Newa das Steinzeitmädchen - Thomas Friedrich-Hoster - E-Book

Newa das Steinzeitmädchen E-Book

Thomas Friedrich-Hoster

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Beschreibung

Die Story: Als Newa an ihrem zehnten Geburtstag in die Gruppe der Jojos aufgenommen wird, ist sie sehr stolz. Während des Aufnahmerituals erfährt sie jedoch, dass sie auf einmal viel mehr für sich selbst verantwortlich ist, als sie sich das gedacht hat. Plötzlich ist das Leben kein Spiel mehr. Sie überschätzt sich und verläuft sich im Wald. Dort findet sie einen kleinen Wolf, den sie mit zur Höhle nimmt, nachdem ihre Freunde sie wieder gefunden haben. Newa, die durch kluge Erfindungen das Leben der Menschen beeinflusst, wird für Wasor zu einer Bedrohung. Als die Jäger während einer Jagd mit einem anderen Clan zusammenstoßen und es zu einem Kampf kommt, wird Newas großes Geheimnis gelüftet. Der Konflikt mit Wasor eskaliert. Wird es Wasor gelingen, Newa aus dem Clan zu verbannen? Können die Jojos Newa helfen? Wie wird der Clan diese Zerreißprobe überstehen? Zu dem Buch: Es ist ein Kinderbuch abseits des Mainstreams und es vermittelt Wissen und Werte in einer spannenden, ungewöhnlichen Geschichte. Allein die Zeit, in der es spielt ist ungewöhnlich (Neolithische Revolution). Zudem beschäftigt sich das Buch mit dem Gegensatz von Überleben in der Natur und dem gleichzeitigen Schutz der Natur. In einem kurzen Vorspann, der sich vor jedem Kapitel befindet, werden Bezüge zur Realität und zur Gegenwart hergestellt und konkretes Wissen vermittelt. Somit ist das Buch gleichzeitig eine fiktive Abenteuergeschichte und ein realitätsbezogenes Sachbuch. Es schlägt auf diese Weise einen Bogen vom Beginn unserer Existenz in die Gegenwart.

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Für meinen Vater

Inhaltsverzeichnis

Der Clan

Liebe/r junge/r Leser/in...

Newa und die Jojos

Liebe/r junge/r Leser/in...

Die Jagd

Liebe/r junge/r Leser/in...

Bras Unfall

Liebe/r junge/r Leser/in...

Die Medizinfrau

Liebe/r junge/r Leser/in...

Die Ziegen

Liebe/r junge/r Leser/in...

Newas Schutzgeist

Liebe/r junge/r Leser/in...

Newas Ur-Großmutter

Liebe/r junge/r Leser/in...

Brot

Liebe/r junge/r Leser/in...

Newa und Bra

Liebe/r junge/r Leser/in...

Die Wölfe

Liebe/r junge/r Leser/in...

Die Feuerjäger

Liebe/r junge/r Leser/in...

Der große Rat

Liebe/r junge/r Leser/in...

Der Plan der Jojos

Liebe/r junge/r Leser/in...

Wasors Entscheidung

Liebe/r junge/r Leser/in...

Moras Rettung

Liebe/r junge/r Leser/in...

Das Hochtal

Liebe/r junge/r Leser/in...

Die Ausgestoßenen

Liebe/r junge/r Leser/in...

Die Leoparden

Liebe/r junge/r Leser/in...

Die Rückkehr

Liebe/r junge/r Leser/in...

Der Frühling kommt

ENDE

Der Clan

Wasor, der Anführer des Clans

Bala, seine Frau

Tugor, Wasors und Balas Sohn,

Mila, Tugors kleine Schwester

Javor, Newas Vater

Newa, die Hauptperson

Andar, ihre Mutter

Mora, ihre kleine Schwester

Kato, ihr Großvater

Hadur, die Medizinfrau

Gor, ein Jäger

Kolgi, seine Frau

Jag, Gors Vater, der Älteste des Clans

Bra, Gors und Kolgis Sohn

Iso, ihre Tochter,

Kodar, ein Jäger

Kisa, seine Frau

Krom, Kodars Mutter

Gala, Kodars und Kisas Tochter

Krikri, Galas kleine Schwester

Bandor, der jüngste Jäger

Vina, seine Frau

Devon, Bandors Vater

Alascha, Bandors und Vinas Baby

Die Ausgestoßenen.

Uda, die ausgestoßene Feuerjägerin

Morg, ihr Sohn

Liebe/r junge/r Leser/in...

In den Geschichten von NEWA lernst du ein kleines Steinzeit-Mädchen kennen. Newa wohnt mit ihrer Familie und ihrem Clan in einer Höhle. Zusammen mit ihren Freunden erlebt sie viele Abenteuer. Sie denkt und fühlt so ähnlich, wie Du es vielleicht auch tust.

Aber das war nicht die Wirklichkeit in der Steinzeit. Die Menschen in der Steinzeit lebten nämlich in einem ständigen Kampf um das Überleben in einer sehr gefährlichen Umwelt. Es gab keine festen Häuser, keine Heizung und kein Einkaufszentrum um Essen einzukaufen. Dafür gab es aber jede Menge wilde Tiere.

Wenn Natur also „Alles ist, was nicht vom Menschen gemacht ist“, so ist Kultur „Alles, was vom Menschen gemacht ist“. Man kann auch sagen, dass der Mensch große Teile der Natur in Kultur verwandelt hat. Er hat die Natur „kultiviert“.

Ein gutes Beispiel dafür ist das Halten von Haustieren. In der folgenden Geschichte findet Newa einen kleinen Wolf und nimmt ihn als Haustier mit in ihre Höhle. So ähnlich könnte es vielleicht vor etwa 10 000 bis 20 000 Jahren gewesen sein, als aus dem wilden Wolf ein Hund wurde. Der Hund ist vermutlich das erste Haustier, das die Menschen hatten.

Haustiere sind übrigens keine Tiere, die zuhause leben und die man mal eben so in einer Tierhandlung kaufen kann, wie zum Beispiel einen Kanarienvogel oder einen Fisch für das Aquarium. Die richtigen Haustiere zeichnen sich dadurch aus, dass sie dem Menschen einen Nutzen bringen und dass sie anders sind als ihre wilden Vorfahren.

Kennst Du noch andere Haustiere?

Es sind nämlich gar nicht so viele Tiere, die der Mensch als Haustiere nutzt. Ich habe mich entschlossen, jedem Kapitel der Newa-Geschichte einen kurzen Kommentar hinzuzufügen, der etwas genauer die wahren Vorgänge erklärt, die hinter den Geschichten stehen. Ich hoffe sehr, dass du das verstehen kannst. Wenn es zu schwierig ist, lass es Dir einfach von Deinen Eltern, Deinem Lehrer oder Deiner Lehrerin erklären.

Viel Spaß bei der Geschichte

Newa und die Jojos

An diesem Tag wachte Newa sehr früh auf. Es war ein besonderer Tag. Sie hatte Geburtstag und wurde zehn Jahre alt. Und sie wurde eine Jojo.

Die Zahl zehn hatte für die Steinzeitmenschen eine ganz wichtige Bedeutung, denn das Leben der Menschen war in Abstände von 5 Jahren eingeteilt. Bis man 5 Jahre alt war, war man ein Kind und hatte nichts zu sagen. Ein Kind durfte den ganzen Tag spielen und hatte keine Pflichten. Es musste immer in der Höhle bleiben bei seiner Mutter. Wenn ein Kind einen Erwachsenen etwas fragte, bekam es meistens zur Antwort „dafür bist du noch zu klein“ oder „das kannst du noch nicht“. Bis zum 10. Geburtstag war man zwar immer noch ein Kind und hatte nichts zu sagen aber man hatte auch Pflichten. Die größeren Kinder mussten ihren Müttern helfen und lernten Feuer zu machen und Wurzeln zu stampfen.

Newa hatte die letzte Zeit gehasst. Es wurde endlich Zeit, dass sie eine Jojo würde. So wurden die Kinder nach ihrem 10. Geburtstag genannt. Das bedeutete, dass man das Feuer verlassen und aus der Höhle hinaus in den Wald durfte. Alle Jojos lebten in einer Gruppe mit anderen Kindern zwischen dem 10. und dem 15. Lebensjahr zusammen. Sie spielten alle möglichen Spiele, wie sie auch heute Kinder spielen.

Aber die Jojos hatten mehr Pflichten als die Kinder. Jungen und Mädchen hatten unterschiedliche Aufgaben. So lernten die Mädchen zum Beispiel, wie man Essen zubereitet, Körbe flechten und Felle gerben kann. Die Jungen lernten, wie man Steinmesser baut oder wie man im Wald eine Spur findet. Und die Jojos hatten die wichtige Aufgabe dafür zu sorgen, dass immer genug Holz in der Höhle war, um die Feuer in Gang zu halten. Außerdem mussten sie jeden Tag Wasser vom Bach holen. Ab dem 15. Lebensjahr war man dann ein/e Erwachsene/r aber das interessierte Newa noch nicht. Heute war sie richtig froh und glücklich darüber, dass sie endlich kein Kind mehr war, sondern eine Jojo. Ihre Freundin Iso war schon im letzten Jahr eine Jojo geworden und seit dieser Zeit hatte sich Iso nur noch wenig mit Newa beschäftigt. Darüber hatte sich Newa ganz schön geärgert.

In der Höhle schlief noch alles und nur die Wache am Höhleneingang war wach. Der Wächter musste aufpassen, dass sich nachts keine Tiere in die Höhle schlichen und darauf achten, dass das große Feuer am Eingang nicht aus ging. Der Wächter an diesem Morgen war Gor. Er war der Vater von Iso und Bra. Bra war der ältere Bruder von Iso. Newa mochte ihn ganz gerne, denn er war gescheit und gab nicht immer so an, wie der andere Junge im Clan. Das war Tugor, der Anführer der Jojos und Sohn des Clan-Anführers. Er war groß und stark und bestimmte immer, was die anderen machen sollten. Newa wickelte sich aus ihrem Schlaffell, stand auf und ging zu Gor. Gor freute sich, als er Newa sah.

„Wie geht es dir heute an deinem Geburtstag?“ fragte er Newa.

„Ich bin ganz aufgeregt,“ sagte sie. „Was wird heute alles passieren?“

„Das weiß man nie,“ meinte er. „Die Jojos haben sich bestimmt etwas Lustiges ausgedacht, um dich aufzunehmen. Du wirst deinen ersten Zusatznamen bekommen. Den bekommst du, nachdem du das erste Mal mit allen Jojos im Wald warst und etwas erlebt hast. Pass auf, sonst bekommst du einen komischen Namen. Mich haben sie damals „Raupe“ genannt. Das fand ich nicht lustig. Es lag nur daran, dass ich auf einer Wiese eine Raupe gefunden hatte und die anderen gerufen hatte. Du weißt nie, was sie sich ausdenken. Den Namen behältst du für immer. Aber, auch wenn er blöde ist …. und meistens ist er blöde..., mach dir nichts draus. Es kommen im Laufe deines Lebens noch andere dazu.“

Newa erinnerte sich. Iso hatte geweint, als sie ihren Namen bekommen hatte. „Regenwurm“. Sie hatte sich vor einem Regenwurm erschreckt und die anderen hatten es gesehen. Na, das konnte Newa nicht passieren. Vor einem Regenwurm hatte sie keine Angst. Sie nahm sich vor, sich auf keinen Fall zu blamieren.

Newa blieb noch eine Weile bei Gor am Höhleneingang sitzen und beobachtete, wie die Sonne rot über der weiten Grasebene aufging. Von der Höhle aus, konnte man weit blicken. Auf der rechten Seite war der Wald, der an den Berghängen wuchs. Vor der Höhle ging ein Weg den Berg hinunter zu einer riesigen Grasebene, die bis zum Horizont reichte. Links der Höhle floss ein Bach den Berg hinunter bis zu einem kleinen See. Newa hatte oft am Höhleneingang gesessen, hinausgeschaut und sich vorgestellt, wie sie hinunter zum See laufen wollte. Bisher war sie immer nur mit ihrer Mutter am Bach gewesen um Wasser zu holen. Das sollte jetzt endlich anders werden. In der Höhle wurde es unruhig. Mehr und mehr Menschen wachten auf und bewegten sich.

„Endlich geht es los“, dachte Newa. Sie ging zurück zu ihrem Feuer und begrüßte Andar, ihre Mutter und Kato ihren Großvater. Ihre kleine Schwester Mora war ebenfalls aufgewacht und meckerte rum.

„Mama gibt’s gleich was zu essen? Ich habe Hunger. Wann wird Newa endlich Jojo? Ich will auch sofort Jojo werden.“

Newa verdrehte die Augen. Mora nervte sie manchmal ganz schön. Immer wollte sie das gleiche haben und machen wie Newa und dauernd mit ihr zusammen sein. Das würde sich jetzt hoffentlich endlich ändern. Andar gab jedem etwas zu essen. Es war getrocknetes Fleisch. Newa mochte das nicht, aber es gab nichts anderes. Die Früchte, die Andar vorgestern gesammelt hatte, waren gegessen und die übrigen waren verfault. Nachdem sie gegessen hatten begann Javor, ihr Vater, zu sprechen.

„Heute ist dein großer Tag, Newa,“ sagte er. „Du wirst heute zehn Jahre alt und ab heute bist du eine Jojo. Du wirst nicht mehr so oft bei uns am Feuer sein und wirst ab heute auf dich selbst aufpassen müssen. Sei vorsichtig draußen im Wald, dass du dich nicht verletzt und keine gefährlichen Tiere triffst. Lerne dich schnell auf einem Baum in Sicherheit zu bringen. Die wenigsten Tiere können wirklich gut klettern. Und nimm dich in Acht auf der großen Graswiese. Dort gibt es kaum Bäume auf die man klettern kann und die Raubtiere sind schnell. Ich habe hier für dich einen Beutel mit getrocknetem Fleisch, damit du immer etwas zu essen hast, wenn du unterwegs bist“. Dann sprach Andar.

„Mir wäre es ja am liebsten, wenn du schön bei mir in der Höhle bleiben könntest, aber die Regel des Clans sieht es vor, dass du jetzt eine Jojo wirst. Ich habe hier einen kleinen ausgehöhlten Kürbis für dich. Darin ist Wasser, damit du keinen Durst bekommst. Pass gut auf dich auf.“

Newa guckte ganz verdattert. So hatte sie sich das nicht vorgestellt. Ihr Vater machte ihr Angst und ihre Mutter auch. Was war mit dem ganzen Spaß, den die Jojos immer hatten? Außerdem hatte sie nicht vor, ganz allein im Wald zu sein. Dann sprach ihr Großvater Kato.

„Liebe Newa, ich bin ganz sicher, dass du viel Spaß haben wirst als Jojo und dass dir auch nichts passieren wird. Hier habe ich ein Geschenk für dich gebaut. Es ist ein Steinmesser mit einem Gürtel und einer Hülle. Das kannst du ab jetzt tragen.“ Er gab ihr einen Gürtel, mit einer Scheide. Darin steckte ein Steinmesser. Sie zog es heraus. Es hatte einen schmalen Griff, der genau für ihre Hand passend war. Das Messer war aus Feuerstein, schmal und an einer Seite sehr scharf. Newa freute sich über das tolle Geschenk und gab ihrem Großvater einen Kuss.

„Danke, danke,“ sagte sie. Hadur, die Medizinfrau, die an ihrem Feuer lebte, hatte auch ein Geschenk für sie. Sie gab ihr einen kleinen Beutel mit Kräutern.

„Was ist da drin?“ wollte Newa wissen.

„Wenn du eine Verletzung hast, kannst du diese Kräuter darauflegen. Die dunkelgrünen Blätter stillen jede Blutung und die gelben Blätter verhindern, dass sich die Wunde entzündet. Beides ist sehr, sehr wichtig, sonst kann man auch bei kleinen Wunden schlimm krank werden.“

Newa bedankte sich bei Hadur und umarmte sie. Sie befestigte den Fleischbeutel, den Wasserkürbis und den Medizinbeutel an ihrem Gürtel mit dem Messer und band ihn sich um. Dann schaute sie hoch. Um ihr Feuer hatten sich inzwischen alle Jojos versammelt. Newas Herz schlug plötzlich ganz schnell. Es ging los. Tugor fing an zu sprechen.

„Hallo Newa, wir wollen dich abholen in den Wald, denn du gehörst ab heute zu uns, den Jojos. Bist du bereit?“ Das gehörte zu der Regel des Rituals. Jedes Kind wurde gefragt, ob es bereit sei.

„Ja,“ sagte Newa, „ich bin bereit.“

„Dann geht es jetzt los,“ sagten die Jojos im Chor. Sie begannen das Jojo-Lied zu singen und tanzten um Newa herum.

„Newa, Newa, Newa

bist du jetzt bereit?

Komm in unsere Gruppe

Sei dabei gescheit

Es wird etwas passieren,

Dass du den Namen kriegst

Er wird dich begleiten

Solang du Jojo bist.

„Newa, Newa, Newa

Halt die Regel ein

Du gehörst zu uns

Wir lassen uns nie allein.

Zusammen sind wir stark

So kann dir nichts geschehen

Du bist von jetzt an Jojo

Das werden alle sehen

Die Jojos nahmen Newa bei der Hand und gingen mit ihr zur Höhle hinaus. Dort rannten alle los und verschwanden im Wald.

„Halt, nicht so schnell,“ rief Newa. Damit hatte sie nicht gerechnet. Aber schnell fiel ihr ein, was ihr Gor heute morgen erzählt hatte.

„Nur nicht blamieren,“ sagte sie sich. „Ich lasse mich nicht unsicher machen. Das schaffen die nicht.“ Sie nahm ihren ganzen Mut zusammen und marschierte den anderen hinterher. Als sie in den Wald kam, umfing sie eine tiefe Ruhe. Die Vögel zwitscherten und flatterten durch die Gegend. Newa ging einen Pfad entlang, den wohl auch die Jojos und die Jäger nahmen, wenn sie in den Wald gingen. Nach einiger Zeit kam sie an eine kleine Lichtung. Felsen lagen herum, Schmetterlinge, so groß wie ihre Hand flogen von Blüte zu Blüte. Newa fühlte sich großartig.

Aber wo waren die anderen Jojos? Newa war sich sicher, dass sie sie beobachteten, um sie bei einer blöden Sache zu erwischen und ihr einen doofen Namen zu geben. Aber genau das wollte sie nicht. Also verließ sie die Lichtung und wenig später auch den ausgetretenen Pfad. Bald befand sie sich in tieferem Wald. Sie versteckte sich hinter einem Busch und wartete. Wie sie es vermutet hatte, kamen nach kurzer Zeit die Jojos hinter einigen Bäumen hervor. Sie hatten sie beobachtet.

„Wo ist sie hin?“ fragte Tugor. „Ich habe sie nicht mehr gesehen.“

„Keine Ahnung,“ sagte Iso. „Eben war sie noch da.“ Newa überlegte, ob sie aus ihrem Versteck herauskommen sollte, aber es könnte passieren, dass ihr die Jojos einfach den Namen „Angsthase versteckt sich“ gaben oder einfach wieder verschwanden und das Spiel ginge von vorne los.

„Wir müssen sie suchen,“ sagte Tugor. „Sie ist das erste Mal im Wald und kennt sich nicht aus. Nachher passiert etwas, und dann gibt es Ärger. Wir verteilen uns und suchen sie.“ Die Jojos verschwanden im Wald. Nach einiger Zeit hörte sie, wie sie ihren Namen riefen. Newa freute sich. Sie hatte die Jojos reingelegt.

Dann wurde ihr plötzlich ganz komisch. Was sollte sie jetzt machen? Alleine im Wald spielen? Keine gute Idee. Nach Hause gehen? Langweilig und der neue Name wäre beinahe klar. So was wie „Nach Hause Geher“ oder „Spielverderber“. Keine gute Idee. Sie krabbelte aus ihrem Versteck heraus und überlegte, dass sie die Jojos verfolgen könnte, um sie zu überraschen. Das war eine gute Idee. Sie rannte los. Nach einigen Schritten blieb sie wieder stehen. Wo waren die Jojos? Die Stimmen konnte sie nicht mehr hören. Die Jojos waren alle weg und sie war plötzlich ganz allein. Newa ärgerte sich über sich selbst. Sie war blöd gewesen. Hätte sie doch einfach das doofe Spiel der Jojos mitgemacht und sich einen doofen Namen geben lassen. Schließlich hatte ja jeder einen doofen Namen. Tugor hieß „Nasenbohrer“, weil er sich damals hingesetzt hatte und in der Nase gebohrt hatte. Und Gala hieß „Blümchen“, weil sie Blümchen gepflückt hatte. Newa ärgerte sich immer mehr und lief ratlos im Wald herum. Wo war nochmal der Weg nach Hause? Sie hatte langsam keine Lust mehr und wollte jetzt die anderen treffen.

Da hörte sie plötzlich etwas. Ein Fiepen. Ganz leise. Sie musste ganz still stehen bleiben, um zu hören woher es kam. Es war ganz in der Nähe. Ihre Gedanken ratterten. War da Gefahr? Sicherheitshalber schaute sie sich nach einem geeigneten Baum um, auf den sie im Notfall klettern konnte. Ja, da war ein guter Baum. Ganz leise schlich sie durch den Wald auf das Fiepen zu. Es wurde lauter. Sie blieb stehen und lauschte auf andere Geräusche. Bis auf das Zwitschern der Vögel war alles ruhig. Langsam wurde sie etwas ruhiger. Sie dachte an die Worte ihres Großvaters Kato, der ihr beigebracht hatte, auf die Natur zu hören.

„Wenn plötzlich alles stumm ist, hält die Natur den Atem an. Dann besteht Gefahr und du musst dich schnell in Sicherheit bringen,“ hatte er ihr einmal gesagt, als sie ihn gefragt hatte, wie man sich im Wald verhalten muss. Newa ging weiter. Sie kam an einen dichten Busch. Dort drin war das Fiepen. Sie zog ihr Messer aus dem Gürtel und bog die Zweige auseinander. Und da sah sie ein Wolfsjunges, welches sie mit zwei großen Augen anblickte. Es war ganz weiß mit einem schwarzen Stern auf der Stirn. Es sah ausgehungert aus und das Fell war ganz verfilzt. Anscheinend hatte die Wolfsmutter es verstoßen, vielleicht weil es mit der weißen Farbe anders aussah als ihre anderen Jungen. Jedenfalls war es ganz alleine. Newa griff an ihren Gürtel und holte ein Stück trockenes Fleisch aus dem Beutel, den ihr Vater ihr geschenkt hatte. Sie hielt es dem kleinen Wolf hin. Der schnappte gierig danach.

„Gut,“ dachte Newa, „immerhin braucht er keine Milch mehr und man kann ihn füttern.“ Sie merkte in diesem Augenblick, dass sie den kleinen Wolf mitnehmen wollte in ihre Höhle. Das fand sie eine tolle Idee. Sie nahm ein weiteres Stück Fleisch in die Hand und ging davon. Der kleine Wolf folgte ihr sofort. Newa ging langsam weiter. Auf einmal hörte sie in der Ferne die Stimmen der Jojos, die ihren Namen riefen. Erleichtert ging sie in diese Richtung. Nach einiger Zeit wurde der Wald wieder etwas heller. Die Bäume standen nicht mehr ganz so dicht und die Sonne fiel durch die Bäume auf den Waldboden. Etwas später erreichte sie die Lichtung mit dem Baum. Endlich wusste sie wieder wo sie war. Newa setzte sich unter den Baum und der kleine Wolf kam zu ihr und legte den Kopf auf ihren Schoß. Er schleckte mit seiner kleinen Zunge ihre Hand.

„Bestimmt hast du Durst,“ sagte Newa zu ihm. Sie nahm ihren Wasserkürbis und gab dem Wolf etwas Wasser zu trinken. Der schlabberte gleich los, sodass Newa ganz nass gespritzt wurde. Sie lachte. Dann hörte sie wieder die Jojos, die ihren Namen riefen. Newa hörte die Angst in den Stimmen ihrer Freunde. Da bekam sie ein ganz schlechtes Gewissen. Sie holte tief Luft und rief ganz laut.

„Jojos, Jojos ich bin auf der Lichtung. Wo seid ihr? Kommt auf die Lichtung. Ich bin auf der Lichtung.“ Es dauerte nicht lange, da kamen alle Jojos auf die Lichtung. Sie kamen zu dem Baum und standen aufgeregt um sie herum. Die Jojos waren sauer. Tugor schimpfte.

„Hey Newa, wo bist du gewesen? Wir haben dich gesucht und uns schlimme Sorgen gemacht. Du warst ganz alleine im Wald an deinem ersten Tag. Das ist nicht in Ordnung. Es kann dir etwas passieren und wir sind alle verantwortlich. Die Regel der Jojos ist, dass wir aufeinander aufpassen. Und das haben wir so lange gemacht, bis du verschwunden bist. Wenn dich ein Tier angefallen hätte, hätten wir dir nicht helfen können. Vielleicht hast du das für besonders mutig gehalten, aber das war es nicht. Du bist unvernünftig, ja sogar dumm gewesen. Ich glaube das wird vielleicht dein neuer Name sein. „Dummi“.

Newa war ganz verdattert. Gerade hatte sie sich noch so sehr gefreut über ihren kleinen Wolf und jetzt bekam sie Schimpfe von ihren Freunden. Sie war ganz kleinlaut als sie sagte.

„Ich habe das doch nicht gewollt. Ich wollte euch am Anfang nur loswerden, weil ich wusste, dass ihr mich beobachtet. Und dann wart ihr auf einmal alle weg und ich wusste nicht mehr wo ich war. Da wollte ich nur noch euch finden aber dann habe ich den Kleinen hier gefunden.“ Sie holte den kleinen Wolf hinter ihrem Rücken hervor, wo er sich versteckt hatte, als die Jojos gekommen waren. Die Jojos guckten verdattert. Einigen stand der Mund offen, so erstaunt waren sie. So standen sie lange da und guckten den kleinen Wolf an, der mit den Händen von Newa spielte. Endlich fragte Iso.

„Ähhhhhh…..wie……..was ist denn das? Wo hast du den denn her?“

„Ich habe ihn im Wald gefunden,“ erwiderte Newa. „Er war ganz allein und anscheinend schon einige Tage unterwegs. Keine Mutter weit und breit. Er frisst schon Fleisch, ist aber fast verhungert und verdurstet. Ich habe ihn gefüttert und jetzt folgt er mir. Ich will ihn mit in die Höhle nehmen.“

„Ääääähhhhhhh…..ich weiß nicht so recht…..“ meinte Tugor.

„Schaut mal, er ist ganz lieb,“ erwiderte Newa, „und wenn man ihn gut füttert, tut er einem bestimmt nichts, auch wenn er einmal groß ist. Ich glaube, er denkt, ich bin seine Wolfsmami.“ Da fingen die anderen alle an zu lachen. Die Spannung löste sich und bald spielten alle Jojos mit dem kleinen Wolf.

„Ich weiß jetzt, welchen Namen wir dir geben werden,“ sagte Iso auf einmal. „Du heißt ab jetzt „Dumme Wolfsmami“.

„Ja, das ist gut,“ meinten die anderen auch. „Der Name ist etwas lang aber je nachdem wie du dich verhältst, können wir „Dummi“ oder „Wolfsmami“ rufen,“ sagte Tugor. Die anderen klatschten. Newa guckte ein wenig beleidigt aber insgeheim war sie froh, dass sie den Namen „Wolfsmami“ bekommen hatte, obwohl sie ja wirklich ein wenig dumm gewesen war, als sie ganz allein im tiefen Wald geblieben war. Später zogen die Jojos mit dem kleinen Wolf nach Hause in die Höhle. Ihr Großvater kam abends noch einmal zu ihr.

„Weißt du Newa, als ich noch ein junger Mann war, hörte ich einmal von einem anderen Stamm, der Wölfe als Begleiter hatte. Ich habe das damals nicht geglaubt, aber vielleicht geht es ja mit deinem Wolfsjungen. Ich bin einmal gespannt was wir mit dir noch alles erleben.“ Newa kuschelte mit ihrem kleinen Wolf auf ihrem Schlaffell.

„Wie soll dein Wolf denn heißen?“ fragte der Großvater. Newa überlegte nicht lange.

„Schnee,“ sagte sie, „weil er so weiß wie Schnee ist.“

Dann schlief sie ein.

Liebe/r junge/r Leser/in...

In der ersten Geschichte wurde Newa in die Gruppe der Jojos aufgenommen. Vermutlich gab es niemals so eine Gruppe, bestimmt keine, die genau so hieß. Was es aber gab, waren Gruppen von Menschen, die zusammenlebten. Ganz ähnlich wie Wölfe, Elefanten, Ziegen oder auch Menschenaffen, die als die nächsten Verwandten von uns Menschen gelten, waren die ersten Vorfahren der Menschen im Grunde Rudeltiere. Nur so, nämlich in einer Gruppe oder als Rudel, hatten sie die Chance in der Wildnis zu überleben.

Auch heute leben wir in Gruppen. Das hat sich niemals verändert. Es gibt natürlich auch Einzelgänger aber im Grunde sind Menschen nicht gerne alleine. Die kleinste Gruppe ist die Familie, eine andere Gruppe ist Deine Schulklasse oder sind Deine Freunde oder Freundinnen. Auch eine Fußball- oder Handballmannschaft ist eine solche Gruppe. Gruppen geben uns meistens Geborgenheit und Sicherheit.

In der Geschichte lernst Du auch ein Ritual kennen. Es findet statt bei der Aufnahme Newas in die Gruppe der Jojos. Das Lied der Jojos und die Ereignisse im Wald um die Namensgebung sind Teile des Aufnahmerituals. Rituale finden statt bei allen möglichen Veränderungen in unserem Leben. Sie markieren häufig Übergänge von einem Lebensabschnitt in den nächsten. Manchmal sind sie sehr groß und feierlich, manchmal sind sie aber auch nur ganz klein. Du kennst sicher auch Rituale.

Na, fällt Dir eins ein?

Die Zeremonie bei einer Hochzeit, Geburtstagskerzen und Geschenke am Geburtstag oder auch das Winken, wenn man sich verabschiedet, die Schultüte am ersten Schultag und das gemeinsame Beten in der Kirche – alles das sind kleine Rituale.

Rituale verbessern unsere Zusammengehörigkeit, wenn wir sie gemeinsam miteinander ausführen

Die Jagd

Newa wurde wach, weil Schnee ihr das Gesicht ableckte. Der kleine Wolf war in kurzer Zeit schon ganz schön gewachsen.

„Igitt,“ rief sie gleich und setzte sich auf. Schnee war schon wach und sprang um Newa herum. Immer wieder sprang er auf ihren Schoss und leckte ihr mit seiner Zunge das Gesicht ab. Nachdem Newa wusste, was da so nass in ihrem Gesicht war, musste sie immer lachen, wenn Schnee sie ableckte.

„Du hast bestimmt Hunger“, rief sie und stand auf. Es war noch ganz früh. Die anderen Höhlenbewohner schliefen alle noch tief und fest. Javor schnarchte ein wenig und Schnee lief auf ihn zu, um ihm ebenfalls das Gesicht abzulecken.

„Halt,“ rief Newa und fasste Schnee am Nacken am Fell und hielt ihn fest. „Das darfst du nicht machen, Schnee,“ sagte sie zu dem kleinen Wolf. „Javor muss sich ausschlafen. Heute ist der Tag der Jagd, und die Männer des Stammes müssen ein großes Tier jagen, damit wir etwas zu essen haben. Das letzte Mal, als sie auf einer Jagd waren, haben sie kein Großtier gefunden und nur einige Hasen und ein Reh mit nach Hause gebracht. Da hatten wir leider nur ganz wenig zu essen. Hoffentlich wird das heute besser.“

Newa ging ans Feuer und öffnete den kleinen Beutel, den ihr Javor geschenkt hatte. Sie holte einige kleine getrocknete Fleischstückchen heraus und hielt sie Schnee hin. Schnee kam sofort zu Newa und nahm die kleinen Fleischstückchen aus ihrer Hand. Der kleine Wolf fraß mit viel Appetit. Dabei kam es vor, dass Newa nicht schnell genug war mit dem Nachschub. Sofort setzte sich der kleine Wolf hin und schaute Newa erwartungsvoll an. So kam es, dass Newa mit Schnee ein kleines Spiel begann. Sie gab ihm das Fleischstückchen nur, wenn sich Schnee hinsetzte und wartete.

„So ist es brav Schnee,“ sagte Newa. Dann hob sie ihre Hand ohne ein Fleischstück, und Schnee stand auf. Sie nahm die Hand herunter und Schnee setzte sich, denn er wollte ja ein Fleischstückchen. Immer wieder spielte Newa mit Schnee diese kleine Übung, bis der kleine Wolf es richtig gut konnte. Ihm machte das Spielen mit Newa sichtlich Spaß. Newa hatte eine Idee. Immer wenn sie ihre Hand hob und Schnee aufstand sagte sie „Auf“, wenn sie ihre Hand senkte und der Wolf sich setzte, sagte sie „Ab“. So spielten sie eine ganze Weile miteinander.

Dann hatte Newa eine neue Idee. Sie sagte „Ab“ und Schnee setzte sich hin. Newa nahm ein kleines Stück Fleisch in ihre Hand und ging einige Schritte in Richtung Höhleneingang. Sofort sprang Schnee auf und wollte ihr folgen aber Newa sagte „Ab“ und senkte energisch ihre Hand. Schnee stoppte und setzte sich hin.

„Schön ruhig bleiben, Schnee,“ sagte Newa und ging langsam weiter zum Höhleneingang. Schnee hatte begriffen, dass er sitzen bleiben sollte und beobachtete Newa aufmerksam. Erst als Newa am Höhleneingang stand, drehte sie sich um, hob ihre Hand und rief laut „Auf“. Sofort sprang Schnee auf und flitzte schwanzwedelnd zu Newa. Die belohnte ihren Wolf mit dem kleinen Fleischstückchen und freute sich. Newas Großvater hatte das Spiel beobachtet.

„Das hast du gut gemacht Newa,“ sagte er. „Ich glaube dein kleiner Wolf ist sehr gescheit. Er hat sehr gut begriffen, was du ihm beigebracht hast. Ich glaube, du kannst ihm mit der Zeit noch sehr viele andere Dinge beibringen, denn er möchte gerne von dir lernen.“

Newa war ganz stolz auf ihren Erfolg mit Schnee. Sie schaute zu ihrem Vater. Er war schweigsam und aß etwas Fleisch und einige Wurzeln, die Hadur gestern gesammelt hatte. Newa wusste, dass er sich auf die Jagd vorbereitete. Eine gemeinsame Jagd war immer ein großes Ereignis für die Höhlenmenschen. Von dem Erfolg hing es ab, ob sie hungern mussten oder ob es genug zu essen gab. Glücklicherweise lag die Höhle in einem Gebiet, in dem es genug Wild gab, und so mussten sie selten Hunger leiden. Allerdings zogen die vielen Wildtiere auch Raubtiere an, die eine Gefahr für die Menschen darstellten.

Die Männer gingen meistens alleine auf die Jagd in den Wald und was sie erlegten, blieb als Beute an ihrem eigenen Feuer. Aber manchmal gingen die Jäger auch gemeinsam los in das große Grasland, um größere Tiere für die Gemeinschaft zu jagen. Dann bestimmte immer der Anführer Wasor den Plan, wie sie das Wild jagen sollten. Oft hatte er große Erfolge gehabt und er war deswegen auch der Anführer des Clans. Javor, Newas Vater war aber klüger als Wasor und hatte häufig andere Vorstellungen, wie eine Jagd ablaufen sollte. Deswegen bekamen die beiden manchmal Streit. Aber heute hatte Javor beschlossen keinen Ärger mit Wasor anzufangen. Er hatte selbst erst vor einigen Tagen ein Reh erlegt und deswegen gab es an seinem Feuer keinen Hunger.

Newa war aufgeregt, denn die Jojos durften mit auf die Jagd gehen und sie war das erste Mal dabei. Sie durften zusehen, wie die Jäger das Wild einkreisten und erlegten. Es dauerte nicht lange, da brach die Gruppe auf. Wasor sagte.

„Die Jojos bleiben erst einmal zusammen mit uns. Wir müssen heute ein kleines Stück in das große Grasland gehen, denn ich habe dort gestern eine Büffelherde gesehen. Wir wollen versuchen einen großen Büffel zu erlegen.“

Die Männer guckten sich alle an. Büffel zu jagen war gefährlich, denn mit ihren Speeren mussten sie nahe an die Büffel heranschleichen, um sie zu treffen. Und die Büffel waren sehr schnell. Wenn man nicht mit dem ersten Versuch den Speer richtig traf, waren meistens alle Büffel weg und der Speer noch dazu. Außerdem musste man aufpassen, dass einen die Büffel nicht zertrampelten, wenn sie davonrannten. Vor vielen Jahren war der Vater Kodars bei einer Büffeljagd auf diese Weise ums Leben gekommen. Javor guckte verschlossen vor sich hin. Newa merkte, dass er etwas sagen wollte, es aber nicht tat. Dann brachen sie auf. Schnee sprang auf und kam an Newas Seite aber Javor sagte.

„Nein Newa, dein kleiner Wolf muss zuhause bleiben. Wenn die Büffel seine Witterung bekommen, laufen sie vielleicht weg, denn sie wollen keinen Ärger mit einem Wolfsrudel bekommen. Die Wolfsrudel jagen wie wir Menschen in einer Gruppe und versuchen immer die schwächsten Tiere zu kriegen. Die Büffel haben Angst vor ihnen.“ Newa war traurig aber sie verstand ihren Vater. Sie bückte sich zu Schnee, umarmte ihn und flüsterte in sein Ohr.

„Schnee du musst heute zuhause bleiben, aber morgen gehen wir beide in den Wald.“ Und dann bewegte sie unauffällig ihre Hand und sagte ganz leise. „Ab.“ Schnee setzte sich hin und blieb in der Höhle, als die anderen auf die Jagd gingen.

Die Gruppe ging langsam den Berg vor der Höhle hinunter zum großen Grasland. Sie hatte ein bisschen Angst, denn ins große Grasland durfte man niemals alleine gehen, weil es dort die großen Raubtiere gab. Newa drehte sich um. Sie schaute zurück zur Höhle, die direkt am Waldrand lag. Im Eingang stand ihr Großvater Kato und Jag der Stammesälteste. Sie unterhielten sich und Newa hätte zu gerne gewusst worüber. Sie gingen etwa eine Stunde lang, da hob Wasor plötzlich die Hand. Alle hielten an. Er flüsterte.

„Dort hinten sind die Büffel. Wir müssen uns vorsichtig anschleichen und von links kommen. Die rechte Seite lassen wir frei, damit die Büffel dorthin fliehen können und wir nicht zertrampelt werden. Die Jojos bleiben hier in Sicherheit und beobachten alles.“

Newa hob vorsichtig den Kopf. In wenigen 100 Schritten Entfernung stand eine Büffelherde von etwa 50 Büffeln. Ihr Herz schlug schneller. Sie war sehr aufgeregt. Den anderen Jojos ging es genauso. Die Männer schlichen sich leise an. Newa konnte sie nicht mehr sehen, sobald sie im tiefen Gras verschwunden waren. Es dauerte sehr lange und die Jojos wurden beinahe ungeduldig aber sie durften nicht sprechen.

Plötzlich sah Newa wie Wasor ganz nahe bei einem Büffel aus dem Gras auftauchte und seinen Speer auf den Büffel schleuderte. Dann ging alles ganz schnell. Auch die anderen Männer tauchten aus dem Gras auf und schleuderten ihre Speere. Aber sie waren zu spät. Nachdem Wasor seinen Speer geworfen hatte, waren die Büffel erschrocken und sofort los galoppiert. Die Speere der anderen verfehlten ihre Ziele, weil die Büffel sich bewegten und sehr schnell davonliefen. Newa blickte den galoppierenden Büffeln hinterher und suchte den Büffel mit Wasors Speer. War er getroffen und tot? Zuerst sah sie ihn gar nicht. Aber dann entdeckte sie ihn. Er galoppiert mit den anderen Büffeln davon und Wasors Speer steckte in seinem Höcker. Die Jagd war missglückt. Nach kurzer Zeit kamen die Männer zu den Jojos zurück. Die Stimmung war sehr schlecht. Wasor schimpfte.

„Dieser blöde Büffel hat meinen Speer mitgenommen.“ Gor meinte.

„Warum hast du den größten Bullen gewählt für deinen Wurf? Vielleicht hättest du ein kleineres Tier töten können.“ So stritten die Männer eine ganze Weile. Newa guckte in die Gegend und da entdeckte sie auf einmal die Büffelherde ein kleines Stück entfernt im Grasland. Ihre Flucht war nur kurz gewesen und jetzt grasten sie friedlich. Newa schubste ihren Vater an, der sich an dem Streit der Männer nicht beteiligt hatte.

„Schau mal, da vorne stehen die Büffel. Ihr könnt sie noch einmal jagen.“ Javor schaute auf. Seine Augen blitzten als er sagte.

„Wasor, sieh da hinten stehen die Büffel. Noch ist nichts verloren, aber ich habe eine andere Idee, wie wir sie jagen können.“ Wasor war sauer.

„Nein, nein wir versuchen es noch einmal auf die gleiche Weise.“ Jetzt wurde auch Javor sauer.

„Hör mir zu Wasor. Dort hinten ist eine kleine Felsspalte im Grasland. Wenn es uns gelingt, die Herde zu dieser Spalte zu treiben, werden vielleicht einige von ihnen stürzen und wir können sie erlegen. Ich hätte folgenden Plan. Zwei Jäger, Wasor und Gor warten versteckt in der Felsspalte, die anderen Jäger umgehen die Herde von hinten und die Jojos bleiben auf der anderen Seite. Auf mein Zeichen springen wir alle auf und machen Lärm. Die Büffel werden dann in Richtung der Felsspalte laufen und wir haben sie.“

Wasor guckte mürrisch. Aber die anderen Jäger fanden den Plan Javors gut. Kodar meinte.

„Das ist doch eine gute Idee, und wenn der Plan gelingt und mehrere Büffel stürzen, haben wir mehr Büffelfleisch als wir jemals hatten.“ Wasor dachte nach.

„Aber wir haben nicht genug Speere, es sei denn, ihr gebt Gor und mir alle eure Speere. Dann seid ihr unbewaffnet.“ Dies war ein schwieriger Vorschlag, denn ein Jäger gab niemals seinen Speer einem anderen Mann. Javor ergriff diese Chance und sagte.

„Gute Idee Wasor. Das war mir nicht eingefallen. Natürlich müssen wir dir und Gor unsere Speere geben, sonst könnt ihr die Büffel nicht töten. Uns nützen sie ja nichts.“ Wasor freute sich. Jetzt hatte er eine wesentliche Idee zur erfolgreichen Jagd beigetragen und konnte deswegen dem Vorschlag Javors zustimmen. Er stellte sich groß auf.

„Also los. Tugor du führst die Jojos. Schleicht euch an die Büffel heran aber nicht zu nahe. Stellt euch in einer Linie auf, und sobald die Jäger aufspringen, tut ihr das gleiche und schreit und winkt was das Zeug hält. Wenn ihr an eurer Position seid, hebt der Führer jeder Gruppe die rechte Hand sodass sie über dem Gras zu sehen ist, damit Javor das Zeichen geben kann. Wollen wir mal hoffen, dass es diesmal klappt.“

Die Gruppen verteilten sich. Wasor und Gor nahmen alle Speere und schlichen im Gras zu der schmalen Felsspalte, die sich in einiger Entfernung durch das Grasland zog. Javor, Bandor und Kodar umschlichen die Büffelherde in einem weiten Bogen und die Jojos schlichen direkt auf die Büffel zu. Endlich hob Tugor langsam seine Hand. Die Jojos waren in Position. Es dauerte einige Zeit. Dann tauchte zuerst Wasors Hand aus dem Gras auf. Sie war kaum zu sehen. Nur wenn man wusste wo die Spalte war, konnte man sie erkennen. Es dauerte noch einige Minuten, dann tauchte auch Javors Hand in der Nähe der Büffelherde auf. Die Jojos waren ganz aufgeregt. Gleich ging es los und sie waren an der Jagd beteiligt.

In diesem Moment sprangen Javor, Kodar und Bandor aus dem Gras und liefen laut schreiend auf die Büffelherde zu. Sofort rannten die Büffel los.

„Los,“ schrie Tugor und die Jojos sprangen ebenfalls aus dem Gras in die Höhe und wedelten mit den Armen. Die Büffel sahen die Jojos und erschraken wieder. Sie machten eine Wendung und galoppierten jetzt direkt auf die Felsspalte zu, in der Wasor und Gor warteten. Javors Plan schien zu funktionieren.

Dann passierte es. Der erste Büffel stolperte und stürzte. Die anderen wichen aus, ein Teil fiel in die Spalte, ein anderer Teil machte einen Bogen und lief an der Spalte vorbei. Wasor und Gor sprangen auf und stürzten sich auf die gestürzten Büffel. Da sie sehr nahe an den Tieren waren, konnten sie in kurzer Zeit mit ihren Speeren vier Büffel töten. Die anderen sprangen auf und liefen davon.

Kurz darauf hatten die Jojos und die anderen Jäger Wasor und Gor erreicht. Sie stimmten alle ein Freudengeheul an. So viele Büffel hatten sie noch nie bei einer Jagd erlegen können. Sie waren mächtig stolz auf sich und klopften sich immer gegenseitig auf die Schulter. Wasor umarmte Javor und sagte.

„Das war eine tolle Idee von dir mit der Treibjagd. Ja, so wollen wir eine solche Jagd jetzt immer nennen. Das hat gut geklappt. Und ich habe sogar meinen Speer wieder. Der Bulle hat ihn verloren als er stürzte. Leider ist er aber davongelaufen.“ Es dauerte eine Weile, bis sich die Männer beruhigt hatten. Dann wurden sie still und guckten sich gegenseitig an. Kodar stellte als erster die Frage, die allen im Kopf herum ging.

„Und jetzt? Wie kriegen wir die vier Büffel zu unserer Höhle?“ Das hatte sich niemand überlegt. Normalerweise hätten die Männer einen Büffel zerteilt und jeder hätte ein Teil tragen können. Aber vier Büffel? Das waren einfach zu viele.

„Wir nehmen nur einen Büffel und lassen die anderen hier,“ schlug Bandor vor. „Holen wir einfach den Rest morgen.“

„Das geht nicht,“ sagte Gor. „Die Tiere ziehen sofort die großen Raubtiere an. Morgen ist das richtig gefährlich sich hierher zu wagen. Da kann man schon mal einen Säbelzahntiger oder große Hyänen treffen.“ Wasor nickte. Auch Javor hielt nichts von dem Vorschlag Bandors. Ratlos blickten sie sich an.

Newa hatte auf einmal Angst bekommen vor den großen Raubtieren und schaute sich aufgeregt um. In der Nähe standen einige dünne Bäume im Grasland. Der Wald mit den großen Bäumen, auf die man im Notfall schnell klettern konnte, war weit weg. Auch der kleine Bach war nirgends zu sehen, aber man konnte ihn in der Nähe plätschern hören. Die Männer diskutierten und begannen den ersten Büffel zu zerlegen. Sie hatten sich entschieden wirklich nur einen Büffel mitzunehmen und die anderen liegen zu lassen. Sie waren wohl umsonst getötet worden. Da kam Newa eine Idee.

„Javor, Javor wie wäre es, wenn wir aus diesen Bäumen da hinten und zwei Büffelfellen eine Rutsche bauen und die Büffel aufladen und über das Land ziehen?“ Javor schaute sie überrascht an. Wasor schimpfte.

„Newa halte deinen Mund. Du als jüngste Jojo hast gar nichts zu sagen hier in der Wildnis.“ Newa verstummte erschrocken. Das hatte sie nicht erwartet. Auch die anderen schwiegen. Lange. Dann kratzte sich Wasor am Kopf. Erst einmal, dann nochmal. Javor guckte in die Luft. Die anderen guckten zu den Bäumchen.

„Los,“ rief Wasor. „Schnell, bevor es dunkel wird und die Raubtiere kommen. Gor und Kodar, ihr zieht zwei Büffelfelle ab, Javor und Bandor ihr fällt die Bäumchen, Newa, Gala und Iso ihr schneidet dünne Fellstreifen, um die Bäume zusammenzubinden und der Rest zerteilt die Büffel. Nehmt nur das Fleisch mit. Keine Köpfe, keine Hörner, keine Knochen.“

Alle sprangen auf und fingen an zu arbeiten. Es dauerte nicht lange, da waren die Rutschen aus jeweils zwei Baumstämmen und einem Büffelfell zusammengebunden und konnten mit dem Büffelfleisch beladen werden. Alle waren geschwitzt aber zufrieden. Noch schien die Nachmittagssonne hell und stand hoch über dem Horizont, als die Jäger aufbrachen, um ihre Beute nach Hause zu transportieren. Jeweils ein Jäger und zwei Jojos zogen eine Rutsche. Drei Jäger bewachten die Gruppe und passten auf. Und Newa ging vorneweg, weil sie die Jüngste war und noch nicht so schwer tragen konnte. Die Gruppe kam gut voran und bald konnten sie in der Ferne ihre Höhle erkennen. Als sie näher kamen winkte Newa und rief laut.

„Schnee – Auf“. Es dauerte nur wenige Minuten, da sah sie einen weißen Punkt aus der Höhle kommen, den Berg hinunter flitzen und im Gras verschwinden. Schnee hatte sie gehört und kam zu ihr. Newa freute sich riesig. Etwas später schoss ein weißer Fellball aus dem tiefen Gras heraus und sprang an Newa in die Höhe. Schnee hatte seine Wolfsmami gefunden.

„Oh wie schön, dass du da bist,“ rief Newa. „Stell dir vor. Wir haben vier Büffel erlegt. Wir haben jetzt ganz viel zu essen. Auch du wirst immer satt werden.“ Schnee sauste ständig um Newa und die anderen herum und wedelte wie verrückt mit dem Schwanz. Wasor war etwas genervt.

„Warum ist dein komischer Wolf jetzt plötzlich bei uns? Er hat hier auf der Jagd nichts verloren. Das hier ist kein Spiel.“ Newa erschrak. Sie packte Schnee und sagte.

„Sei ganz ruhig.“ Sofort beruhigte sich Schnee und lief neben Newa her. Die Höhle kam immer näher, während die Sonne langsam unterging und die Dämmerung einsetzte. Da blieb Schnee plötzlich stehen. Er hielt die Nase nach links und hob seinen linken Fuß hoch. Seine Nackenhaare stellten sich auf und er begann leise zu knurren.

„Komm“, sagte Newa, aber Schnee blieb stehen. Inzwischen hatten die anderen Jäger bemerkt, dass Newa und Schnee standen.

„Was ist los?“ fragte Javor.

„Schnee hat etwas gerochen. Da vorne muss etwas im Gras sein,“ meinte Newa. Sofort packte Javor seinen Speer fester und winkte Bandor zu sich. Langsam schlichen sie durch das Gras.

Da passierte es. Bevor Newa ihn festhalten konnte, duckte sich Schnee und verschwand im Gras. Wenige Sekunden später hörten ihn alle laut bellen und im nächsten Moment sprang ein Fuchs auf und verschwand mit großen Sätzen in Richtung Wald. Die Männer lachten, als Schnee schwanzwedelnd zu Newa zurückkam. Sie streichelte ihn.

„Na du machst mir ja vielleicht Sachen. Verscheuchst einfach einen Fuchs,“ sagte sie. Sie lachte, aber insgeheim war sie sehr erschrocken und machte sich Gedanken. Der Fuchs war für die Gruppe kein gefährliches Raubtier gewesen aber es hätte ja auch ein großes Raubtier sein können. Und Schnee hätte es mit Sicherheit lange vor einem Jäger bemerkt. Der Fuchs hatte Angst vor dem Wolf gehabt obwohl Schnee ja noch ein sehr kleiner Wolf war. Aber anscheinend hatten der Geruch und das Gebell des Wolfes schon genügt, um ihn in die Flucht zu schlagen. Sie erzählte ihre Gedanken niemandem und beschloss alles am Abend mit ihrem Großvater Kato zu besprechen. Kurze Zeit später hatten sie die Höhle erreicht. Nachdem die Männer den Verlauf der Jagd berichtet hatten und alle etwas gegessen hatten, setzte sich Newa zu ihrem Großvater, er vor der Höhle saß.

„Du Kato,“ sagte sie. „Ich muss dir einiges berichten, was die Männer nicht erzählt haben.“ Ihr Großvater sah sie schweigend an. Dann lächelte er.

„Das habe ich mir schon gedacht,“ meinte er. „Dann fang mal an.“

„Die Männer haben nicht erzählt, dass ich die Idee mit der Rutsche hatte.“ Der Großvater lachte ein wenig.

„Na und? Die Männer sind so stolz auf den Jagderfolg und dir kann es doch egal sein. Hauptsache du weißt es noch.“ Newa war verdattert, aber wenn sie es sich so recht überlegte wusste sie, dass ihr Großvater recht hatte.

„Und dann die Geschichte mit Schnee. Er hat einen Fuchs im Gras gerochen und uns gewarnt. Dann ist der Fuchs weggelaufen, obwohl Schnee ja nur ein kleiner Wolf ist. Meinst du das liegt am Geruch von Schnee? Javor hat mir heute erzählt, dass Büffel vor Wolfsrudeln fliehen, wenn sie eins riechen. Und wir haben ja heute eine Treibjagd gemacht, indem wir Lärm gemacht haben, um die Büffel zu scheuchen. Da habe ich mir etwas überlegt. Vielleicht könnte Schnee ja bei einer Treibjagd mitmachen und mit seinem Wolfsgeruch auch Büffel scheuchen. Was meinst du Großvater?“ Newa schaute ihren Großvater mit großen Augen erwartungsvoll fragend an.

Ihrem Großvater stand der Mund offen. Er guckte Newa ganz verdattert an. So etwas hatte er noch nie gehört. Einen Wolf aufgrund seines Geruchs bei einer neuen Form der Jagd verwenden um Büffel aufzuscheuchen? Ein sehr merkwürdiger Gedanke. Aber Kato musste zugeben, dass der Gedanke in sich sehr schlüssig war. Als er dies gedacht hatte, machte er seinen Mund wieder zu. Er guckte Newa ernst an und sagte.

„Newa, das ist ein guter Gedanke aber ich weiß nicht ob er funktioniert. Jedenfalls darfst du das auf keinen Fall den Männern erzählen. Sie wären beleidigt. Du hast ja gesehen, wie schwierig es für sie ist, neue Gedanken anzunehmen, noch schlimmer, wenn sie von einem Kind kommen. Jedenfalls bin ich sehr stolz auf dich.“ Newa kuschelte sich an ihren Großvater. Ihr fiel ein, wie sie am Morgen mit Schnee gespielt hatte und wie sie ihm kleine Kunststückchen beigebracht hatte. Da wusste sie plötzlich, was sie am nächsten Morgen tun wollte.

Liebe/r junge/r Leser/in...

In der letzten Geschichte wurde eine Jagd auf Büffel beschrieben. Tatsächlich war die Jagd auf verschiedene Tiere das, was die Menschen jeden Tag tun mussten. Fanden sie keine Jagdbeute, mussten sie hungern. Im Laufe der Zeit entwickelten sie verschiedene Jagdtechniken, wie beispielsweise die in der Geschichte beschriebene Treibjagd. Und sie entwickelten Jagdwaffen und Werkzeuge zum Transport und zur Bearbeitung der Jagdbeute wie ein Messer oder ein Steinbeil.

Da die ersten Werkzeuge und Waffen aus Stein hergestellt wurden, gab man dieser Zeit den Namen Steinzeit. Tatsächlich sind die verschiedenen Werkzeuge, Waffen und anderen Dinge des alltäglichen Lebens wie beispielsweise ein Kochtopf oder eine Nähnadel zu ganz unterschiedlichen Zeiten erfunden worden. Oft kann man nicht einmal genau sagen, wann und wo das war.

Woran liegt das?

Die Zuordnung einer Erfindung oder Entwicklung zu einem Zeitabschnitt geschieht durch die Wissenschaft der Archäologie. Die Archäologen versuchen durch Dinge, die sie in der Erde finden, Rückschlüsse auf frühere Zeiten zu ziehen. Aber das Problem ist, dass es Zufall ist, was sie finden und, dass sie viele Dinge, die in der Erde liegen einfach nicht finden, weil sie nicht die ganze Welt umgraben können. Außerdem ist vieles, was es in der Steinzeit gab, einfach nicht mehr da. Zum Beispiel alle Tiere, die inzwischen ausgestorben sind. Auch unsere Vorfahren.

Du kannst Dir sicher denken, warum Steinwerkzeuge besser zu finden sind als zum Beispiel ein geflochtener Korb.

Na? ---- Stimmt.

Das Steinwerkzeug bleibt erhalten und der Korb ist inzwischen vermodert.

Bras Unfall

Als Newa aufwachte war sie zunächst ganz durcheinander. Sie hatte einen Traum gehabt, der sie beschäftigte.

Ganz alleine war sie über die große Graslandschaft gegangen, obwohl das ja verboten war. Sie hatte keine Angst gehabt, denn Schnee war bei ihr. Im Traum war er inzwischen zu einem großen, starken Wolf geworden.

Er ging neben ihr her und sie fühlte sich in seiner Gegenwart sicher. Sie gingen zu einem kleinen Hügel von wo Newa die Ebene besser überblicken konnte. Dort stellte sie sich auf und Schnee lief davon und verschwand im tiefen Gras. Dann sah sie auf einmal in der Ferne ein kleines Rudel Löwen, das langsam auf sie zu kam. Newa rief nach Schnee. Er war weg und sie bekam große Angst.

Plötzlich rannten viele Wölfe um sie herum. Ein großes Rudel war unterwegs und machte einen riesigen Lärm. Schnee war dabei. Newa hob ihre Hand und alle Wölfe standen still. Sie bewegte ihren Arm nach links und rechts und die Wölfe folgten ihrer Bewegung. Sie rannten immer im Kreis um Newa herum und schützten sie auf diese Weise vor den Löwen, die umkehrten und im großen Grasland verschwanden.

Dann war sie aufgewacht.

Sie dachte über ihren Traum nach. Wäre das wirklich eine Möglichkeit für die Menschen sich vor Großraubtieren zu schützen, indem sie Wölfe dressierten? Mit diesen Gedanken im Kopf stand sie auf. Schnee war schon wach und wartete auf sie. Newa aß etwas von dem gebratenen Büffelfleisch, was es gestern zum Abendessen gegeben hatte und stopfte eine große Handvoll in ihren Beutel.

„Komm mit Schnee,“ sagte sie und hob ihre Hand. Sofort kam Schnee an ihre Seite und sie gingen zusammen zur Höhle hinaus. Gor hatte Wache und winkte ihnen freundlich zu.

„Pass auf kleine Newa,“ rief er ihr zu. „Geh nicht zu weit weg. Aber ich sehe, du hast ja deinen Wolf dabei. Da kann dir ja nichts passieren.“ Newa winkte zurück und ging ein Stück in Richtung des Baches.

„So mein lieber Schnee,“ sagte sie. „Jetzt wollen wir mal sehen, was ich dir heute so beibringen kann.“ Schnee saß vor ihr und schaute sie erwartungsvoll an.

Newa sagte „Lauf“ und deutete mit ihrer rechten Hand nach rechts, aber Schnee schaute nur einmal kurz in diese Richtung, blieb aber erwartungsvoll vor ihr sitzen. Sie versuchte es noch einmal und hatte erneut keinen Erfolg.

„Vielleicht muss er erst mal kapieren, dass wir gerade wieder üben,“ dachte Newa. Also machte sie die Übungen vom Vortag mit Schnee. Setzen und stellen. Das funktionierte prima. Newa lobte Schnee und gab ihm ein kleines Stückchen Fleisch. Dann ließ sie ihn sitzen, ging weg und winkte ihn dann zu sich. Auch das ging prima. Aber wie sollte sie dem Wolf beibringen, dass er nach rechts von ihr weglief? Da kam ihr eine Idee. Sie nahm ein Stück Fleisch aus ihrer Tasche und warf es mit der rechten Hand weit nach rechts. Dazu rief sie laut „Hooohhh“. Sofort sauste Schnee hinter dem Fleisch her, schnappte es noch in der Luft und fraß es auf. Newa senkte ihre Hand, rief „Ab“ und Schnee setzte sich hin.

Dann warf sie ein Stück Fleisch nach links und rief laut „Heeehhh“. Schnee zischte los. Um das Fleisch zu fangen war er diesmal nicht schnell genug, aber er fand es sofort im Gras. So spielten sie eine Weile. Dann hörte Newa auf mit dem Fleisch zu werfen und winkte nur noch mit ihrer Hand nach links und nach rechts. Dazu rief sie immer „Hooohhh“ und „Heeehhh“. Schnee hatte seine Übung kapiert und lies sich von Newa nach links und rechts dirigieren wie es Newa wollte. Zwischendurch ließ sie ihn sitzen oder holte ihn zu sich.

Newa war glücklich. Sie hatte ihren Wolf dressiert und er machte genau was sie wollte. Sie fütterte ihn mit Fleisch bis ihr kleiner Beutel leer war und tollte mit ihm in der Sonne herum. Dann übten sie nochmal. Schnee hatte nichts vergessen. Einmal war Schnee so weit weggelaufen, dass er Newa kaum noch hören konnte. Newa rief so laut wie sie nur konnte, aber Schnee machte was er wollte. In ihrer Not pfiff Newa laut