Nichts muss beim Alten bleiben - Josef Ising - E-Book

Nichts muss beim Alten bleiben E-Book

Josef Ising

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Beschreibung

*************** Es ist eine verbreitete Auffassung von Glaubenswächtern, Dogmatikern, sogenannten Rechtgläubi­gen aber auch anderer hundertprozentig Überzeugter, dass an überlieferten Einstellungen und Standpunkten strikt festgehalten werden muss. Jegliche Veränderungen werden deshalb als Sakrileg eingestuft. Aus diesem Grund werden für Neuerungen rote Linien gezogen, Denk-Verbote aufge­stellt und neue Erkenntnisse verweigert. In vom Denken der Aufklärung geprägten Gesellschaften wird eine solche Einstellung allerdings abgelehnt. Denn sie ignoriert, dass Denken und Erkennen einer Entwicklung unterliegen. Nichts bleibt beim Alten. Auch Standpunkte und Glaubensüberzeu­gungen können sich verändern. Leben, Denken und zeitbedingte Erkenntnisse lassen sich nicht dauerhaft festhalten. Menschen stellen neue Fragen und lernen ständig dazu. Auch ein allmächtiger Gott, ein Gottessohn Jesus oder eine Jungfrauengeburt können so plötzlich in neuem Licht er­scheinen, weit weg von überlieferten Vorstellungen und damit manchmal verbundenen Missver­ständnissen. Die hier vorgelegten Beiträge geben Hinweise auf ein mögliches neues Verständnis von verbreiteten Überzeugungen, Glaubensvorstellungen und Verhaltensweisen. ***************

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Josef Ising

NICHTS

MUSS BEIM ALTEN BLEIBEN

UPDATES

FÜR

GLÄUBIGE

UND

UNGLÄUBIGE

© 2020 Josef Ising

Verlag & Druck: tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg

ISBN: 978-3-347-11575-0

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

„Nur eine Gruppe,

die ihrer eigenen Endlichkeit

zugestimmt hat,

ist dialogfähig.

Die Grundgefahr religiöser Systeme ist,

dass sie sich

nicht endlich denken können.”

Fulbert Steffensky

Inhalt

Cover

Titelblatt

Urheberrechte

Ein Einstieg

straßenkicker

Vorwort

Vom Glauben der Ungläubigen

Grundfragen

Standpunkte

Religiöses Grundbedürfnis

Glaube und Freiheit

Glauben und Wissen

Wahrheitsansprüche

Perspektiven

Wertequadrat

Dialogfähigkeit und Toleranz

judasliturgieen

osterhoffen

jenseitskonkurrenten

Gott muss nicht allmächtig sein

Gottesbilder

Kritische Anfragen

Selbstverständliche Allmacht

Gott und das Leid

Eine jüdische Stimme

Ein biblischer Befund

Liebe statt Allmacht

leidsinn

bildermacher

hiobsklage

Klapperstorchgeschichten und Bibeltexte

Sprache und Realität

Wörtlich nehmen

Sprachvielfalt

Dekodieren

Fundamentalistisches Bibelverständnis

Weitere Fehldeutungen

Aufgeklärtes Textverständnis

Sinnverständnis

advente

variationen

sonntag

Blutiges im Christenglauben

Blutiges in Wort und Bild

Die Opfervorstellung

Der Sündenbock

Vorstellungswechsel

Alternative Deutungen

Umsonst - ein Deutungsangebot

archetekten

entstaubungsfrage

luther

Sicherheiten und Veränderungen

Woher wissen die das

Fehlende Zurückhaltung

Gott bleibt unverfügbar

Überzeugungswandel

Kirchliche Weihnachtslieder

Kirchliche Osterlieder

Auferstanden oder auferweckt

entzweiflung

freudenspender

gebetswehen

Wenn jeder zum Mahl kommen darf

Streiterei

Die konfessionellen Lehrunterschiede

Mahlgemeinschaft bei Jesus

Gastfreundschaft

Bedingungslose Annahme

Angenommen

Abgrenzungen

herbergsuche

menschgeheimnis

unbrot

Christlich-katholisch nicht römisch-katholisch

Was bedeutet eigentlich katholisch

Die römische Anspruchshaltung

Neuauflagen alter Ansprüche

Theologische Kritik und Infragestellung

Mögliche Folgen eines geänderten Verständnisses

Katholisch - verbindend statt trennend

weg

netznachfolge

verweihnachtet

Glaubenssprache im Wandel

Sprache und Weltverständnis

Religiöse Sprache

Biblische Sprache

Entfremdete Sprache

Sprachwandel

Lebendige Sprache

Glaubenssprache im Aufbruch

wortfresken

wortwerdung

in pace

Gewaltig fromm

Gewaltverknüpfungen in der Vergangenheit

Gegenwärtige Gewaltverstrickungen

Gewalt zwischen religiösen Gruppen

Kulturelle Verdienste

Gewaltverständnis in der Bibel

Persönliche Entscheidungsspielräume

Plädoyer für ein weit gefasstes Gewaltverständnis

Formen versteckter Gewalt

Kirchliches Engagement

adventdunkel

ewigkeitssonntag

gebetfrage

Jesus-Prälaten und andere Versuchungen

Titel machen Leute

Kirchliches Titelangebot

Titel und Macht

Der bescheidene Anfang

Irrwege der Vergangenheit

Kritische Anfragen

Kleriker und Laien

Gerangel um die ersten Plätze

ausgeglaubt

versprechungen

verstaubt

Zum Ausklang

vertrauensbekenntnis

Autor

Nichts muss beim Alten bleiben

Cover

Titelblatt

Urheberrechte

Ein Einstieg

Autor

Nichts muss beim Alten bleiben

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Ein Einstieg

straßenkicker

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den

kirchen

oft

misstrauisch

beäugt

diese

straßenkicker

des

glaubens

unterwegs

mit

der

formel

gott ja

kirche nein

religiöser

breitensport

sozusagen

ohne

vereinszugehörigkeit

beitragszahlung

anlagennutzung

aber

dennoch

sinnhaft

unterwegs

Vorwort

Straßenkicker und Naturtalente gibt es viele. Auch dort sind sie anzutreffen, wo es um entscheidende Menschheitsfragen geht. Selbst grundlegende Entscheidungen werden manchmal auf diese spontane Art gefällt, auch Glaubensentscheidungen. Das muss manchmal so sein. Erich Fromm spricht von einem natürlichen religiösen Bedürfnis, das jeder hat. So gesehen scheinen alle Menschen gleich zu sein, nicht nur an Würde, auch an Grundfragen und Grundbedürfnissen. Überlieferte Sinnmodelle und Antworten auf diese Fragen werden in Weltanschauungen und Religionen bewahrt und tradiert. Dort sind sie aber nicht selten in vergangenen Denk- und Sprachformen dogmatisch erstarrt. Veränderungen werden oft unter Berufung auf göttliche Autorität ausgeschlossen und so wirken diese Angebote auf viele Menschen zunehmend eher befremdend als ansprechend.

Die folgenden Überlegungen verstehen sich als Impulse zu einem ergebnisoffenen Austausch über Auffassungen, Inhalte und Fragen aus solchem tradierten Glaubensumfeld. Sie greifen Themen auf, die bei Menschen zu Missverständnissen, Verärgerung und Ablehnung von Glaube, Religion oder Kirchen führen. Die Auslöser dafür sind sehr unterschiedlich.

Persönliche negative Erfahrungen, das Missverständnis biblischer Texte oder fragwürdige Gottesvorstellungen können dabei eine Rolle spielen. Für Außenstehende kaum nachvollziehbare theologische Streitereien und Argumentationen, etwa bei Fragen der Sexualmoral oder der Geschlechterrolle, tragen vielleicht auch ihren Teil dazu bei. Die religiöse Sprache, die Symbole, die Kultformen sind für viele Menschen unverständlich geworden. Sie wirken befremdend. Ein Blick auf eine oft umstrittene Kirchengeschichte und der häufig praktizierte Umgang mit Macht und Gewalt mag zusätzlich bewirken, zu Religion und Kirche auf Distanz zu gehen.

Bei Auseinandersetzungen mit diesen Themen kann es zwischen Glaubenden, Zweifelnden und Ablehnenden auch zu einem alle bereichernden Austausch über die unterschiedlichen Standpunkte kommen. Das setzt allerdings die Bereitschaft voraus, die eigene Überzeugung auch zu hinterfragen und nicht absolut zu setzen. Die hier angebotenen Denkanstöße sollen dazu einladen. Die Literaturhinweise können Interessierten aufzeigen, wo sie Vertiefendes oder Ausführlicheres zu den Ausführungen finden können. Zwischen den einzelnen thematischen Erörterungen sind lyrische Texte eingefügt als Einladung zum Pausieren und zu einer anderen Form des Nachdenkens.

Leben bedeutet nie Stillstand sondern Bewegung, Veränderung, Unterwegs-Sein, Suchen, Finden, Verlieren und Erreichen. In einer Aussage des bekannten Theologen Karl Rahner kann sich das widerspiegeln: „Der, der ich bin, grüßt trauernd den, der ich sein möchte.”

Dankbar bin ich meiner Frau, Irmgard, für ihre Anregungen beim Erstellen der Texte, ihr kritisches Nachfragen und ihre aufmerksamen Korrekturen.

Josef Ising

Vom Glauben der Ungläubigen

Grundfragen

„Anscheinend kommt es vor, dass wir nicht wirklich wissen, ob wir glauben - wir glauben es höchstens. Das lässt sich aber auch umkehren: Wer nicht zu glauben meint, weiß das vielleicht gar nicht, sondern glaubt, nicht zu glauben.

Sie ahnen – es geht hier nicht um ein Spiel mit Worten, sondern darum, einen Ausgangspunkt zu finden, der beiden Standpunkten – dem des Glaubens wie dem des Unglaubens – einigermaßen gerecht wird. Die Frage nach der Würde des Unglaubens kann nur dialogisch verstanden werden.” 1

Trifft das hier Gesagte zu? Wie steht es um die selbstverständliche, verbreitete und oft unversöhnlich anmutende Gegenüberstellung von Glaube und Unglaube? Sollte man die so bezeichneten Gläubigen und Ungläubigen einmal unter anderem Aspekt betrachten? Genau das soll bei den jetzt folgenden Überlegungen geschehen.

„Du sollst nicht mit der Tür ins Haus fallen”, fordert ein Sprichwort. „Die Wahrheit sollte sein wie ein Mantel, den du dem anderen hinhältst, damit er hineinschlüpfen kann, wenn er dazu bereit ist. Und sie ihm nicht wie einen nassen Lappen um die Ohren schlagen“, empfiehlt der Aphorismus, der Voltaire zugeschrieben wird. Trotzdem soll hier unvermittelt die These in den Raum gestellt werden: Wenn es um Antworten auf grundlegende Lebensfragen geht, gibt es nur Antworten von Gläubigen. Selbst Antworten derjenigen, die sich selbst als Agnostiker oder Ungläubige bezeichnen, formulieren in Wirklichkeit dabei immer nur eine Art von Glaubensbekenntnis. Ihre Aussagen sind Bekenntnisse. Das soll im Folgenden aufgezeigt werden.

Um die Beantwortung solcher Fragen geht es: Hat das Leben einen Sinn? Ist mit dem Tod für den Menschen alles aus? Gibt es noch eine andere Wirklichkeit als die uns derzeit zugängliche? Haben der unermessliche Kosmos und damit auch der Mensch ihren Ursprung in einem Schöpfungsakt? Gibt es einmal eine ausgleichende Gerechtigkeit für das himmelschreiende und oft ungesühnte Unrecht, das auf der Welt geschieht? Diese Liste ließe sich fortsetzen.

Standpunkte

Der französische Medizin-Nobelpreisträger Jacques Monod lieferte zu einer der oben genannten Fragen diese Antwort. „Das Leben ist auf der Erde erschienen; wie groß war vor dem Ereignis die Wahrscheinlichkeit dafür, dass es eintreffen würde? Aufgrund der gegenwärtigen Struktur der belebten Natur ist die Hypothese nicht ausgeschlossen - es ist im Gegenteil wahrscheinlich, dass das entscheidende Ereignis sich nur ein einziges Mal abgespielt hat. Das würde bedeuten, dass die a priori-Wahrscheinlichkeit dieses Ereignisses fast null war.” 2

Dem steht aber entgegen: „Wir möchten, dass wir notwendig sind, dass unsere Existenz unvermeidbar und seit allen Zeiten beschlossen ist. Alle Religionen, fast alle Philosophien und zum Teil sogar die Wissenschaft zeugen von der unermüdlichen, heroischen Anstrengung der Menschheit, verzweifelt ihre eigene Zufälligkeit zu verleugnen.” 3

Monod selbst hingegen ist überzeugt, dass Menschen nichts anderes als ein Produkt des Zufalls sind. Daher fordert er, wenn der Mensch „diese Botschaft in ihrer vollen Bedeutung aufnimmt, dann muss der Mensch endlich aus seinem tausendjährigen Traum erwachen und seine totale Verlassenheit, seine radikale Fremdheit erkennen. Er weiß nun, dass er seinen Platz wie ein Zigeuner am Rande des Universums hat, das für seine Musik taub ist und gleichgültig gegen seine Hoffnungen, Leiden oder Verbrechen.” 4

Das klingt alles durchdacht und begründet. Was Monod aber sagt, ist weder bewiesen noch beweisbar. Seine Aussagen beruhen vielmehr auf einer Entscheidung, die er auf der Basis seiner Überlegungen gefällt hat. Sie sind ihrer Art nach eine Glaubensentscheidung mit dem Bekenntnis: Der Mensch ist ein Zufallsprodukt. Das ist für ihn persönlich überzeugend, aber deshalb nicht zwingend für alle.

Es gibt sehr viele anders lautenden Glaubensantworten auf diese Frage nach der Entstehung der Welt und des Lebens. Zu der bekanntesten gehört wohl das Schöpfungslied, ein Hymnus mit sieben Strophen, das am Anfang der Bibel steht. Es ist vermutlich im sechsten Jahrhundert v. Chr. in Priesterkreisen entstanden und beginnt: „Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde” (Gen 1,1). Die sechste Strophe schließt mit den Worten: „Gott sah alles an, was er gemacht hatte: Es war sehr gut. Es wurde Abend und es wurde Morgen: der sechste Tag” (Gen 1,31). In der siebten Strophe lassen die Priester, im Hinblick auf das für sie bestehende Gebot der Sabbatruhe, dann auch Gott selbst von seinen Werken ausruhen und diesen Tag von ihm segnen und heiligen.

Zwei völlig unterschiedliche Antworten aus verschiedenen Zeiten und Perspektiven auf dieselbe Frage nach den Anfängen. Beide Antworten sind ihrer Art nach Glaubensbekenntnisse. Die Gültigkeit beider Aussagen entzieht sich zwingender naturwissenschaftlicher Nachweisbarkeit, auf die sich Menschen heute oft ausschließlich verlassen möchten.

Bei Antwortversuchen auf solche Grundfragen erscheint die Differenzierung zwischen Gläubigen und Ungläubigen ebenso unzutreffend wie unsinnig. Zumal diese verbreitete Unterscheidung für viele Menschen irrtümlich auch eine unterschiedliche Wertigkeit der gegebenen Antworten vortäuscht. Dieser Einschätzung kann man häufig begegnen, sie ist verbreitet. Da heißt es dann: Die Einen wissen, die Anderen glauben nur. Solche Fehleinschätzung verkennt völlig, dass es sich bei diesen Antworten um gleichwertige Aussagen handelt, lediglich aus unterschiedlichen Perspektiven.

Wer sollte denn abschließend darüber urteilen können, welche der Antworten auf die Frage nach einem möglichen Leben nach dem Tod berechtigter und richtiger sind als andere? Von welchem Standpunkt aus sollte das geschehen? Solche Antworten entziehen sich zwingender Beweisbarkeit. Sie provozieren aus diesem Grund immer die Entscheidungsfreiheit. Selbst wenn sich jemand dazu entschließt, die Antwort auf eine solche Frage lieber offen zu lassen und sich nicht festlegen will, fällt er damit eine Entscheidung. In gewisser Weise trifft hier zu, was Jean Paul Sartre formuliert hat: „Frei sein heißt zum Freisein verurteilt sein.”

Religiöses Grundbedürfnis

Es ist eine Tatsache, dass alle Menschen unausweichlich solchen Grundfragen begegnen in ihrem Leben. In irgendeiner Weise müssen sie dazu Stellung beziehen. „Der Mensch mag sein Orientierungssystem als ein religiöses ansehen, das sich von demjenigen im weltlichen Bereich unterscheidet, oder er mag glauben, er habe keine Religion, und seine Hingabe an gewisse, angeblich säkulare Ziele wie Macht, Geld oder Erfolg, für nichts weiter halten als eine Angelegenheit von etwas Nützlichem und Praktischen. Die Frage lautet nicht: ob Religion oder ob nicht, sondern – welche Art von Religion?” 5

Es ist wohl wirklich so, dass niemand sich mit seinem Lebensentwurf sozusagen im freien Fall befinden möchte, sondern dafür eine Art Aufhänger benötigt, von dem für ihn buchstäblich alles abhängt. Jeder Mensch benötigt eine Grundüberzeugung, ein Letztes, auf das er setzen kann. „Unter normalen Lebensumständen denken wohl die meisten Menschen nicht viel darüber nach, worauf das ihr Leben tragende Vertrauen eigentlich gründet. Oft wird man dessen erst inne, wenn der Halt unseres Vertrauens erschüttert und damit die Lebensfähigkeit selbst gefährdet ist."6

In Krisensituationen, wenn die Selbstverständlichkeit der Lebensabläufe unterbrochen werden und die alltägliche Weltsicht zusammenbricht, tritt dieses Grundlegende oft hervor. Das Bedürfnis nach Halt bricht plötzlich auf. Das ist scher mit ein Grund dafür, dass Menschen in ihrer Fassungslosigkeit dann – obwohl völlig ungewohnt – spontan Gebete formulieren, Gotteshäuser aufsuchen, Kerzen aufstellen als kleine Lichtpunkte im plötzlichen Orientierungsdunkel der Existenz. In Krisensituationen greifen viele Menschen gerne dankbar zu den Bild-, Symbol- und Verhaltensangeboten der sonst vielleicht von ihnen verschmähten traditionellen Sinninstitutionen.