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Nikolai Gogols 'Der Mantel & Die Nase' ist eine erzählerische Meisterleistung, die sowohl satirisch als auch realistisch ist. Das Buch besteht aus zwei Novellen, die das Leben im Russland des 19. Jahrhunderts beleuchten. Gogols literarischer Stil zeichnet sich durch seinen scharfen Humor und seine präzise Beobachtungsgabe aus, die die Absurditäten des Alltags treffend einfängt. Der Autor schafft es, seine Figuren so lebendig zu gestalten, dass der Leser sich mitten in ihre Welten hineinversetzt fühlt. Die Novellen sind nicht nur unterhaltsam, sondern bieten auch einen tiefen Einblick in die menschliche Natur und soziale Strukturen der Zeit. Gogols Werk steht im Kontext der russischen Literatur des 19. Jahrhunderts und hebt sich durch seine einzigartige Perspektive und seinen scharfen Blick auf die Gesellschaft hervor. Nikolai Gogol, ein ukrainischer Schriftsteller und Dramatiker, war bekannt für seine satirischen Werke, die die Absurditäten des menschlichen Daseins kritisch beleuchteten. Seine Erfahrungen als Immigrant in St. Petersburg prägten sein Schreiben und seinen Blick auf die Welt. 'Der Mantel & Die Nase' ist ein Muss für alle, die sich für russische Literatur und gesellschaftliche Kritik interessieren. Gogols Werk ist zeitlos und eröffnet dem Leser eine faszinierende Welt voller Witz, Ironie und tiefgreifender Einsichten.
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Inhaltsverzeichnis
I
Am 25. März geschah in Petersburg etwas ungewöhnlich Seltsames. Der Barbier Iwan Jakowlewitsch, der auf dem Wosnessenskij-Prospekt wohnte (sein Familienname ist in Vergessenheit geraten und selbst auf seinem Ladenschilde, das einen Herrn mit einer eingeseiften Wange und der Inschrift: »Und wird auch zur Ader gelassen« darstellt, nicht erwähnt), der Barbier Iwan Jakowlewitsch erwachte ziemlich früh am Morgen und roch den Duft von warmem Brot. Er setzte sich im Bette auf und sah, wie seine Gattin, eine recht ehrenwerte Dame, die sehr gerne Kaffee trank, frischgebackene Brote aus dem Ofen nahm.
»Heute möchte ich keinen Kaffee, Praskowja Ossipowna«, sagte Iwan Jakowlewitsch, »statt dessen möchte ich warmes Brot mit Zwiebeln.« (Das heißt, Iwan Jakowlewitsch wollte wohl das eine und das andere, er wußte aber, daß es unmöglich war, beides auf einmal zu verlangen, denn Praskowja Ossipowna mochte solche Launen nicht.) – Soll nur der Dummkopf Brot essen, um so besser für mich, – sagte sich die Gattin: – so bleibt mehr Kaffee für mich übrig. – Und sie warf ein Brot auf den Tisch.
Iwan Jakowlewitsch zog des Anstandes halber einen Frack über sein Hemd, setzte sich an den Tisch, nahm etwas Salz, schnitt zwei Zwiebeln zurecht, ergriff das Messer, machte eine wichtige Miene und begann das Brot zu zerteilen. Als er es in zwei Hälften geschnitten hatte, blickte er hinein und sah darin zu seinem Erstaunen etwas Weißliches. Iwan Jakowlewitsch kratzte vorsichtig mit dem Messer und tastete mit dem Finger. – Es ist etwas Festes, – sagte er sich, was kann es sein?
Er bohrte mit den Fingern und zog eine Nase heraus! … Iwan Jakowlewitsch ließ die Hände sinken; er fing an, sich die Augen zu reiben und es zu betasten: eine Nase, tatsächlich eine Nase! Sie kam ihm sogar bekannt vor. Iwan Jakowlewitschs Gesicht zeigte Entsetzen. Dieses Entsetzen war aber nichts im Vergleich mit der Empörung, die sich seiner Gattin bemächtigte.
»Wo hast du diese Nase abgeschnitten, du Unmensch?« schrie sie ihn wütend an. »Verbrecher! Trunkenbold! Ich selbst werde dich bei der Polizei anzeigen. Du Räuber! Drei Herren haben mir schon gesagt, daß du beim Rasieren so heftig an den Nasen ziehst, daß sie fast abreißen.«
Iwan Jakowlewitsch war aber mehr tot als lebendig: er erkannte, daß die Nase dem Kollegien-Assessor Kowaljow gehörte, den er jeden Mittwoch und Samstag zu rasieren pflegte.
»Halt, Praskowja Ossipowna! Ich will sie in einen Lappen einwickeln und in die Ecke legen: sie wird dort eine Zeitlang liegen, und dann trage ich sie weg.«
»Ich will davon nichts wissen! Niemals werde ich dulden, daß in meiner Wohnung eine abgeschnittene Nase herumliegt! … Du angebrannter Zwieback, du! Du kannst nur mit dem Messer auf dem Streichriemen herumfahren, wirst aber bald deine Pflichten nicht mehr erfüllen können, du Taugenichts, du Vagabund! Soll ich mich vielleicht deinetwegen vor der Polizei verantworten? … Du Schmierfink, du Dummkopf! Hinaus mit ihr, hinaus! Trag sie, wohin du willst! Daß ich von ihr nicht mehr höre!«
Iwan Jakowlewitsch stand wie zerschmettert da. Er überlegte und überlegte und wußte nicht, was er sich denken sollte. »Weiß der Teufel, wie das nur möglich ist«, sagte er endlich und kratzte sich hinter dem Ohre: »Ob ich gestern betrunken heimgekommen bin oder nicht, weiß ich nicht mehr. Es scheint doch eine außergewöhnliche Sache zu sein, denn das Brot ist etwas Gebackenes, die Nase aber etwas ganz anderes. Ich kann gar nichts verstehen!«
Iwan Jakowlewitsch verstummte. Der Gedanke, daß die Polizei bei ihm die Nase entdecken und ihn zur Verantwortung ziehen könnte, bedrückte ihn furchtbar. Ihm schwebte schon ein roter, schön mit Silber gestickter Kragen und ein Degen vor … und er bebte am ganzen Leibe. Endlich griff er nach seinen Unterkleidern und seinen Stiefeln, zog sich an, wickelte die Nase, unter gewichtigen Ermahnungen Praskowja Ossipownas, in einen Lappen und trat auf die Straße.
Er wollte sie entweder irgendwo liegen lassen, zum Beispiel auf einem Pfosten vor einem Tore, oder sie wie zufällig verlieren und dann in eine Seitengasse einbiegen. Er begegnete aber unglücklicherweise Bekannten, die ihn sofort fragten: »Wohin gehst du?« oder: »Wen willst du so früh rasieren?«, und Iwan Jakowlewitsch konnte keinen geeigneten Augenblick erwischen. Einmal hatte er die Nase schon verloren, aber ein Schutzmann winkte ihm von weitem mit der Hellebarde und sagte: »Heb auf, was du weggeworfen hast!« Iwan Jakowlewitsch mußte die Nase aufheben und in die Tasche stecken. Ihn überfiel Verzweiflung, um so mehr, als das Publikum auf der Straße beständig zunahm, je mehr Geschäfte und Läden geöffnet wurden.
Er beschloß, zu der Isaaksbrücke zu gehen: vielleicht gelingt es ihm, die Nase in die Newa zu werfen?… Aber ich fühle mich schuldig, weil ich noch gar nichts über Iwan Jakowlewitsch, diesen in vielen Beziehungen ehrenwerten Menschen, gesagt habe.
Iwan Jakowlewitsch war wie jeder ordentliche russische Handwerker ein furchtbarer Trunkenbold und, obwohl er jeden Tag fremde Bärte rasierte, immer unrasiert. Der Frack Iwan Jakowlewitschs (Iwan Jakowlewitsch trug niemals einen gewöhnlichen Rock) war gescheckt, das heißt schwarz, voller gelblichbrauner und grauer Flecken; der Kragen glänzte, und an Stelle von drei Knöpfen waren nur Fädchen zu sehen. Iwan Jakowlewitsch war ein großer Zyniker, und wenn der Kollegien-Assessor Kowaljow ihm beim Rasieren sagte: »Deine Hände stinken immer, Iwan Jakowlewitsch!«, so antwortete Iwan Jakowlewitsch mit der Frage: »Warum sollten sie stinken?« – »Ich weiß es nicht, mein Bester, aber sie stinken«, entgegnete der Kollegien-Assessor, worauf ihm Iwan Jakowlewitsch, nachdem er eine Prise genommen, die Wangen und die Stellen unter der Nase, hinter den Ohren und unter dem Kinne, kurz alles, was ihm einfiel, einseifte.
Dieser ehrenwerte Bürger stand schon auf der Isaaksbrücke. Er sah sich um, beugte sich dann über das Geländer, als ob er sehen wollte, ob viele Fische unter der Brücke schwimmen, und warf das Läppchen mit der Nase vorsichtig ins Wasser. Es war ihm, als hätte er sich von einer Last von zehn Pud befreit. Iwan Jakowlewitsch lächelte. Statt sich auf den Weg zu machen, um die Beamten zu rasieren, ging er auf ein Lokal mit der Inschrift »Speisen und Tee« auf dem Schilde zu, um sich dort ein Glas Punsch geben zu lassen, als er plötzlich am Ende der Brücke einen Revieraufseher von vornehmem Aussehen, mit breitem Backenbart, einem Dreimaster und einem Degen stehen sah. Iwan Jakowlewitsch erstarrte, aber der Revieraufseher winkte ihm mit dem Finger und sagte: »Komm mal her, mein Bester!« Iwan Jakowlewitsch wußte, was sich gehört: er zog schon von weitem die Mütze, kam schnell heran und sagte: »Ich begrüße Euer Wohlgeboren!«
»Nein, nein, Bruder, nichts von Wohlgeboren, sag mir lieber, was du dort auf der Brücke gemacht hast!«
»Bei Gott, Herr, ich ging zum Rasieren und wollte nur nachsehen, ob das Wasser schnell fließt.«
»Du lügst, du lügst, so kommst du mir nicht davon. Antworte bitte!«
»Ich will Euer Gnaden zwei-, sogar dreimal in der Woche unentgeltlich rasieren«, antwortete Iwan Jakowlewitsch.
»Nein, Freund, das sind Dummheiten! Ich werde schon so von drei Barbieren rasiert, und sie rechnen sich dies zur Ehre an. Sag mir lieber, was du dort getan hast!«
Iwan Jakowlewitsch erbleichte … Hier hüllen sich aber die Geschehnisse in einen Nebel, und es ist vollkommen unbekannt, was da weiter geschah.
II