Notwendigkeit der Modellierung von Unsicherheiten in Fernerkundung und digitaler Bildverarbeitung - Daniel Tomowski - E-Book

Notwendigkeit der Modellierung von Unsicherheiten in Fernerkundung und digitaler Bildverarbeitung E-Book

Daniel Tomowski

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  • Herausgeber: GRIN Verlag
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2015
Beschreibung

Wissenschaftlicher Aufsatz aus dem Jahr 2015 im Fachbereich Medien / Kommunikation - Multimedia, Internet, neue Technologien, , Sprache: Deutsch, Abstract: Der Idealzustand für das Ergebnis eines räumlichen Klassifikationsprozesses ist eine Zuordnung der vom Aufnahmesystem registrieren Flächen (Pixel) zu eindeutig und scharf abgrenzbaren thematischen Klassen bzw. genauer gesagt die Zuordnung eines Objektes oder Pixels zu exakt einer Klasse (Löffler et al. 2005). In der Realität ist solch eine eindeutige Repräsentation nicht immer möglich. Die Gründe hierfür und die Möglichkeiten der Modellierung von Unsicherheiten durch die Fuzzy-Theorie im Rahmen einer Klassifikation sind Gegenstand des vorliegenden Aufsatzes.

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Inhaltsverzeichnis

 

1 Einführung und Klassifikationsprozess

2 Unsicherheiten in der Klassifikation

3 Grundlagen aus der Fuzzy-Theorie

4 Theorie der unscharfen Mengen

5 Zusammenfassung

6 Literaturverzeichnis

 

1 Einführung und Klassifikationsprozess

Der Idealzustand für das Ergebnis eines räumlichen Klassifikationsprozesses ist eine Zuordnung der vom Aufnahmesystem registrieren Flächen (Pixel) zu eindeutig und scharf abgrenzbaren thematischen Klassen bzw. genauer gesagt die Zuordnung eines Objektes oder Pixels zu exakt einer Klasse (Löffler et al. 2005).

In der Realität ist solch eine eindeutige Repräsentation nicht immer möglich, da nach (Tizhoosh 1998) sowohl in den Grauwerten (z. B. verursacht durch die Bildaufnahme oder Datenvorverarbeitung), der Geometrie (z. B. verursacht durch Segmentierungsverfahren oder unzureichendes Auflösungsvermögen) und bei automatischen wissensbasierten Klassifikationsverfahren (z. B. verursacht durch unzureichendes Expertenwissen) Unsicherheiten in den Daten und/oder dem Verarbeitungsprozess existieren, die das Klassifikationsergebnis bzw. die Aussagekraft verfälschen können. Eine detaillierte Kategorisierung von möglichen Unsicherheitseinflüssen sowie deren Ursachen sind z. B. bei (Gahegan, Ehlers 2000) zu finden.

Im Kontext der aktuellen technologischen Entwicklung, ist bei einem immer besserer werdenden spektralen und räumlichen Auflösungsvermögen neuer Sensoren die korrekte Zuweisung „unscharfer Übergangszonen“ zwischen diskreten Klassen ein wichtiges Thema: Insbesondere die Grenzverläufe von Objekten aus naturnahen Klassen (vgl. z. B. Heuvelink, Brown 2008) weisen in der Realität oft „fließende“ bzw. „unscharfe“ Übergänge auf (Beispiele: Grenze von Ozean und Strand oder Grenze von Wald an Wiese), die durch das erhöhte Auflösungsvermögen neuer Sensoren noch besser detektiert werden. Neben technologischen Gründen sind Klassengrenzen ebenso von tatsächlichen zeitlichen Variationen (jahreszeitliche phänologische Effekte wie Laubabwurf oder hydrologische Effekte wie Hochwasser) abhängig, die eine diskrete Zuordnung der Randbereiche in eindeutige Klassen erschweren.

Zur Modellierung dieser und weiterer Unsicherheiten existieren zahlreiche Theorien und Methoden, von denen die wichtigsten an dieser Stelle kurz genannt sein:

Wahrscheinlichkeitsbasierte Ansätzebefassen sich nach (Tizhoosh 1998) mit der Unsicherheit des Eintrittes eines Ereignisses.

Eine weitere Möglichkeit zur Modellierung von Unsicherheiten besteht in der Verwendung von Epsilon-Bändern (vgl. Lang, Blaschke 2007), die verschiedene Möglichkeiten der Zuordnung von Punkten zu Polygonen durch qualitative Beziehungen verwenden.

Auch ist eine Verknüpfung des Epsilon-Modells mit der Wahrscheinlichkeitstheorie möglich. So nehmen (Shi, Ehlers 1993) und (Shi et al. 1994) eine Verknüpfung vor, indem Wahrscheinlichkeiten der Zugehörigkeit von Punkten innerhalb des Epsilon-Bandes (hier S-Band genannt) zu einem Objekt über eine Zugehörigkeitsfunktion bestimmt werden können.

Letztendlich ist eine weitere wichtige Möglichkeit zur Modellierung von Phänomenen der Unschärfe bzw. Unsicherheit die Fuzzy-Theorie

2 Unsicherheiten in der Klassifikation

 

Als Folge verbesserter räumlicher Bodenauflösungen und höherer Informationsdichte werden nach (Schiewe, Ehlers 2007), (Schiewe, Gaehler 2008) zwischen klassifizierten Objekten, neue unscharfe Übergangszonen (Beispiel: Fließender Übergang von Wald (grün) zu Acker (gelb), vgl. Abbildung 1) detektiert. Diese Übergangszonen (ein in der Ökologie gebräuchlicher Begriff für natürliche Übergangszonen hierfür ist Ökoton[1]) weisen eine (im Vergleich zu niedrig aufgelösten Bilddaten) höhere absolute Pixelanzahl auf und können nicht immer eindeutig einer definierten Klasse zugeordnet werden. Da aber in der Regel diskrete Grenzen während der Auswertung als gegeben angenommen werden, entsteht zwischen Referenz- und klassifizierten Daten eine Unsicherheitszone, in denen die bisher vorgestellten Bewertungsmethoden zu falschen Ergebnissen führen können. Nachfolgende Abbildung verdeutlicht dies.

 

 

Abbildung 1. Visualisierung einer Unsicherheitszone (Eigene Darstellung).

 

Abbildung 1 zeigt einen Ausschnitt zweier angrenzender Klassen „Wald“ (grün) und „Acker“ (gelb) in der Referenz (links) und einem Klassifikationsergebnis (rechts). Ferner ist ein exakt georeferenzierter roter Punkt in beiden Datensätzen verortet. Außerdem wird angenommen, dass die Referenzdaten ungenauer sind, als das Klassifikationsergebnis. Wird unter diesen Annahmen der rote Punkt genauer analysiert, würden die bisher vorgestellten Verfahren zur Bestimmung der Klassifikationsgüte keine Übereinstimmung der Referenz- mit der Klassifikationsklasse (repräsentiert durch den Punkt) festgestellt werden, obwohl der untersuchte Punkt in der Realität der Klasse „Acker“ angehört. Ein Ansatz, diese Fehlzuordnung zu vermeiden, ist die Einbeziehung von unsicheren Übergangsbereichen während der Bewertung über die Definitionen von Zugehörigkeitsfunktionen aus der Fuzzy-Theorie (vgl. Kapitel 3).

 

Weiterhin wird der beschriebene Effekt der Unschärfe verstärkt, da mit pixelbasierten Klassifikationsalgorithmen aufgrund hochauflösender Bilddaten einer Zunahme der spektralen Varianz innerhalb von Klassen (Salz und Pfeffer-Effekt) zu beobachten ist (Schiewe, Tufte 2001), der einen Vergleich mit diskreten Referenzdaten erschwert.

 

Generell ist ferner nach (Schiewe, Ehlers 2007), (Schiewe, Gaehler 2008) eine Einteilung von diffizilen räumlichen Phänomenen in diskrete Klassen stark anwendungsabhängig und subjektiv (vgl. Zhang, Goodchild 2002), so dass vage Klassenkategorien (z.B. die Einteilung in „Stadt“ vs. „Vorort“ oder die Kategorisierung von Flächen in Kategorien „starke Zerstörung“ vs. „geringe Zerstörung“) entstehen, die aus den Referenzdaten unter Umständen nicht abzuleiten sind.

 

Auch ist nach (Zhang, Goodchild 2002) zu berücksichtigen, dass viele Bilddaten oft für eine eindeutige Zuweisung zu bestimmten definierten Klassenkategorien nicht geeignet sind, da der Informationsgehalt für die gewünschte Klassenbeschreibung unzureichend ist (Beispiel: unzureichende spektrale oder räumliche Auflösungen) und exakte Klassifikationsergebnisse gar nicht abgeleitet werden können.

 

Ferner wird von der Annahme ausgegangen, dass ein Bodenpixel konkret einer Klasse zugehörig ist. Liegen z. B. aber grobauflösende Mischpixel, d. h. inhomogene Bildelemente deren spektraler Wert aus dem Mittel der spektralen Werte benachbarter Oberflächenmaterialien resultiert, vor, kann es zu weiteren Fehlklassifikationen kommen, da ein Pixel in der Realität möglicherweise mehrere Klassen abbildet. Im umgekehrten Fall können bei hochauflösenden Daten einzelne reale Objekte einer definierten Klasse, auf Grund Ihrer höheren Bodenauflösung und höheren spektralen Varianz fälschlicherweise anderen Klassen zugeordnet werden. Um diese Fehler zu modellieren, schlägt (Foody 2001) den Einsatz von Zugehörigkeitsfunktionen aus der Fuzzy-Theorie vor

 

3 Grundlagen aus der Fuzzy-Theorie

 

Zur Modellierung von Unsicherheiten wird oftmals die Fuzzy-Theorie verwendet, die nachfolgend eskizziertwird. Wichtige Teilgebiete der Fuzzy-Theorie sind die Theorie der unscharfen Logik (engl.: fuzzy logic theory), die auf den in den zwanziger Jahren von Jan Lukasiewicz (1878-1956) veröffentlichten Arbeiten zur mehrwertigen Logik (siehe Lukasiewicz 1929) beruht und die Theorie der unscharfen Mengen (engl.: fuzzy set theory), die auf (Zadeh 1965) zurückgeht. Ferner ist noch die Fuzzy-Maßtheorie (engl: fuzzy measure theory) zu nennen, die in den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts erstmals von (Sugeno 1977) diskutiert wurde. Tabelle 1 stellt die Charakteristika der Theorien in Kurzform dar:

 

Tabelle 1: Teilgebiete der Fuzzy-Theorie (verändert nach Ott 2001).

 

 

Als Erweiterung der herkömmlichen Aussagenlogik widmet sich die Fuzzy-Logik der Verknüpfung unscharfer Aussagen, deren Wahrheitswerte zwischen den booleschen Werten „wahr“ oder „falsch“ liegen. Beispiele hierfür sind z. B. vage linguistische Kategorisierungen von Phänomenen durch Adjektive wie „scharf, mittel, weich“ oder „niedrig, mittel, hoch“ oder aber auch „kalt, warm, heiß“, die nicht exakt bestimmbar und mit Unsicherheiten behaftet sind. Die Fuzzy-Logik stellt über Wahrheitswertfunktionen „vage“ Bewertungen von Aussagen hinsichtlich Ihres Wahrheitsgehaltes dar, indem anstelle der Wahrheitswerte „wahr“ und „falsch“ ein Einheitsintervall [0,1] als Menge der Wahrheitswerte eingeführt wird und so unscharfes Wissen modelliert werden kann.

 

Die Fuzzy-Mengentheorie, auf die später (vgl. Kapitel 4) noch ausführlicher eingegangen wird, hat die vage Bewertung von Elementen bzgl. ihrer Zugehörigkeit zu einer Menge mittels spezieller Zugehörigkeitsfunktionen zum Ziel.

 

Nach (Ott 2001) geht es bei der Fuzzy-Maßtheorie darum, den Teilmengen einer gegeben Grundmenge Fuzzy-Maße[2]zuzuordnen, die bestimmten Anforderungen genügen, um vage Ereignisse bewerten zu können.

 

Da nach (Zimmermann, Angstenberger 1993) die Theorie der unscharfen Mengen sowohl als eine Verallgemeinerung der klassischen Mengenlehre als auch als eine Verallgemeinerung der zweiwertigen Aussagenlogik angesehen werden kann, wird auf einer Erläuterung der Fuzzy-Logik verzichtet, ebenso auf eine Erläuterung der Fuzzy-Maßtheorie. An dieser Stelle sei auf vertiefende Erläuterungen zu den Themenkomplex der Fuzzy-Theorie auf (Gottwald 1989), (Ott 2001), (Sugeno 1977), (Tizhoosh 1998), (Zadeh 1965) oder (Zhang, Goodchild 2002) verwiesen. Nachfolgendes Kapitel geht nur auf die Fuzzy-Mengentheorie ein, da diese oftmals im Rahmen von Auswertesystemen (vgl. Kapitel 5) der Fernzündung genutzt wird.

 

5 Zusammenfassung

Zusammenfassend sind die Vorteile des Einsatzes der Fuzzy-Theorie für Klassifizierungszwecke in der Fernerkundung und Bildverarbeitung nach (Tufte 2006) die informativere und potentiell genauere und bessere Aussagekraft. im Vergleich zu Ansätzen, die Unsicherheiten nicht berücksichtigen, kann der Auswerter die Zonen räumlicher Unsicherheit erkennbar machen und entsprechende Aussagen zur Validität der Klassifikation treffen. Ferner besteht in weiteren Verarbeitungsschritten die Möglichkeit der Ableitung von Informationen zur Klassenzusammensetzung bei Mischpixel In Folge zur geringeren Auflösung des Sensors über die Zugehörigkeitsfunktion (sofern diese die Realität abbildet).

Genereller Nachteil des Einsatzes der Fuzzy-Theorie für Klassifizierungszwecke ist nach (Gottwald 1989), dass bisher nicht die Frage geklärt wurde, was die Zugehörigkeitswerte eigentlich bedeuten und wie diese ermittelt werden. Im Rahmen der fernerkundlichen Auswertung können zwar durch die Integration von a priori Expertenwissen oder durch empirische Versuchsreihen („Trial and Error Prinzip“) passende Zugehörigkeitswerte und Funktionsverläufe abgeleitet werden, dennoch ist dies häufig mit einem hohen Zeitaufwand bei der Durchführung langwieriger empirischer Testreihen zur Ermittlung eines optimalen Funktionsverlaufes verbunden. Ferner muss vor dem Einsatz der Fuzzy-Theorie berücksichtigt werden, dass es sicherheitsrelevante Anwendungsbereiche (z. B. Bauingenieurwesen oder Militär) gibt, die keine Unsicherheiten in Bilddaten dulden können.

Einsatzbeispiele für das Konzept von variierenden Zugehörigkeiten für Klassifikationsaufgaben sind z. B. (Fisher 2000), (Stolz 1998) oder (Wang 1990) zu finden. Auch hat die Fuzzy-Theorie im Rahmen von objektorientierten fernerkundlichen Auswertesystemen (z. B. die Software Definiens Developer© der Firma Definiens AG oder ERDAS OBJECTIVE©der Firma Geosystems) Einzug und Anwendung in die fernerkundliche Praxis gefunden. Neben der Klassifikation finden Fuzzy-Ansätze aber mittlerweile ebenso im Rahmen der Bewertung von Klassifikationsergebnissen Anwendung, wie es z. B. bei (Schiewe et al. 2009) aufgezeigt wird.

6 Literaturverzeichnis

 

Fisher, P. (2000):Sorites paradox and vague geographies. In: Fuzzy Sets and Systems, Jg. 113, H. 1, S. 7–18.

 

Foody, G. M. (2001):Monitoring the Magnitude of Land-Cover Change around the Southern Limits of the Sahara. In: Photogrammetric Engineering & Remote Sensing, Jg. 67, H. 7, S. 841–847.

 

Gahegan, M.; Ehlers, M. (2000):A framework for the modelling of uncertainty between remote sensing and geographic information systems. In: International Society for Photogrammetry and Remote Sensing, S. Vol. 55, No. 3 (2000),176-188.

 

Gottwald, Siegfried (1989):Mehrwertige Logik. Eine Einführung in Theorie und Anwendungen.Berlin: Akademie-Verlag (Logica nova).

 

Heuvelink, G.; Brown, J. (2008):Uncertain Environmental Variables in GIS. In: Shekhar, Shashi; Xiong, Hui (Hg.): Encyclopedia of GIS. New York: Springer (Springer reference), S. 1184–1189.

 

Lang, Stefan; Blaschke, Thomas (2007):Landschaftsanalyse mit GIS. 20 Tabellen. Stuttgart: Ulmer (UTB Geowissenschaften, Biologie, Ökologie, Agrar- und Forstwissenschaften, 8347).

 

Lodwick, W.; Anile, M.; Spinella, S. (2008):Introduction.In: Lodwick, Weldon A. (Hg.): Fuzzy surfaces in GIS and geographical analysis. Theory, analytical methods, algorithms, and applications. Boca Raton: CRC Press , S. 1–46.