Unsicher griff ich danach. »Was ist das?«, fragte ich.

»Wodka mit Orangensaft. Wir müssen unseren Abschluss feiern.« Zoe betrachtete sich noch mal im Spiegel und frischte ihr Make-up auf.

Nicht gerade begeistert betrachtete ich die Flasche. »Na gut, einen Schluck«, murmelte ich. Ich nahm einen Schluck und spürte ein Brennen im Hals, das sich in meinem Magen weiter ausbreitete.

Angewidert reichte ich Zoe die Flasche. »Bäh! Ich kann das nicht trinken. Das schmeckt widerlich.«

Zoe lachte. »Schon gut Anni.« Sie nahm einen großen Schluck und stellte sich wieder vor den Spiegel.

»Wann gehen wir dann los?«, fragte ich sie.

»Ich muss mich noch nachschminken, aber dann können wir los.«

»Okay«, murmelte ich und betrachtete Zoes Schminksachen, die auf ihrem Schminktisch lagen. Ich nahm etwas in die Hand, das aussah wie eine Zange, mit einem gebogenen Ende.

Zoe lachte hinter mir. »Oh Anni, das ist eine Wimpernzange.«

Ich drehte mich um und schaute sie verwirrt an. »Wozu braucht man eine Zange für die Wimpern?«

»Damit die Wimpern mehr Form bekommen«, antwortete sie besserwisserisch.

Ich schüttelte den Kopf und legte die Zange wieder auf den Tisch. Ich griff nach der Flasche und nahm einen Schluck, aber der Geschmack war immer noch widerlich. Die Flasche war schon halb leer und ich merkte, wie Zoe langsam angetrunken war.

»Vielleicht hättest du auch etwas davon trinken sollen«, sagte sie lachend, als sie meinen Blick sah.

»Besser ist es, wenn eine von uns nüchtern bleibt. Pass auf, dass dein Kleid nicht hochrutscht.« Ich zeigte auf ihr Kleid, dass das Nötigste von ihrem Arsch bedeckte.

»Jaja. Ich passe auf. Wenn aber Mark da ist, dann kann er es mir soweit hochziehen wie er möchte.« Sie tänzelte vor mir und lachte dabei.

»Oh Zoe.« Ich stimmte in ihr Lachen ein.

Kapitel 4

Brad wohnte nur ein paar Straßen weiter und sein Haus war nicht zu verfehlen. Die laute Musik schallte durch die ganze Straße und vor dem Haus tummelten sich viele Jugendliche.

Wir bahnten uns einen Weg in das Haus, vorbei an Jugendlichen, die schon einen betrunkenen Eindruck machten. Drinnen war die Luft drückend. Der Geruch von Schweiß, Alkohol und Gras lag in der Luft. Die Musik hämmerte aus den Boxen, die im Haus verteilt standen. Ich verstand kein Wort davon, was der Sänger sang. Mir war es zu laut und die Musik tat mir in den Ohren weg. Ich war anscheinend die Einzige, die das störte.

»Wow, es scheint so, als sei die ganze Abschlussstufe und noch andere hier«, schrie Zoe und zeigte mit dem Finger auf ein junges Mädchen, das wild mit einem Typen unten an der Treppe rumknutschte.

»Die ist doch bestimmt drei Jahre jünger als wir«, schrie ich zurück. Na toll, das konnte ja was werden.

»Ich denke, ich bleibe hier nicht ewig.« Angewidert schaute ich mich um. Ich fühlte mich komplett fehl am Platz. Um uns herum waren lauter Betrunkene, die Musik war zu laut und es roch komisch. Wie sollte mir das hier Spaß machen? Alles in mir sträubte sich dagegen und ich wollte nur noch hier raus.

»Oh Anni, nein! Eine Weile musst du auf jeden Fall hier bleiben. Wir trinken etwas, tanzen und feiern unseren Abschluss.« Zoe schrie immer noch, man merkte an ihrem leichten Nuscheln, dass der Alkohol seine Wirkung entfaltete.

Ich atmete aus. »Na gut. Aber nicht zu lange.« Ihr zu liebe, würde ich es noch ein bisschen aushalten.

Zoe grinste zufrieden. Ich ließ mich von ihr durch den Flur in das große Wohnzimmer ziehen. Es wurden immer mehr Menschen. Die Musik dröhnte in meinen Ohren, während ich von irgendwelchen Menschen angerempelt wurde.

»Komm. Lass uns zuerst in die Küche gehen und schauen, ob wir was zum Trinken finden.«

»Wir haben doch gerade erst daheim was getrunken?« Wenn ich Zoe so anschaute, sollte sie vielleicht nichts mehr trinken.

Widerwillig folgte ich ihr in die Küche. Hier war zum Glück weniger los und die Musik war gedämpfter zu hören. Auf dem Tresen standen Dutzende Schnapsflaschen, ein Bierfass und Plastikbecher.

»Ey Anni, du hier? Was für eine Überraschung.« Brad kam auf mich zu getorkelt und zog mich in seine Arme. Er stank nach Alkohol und Gras. Angewidert zog ich die Nase hoch und versuchte mich aus seiner Umarmung zu befreien.

»Ist ja unser Abschluss«, erwiderte ich abweisend und zuckte mit den Schultern.

»Genau. Krass, dass der ganze Scheiß endlich vorbei ist. Hier trink.« Er reichte mir seinen Becher und drehte sich dann zu Zoe um. Angewidert stellte ich den Becher neben mich auf die Theke.

Brad wendete sich wieder mir zu und legte mir seinen Arm auf den Rücken. »Josh wird sich freuen dich zu sehen. Du sahst heute so scharf aus in deinem Kleid. Das, was du jetzt anhast, gefällt mir noch besser, da es mehr von deinen schönen Beinen zeigt.«

Er zog mich näher zu sich heran. Ich fühlte mich unwohl, wollte aber nicht unhöflich sein und lächelte ihn gezwungen an. Er war einfach so schmierig. Klar, er sah gut aus. Sogar sehr gut. Er hatte von Natur aus einen gebräunten Teint und dunkelbraunes Haar. Dazu spielte er wie Josh Football und war auch noch der Quarterback. Er war sehr muskulös und durchtrainiert und hatte dieses „Sunnyboy-Lächeln“, mit dem er jede herumbekam. Er verkörperte den perfekten Bad Boy, was viele Frauen anscheinend anziehend fanden. Nur sein Charakter war scheiße. Er dachte nur an sich selbst, war eingebildet und geblendet und dachte nie über irgendwelche Konsequenzen nach. Er hatte verdammt viel Glück im Leben und wenn er Scheiße baute, dann regelten das seine Eltern.

Brad ließ von mir ab und stürmte aus der Küche, als er irgendjemand Bestimmtes sah.

»Hast du das auch gerochen?«

Ich nickte Zoe zu. »Heute gibt es anscheinend nicht nur Alkohol«, murmelte ich.

»Möchtest du etwas?« Zoe schenkte sich Bier in einen Becher ein.

Ich schüttelte den Kopf. »Nein, danke, ich verzichte lieber.«

Zoe nippte an ihrem Getränk. »Komm. Lass uns tanzen gehen.«

Ich ließ mich von ihr ins Wohnzimmer ziehen. Na ja, bei Brad konnte man es nicht Wohnzimmer nennen, denn es war viermal so groß wie unseres. Mittlerweile war es gerammelt voll und die meisten, die sich zur Musik bewegten, waren Mädchen. Die Jungs saßen auf der Couch und tranken aus ihren Bechern oder spielten am Esstisch Bierpong. Das Spiel war meiner Meinung nach total sinnlos. Es war nur dazu da, um betrunken zu werden.

Zoe hatte ihren Becher schon wieder geleert und fing an, sich zu der Musik zu bewegen. Ich tanzte nicht gerne. Ich fühlte mich dabei total unwohl und wusste nicht, wie ich mich bewegen sollte. Fehl am Platz stand ich also neben Zoe und wippte leicht zur Musik. Dabei schaute ich mich im Raum um. Die einzigen Typen, die tanzten, bewegten sich eng umschlungen mit einem Mädchen an ihrer Seite. Wenn man es Tanzen nennen konnte. Ich hätte eher befummeln gesagt. Ich betrachtete das Pärchen, das neben uns tanzte. Sie hatte ihre Arme um seinen Hals geschlungen und knutschte mit ihm rum. Seine Hände hatte er auf ihren Po gelegt und knetete ihn. Ich wollte nicht hinschauen, aber ich konnte meinen Blick nicht abwenden. Ich verstand nicht, wie man sich in der Öffentlichkeit so verhalten konnte.

Am anderen Ende des Raumes sah ich, wie Lucy, ein Mädchen aus meiner Klasse händchenhaltend einem Jungen folgte, den ich nicht kannte. Sie liefen die riesige Marmortreppe nach oben. Ich konnte mir schon denken, was die zwei da oben treiben wollten. Dass Brad sich nicht unwohl fühlte, wenn lauter Menschen in seinem Haus rumliefen?

Mir wurde es langsam zu voll und ich musste auf die Toilette.