Not Just A Rebound - Elina Krüers - E-Book
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Elina Krüers

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Beschreibung

**Spiel dich in mein Herz** Kayla führt auf den ersten Blick das perfekte Leben: Sie hat reiche Eltern, studiert Jura in Yale und erhält alles, was sich eine junge Frau nur wünschen kann. Doch der Schein trügt, denn sie ist so sehr in die Netze ihrer machthungrigen Familie verstrickt, dass sie kaum noch Luft bekommt. Nur ihre Liebe zum Basketball lässt sie manchmal frei und unbeschwert fühlen. Als sie auf den talentierten Basketballspieler Jordan trifft, gerät ihre Welt aus den Fugen. Er schafft es, ihr das Leben aus ganz anderen Blickwinkeln zu zeigen und die Grenzen des Möglichen neu zu definieren. Wenn da nur nicht Kaylas Familie wäre … Intensiver Sport-Liebesroman für alle, die aus ihrem Alltag ausbrechen wollen. Romantisch und knisternd bis zur letzten Seite! //»Not Just A Rebound« ist ein in sich abgeschlossener Einzelband.//

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Impress

Die Macht der Gefühle

Impress ist ein Imprint des Carlsen Verlags und publiziert romantische und fantastische Romane für junge Erwachsene.

Wer nach Geschichten zum Mitverlieben in den beliebten Genres Romantasy, Coming-of-Age oder New Adult Romance sucht, ist bei uns genau richtig. Mit viel Gefühl, bittersüßer Stimmung und starken Heldinnen entführen wir unsere Leser*innen in die grenzenlosen Weiten fesselnder Buchwelten.

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Elina Krüers

Not Just A Rebound

**Spiel dich in mein Herz**

Kayla führt auf den ersten Blick das perfekte Leben: Sie hat reiche Eltern, studiert Jura in Yale und erhält alles, was sich eine junge Frau nur wünschen kann. Doch der Schein trügt, denn sie ist so sehr in die Netze ihrer machthungrigen Familie verstrickt, dass sie kaum noch Luft bekommt. Nur ihre Liebe zum Basketball lässt sie manchmal frei und unbeschwert fühlen. Als sie auf den talentierten Basketballspieler Jordan trifft, gerät ihre Welt aus den Fugen. Er schafft es, ihr das Leben aus ganz anderen Blickwinkeln zu zeigen und die Grenzen des Möglichen neu zu definieren. Wenn da nur nicht Kaylas Familie wäre …

Wohin soll es gehen?

Buch lesen

Vita

Playlist

Danksagung

© privat

Elina Krüers denkt schon seit früher Kindheit in Geschichten und hat eigentlich immer etwas zum Schreiben dabei. Sie arbeitet im öffentlichen Dienst und wenn sie nicht gerade über Rechtsgutachten brütet, steckt sie wahrscheinlich in mehr oder weniger sauberen Laufsachen. Als begeisterte Sportlerin fasziniert sie die Welt des Leistungssports, die ihr ständig neue Ideen für tiefgründige, mitreißende und humorvolle Liebesgeschichten liefert.

I’m through with playing by the rules

Of someone else’s game

Too late for second-guessing

Too late to go back to sleep

It’s time to trust my instincts

Close my eyes and leap

Elphaba

Wicked – The Musical

Playlist

Middle Of The Road (Chaz Cardigan)

Wanted (One Republic)

Lights (Leland)

STAY (The Kid LAROI, Justin Bieber)

No Judgement (Niall Horan)

Vibes (Chase Atlantic)

Timebomb (WALK THE MOON)

If You Don’t Know (5 Seconds Of Summer)

Savior (One Republic)

Ghost (Justin Bieber)

Gravity (Chase Atlantic)

COMPLETE MESS (5 Seconds Of Summer)

Heat Waves (Glass Animals)

If Walls Could Talk (5 Seconds Of Summer)

Lose Somebody (One Republic)

The Only Reason (5 Seconds Of Summer)

Win Anyway (WALK THE MOON)

Bonustrack:

The Miss Marple Theme (Ron Goodwin)

1. Kapitel

Als ich aus dem Auto stieg, stand die Sonne bereits tief am pastellblauen Himmel und ihre sanften Strahlen malten golden schimmernde Punkte in die zartgrünen Kronen der Bäume. Ein frischer Wind, der von der nahen Küste herüberwehte, ließ die Blätter fröhlich tanzen und die abendliche Ruhe wurde nur von dem entfernten Geräusch eines Rasenmähers unterbrochen. Auf der anderen Straßenseite trabte eine Gruppe Jogger in dunkelblauen Yale-Bulldogs-Trikots an mir vorbei, aus dem nahegelegenen Park drang vereinzeltes Hundegebell an meine Ohren und ein Kerl auf einem Rad, das gefährlich stark mit Poloausrüstung beladen war, rollte in gemächlichem Tempo die Straße hinunter. Die Idylle war geradezu perfekt – genau so, wie man es in einem wohlhabenden Viertel einer neuenglischen Universitätsstadt erwarten würde. Aber leider stand meine Stimmung in lebhaftem Kontrast zu dieser Bilderbuchidylle.

Der Wind fuhr mir durch die Haare und wirbelte sie in alle Richtungen und ich strich sie mir wieder hinter die Ohren, wobei ich versuchte den dicken Kloß in meinem Hals herunterzuschlucken. Es war Spätsommer in Connecticut und da ich diese Jahreszeit über alles liebte, war ich normalerweise bis Labor Day, meistens sogar bis Columbus Day, bestens gelaunt. Doch trotz der harmonischen Abendstimmung und der lauen Sommerluft war mir gerade zum Heulen zumute.

Komm schon, Kayla, reiß dich zusammen, befahl ich mir mit aller Strenge, die ich aufbringen konnte. Ab heute war ich offiziell Studentin an der altehrwürdigen Yale University in New Haven. Die gesamten letzten Jahre hatte ich davon geträumt, hier Sportmanagement zu studieren, und obwohl ich mir diesen Tag anders vorgestellt hatte, würde ich ihn mir nicht verderben lassen. Nicht von meiner Mutter, nicht von meiner Großmutter und auch von niemandem sonst. Oder zumindest würde ich es versuchen.

Ich atmete zur Bestärkung einmal tief ein, dann schlug ich die Autotür zu und lief um den Wagen herum, um mein Gepäck aus dem Kofferraum zu holen. Es war nicht viel, ein großer Koffer, eine Sporttasche und mein innig geliebter Basketball, mehr nicht. Ich konnte mich noch lebhaft daran erinnern, wie das Gepäck meiner Schwester ausgesehen hatte, als sie hierhergezogen war. Sie hatte gefühlt ihr ganzes Zimmer mitgenommen und es hätte mich nicht weiter gewundert, wenn sie auch noch ihre Chaiselongue, ihr Himmelbett und unsere Großmutter eingepackt hätte. Ich war da deutlich genügsamer. Und für meinen Geschmack konnte ich gar nicht genug Abstand zwischen mich und das prunkvolle Richmond-Anwesen in Hartford bringen. Nicht selten hatte ich das Gefühl, das ganze Gelände sei schon mit der Mayflower nach Amerika gekommen, so sehr triefte es vor Tradition und Status. Nein, das war wirklich nicht meine Welt. Ich brauchte all den Glanz und Glamour nicht. Und genau deshalb fühlte ich mich schon beim Anblick des weißen Hauses mit dem terrakottafarbenen Dach, vor dem ich jetzt gerade stand, regelrecht erschlagen. Es war gigantisch, anders konnte man es nicht ausdrücken.

Das Haus lag in der Saint Ronan Street, ganz in der Nähe des Stadtzentrums in einer der besten Wohngegenden von New Haven und noch dazu in unmittelbarer Campusnähe. Mein Blick glitt über die hohen weißen Säulen, die ein großzügiges Vordach stützten, über die gepflegten Rosenbüsche und den säuberlich manikürten Rasen und mir sank ein dicker Stein in den Magen. Ich hatte gewusst, dass das Haus der edelsten Studentinnenverbindung dieser Gegend pompös war, aber trotzdem hatte ich nicht mit so viel Attitude gerechnet. Das Gebäude wirkte schon fast unpassend aufdringlich mit seinem schmiedeeisernen Tor und den Wasserspeiern auf dem Dach, selbst in dieser gut betuchten Gegend. Natürlich musste Connecticuts Upper Class auch hier ihren Stempel hinterlassen. Wie mir das alles gegen den Strich ging! Als ich die Aufnahmebestätigung für Yale bekommen hatte, war ich vor Freude in die Luft gesprungen und hatte mir geschworen, dass ich ab jetzt meine eigenen Träume verfolgen würde, und zwar unabhängig von meiner Familie und der sozialen Schicht, aus der ich stammte. Ich hatte es kaum erwarten können, das alles hinter mir zu lassen. Aber leider hatte eine Reihe unglücklicher Umstände dazu geführt, dass ich nun hier vor diesem Verbindungshaus stand, und mein Traum von Unabhängigkeit war wieder einmal in die Ferne gerückt.

Seufzend schlug ich den Kofferraumdeckel zu, griff nach meinem Gepäck und klemmte mir den Basketball unter den Arm, bevor ich mich eher widerwillig in Bewegung setzte. Meinen Koffer zog ich am Griff hinter mir her und die Rollen glitten fast geräuschlos über die sauber polierten, völlig unkrautfreien Pflastersteine des verschlungenen Gartenwegs. Während das hohe doppelflügelige Eingangsportal näherkam, wurde ich langsamer und schaute mich zögerlich um. Der Garten war riesig und die großzügige Veranda vor dem Haus stand voll mit bepflanzten Amphoren und verschnörkelten schmiedeeisernen Möbeln, die nicht besonders bequem aussahen. Mein Blick glitt über die hohen Mansardenfenster, die vielen Giebel und Erker und blieb schließlich an einer Gruppe Mädchen hängen, die auf ebenjenen Verandamöbeln saßen und bunte Cocktailgläser vor sich stehen hatten. Sie alle sahen aus, als habe man sie direkt von einem Filmset hierherbestellt. Ich blieb stehen. Die Mädchen hatten mich noch nicht bemerkt und ich nutzte die Gelegenheit, um mit schiefgelegtem Kopf das große, mit goldenen Buchstaben bepinselte Plakat zu betrachten, das quer über die hohe Eingangstür gespannt war. Kappa Alpha Omicron, las ich stumm und mein Herz sank noch ein Stückchen tiefer. Ich konnte nicht fassen, dass ich das wirklich tun musste. Aber was für eine Wahl hatte ich schon? Genau, gar keine. Also versuchte ich meinen Stolz herunterzuschlucken und setzte mich wieder in Bewegung.

Als ich gerade die steinernen Stufen zur Veranda erreicht hatte, ertönte ein lautes Quietschen aus dem Garten hinter dem Haus, gefolgt von dem geräuschvollen Spritzen von Wasser und vielstimmigem Gelächter. Schreckhaft, wie ich leider war, zuckte ich so heftig zusammen, dass ich die Kontrolle über mein Gepäck verlor. Mein Koffer krachte geräuschvoll zu Boden, die Sporttasche polterte auf die Verandastufen und mein Basketball donnerte mit voller Wucht gegen eine der Amphoren, die mit einem lauten Scheppern zu Boden ging. Und um alles noch schlimmer zu machen, hatten sich meine langen Haare mit dem Gurt meiner Sporttasche verheddert und ich geriet ins Straucheln. Ich schwankte für ein paar Sekunden auf der Stelle, dann verlor ich das Gleichgewicht und purzelte mit einem erstickten Quieken die Eingangstreppe hinauf. Auf den rotbraunen Fliesen der Veranda kam ich unsanft zum Liegen, und zwar genau vor den Füßen der Mädchen, die dort mit ihren Cocktails saßen und mich mit einer Mischung aus Verwirrung und Erheiterung musterten. Ich spürte, wie mir das Blut in die Wangen schoss, und am liebsten hätte ich mich in Luft aufgelöst. Himmel, so einen Auftritt konnte auch wirklich nur ich hinlegen. Warum musste meine Koordination mich grundsätzlich in den entscheidenden Momenten im Stich lassen? Das war nicht fair.

Während ich mit hochrotem Kopf versuchte mich aufzurichten und dabei meine Haare und den Gurt meiner Tasche voneinander zu trennen, sah ich ein paar dunkelblauer Riemchensandalen auf mich zukommen. Ich schaute nach oben und blickte in das hübsche Gesicht eines hochgewachsenen blonden Mädchens mit blendend weißen Zähnen. Sie blickte halb belustigt, halb mitleidig auf mich herab.

»Alles okay bei dir?«

»Ja«, murmelte ich beschämt und rieb mir den schmerzenden Ellbogen. Ich war ganz schön unsanft aufgekommen.

»Du musst Rochelles kleine Schwester sein«, stellte das Mädchen fest. Sie machte keine Anstalten, mir aufzuhelfen, sondern sah mich weiterhin von oben herab an.

»Ja«, sagte ich erneut, stemmte mich in eine würdevollere, sitzende Position und rappelte mich dann vom Boden auf. »Woher …?«, setzte ich an, aber das Mädchen ließ mich den Satz nicht zu Ende bringen.

»Oh, Rochelle hat uns vorgewarnt.«

Sie musterte mich für eine Sekunde, dann breitete sich wie auf Knopfdruck ein Lächeln auf ihrem Gesicht aus. Ich war sofort fasziniert von ihrer Gabe, sich auf Wunsch ein täuschend echt aussehendes Strahlen auf das Gesicht zu zaubern. Das war eine der Grundfertigkeiten, die man brauchte, um in Connecticuts Upper Class zurechtzukommen. Und leider eine Fertigkeit, die ich in meinen stolzen achtzehn Jahren noch nie beherrscht hatte. Und wahrscheinlich nie beherrschen würde. Mein Gesicht neigte dazu, Dinge zu tun, die definitiv nicht vorher mit mir abgesprochen waren.

»Du bist also Kayla Alexandria Richmond«, sagte das Mädchen und streckte mir ihre Hand entgegen. Perplex griff ich danach und schüttelte sie. »Ich bin Cassandra DuMont, Präsidentin von Kappa Alpha Omicron und damit die Nachfolgerin deiner Schwester.«

»Sehr erfreut«, rang ich mir ab und versuchte ihr professionelles Lächeln zu erwidern. Es gelang mir leider nur halb, denn ich war zu abgelenkt von der Geräuschkulisse, die aus dem Garten herüberschallte, und von den neugierigen Blicken der anderen Studentinnen. Sie machten jedoch keine Anstalten, ihre Plätze am Verandatisch zu verlassen. Cassandra drehte sich um, wobei sie mir bedeutete ihr zu folgen. Hastig raffte ich meine Sachen vom Boden zusammen, schnappte mir meinen Basketball und lief die paar Schritte über die Veranda hinter Cassandra her. Diese hatte sich an die anderen Mädchen gewandt und verkündete:

»Schwestern, das hier ist eine unserer diesjährigen Legacys. Sie ist die kleine Schwester von Rochelle. Kayla, das hier sind Clarisse, Sophia, Lorelai, Paris und Meredith.«

Sie deutete nacheinander auf jedes der Mädchen, die mich mal mehr, mal weniger freundlich anlächelten. Ich lächelte etwas gezwungen zurück und fühlte mich wieder einmal extrem fehl am Platz. Und ich hasste den Begriff Legacy. Wie man schon von Anfang an als »Nachfahrin« abgestempelt wurde, weil die weibliche Linie der Familie schon seit Generationen in der Verbindung gewesen war. Wo war denn da bitte der Freiraum für eine eigene Persönlichkeit? Aber Konzepte wie »eigenständiges Denken« wurden ja in meinen Kreisen ohnehin als unerwünschte Rebellion gegen das System geächtet.

»Also, Kayla, du bist mit eine der letzten, die ankommen. Wir warten nur noch auf zwei andere Mädchen, dann sind alle Neuen für dieses Jahr hier. Ich zeige dir jetzt dein Zimmer, dann kannst du auspacken und später zeigen wir dir das Haus. Heute Abend geben wir eine Poolparty, da kannst du die anderen Kappas kennenlernen.«

»Ja, und die süßesten Jungs des ganzen Campus. Du kannst dir auf unseren Partys die hübschesten aus jeder Sportart und jedem Fachbereich herauspicken«, kicherte eines der Mädchen – Clarisse, wenn mich nicht alles täuschte.

»Ist sie nicht mit Logan Mallory zusammen? Dem Sohn der Hauptkandidatin für die Gouverneurswahl dieses Jahr?«, fragte eines der anderen Mädchen, so als wäre ich gar nicht da.

»Ist sie«, bestätigte ein Mädchen mit platinblondem Pferdeschwanz. »Im Hartford Courant erscheint doch fast jeden Tag ein neuer Artikel über die beiden, wie sie auf den Wahlkampfveranstaltungen aneinanderkleben. Ihre Mom kandidiert doch zusammen mit Mrs Mallory, weißt du noch? Und ich habe gelesen, dass ihre Familien über Labour Day auf diesem Gestüt auf Martha’s Vineyard waren, auf dem angeblich schon Barack Obama Urlaub gemacht hat.«

»Na und?«, kicherte Clarisse. »Gucken darf sie doch wohl trotzdem. Tut Logan schließlich auch. Und außerdem soll er ja mit dieser Mary Flemming …«

Okay, das war dann jetzt mein Stichwort, so schnell wie möglich zu verschwinden.

»War echt nett euch kennenzulernen«, sagte ich mit einem gezwungenen Lächeln und drehte mich auf dem Absatz um. Dabei biss ich fest meine Zähne zusammen und versuchte mir nicht anmerken zu lassen, wie sehr mich dieser Kommentar getroffen hatte.

Cassandra lotste mich durch eine offenstehende Seitentür ins Innere des Hauses, zuerst in eine große Küche und dann in eine prunkvolle Eingangshalle. Flüchtig nahm ich das viele Kristall wahr, die Vergoldungen, die blank polierten Marmorböden, die cremeweißen Teppiche und das dunkle Mahagoni der Treppenstufen, die ich hinter Cassandra erklomm. Oben angekommen folgte ich ihr einen langen, von weiß lackierten Türen gesäumten Korridor entlang, bis sie schließlich ganz am Ende des Ganges zum Stehen kam.

»Wir haben leider nicht sehr viele Einzelzimmer und die sind alle für die höherrangigen Kappas reserviert«, erklärte Cassandra mit falschem Bedauern in der Stimme. »Du teilst dein Zimmer mit einer anderen Legacy. Wenn ein größerer Raum frei wird, könnt ihr nächstes Jahr vielleicht umziehen. Es ist etwas klein, aber Legacys haben bei uns nicht automatisch einen Anspruch auf ein großes Einzelzimmer.«

»Ich brauche gar kein Einzelzimmer«, sagte ich, aber Cassandra hörte mir überhaupt nicht zu. Sie stieß die Tür auf und bedeutete mir mit einer Handbewegung einzutreten.

»Deine Mitbewohnerin heißt Veronica Alicia Hastings. Sie ist im Moment nicht da, aber wie ich sehe, hat sie schon das Bett am Fenster genommen. Du musst dich also mit dem in der Ecke arrangieren.«

»Kein Problem.«

»Das nächste Bad ist am Ende des Flurs, das teilt ihr euch mit den anderen Neuen. Es ist ein bisschen klein und es hat keinen Whirlpool, aber dafür eine große Eckdusche und einen Erker.«

»Klingt doch super«, sagte ich gleichgültig und Cassandra setzte wieder ihr Knopfdrucklächeln auf.

»Du hast erstaunlich wenig Attitude für eine Richmond. Ich habe schon befürchtet, du machst Theater wegen der Zimmerverteilung.«

»Nein, alles gut. Hauptsache, ich habe ein Bett«, sagte ich.

Das entsprach zu einhundert Prozent der Wahrheit.

Meine Ansprüche an ein Zimmer waren ursprünglich sogar deutlich geringer gewesen, aber leider hatte ich trotz aller Anstrengungen nichts anderes finden können. Meiner Meinung nach war es ein schlechter Scherz des Universums, dass in ganz New Haven kein freies Wohnheimzimmer mehr zur Verfügung gestanden hatte. Von wegen, jeder Freshman in Yale hatte einen Anspruch auf einen Platz zum Schlafen. Wenn damit die Parkbank gemeint war, ja, dann vielleicht schon. Die Aussicht, mir einen Pavillon am See mit ein paar streunenden Katzen teilen zu müssen, war der einzige Grund, weshalb ich mich widerwillig dazu durchgerungen hatte, eine Kappa zu werden. Ansonsten wäre ich nie im Leben auf den Gedanken gekommen, freiwillig in dieses Haus zu ziehen. Ich hatte einfach nur ein Bett und ein paar Quadratmeter haben wollen, die nicht von meiner Familie kontrolliert wurden. Lieber hätte ich mir eine WG mit fünf ungewaschenen Kerlen geteilt, als hier einzuziehen. Aber nicht mal ein freies WG-Zimmer hatte ich gefunden. Und das wiederum hatte meiner Großmutter sehr in die Karten gespielt. Sie fand ohnehin, dass es für eine Richmond in Yale nur eine einzige angemessene Unterkunft gab, und das war das Haus von Kappa Alpha Omicron. Sie hatte ihren Willen bekommen und ich war machtlos dagegen – genau wie gegen ihren resoluten Wunsch (oder eher Befehl), dass ich Jura studieren und danach in die Richmond-Kanzlei einsteigen sollte. Aber das würde ganz bestimmt nicht passieren. Ich hatte nicht die geringste Absicht, mich von Paragrafen erschlagen zu lassen und mich jeden Tag meines Lebens zu Tode zu langweilen. Anstatt den Wünschen meiner Großmutter zu folgen, hatte ich mich daher heimlich für Sportmanagement eingeschrieben. Allerdings wusste davon niemand. Und es durfte auch niemals jemand erfahren.

»Na dann«, sagte Cassandra und beendete damit meine finstere Gedankenschleife. »Ich lasse dich mal in Ruhe auspacken. Komm nachher runter, wenn du so weit bist, ja?«

»Okay. Danke, Cassandra.«

»Keine Ursache, Legacy.«

Sie zwinkerte mir zu, lief den Flur entlang und war wenige Sekunden später außer Sicht. Ich hingegen zerrte meinen Koffer über die Türschwelle des Zimmers, ließ meine Sporttasche und den Basketball unfeierlich zu Boden fallen und zog die Tür geräuschvoll hinter mir zu. Mit einem genervten Seufzen ließ ich mich rücklings gegen die Tür sinken und schloss die Augen, dann atmete ich tief ein und aus und versuchte mir selbst Mut zuzusprechen. Ich musste versuchen weder die Kommentare der Kappas an mich heranzulassen noch die Tatsache, dass ich fürs Erste hier festsaß. Ich würde mir einfach ein dickeres Fell zulegen müssen, was Bemerkungen über mein Sozialleben anging. Das war immerhin nichts, das ich aus meiner Heimat nicht gewöhnt war. Ich würde klarkommen. Das hatte ich bisher noch immer geschafft. Und was die Wohnsituation betraf – das war nichts als ein kleiner Rückschlag auf meinem Weg in Richtung Unabhängigkeit und ich hatte so lang darauf hingearbeitet, dass es auf die paar Monate jetzt auch nicht mehr ankam. Das musste ich mir einfach immer wieder vor Augen halten. Ab jetzt würde ich all meine Energie in die Suche nach einem Job stecken, Geld sparen, hart arbeiten und mir meine Freiheit erkämpfen.

Erst als mir seltsam flau in der Magengegend wurde, merkte ich, wie lang ich die Luft angehalten hatte. Ich nahm einen tiefen Atemzug, bevor ich die Augen wieder öffnete.

2. Kapitel

Der Raum, in den ich getreten war, bildete einen so heftigen Kontrast zu dem makellosen Rest des Hauses, dass ich überwältigt im Türrahmen stehen blieb. Hier drinnen sah es aus, als wäre ein rasendes Nilpferd in vollem Tempo quer durch das Zimmer gewütet. Auf dem Bett neben dem Fenster lag ein buntes Durcheinander aus Kleidung, Büchern und Krimskrams verteilt und auch der helle Teppichboden davor war nur noch mit viel Fantasie zu erahnen. Die kleine Kommode neben dem Bett war übersät von Haarspangen, Make-up-Tiegeln und Schmuck. Ein Blick in den offenstehenden Einbauschrank gleich neben der Tür bestätigte endgültig, dass meine Mitbewohnerin ein Ordnungsproblem hatte. Ihre Kleider waren mehr schlecht als recht einsortiert, ihr halb ausgepackter Koffer lag offen mitten im Weg herum. Unter normalen Umständen wäre ich wahrscheinlich rückwärts wieder aus der Tür gestolpert, aber das hier waren keine normalen Umstände. Solange meine Mitbewohnerin nett war, konnte sie von mir aus auch ein Messie sein. Ich betete nur dafür, dass ich mir das Zimmer nicht mit einer klischeehaft arroganten Cheerleader-Queen teilen musste. Oder mit einem oberflächlichen, selbstverliebten Verschnitt meiner älteren Schwester, eine Vorstellung, vor der es mich insgeheim grauste. Für einen makellosen Rochelle-Verschnitt als Mitbewohnerin war es hier aber definitiv zu chaotisch. Tatsächlich war der einzige noch unangetastete Fleck in diesem Raum ein zweites Bett, das ganz hinten in einer Ecke an der Wand stand. Das war dann wohl meins.

Ich lief darauf zu, wobei ich sehr aufpasste nicht über den verstreuten Krempel meiner mysteriösen Mitbewohnerin zu stolpern, streifte mir die Turnschuhe von den Füßen und ließ mich rücklings auf die dicke, weiche Matratze sinken. Für einen Moment schloss ich die Augen und genoss die Stille hier oben. Ich überlegte kurz, ob ich den Elan hatte, meinen Koffer auszupacken, aber mein Enthusiasmus hielt sich in Grenzen. Vielleicht morgen. Oder nächste Woche. Oder wenn ich eine eigene Wohnung gefunden hatte.

Ein paar Sekunden später schwang die Zimmertür auf und krachte mit einem lauten Knall gegen die Wand. Ich fuhr erschrocken hoch und fasste mir an das heftig pochende Herz.

»Ups«, sagte eine verlegene Stimme, und im nächsten Moment erschien ein Mädchen mit hellbraunen Locken im Türrahmen. Sie balancierte einen hohen Stapel Handtücher in ihren Armen, der ihr Gesicht zur Hälfte verbarg. Nur ein Paar großer babyblauer Augen blinzelte mich über das oberste Handtuch hinweg an. Es war offensichtlich, dass sie die Tür blindlings und mit zu viel Schwung mit dem Fuß aufgestoßen hatte. An der Art, wie sie ins Zimmer gestolpert kam, erkannte ich, dass sie mindestens genauso tollpatschig war wie ich.

»Sorry, ich bin so ein Trampel«, sagte das Mädchen, ließ die Handtücher ohne viel Federlesen in ihren offenen Koffer fallen und machte einen Ausfallschritt über ihr eigenes Chaos hinweg in den Raum herein. »Du musst meine Mitbewohnerin sein, oder? Ach, Mist. Autsch.«

Sie war über ein paar Winterboots gestolpert und auf ihrem Hintern gelandet, mitten in einem Haufen Kleidung. Ich spürte, wie sich ein Grinsen auf meinem Gesicht ausbreitete, und sofort war mir leichter ums Herz. Leider hatte ich ihren Namen bereits wieder vergessen, aber das Mädchen war mir jetzt schon sympathisch.

»Alles okay bei dir?«, fragte ich und stemmte mich vom Bett hoch, um ihr aufzuhelfen. Nachdem ich sie auf ihre Füße gezogen hatte, richtete sie ihr verrutschtes Shirt und schenkte mir ein strahlendes Lächeln.

»Dankeschön. Alles bestens bei mir. Tut mir echt total leid, das hier.« Sie machte eine etwas hilflose Geste, die das gesamte Chaos im Raum einschloss. »Bin noch nicht zum Aufräumen gekommen. Mein Bruder hat meine Hilfe gebraucht, weil einer seiner WG-Mitbewohner sein Zimmer neu eingerichtet hat und sie jemanden gebraucht haben, der klein genug ist, um unter Schränke zu kriechen und die Stecker aus den Steckdosen zu ziehen. Und der genug Geduld aufbringt, um Ikea-Möbel zusammenzuschrauben. Die beiden waren nämlich kurz davor, alles zu Kleinholz zu zerhacken und die Montageanleitung im Klo runterzuspülen. Männer.«

Sie verdrehte die Augen und mein Grinsen wurde noch ein bisschen breiter. »Ich räum das noch auf, versprochen«, fügte sie dann hinzu.

»Mach dir keinen Stress«, winkte ich ab. »Mich stört das nicht.«

»Aber mich. Ich bin voll die Chaotin, echt schlimm. Na ja. Wie heißt du eigentlich?«

»Ich bin Kayla. Und du?«

»Veronica.«

Ach ja, stimmt. Gut, dass ich Cassandra so aufmerksam zugehört hatte. Nicht.

»Aber du kannst mich Ronnie nennen«, setzte sie hinzu, dann ließ sie sich rücklings auf ihr Bett plumpsen und klopfte einladend auf die Matratze neben sich. Ich kam ihrer Aufforderung nach und setzte mich.

»Du spielst Basketball?«, fragte Ronnie mit Blick auf meinen Ball, der immer noch dort lag, wo ich ihn vorhin hatte fallen lassen, gleich neben der Tür und mitten in einem Haufen aus Ronnies Klamotten.

»Früher mal«, sagte ich vage und versuchte den schmerzhaften kleinen Stich in meiner Brust zu ignorieren, so gut es ging.

»Cool, mein Bruder und seine Freunde auch. Die sind alle im Basketballteam der Uni«, sagte Ronnie. Sie musterte mich mit interessiert schiefgelegtem Kopf von der Seite. »Ich wäre auch gern gut im Sport, aber ich bin leider völlig talentfrei. Na ja, man kann nicht alles können.«

Sie grinste mich an und etwas an ihrer offenen Miene und ihrer herzlichen Art ließ mich hoffen, dass das mit dem Zimmer hier vielleicht doch nicht der Albtraum werden würde, den ich befürchtet hatte.

»Du bist auch eine Legacy, oder?«, wollte Ronnie wissen.

Ich nickte wenig enthusiastisch. »Mhm.«

»Was ist denn eigentlich dein Nachname?«

»Richmond«, seufzte ich und Ronnie machte große Augen.

»O wow. Die Richmonds sind Kappa-Urgestein. Ich glaube, seit der Gründung der Kappas ist jede einzelne Richmond Mitglied gewesen, oder? Und war nicht deine Schwester bis letztes Jahr Präsidentin?«

Ich nickte erneut. Ronnie pustete ihre Wangen auf und ließ die Luft geräuschvoll wieder entweichen.

»Dann musst du ja in ziemlich große Fußstapfen treten.”

»Ja, ich weiß. Gut, dass ich solche Quadratlatschen habe«, scherzte ich und wackelte mit den Zehen. Ronnie kicherte.

»Und wie bist du hierhergekommen?«, fragte ich, um das Thema von den Richmonds wegzulenken. Ich wollte nicht mehr über meine Familie nachdenken als unbedingt nötig.

»Meine Mom war auch bei den Kappas«, erklärte Ronnie mit leuchtenden Augen. »Ich finde es so toll, dass ich jetzt auch hier sein kann! Überhaupt, ist diese Legacy-Sache nicht megacool?«

»Hm«, machte ich. Meine Begeisterung hielt sich in Grenzen. Aber Ronnie merkte das anscheinend nicht, denn sie plapperte fröhlich weiter.

»Meine Grandma meint, wir Hastings-Frauen würden jetzt auch unsere eigene Kappa-Tradition aufbauen. Und mein Dad war ein nerdiger BWL-Student an der Yale School of Finance, so haben er und meine Mom sich kennengelernt. Ich hoffe, so was passiert mir auch«, setzte sie träumerisch hinzu. »So eine richtig schön kitschige College-Romanze, weißt du?«

»Ja, kann ich nachvollziehen«, lächelte ich. »Ich bin zwar selbst nicht so der romantische Typ, aber ich mag trotzdem total gern Happy Ends und kitschige Filme und so was.«

»Ich auch! Vor allem die Klassiker. Aber auch die ganzen neuen Netflix-Filme und -Serien, da sind so viele gute Sachen dabei.«

»Das stimmt«, bestätigte ich und Ronnie grinste anerkennend.

»Ich mag dich, Mitbewohnerin. Mit dir kann man was anfangen.«

Obwohl mir eigentlich gar nicht danach zumute war, musste ich lächeln. Ronnie war mir wirklich mit jeder Minute sympathischer.

»Also, ich würde ja sagen, wir könnten direkt mit dem Filmegucken starten«, sagte Ronnie, »aber dummerweise habe ich meinen Laptop bei meinem Bruder vergessen. Und außerdem hat der Blödmann meinen Popcornvorrat eingesackt, weil er und seine Kumpels irgend so ein Basketballspiel gucken wollen.«

»L.A Lakers gegen Chicago Bulls?«, fragte ich interessiert. Das Spiel lief heute Abend und als glühende Bulls-Verehrerin und Basketball-Nerd hätte ich es mir unter normalen Umständen nicht entgehen lassen. Vielleicht sollte ich Ronnie fragen, ob ihr Bruder noch ein Zimmer in seiner WG frei hatte – das klang nach dem perfekten Ort für mich.

»Öhm. Möglicherweise. Ich kenne mich da nicht aus«, sagte Ronnie achselzuckend. »Aber macht nichts, das mit den Filmen können wir ein anderes Mal machen. Und außerdem«, sie sah auf ihre Armbanduhr, »fängt gleich unten die Party an. Da wollte ich eigentlich hin und die anderen Kappas kennenlernen. Kommst du mit?«

»Ähm«, machte ich, und sofort sackte meine Stimmung wieder in den Keller. »Ich weiß nicht. Ich hatte eine lange Fahrt und bin ziemlich müde.«

Das war eine glatte Lüge, aber auf diese Party zu gehen war das Letzte, das ich heute Abend tun wollte.

»Ach, komm schon«, sagte Ronnie, rutschte von ihrem Bett und sah mich auffordernd an. »Du gehst jetzt ans College, schlafen kannst du, wenn du alt bist!«

»Ja, stimmt wohl. Geh du ruhig schon mal vor, ich komm gleich nach. Ich wollte noch meinen Freund anrufen«, log ich weiter.

»Oh, na gut. Aber lass nicht zu lange auf dich warten.«

»Mach ich nicht.«

Wenn ich in diesem Tempo weiterlog, würde meine Nase bald so lang sein wie die eines Ameisenbären.

»Dann geh ich schon mal, ich muss noch ins Bad und meine Haare in Ordnung bringen. Ich komme wieder, falls du nicht freiwillig runterkommst. Zur Not setze ich Gewalt ein«, drohte sie an und dabei sah sie in etwa so gefährlich aus wie eine Babykatze. Das musste an ihren großen blauen Kulleraugen liegen.

»Okay, verstanden«, gab ich nach und Ronnie verschwand durch die Tür.

Als sie weg war, griff ich nach meinem Handy und überlegte für ein paar Sekunden, ließ es dann aber wieder sinken. Ich war weder in Stimmung für eine Party noch wollte ich mit Logan telefonieren oder mit sonst irgendjemandem sprechen. Eigentlich wollte ich nur hier liegen, an die Decke starren, Musik hören und nicht nachdenken. Und genau das würde ich auch tun. Also zerrte ich meinen Schlafanzug aus meinem Koffer hervor, schälte mich aus meiner Jeans und ließ mich dann in meine Kissen fallen. Ich drehte mich auf die Seite, sodass ich das Chaos in unserem Zimmer überblicken und aus dem Fenster hinaus in den Abendhimmel schauen konnte.

Es hatte mittlerweile zu dämmern begonnen und irgendwann in den letzten Minuten hatte jemand eine Musikanlage aufgedreht. Ein dumpfer Bass vibrierte irgendwo im unteren Stockwerk und lauter werdendes Stimmengewirr war zu hören. Nach einer Weile stand ich auf und schloss das gekippte Fenster. Aber als es später wurde und das Tageslicht immer weiter schwand, ließ sich die Geräuschkulisse nicht länger aussperren. Es war jetzt so voll unten in Haus und Garten, dass das dichte Stimmengewirr und die Musik auch durch den Fußboden zu mir nach oben drangen. Aber eigentlich war es mir auch egal – ich war ohnehin viel zu aufgewühlt, um einzuschlafen. Obwohl ich froh darüber war, eine nette Mitbewohnerin zu haben, hatte das meinen Frust über die Gesamtsituation noch lange nicht gedämpft.

Je später es wurde, desto unruhiger wurde ich, und irgendwann hielt ich es nicht mehr in meinem Bett aus. Das wild kreiselnde Gedankenkarussell in meinem Kopf wollte sich einfach nicht legen, an Schlaf war nicht zu denken und ich musste dringend raus aus meinem Zimmer, sonst würde ich platzen. Aber auf diese Party würde ich definitiv nicht gehen. Ich warf einen Blick auf den Wecker auf Ronnies Nachttisch – 23:30 Uhr. Was konnte ich um diese Uhrzeit noch tun, das nichts mit Feiern und Alkohol zu tun hatte? Laufen gehen kam definitiv nicht infrage, ich kannte mich ja noch nicht mal aus hier in New Haven. Außer in der Sporthalle des Hauptcampus war ich noch nirgends gewesen, und – Moment mal. Die Sporthalle.

Abrupt setzte ich mich im Bett auf. Es war vielleicht weit hergeholt zu hoffen, dass die Trainingshalle auf dem Hauptcampus um diese Uhrzeit noch geöffnet war, aber ich konnte es ja zumindest einmal probieren. Alles war besser, als hier festzusitzen und an meinen eigenen Gedanken zu ersticken. Ich rutschte aus meinem Bett, zerrte mir die Schlafshorts von den Beinen und ersetzte sie gegen eine graue Sportleggings. Dann schnappte ich mir ein Sweatshirt, klemmte mir meinen Basketball unter den Arm und verließ das Zimmer.

3. Kapitel

Es war schummrig-dunkel in der Sporthalle. Die Gänge wurden nur durch kleine Notfallleuchten erhellt und ich brauchte ein paar Minuten, um mich zu orientieren. Zum Glück war es aber nicht schwer, den richtigen Weg zu finden, als sich meine Augen einmal an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Zu meiner Rechten befanden sich die Herrenumkleiden und gleich daneben wies ein großes Schild auf den Aufgang zum Spielfeld hin. Ich schlich mich durch den dunklen Korridor, stieg ein paar Stufen hinauf und fand mich in einer gigantischen, gähnend leeren und vollkommen dunklen Halle wieder. Für einen kurzen Moment überlegte ich, ob ich das Licht einschalten sollte, aber ich hatte zu viel Angst, entdeckt zu werden. Also begnügte ich mich mit dem schwachen Licht, das von den Leuchtzeichen über den Feuerschutztüren ausging, und mit dem sanften Schein des Vollmonds, der durch die hohen Fensterfronten in die Halle fiel.

Ich ließ meinen Blick über die verlassenen Tribünen gleiten, über das leere Spielfeld und die blinkenden Anzeigetafeln oben an den Seitenwänden der Halle. Ein wunderbar leichtes, warmes Gefühl durchströmte mich und ich nahm unwillkürlich einen tiefen Atemzug. Der Geruch von Gummi, abgestandener Luft und dem schwachen Hauch vieler Deos stieg mir in die Nase und augenblicklich fühlte ich mich ruhiger. Auf dem Basketballfeld war ich in meinem Element. Hier konnte ich einfach ich selbst sein und die Maske ablegen, die ich meiner Familie zuliebe so häufig aufsetzte.

Ich machte ein paar Schritte vorwärts und es war fast, als würde der Korb, der am anderen Ende des Feldes auf seiner Anlage in etwa drei Metern Höhe thronte, mich magisch anziehen. Ohne weiter darüber nachzudenken, ließ ich meine Tasche auf den Boden gleiten, schälte mich aus der Jacke und betrat das Feld, den Ball immer noch unter meinen Arm geklemmt. Ich fokussierte mich auf den Korb, dann schloss ich die Augen und sprang. Der Ball prallte vom Korbrand ab und flog in die entgegengesetzte Richtung. Mist. Es gelang mir gerade noch, ihn mit den Fingerspitzen zu erwischen, dann zielte ich erneut, sprang, warf – wieder gab es ein lautes Schnarren, als das Metall des Korbrandes getroffen wurde und der Ball abprallte, diesmal so heftig, dass ich ihn nicht mehr auffangen konnte. Er kullerte davon ans andere Ende des Spielfelds und ich gab ein frustriertes Schnauben von mir. Wie passend. Manchmal fühlte ich mich selbst wie ein menschlicher Rebound. Wie dieser eine dämliche Ball, der wieder und wieder vom Korbrand abprallt und einfach nicht sein Ziel finden will. Der eine Wurf, den man bis zum Umfallen übt und der einem doch nicht gelingt. Es war verdammt frustrierend. Aber es nützte ja nichts – je mehr ich mich in meine eigene Wut hineinsteigerte, desto schlimmer würde es werden. Ich würde keine Körbe werfen, solange ich so verspannt und frustriert war. Um mich zu beruhigen, nahm ich ein paar tiefe Atemzüge, dann sammelte ich den Ball ein, warf ihn ein paarmal in die Luft und fing ihn blind, bevor ich mich wieder in Bewegung setzte. Back to the basics. Loslassen, eins werden mit dem Ball, mit dem Feld, mit meinen Fähigkeiten. Nicht mehr nachdenken.

Sobald ich die ersten Schritte lief, den Ball zu dribbeln begann und das vertraute Aufprallgeräusch meine Ohren erfüllte, hörte ich auf zu denken. Ich konzentrierte mich nur noch auf den Ball in meiner Hand, auf den regelmäßigen Abstand, in dem er meine Hand traf und wieder auf den Boden prallte, und auf meine Schritte. Diesmal klappte es. Ohne zu schauen, wusste ich, wie weit der Abstand zum Korb war, und genau im richtigen Moment sprang ich hoch und der Ball verlor seinen Kontakt zu meiner Hand. Ich öffnete meine Augen gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie er sauber durch das Netz glitt, und während ich wieder auf dem Boden landete, schnappte ich mir den Ball und dribbelte gleich die ganze Länge der Halle zurück.

Ich hatte keine Ahnung, wie lange ich spielte. Sobald ich mich warmgelaufen hatte, begann ich schwierigere Würfe und Sprünge zu üben und je mehr ich mich anstrengte, desto mehr spielte ich mich selbst in Rage. Ich sprintete über das Feld, den Ball völlig unter Kontrolle, und dabei sah ich alles vor Augen, was mich gefangen hielt. Ich stellte mir meine Großmutter vor, meine Mutter und meine gesamte Familie, die auf dem Spielfeld herumstanden, den Weg zum Korb verstellten, mich ausbremsen, mich abblocken wollten. Mir Dinge zuriefen wie: »Nimm doch endlich Vernunft an, Kind«, »Kayla, lass den Unsinn«, »Verhalte dich doch einmal deiner gesellschaftlichen Stellung angemessen« und »Du wirst schon noch sehen, wohin dich deine Flausen bringen.«

Ich stellte mir vor, wie ich um sie alle herumdribbelte, ihren Hieben auswich, mich unter ihren verletzenden Worten hinwegduckte und sie alle ausspielte. Ich würde es ihnen noch zeigen. Niemand würde mir sagen, wie ich mein Leben zu leben hatte. Nicht mit mir, ab jetzt nicht mehr. Ich hatte viel zu viel Zeit damit verbracht, in eine Welt passen zu wollen, in die ich nicht gehörte. Damit war jetzt Schluss.

Mit einem frustrierten Schrei sprang ich in die Höhe und versenkte den Ball erneut im Korb, wobei ich mit der Hand den metallenen Korbrand berührte. Wenn ich so richtig sauer war, konnte mein Körper erstaunliche Kräfte freisetzen und meine Muskeln katapultierten mich viel höher, als man es bei meinen einen Meter sechzig Körpergröße vermuten würde. Ich sprintete die nächste Bahn hinunter, wobei ich jedes Mal, wenn der Ball auf den Boden prallte, einen lauten Fluch von mir gab.

Als ich das Ende des Felds erreicht hatte, drehte ich um, und dann, als meine Wut ihren Höhepunkt erreichte, setzte ich zu einem Sprint an. Ich dribbelte so schnell, dass ich nicht einmal mehr Zeit hatte zu fluchen. Als ich dieses Mal absprang, mit aller Spannkraft, die meine Muskeln hergaben, katapultierte es mich so hoch in die Luft, dass ich den Ball mit viel Kraft direkt von oben in den Korb schmetterte. Ich landete auf dem Boden und griff nach dem Ball und gerade, als ich ihn wieder in der Hand hatte, ertönte eine Stimme vom anderen Ende der Halle.

»Wow, das war ein astreiner Dunk!«

Ich sprang gefühlt drei Meter in die Luft vor Schreck und ließ den Ball fallen und während ich mit pochendem Herzen herumwirbelte, machte ich die Quelle der Stimme aus. Ein hochgewachsener, drahtiger Typ mit dunklen Locken kam lässig über das Feld geschlendert. Ich sackte erleichtert in mich zusammen und fasste mir an das rasende Herz. Weiß der Himmel, was ich gedacht hatte, wer da reingekommen war – Jack the Ripper vielleicht, wahlweise auch Ted Bundy. Aber der Anblick, der sich mir bot, war deutlich angenehmer.

Der Kerl hatte sich einen Basketball unter den Arm geklemmt, trug ein Yale-Bulldogs-Trikot und während er näherkam, konnte ich trotz des Schummerlichts breite Schultern und definierte Muskelstränge an seinen Armen und Beinen ausmachen. Ganz offensichtlich ein Spieler der Basketballmannschaft der Yale University. Als er mich erreicht hatte, verwandelte sich sein amüsierter Gesichtsausdruck in ein einnehmendes, sonniges Lächeln. Obwohl mein Herz vor Schreck immer noch viel zu schnell schlug, konnte ich nicht anders, als sein Lächeln zu erwidern, so ansteckend war es. Jedenfalls so lange, bis der Typ den Mund aufmachte.

»Das war echt beeindruckend. Nimm es mir nicht übel, aber bei deiner Größe und bei dem Abstand zum Korb dürfte das eigentlich gar nicht möglich sein, so rein gravitationskrafttechnisch gesehen. Kraft gleich Masse mal Konstante und so.«

Urgh, war ja klar. Den Spruch hatte ich schon einmal zu oft gehört. Nur ohne den Querverweis auf die Gesetze der Schwerkraft. Ich strich mir eine verschwitzte blonde Haarsträhne aus dem Gesicht und erwiderte schnippisch:

»Tja, ich mache mir nicht viel aus Physik. Aber danke für die Nachhilfestunde, Einstein.«

»Newton, wenn schon.«

»Wie bitte?«

»Newton war der mit der Schwerkraft. Einstein war der mit den gruseligen mathematischen Gleichungen.«

»Klugscheißer.«

Der Typ lachte glucksend und ich spürte, wie meine Mundwinkel erneut nach oben wanderten, obwohl ich es eigentlich gar nicht wollte.

»Ja, wem sagst du das, Schwerkraft ist ein blödes Konzept. Finde ich auch ziemlich hinderlich. Und ein Klugscheißer war Newton definitiv.«

Jetzt musste ich kichern. Ich wusste nicht, wie dieser Typ es geschafft hatte, aber irgendwie fühlte ich mich nach zwei Sekunden in seiner Gegenwart schon deutlich besser als vorher. Und dabei kannte ich ihn nicht einmal.

»Ich bin übrigens Jordan«, sagte er wie aufs Stichwort und streckte mir seine Hand entgegen. Ich griff danach und schüttelte sie und für einen Moment sahen wir einander in die Augen. Seine Augen faszinierten mich sofort – das dunkle, fast flüssig wirkende Braun seiner Iris war von zahlreichen goldenen Sprenkeln durchzogen, die wie kleine Sternchen aussahen und zu tanzen begannen, wenn er lächelte. Das konnte ich sogar im Halbdunkel der Halle erkennen und es brachte mich ganz schön aus dem Konzept.

»Ich bin Kayla«, sagte ich mit einigen Sekunden Verzögerung und ließ seine Hand etwas verlegen wieder los.

»Schön dich kennenzulernen«, sagte Jordan und musterte mich mit schiefgelegtem Kopf. »Ich hab das ernst gemeint, der Wurf eben war der Hammer.«

»Danke«, erwiderte ich und konnte nicht umhin mich ein wenig geschmeichelt zu fühlen. »Ich hab auch echt lange gebraucht, bis ich das so gut konnte.«

»Glaub mir, ich auch«, sagte Jordan achselzuckend.

»Was? Aber du bist ungefähr einen halben Meter größer als ich«, staunte ich und Jordan lachte wieder.

»Ja, ungefähr. Aber das hat ja nicht nur mit der Größe zu tun. Das braucht viel Können und einen gewissen Drive.«

»Stimmt wohl«, sagte ich und verlagerte mein Gewicht auf meinen linken Fuß. Allmählich wurde mir die Absurdität der Situation bewusst. Es war mitten in der Nacht und ich stand unter der Korbanlage in einer stockdunklen Sporthalle der Yale University und fachsimpelte mit einem völlig fremden Typen über Basketball. Und ließ mich in den Bann seiner ungewöhnlichen Augen und seines einnehmenden Lächelns ziehen, obwohl ich einen Freund hatte. Logan. Noch ein Thema, über das ich gerade nicht nachdenken wollte.

»Apropos Drive«, fügte Jordan hinzu, als habe er meine Gedanken gelesen. »Du musst einen echt miesen Tag gehabt haben, was?«

O nein, bitte nicht.

»Wie lange hast du mir schon zugeschaut?«, fragte ich, unsicher, ob ich die Antwort hören wollte.

»Eine Weile«, erwiderte Jordan und an dem amüsierten Funkeln in seinen Augen erkannte ich, dass er meinen kleinen Fluchausbruch vorhin sehr wohl mitbekommen hatte.

»Verdammt«, murmelte ich und er gluckste amüsiert.

»Halb so wild, muss dir doch nicht peinlich sein. Ich mache das auch dauernd.«

Er hielt den Ball hoch, den er sich unter den Arm geklemmt hatte.

»Musst du auch Aggressionen abbauen?«, fragte ich mit einem Blick auf den Ball und dann auf die Uhr über der Tribüne, die mittlerweile kurz nach eins anzeigte. Ich hielt es für höchst fragwürdig, dass die Basketballmannschaft ein nächtliches Training anberaumt hatte.

»So ähnlich«, sagte Jordan achselzuckend und passte mir den Ball zu. Ich fing ihn auf, passte zurück und bückte mich dann, um meinen eigenen Ball vom Boden aufzuheben.

»Tob dich ruhig aus, ich habe für heute genug herumgeschrien.«

»Ja, ich glaube, es gibt kein Schimpfwort, das diese Halle heute Abend nicht gehört hat. Wetten, sie würde sich die Ohren zuhalten, wenn sie könnte?«

Ich warf meinen Ball nach Jordan, der sich lachend wegdrehte, und der Ball flog an ihm vorbei und kullerte davon in Richtung meiner Tasche. Jordan streckte mir die Zunge heraus und da war es um mich geschehen – ich prustete los. Ich hatte keine Ahnung, wie dieser Junge es machte, aber irgendetwas an ihm löste die unerträgliche Spannung in meinem Inneren.

»Also, für so eine gute Basketballerin zielst du erstaunlich schlecht«, stichelte er.

»Ach ja? Vielleicht habe ich ja mit Absicht daneben geworfen. Aber falls dir deine Nase so nicht gefällt, wie sie ist, sag mir Bescheid. Ich kann auch ins Schwarze treffen.«

»Glaub ich dir aufs Wort. Hey, sicher, dass du für heute genug rumgeschrien hast?«, fragte Jordan, hielt mir auffordernd seinen Ball hin und grinste mich frech an. »Ich hab noch nie so viele gute Flüche auf einmal gehört. Von dir kann ich echt noch was lernen. Und du siehst gerade so aus, als würdest du mir gern noch einen Spruch reindrücken. Kann ich verstehen, ich höre öfter mal, ich wäre frech. Keine Ahnung wieso.«

»Woran das wohl liegen könnte? Aber nein, lass mal. Mein Fluchpotential ist für heute ausgeschöpft. Und ich sollte so langsam mal wieder nach Hause gehen.«

»Ganz sicher? Du könntest auch noch bleiben und ein episches Midnight-Battle mit mir spielen«, grinste Jordan und hielt mir erneut einladend den Ball hin. Ich schaute erst auf den Ball, dann in Jordans Augen, und für einen kurzen Moment war ich versucht einfach hierzubleiben. Obwohl ich ihn erst vor ein paar Minuten kennengelernt hatte, mochte ich Jordan wirklich gern. Er hatte es auf Anhieb geschafft, dass ich mich besser fühlte. Ich wusste nicht, wie er das machte, aber irgendetwas an seinem sonnigen Lächeln und seiner gewitzten Art bewirkte, dass ich meine Probleme für kurze Zeit vergaß. So jemandem war ich bisher noch nie begegnet. Aber es war spät und morgen musste ich früh aufstehen, wenn ich bei der Stellenbörse in der Uni noch einen guten Job abstauben wollte. Also schüttelte ich den Kopf und sagte:

»Danke für das Angebot, aber vielleicht lieber beim nächsten Mal.«

»Definitiv«, sagte Jordan, dann grinste er wieder und fügte hinzu: »Ich würde dich ja fragen, ob du Lust hast, morgen auf eine Party zu gehen, aber ich sehe, du bist schon schwer beschäftigt.«

Ich folgte seinem Blick, der auf meine Brust geheftet war, und dann hätte ich um ein Haar laut aufgestöhnt. Ich hatte mir zwar eine Sporthose angezogen, allerdings vergessen mein Schlafanzugoberteil gegen ein anderes Shirt auszutauschen. Quer über meine Brust zog sich in pinken Buchstaben der Schriftzug »I’m already tired tomorrow.«

O Gott, ich trug nicht einmal einen BH. Heilige Mutter Theresa, so etwas konnte auch nur mir passieren – Kayla, die Fettnäpfchenqueen. Wobei das hier schon eher eine Arschbombe in die Fritteuse war. Ich verschränkte die Arme vor der Brust und spürte, wie mir augenblicklich das Blut in die Wangen schoss.

»Hey, jetzt mach doch nicht gleich den Tomaten Konkurrenz«, scherzte Jordan. »War doch nur ein Witz.«

»Ja, und zwar ein echt guter. Meinerseits«, murmelte ich kopfschüttelnd. Wirklich, wie blöd konnte man sein? Den BH vergessen? Ernsthaft? Jordan jedoch begann herzhaft zu lachen.

»Keine Sorge, du bist nicht das erste Mädchen, das ich ohne BH sehe.«

Er wackelte mit den Augenbrauen und zog eine komische Grimasse und da musste ich auch lachen. Wie machte er das nur?

»Na, dann bin ich ja beruhigt«, grinste ich. »Ich geh dann jetzt mal nach Hause. Viel Spaß beim Fluchen.«

»Danke. Man sieht sich, Kayla.«

»Bestimmt«, erwiderte ich, dann drehte ich mich um, sammelte meine Sachen ein und machte mich auf den Weg zum Ausgang. Ich hörte, wie Jordan anfing den Ball zu dribbeln und ein paar schnelle Schritte vor dem Korb machte. Dem Klang der Schrittfolge nach zu urteilen arbeitete er an der Präzision seiner Angriffstechnik.

Als ich den Durchgang erreicht hatte, durch den ich vorhin in die Halle gekommen war, drehte ich mich noch einmal um. Jordan sprang in genau diesem Moment in die Luft, versenkte den Ball mit an Eleganz grenzender Leichtigkeit im Korb und drehte gleich wieder um, um erneut zum Angriff anzusetzen. Im Umdrehen fiel sein Blick auf mich und er hielt kurz inne, strich sich die dunklen Locken aus der Stirn und lächelte. Dann wandte er sich wieder dem Korb zu. Ich machte mich auf den Weg zum Ausgang und während ich langsam den schwach erleuchteten Platz vor der Medical School überquerte, merkte ich überrascht, dass sich das Lächeln auf meinem Gesicht gehalten hatte. Ich fühlte mich viel leichter als zuvor. Wie gut, dass ich um diese unorthodoxe Uhrzeit noch die Sporthalle aufgesucht hatte. Und wie gut, dass dieser fröhliche Typ mit dem losen Mundwerk die gleiche Idee gehabt hatte und wir uns über den Weg gelaufen waren. Das konnte doch kein Zufall sein. Ich fand, dass dieser Tag, wenn er auch ziemlich mies begonnen hatte, doch noch eine wirklich gute Wendung genommen hatte.

4. Kapitel

»Kayla! Kayla, jetzt wach endlich auf!«

Mit einem unwilligen Brummen wälzte ich mich auf die andere Seite und als jemand mit einem lauten Ratschen die Vorhänge vor dem Fenster beiseite zog, kniff ich geblendet die Augen zusammen. Gleißend helles Tageslicht durchflutete den Raum und ich blinzelte irritiert. Warum war das Licht am frühen Morgen schon so grell? Noch immer auf der Seite liegend spähte ich aus dem Fenster. Als ich realisierte, dass die Sonne bereits weit oben am Himmel stand, setzte ich mich schlagartig im Bett auf. Mein Kreislauf war bei dieser ruckartigen Bewegung nicht mitgekommen und es fühlte sich so an, als wäre mein Gehirn auf meinem Kissen liegen geblieben. Ich hielt mir die Hände vor die Augen, während der Raum sich vor ihnen drehte.

»Wie spät ist es?«, fragte ich, als sich der fiese Schwindel gelegt hatte. Ronnie, die in einem rosa Plüschbademantel über ihrem Pyjama und mit flauschigen Einhornpuschen an den Füßen ein sehr amüsantes Bild abgab, war gerade dabei, ein paar Kleidungsstücke aus ihrer Seite des Schranks zu zerren.

»Halb eins«, sagte sie und ich stöhnte laut auf und ließ mich zurück in meine Kissen fallen. Verdammt, ich hatte verschlafen. Ausgerechnet heute.

»Wir sind voll spät dran, alle anderen sind schon längst auf dem Campus bei den Infoständen. Ich habe kurz überlegt dir einen kalten Waschlappen ins Gesicht zu klatschen«, sagte Ronnie mit einem sadistischen kleinen Grinsen. »Ich dachte schon, ich bekomme dich gar nicht wach. Und dabei bin ich diejenige, die gestern Abend ungefähr die Hälfte ihres Körpergewichts in reinem Ethanol aufgenommen hat, nicht du.«

Sie hörte auf in ihrem Schrank zu kramen, schlappte auf ihren Einhornpuschen durch das Zimmer und ließ sich mit einem wenig eleganten »Uff« neben mich auf die Matratze plumpsen.

»Also, was ist deine Ausrede fürs Verschlafen? Ich war zwar gestern Abend etwas indisponiert, aber ich habe sehr wohl gemerkt, dass du nicht mehr dazugekommen bist. Ich hab’s aber nicht die Treppe hochgeschafft. Trink niemals Clarisse’ Tipsy Mermaid-Bowle, das ist das pure Höllenzeug.«

»Das klingt schon scheußlich«, fand ich und Ronnie nickte vehement.

»Schmeckt echt superlecker, ist aber genau deshalb fatal.«

Sie rieb sich über die Schläfen und jetzt, da sich meine Augen an das grelle Licht gewöhnt hatten, bemerkte ich, dass sie ziemlich grünlich im Gesicht aussah. Ich rieb mir über die Augen und ärgerte mich über mich selbst. Jetzt machte es auch keinen Sinn mehr, mich zu beeilen. Die Stellenbörse hatte um neun Uhr angefangen, die ganzen gut bezahlten Jobs waren mit Sicherheit längst weg.

»Also, warum warst du nicht dabei gestern Abend?«, hakte Ronnie nach und ich zuckte mit den Achseln, um Zeit zu schinden. Ich kannte sie noch nicht besonders lange, und deshalb wollte ich ihr nicht erzählen, dass ich mich mitten in der Nacht in die Sporthalle geschlichen hatte, um Basketball zu spielen. Und von meiner Begegnung mit Jordan würde ich erst recht niemandem erzählen. Zu Hause hatte es nie gut geendet, wenn ich mich jemandem anvertraut hatte.

»Ich war einfach nicht in Stimmung für eine Party«, erklärte ich daher schlicht und ließ mich resigniert zurück in meine Kissen fallen.

»Warum?«, wollte Ronnie wissen, kickte sich die Hausschuhe von den Füßen und zog ihre Beine an.

»Wo soll ich anfangen?«, murmelte ich und legte mir mein Kissen über den Kopf.

»Hat das vielleicht etwas mit deinem Freund zu tun?«, fragte Ronnie leise und ich nahm das Kissen wieder weg.

»Wie kommst du darauf?«, fragte ich scharf und Ronnie wich meinem Blick aus.

»Na ja«, begann sie, »die Mädels haben gestern Abend ein paar ziemlich fiese Sachen gesagt. Über deinen Freund, meine ich. Und sie haben ein paar echt gemeine Artikel von Klatschseiten gezeigt und dann diskutiert.«

»Super. Einfach großartig«, brummte ich und rieb mir heftig über die Stirn. Ronnie sah mich von der Seite an und ich hatte das Gefühl, dass sie sich mit Mühe verkniff nachzufragen, ob irgendetwas von dem stimmte, was man im Internet lesen konnte.

»Wenn du reden willst, ich bin für dich da«, sagte sie stattdessen und ich lächelte sie an.

»Danke. Aber im Moment möchte ich eigentlich nicht an Logan denken, wenn ich ehrlich bin. Und ich will mir meine ersten Tage in Yale nicht mit so einem Mist verderben.«