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Hollydeva, ein Mädchen auf dem Weg der Mystik, rettet alle Welten und erfährt die Wahrheit! Hollydeva lernt auf der Georgsburg, wo sie als Gehilfin ihres Vaters, des Groß-Inquisitors der Neun Nacharya, lebt, Astrello, den Sternenjungen, kennen. Guuz, das Gänseblümchen-Deva, gibt ihr den Auftrag, das Sterben der Bienen und Pflanzen zu verhindern, die von den Machenschaften der Alchymisten bedroht sind. Aber die Wizardeure, Zauberer und Magier, greifen die Georgsburg an! Hollydeva kommt auf die Lindeninsel, wo sie in die Klosterschule der acht mystischen Weltsichten aufgenommen wird. Sie wird „Schwester Scorpio“ bei den Raben. Aber um die Lindeninsel entbrennt eine Schlacht, die nur sie entscheiden kann!
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Seitenzahl: 616
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Erster Teil: Auf der Georgsburg
1. Kapitel: Astrello. Guuz. Seren
2. Kapitel: Der Orden. Der Nononn
3. Kapitel: Der Bhogi. Kalima
4. Kapitel: Tatu Njena. Peredur
5. Kapitel: Lyndonia. Miona
6. Kapitel: Zronn Saphed
7. Kapitel: Die Alchymisten
8. Kapitel: Eine Party im Verlies
9. Kapitel: Wizardeure
Zweiter Teil: Der Weg zum Noviziat auf der Lindeninsel
10. Kapitel: Ostreaux. Druyden. Odiën
11. Kapitel: Seherin Medea. Rokudan Aoi. Quavert
12. Kapitel: Großmutter Algard. Wesen
13. Kapitel: Baldar. Daman. Mechanische Fliegen
14. Kapitel: Äbtissin Tilia. Meisterin Fraxina. Prüfung
15. Kapitel: Acht Priore. Novizin Scorpio
16. Kapitel: Elf Gefährten. Ältere Novizen. Einar
Dritter Teil: Die erste Woche als Novizin auf der Lindeninsel
17. Kapitel: Appeso. Meisterin Corvanya. König Krama
18. Kapitel: Der Treueschwur der zwölf Novizen
19. Kapitel: Meisterin Castanea, Mutter
20. Kapitel: Meisterin Betula. Nachtwache
21. Kapitel: Meister Sycamor. Sieben Gebete
22. Kapitel: Feiertag. Spiel der Fünf Ebenen und Elemente
23. Kapitel: Im Garten. Die Geschichten der zwölf Novizen
Vierter Teil: Das Festjahr auf der Lindeninsel
24. Kapitel: Ein Abendfeuer zu Samhayn. Krafttier
25. Kapitel: Ein Festessen zu Yule. Im Yana der Tiger
26. Kapitel: Ein Lichterfest zu Ymbolc. Zurück im Refugium
27. Kapitel: Eier und Girlanden zu Oystara. Eine Spionin
28. Kapitel: Ein Hexentanz vor Beltayne. Botschaften der Bienen
29. Kapitel: Ein Sommerreigen zu Lytha. Nereïde Lykoria
30. Kapitel: Hitze zu Lammays. Slua. Verschwörungen
31. Kapitel: Erntedank zu Mabyon. Prior Alyapis
Fünfter Teil: Die Schlacht um die Lindeninsel
32. Kapitel: Meister Finster. Drachen und Seedämonen
33. Kapitel: Meeresgöttin Nammu. Seeskorpion
34. Kapitel: Meister Anguinaga. Seeschlange. Kymothoë
35. Kapitel: Familie Tondeuse. Priorin Urana
36. Kapitel: In der Tigerküche
37. Kapitel: Griseo, Albedo. Frau Lotus alias Fapha
38. Kapitel: Im Hain der Drachen
39. Kapitel: Äbtissin Tilias Anschlag
40. Kapitel: Äbtissin Tilias Erlösung
Hollydeva sah Astrello, den Sternenjungen, zum ersten Mal, als dieser von zwei kräftigen Kerlen der Dunklen Wärter in das Verlies gezerrt wurde.
»Ein Junge, nicht viel älter als ich«, wunderte sie sich. »Das ist merkwürdig. So ein junger Mensch, ein Kind! Warum soll der so gefährlich sein, dass er hierher gebracht wird?«
Sie war ebenso überrascht, als ihr Vater, der Inquisitor, sie am nächsten Tag ansprach und ihr mitteilte, dass sie zum Verhör des Jungen mitkommen solle. Sie war schon bei vielen Verhören mit gewesen, das war nicht das Überraschende. Aber der Vater, Groß-Inquisitor im Orden der Geheimen Meister der Neun Nacharya, bestimmte, dass sie dann die weiteren Verhöre dieses Jungen selbst, ohne seine Anleitung, durchführen würde. Einer Jugendlichen, die zu einem anderen Jugendlichen Kontakt herstellt, würde es leichter fallen, Einsicht und Umkehr und das Abschwören schädlicher Gedanken zu erreichen.
Hollydeva folgte ihrem Vater. Er öffnete die Tür, die wie eine normale Kellertür aussah und doch in ein Gewirr mehrerer unterirdischer Stockwerke voller Zellen und Verliese und Kammern und Geheimgängen führte.
Hollydeva liebte diese verschlungenen Wege. Sie liebte den Schrecken, der in diesen Mauern loderte, gebrannt von den Feuern der Schmerzen und der Ängste der hier Eingeschlossenen und Bedrängten.
Der Wächter, der sie begleitete, öffnete eine dunkle Zelle im dritten unterirdischen Stockwerk. Die Zelle war karg und kalt und in ihr saß der zitternde Junge.
»Komm mit!«, befahl ihr Vater. Sie führten den Jungen in ein Verhörzimmer.
»Willst du etwas trinken, etwas essen?« Ihr Vater wollte Kontakt herstellen, freundlich erscheinen, Abhängigkeiten schaffen, eine unterbewusste Verbindung herstellen.
Der Junge wurde bereits von Durst und Hunger gequält und nickte. Ihr Vater gab dem Wächter einen Wink und der ging, Wasser und ein belegtes Brot oder eine Suppe zu holen.
»Junge, weißt du, warum du hier bist?«, fragte der Vater. Der Junge schaute stumm zurück und verzog keine Miene. Das war das übliche, störrische Verhalten der Gefangenen.
Hollydevas Vater, der Groß-Inquisitor, holte ein beschriebenes Stück Papier aus seiner Mappe und reichte es dem Jungen. »Schau, das hast du geschrieben! Gibst du das zu?«
Der Junge schaute und schwieg weiter. Sobald man redete, war es um einen geschehen. Man würde sich und die Seinen verraten. So viel wusste er also.
»Du schreibst Horoskope in einer neuen Art Astrologie. Du machst die Sache noch schlimmer, als sie eh schon ist. Wir können nicht mehr verhindern, dass die Planeten nach alten Poly-Göttern benannt werden: Venus, Saturn, Merkur und so weiter. Aber dabei soll es bleiben! Wir können nicht zulassen, dass du noch weitere Götter hineinbringst!«
Hollydeva bemerkte, dass der Junge etwas äußern und widersprechen wollte. Er riss sich aber zusammen und beherrschte sich und verweigerte weiter jegliche Zusammenarbeit.
»Nun gut«, bellte der Inquisitor. »Du willst nicht mit mir reden! Dann schmorst du eben hier noch ein wenig weiter in deiner Zelle! Am Ende wirst du einsehen, dass du den Menschen Schaden zufügst und sie verwirrst! Du wirst es dann gern unterlassen! Wir helfen dir einen besseren Beruf zu finden! Aber es kann auch sein, dass du deine Familie und Freunde niemals wieder sehen wirst und hier in den Verliesen einsam verreckst! Schafft ihn in seine Zelle zurück!«
Ihr Vater erschreckte die Häftlinge gern und drohte und schüchterte ein. Hollydeva wusste, dass das für diese gut war, denn dann knickten sie eher ein. Und wer eingeknickt war, konnte auch bald wieder entlassen werden. Aber einige Insassen hatte sie gesehen, die waren bereits Jahre hier unten.
Der Junge interessierte sie. Er schien mutig zu sein und störrisch. Er gefiel ihr. Aber sie war sich sicher, dass ihr Vater das Beste für ihn wollte, ihn retten wollte.
Die Wächter schafften ihn zu seiner Zelle und ihr Vater sagte ihr, dass sie am nächsten Morgen den Jungen allein verhören solle.
»Mit dir wird er leichter reden! Wir müssen ihn nur überzeugen, dass er aufhört seine Sternenkunde zu verbreiten! Dann können wir ihn schnell entlassen! Du kannst dich mit ihm anfreunden! Du kannst ihn auch ein wenig piesacken! Du weißt ja, wie es geht. Ich vertraue dir!«
Hollydeva war stolz auf die Aufgabe, geehrt durch diesen Vertrauensbeweis ihres strengen und mächtigen Vaters. Sein Name im Orden, so wusste sie, war: ›Seren, der Stein‹.
Und die Steine hier unten waren getränkt mit den Schmerzensschreien der Unglückseligen, die Seren dem Stein und seiner Tochter in die Hände gefallen waren.
»Der Reiche oder der Mächtige?« Diese Frage war eine Art Scherzfrage zwischen ihnen. Vater und Tochter genossen das Gefühl der Macht über die Großen dieser Welt.
Politiker und Menschen mit viel Geld, ›Kapitalisten‹ aus den großen Banken und Konzernen, waren gern gesehen im Verlies. Aber auch Priester, die entweder der Vereinigung ihrer Kirche mit der allgemeinen Kirche des EinGottes nicht zustimmen wollten, oder Anhänger der vielen Götter, die sich der Vorherrschaft des EinGottes nicht beugen wollten, waren hier belehrt und überzeugt worden. Und Hollydeva hatte schon gehört, dass die ärgsten Gegner der Herren der Georgsburg die ›Wizardeure‹ waren. Die Wizardeure, das waren Magier, Zauberer, ›Veränderer‹.
Worauf hatte sie nach dem Gespräch mit dem Sternenjungen mehr Lust: den Reichen oder den Mächtigen? Beide waren als eingebildete, hochmütige, machtbesessene Aufschneider zu ihnen gekommen. Sie würden sehr viel demütiger wieder hinausgehen. Sie würden sich an ihre Zeit im Verlies der Nacharya kaum erinnern, da der Inquisitor vor allem mit dem Ausschalten ihres Kontrollbewusstseins und dem Auslösen eines Wachschlafs arbeitete. Am Ende verpasste er ihnen ein Vergessen der Geschehnisse dieser Tage, eine hypnotische Amnesie. Es würde eine Geschichte über ihr Verschwinden geben, die glaubhaft war. Und die ›überzeugten‹ Reichen oder Mächtigen würden verändert sein und andere Entscheidungen treffen.
»Lass uns zu dem Mächtigen, dem Politiker, gehen. Mal sehen, ob er heute bereit ist, der Energiegewinnung durch Zerstörung von Urkernen abzuschwören!«
Sie betraten die Zelle des Politikers, der erschöpft aussah. Hollydeva las seine Körperhaltung, seine hängenden Schultern.
Er war nun schon zwei Wochen hier, bekam nicht viel zu essen und wurde die Nacht über mehr oder weniger wach gehalten. Ein wenig schlafen lassen mussten sie ihn. Ein Mensch wird nach drei Tagen ohne Tiefschlafphase völlig verrückt im Kopf. Das hatte sie auch schon gesehen.
Der Politiker war ihr nicht sympathisch. Als er bei der ersten Befragung versucht hatte sich mit ›Machtstimme‹ durchzusetzen, hatte der Vater ihr einen Wink gegeben. Sie hatte, sobald der Politiker seine Machtstimme einsetzte, mit dem Zeigefinger in die Region seiner Nieren gestochen und einen heftigen Schmerz ausgelöst. Beim sechsten Stechen hatte der Politiker gelernt sich vorsichtiger zu artikulieren.
Ihr Vater würde ihm heute die entscheidende Suggestion in das unter dem Wachen liegende Bewusstsein einpflanzen. Im Sinne des EinGott sollte der Mann aufhören eine gefährliche und unnatürliche Technologie zu fordern und zu fördern. Er sollte aufhören Schmiergelder anzunehmen.
»Ah, Fraktionsvorsitzender, wie geht es ihnen?« Dann veränderte ihr Vater die Stimmlage. »Und nun mögen sie schlafen und ganz entspannt sein..«
Er nahm den Kopf des Mannes, drückte auf einen bestimmten Nervenpunkt hinter dem Ohr und führte ihn in eine liegende Schlafhaltung.
»Ich möchte Ihnen eine angenehme Geschichte erzählen. Sie treiben auf einem Segelboot auf einem Meer. Es ist ein angenehmer Tag, die Sonne scheint milde, die Luft ist angenehm.«
Der Mann lag wie schlafend, seine Tiefseele war offen für die Worte von Seren, dem Stein. Dennoch würde er auf direkte Anweisungen reagieren. Er war nicht im Tiefschlaf, er war im Heilschlaf der Hypnose.
»Wollen Sie mir zuhören und das tun, was ich sage? Nicken Sie bitte mit dem Kopf!«
Der Politiker nickte zögerlich mit dem Kopf.
»Gut, dann hören Sie, was ich sage. Sie finden Kraftwerke, in denen Urkerne zerstört werden, unheilig, unnatürlich. Sie wollen nicht, dass neue derartige Kraftwerke gebaut werden. Haben Sie das verstanden?« Der Mann nickte.
»Sprechen Sie mir nach: Ich bin gegen Kernspaltungs-Kraftwerke! Ich werde verhindern, dass neue Kraftwerke gebaut werden!«
Mit murmelnder Stimme sprach der in Trance versetze Politiker die Worte nach.
»Sehr schön. Ich bin sehr zufrieden mit Ihnen. Weiterhin sage ich Ihnen, dass Sie keine Schmiergelder annehmen werden. Sie werden keine Schmiergelder von Energieerzeugern annehmen! Nicken Sie mit dem Kopf!«
Der Mann nickte und allmählich konnte er wieder aufgeweckt werden. Ihr Vater erzählte die Geschichte auf dem Meer ein wenig weiter und ließ ihn dann zu sich kommen.
Hollydeva gab ihm etwas zu trinken und tätschelte seine Wange. Er sollte glücklich mit sich sein, glücklich überlebt zu haben.
Denn es kam vor, dass einer den Aufenthalt hier unten nicht überlebte. Vor drei Monaten hatte ein besonders wütender und aufsässiger Fanatiker so um sich geschlagen, dass sie ihm einen Schlag verpassen musste. Da war der Mann umgefallen und mit dem Kopf so gegen die Wand gestoßen, dass er ohnmächtig wurde und verletzt liegen blieb.
Sie war zwar nur ein Mädchen ohne große Muskelkraft. Aber der durch ihre Arme gezielt gesendete Hass konnte jeden Koloss ins Wanken bringen.
Später sagte ihr ihr Vater, dass der Mann gestorben sei! Das wäre auch besser so. Es hätte in seinem Land einen Aufschrei der Entrüstung gegeben. Die Polizei wäre verantwortlich gemacht worden. Aber es wäre gut so. Hollydeva selbst aber hatte sich schlecht gefühlt, dass der Mann gestorben war. War sie eine Mörderin?
Die Sorge darüber eine Mörderin zu sein, hatte sie eine Zeit lang beschäftigt. ›Mörderin‹ klang nicht wie etwas, das sie genant werden wollte. Ihr Vater hatte es aber offensichtlich normal gefunden, dass Leute hier unten starben. Er hatte sie sogar etwas wärmer behandelt. Er war stolz auf sie. Sie konnte töten und Schmerzen zufügen und nun wollte er auch, dass sie mit den Eingekerkerten reden konnte, so wie er selbst es tat.
Sie hatten den Auftrag der Nacharya die Welt zu retten, die Welt so zu beeinflussen, dass sie sich selbst rettete. Das war ein großer Auftrag. Der Auftrag war nicht ohne Blutvergießen zu erfüllen. Sie wollte ein gutes Werkzeug der Nacharya sein. Sie wollte, dass ihr Vater stolz auf sie sein konnte.
Es war derselbe Tag im September, an dem eine weitere Überraschung auf Hollydeva wartete, als sie nach dem Mittagessen auf ihrem Zimmer die kleine Pflanze, das Gänseblümchen, auf ihrer Fensterbank wässerte.
Sie hatte ein einsames Gänseblümchen im Park gefunden, ausgegraben und eingetopft. Sollte es eine Erinnerung an ihre Mutter und ihre Brüder sein? Nein, sie mochte einfach Blumen.
Plötzlich nahm sie ein Huschen, eine Bewegung in dem Blumentopf, wahr. War da ein Tier?
Dann sah sie eine Art Wichtelmännchen, eine Gestalt mit einem grünen Anzug und einem Hütchen, das wie eine Blüte aussah. Es war möglicherweise auch eine Wichtelfrau. Hollydeva betrachtete interessiert dieses seltsame Wesen.
Und ihre Verwunderung nahm weiter zu, als sie eine Stimme hörte. »Erschrick nicht, werte Hollydeva! Ich bin Guuz, das Deva dieser Blume! Ich muss mit dir sprechen!«
Hollydeva schwieg. Was war ein ›Blumen-Deva‹?
Als ob das Wesen ihre Gedanken hören oder lesen konnte, antwortete es: »Jede Pflanze, jeder Baum und jede Blume, hat ein Bewusstsein, wie du auch eines hast. Normalerweise manifestieren wir uns eben als Pflanzen und sind damit sehr glücklich. Wir können uns aber auch als Geschöpfe jeder Art manifestieren, als Vögel oder Schmetterlinge. Aber wir hören dann die Musik nicht so, wie wir es als Bäume oder Blumen können. Die Gerüche sind auch nicht so wunderbar! Wenn du weißt, wie du uns ansprichst, kannst du mit jedem Deva jeder Pflanze Kontakt aufnehmen! Und wenn du ein guter Mensch bist, wird jedes Deva mit dir sprechen und dir helfen!«
»Aber ich bin kein guter Mensch!«
»Wenn du kein guter Mensch wärst, würde ich nicht mit dir sprechen. Du bist ein Kind und Kinder sind erst einmal gut. Aber du bist ganz besonders. Du bist ein Mädchen mit Macht und mit der Kraft diese Welt zu verändern. Wir akzeptieren dich! Es geht nicht darum, ob du Menschen Schmerzen bereitet hast und bei Tötungen zugegen warst! Es geht darum, ob du bereit bist diese Welt zu retten!«
»Das sagt mein Vater auch! Er errettet die Welt! Er macht es im Auftrag der Nacharya! Aber sollte er das nicht mit liebevollen Methoden machen, wenn er ein guter Mensch sein soll?«
»Du stellst wichtige Fragen! Du bist also nicht wirklich ein Kind mehr! Wir brauchen deine Hilfe und es ist uns gleich, ob du gut oder böse bist! Du musst nur unser Freund sein! Ich denke, dass du das bist! Bist du ein Freund der Blumen, Hollydeva?«
»Ja, ich habe mich hier nach einer Blume gesehnt und wäre gern in einem Garten, in einem Park, auf einer Wiese.«
»Es wird etwas passieren und du musst den Blumen und Bäumen helfen, Hollydeva! Es passiert eine Veränderung auf der Welt, die uns tötet! Wenn wir sterben, stirbt alles auf dieser Welt. Erst sterben die Bienen und die Schmetterlinge und die Vögel! Und am Ende ist alles tot! Wir müssen die Veränderung dringend mit allen Mitteln aufhalten! Du musst uns dabei helfen!«
»Aber wie kann ich dabei helfen? Ich bin hier in einem Verlies und assistiere meinem Vater bei Folter und Mord!«
»Höre gut zu! In einigen Tagen kommen die neun Nacharya, die Wächter der Yrde, auf dieser Burg zusammen! Es ist ein sehr wichtiges Treffen. Denn auch die Nacharya wissen von der Veränderung! Sie werden darüber beraten. Du musst dieses Treffen belauschen! Denn es werden auch die da sein, welche für die Veränderung Verantwortung tragen! Diese werden erklären, was sie machen! Wir müssen wissen, was sie da tun! Es ist wichtig, dass du hörst, was gesprochen wird! Denn du weißt, dass in dem Saal keine Pflanze ist, dass in dieser Burg überhaupt keine Pflanze ist und wir somit keine Möglichkeit haben zu hören, was verhandelt wird. Du musst uns helfen! Bitte hilf uns, hilf den Blumen und Bäumen und allen Pflanzen!«
»Gut, Guuz, ich werde sehen, was ich tun kann! Es wird nicht einfach!«
»Ich werde dir noch eine Verbündete schicken, die Lao-Katze. Die Lao-Katze wird dir zeigen, wie du die Versammlung am besten belauschen kannst! Hüte dich aber vor den Nacharyas! Sie sind sehr wach und bewusst und nehmen jede Bewegung und jede Emotion in ihrer Umgebung wahr. Sei sicher, dass du ruhig und innerlich leer bist! Ich denke, dass du das gut kannst!«
»Ja, das kann ich!«
Später an dem Tag nach dem Tag, an dem sie zum ersten Mal Astrello gesehen hatte, fand das erste Verhör des Reichen statt. Es begann wie gewöhnlich. Er verlangte einen ›Anwalt‹.
»Warum bin ich hier? Was soll das? Ich habe nichts verbrochen! Ich verlange einen Anwalt!«
Wieso dachte er, dass er von einer regulären Polizei inhaftiert worden wäre?
Hollydevas Vater hatte gelacht. »Sie, Herr Bankier, sind hier an einem Ort, den niemand kennt und wo Sie niemand findet. Wir haben Ihren Angehörigen und Mitarbeitern eine Geschichte zugespielt, die sie glauben macht, dass Sie sich entspannen müssen, ›Burnout-Prävention‹. Wenn Sie Ärger machen und wir Ihren Aufenthalt hier verlängern müssen, müssten wir die Geschichte dahingehend erweitern, dass Sie mit einer erheblichen Summe Geldes untergetaucht sind, weil der Bankrott der Bank bevorsteht!«
»Das würde doch niemand glauben! Die Aktien stehen hoch! Die Profite sind in den letzten Jahren dank meiner Arbeit und Voraussicht kontinuierlich gestiegen!«
»Die Menschen wollen aber glauben! Sie wissen doch, was die Manipulation heutzutage vermag! Waren Sie nicht selbst Marketing-Chef? Haben Sie nicht gesagt, dass man alles verkaufen kann, wenn man die Psychologie der Menschen durchschaut?«
Der Reiche seufzte. Er war ertappt.
Hollydeva hatte interessiert zugehört. Psychologie. Das schien ein interessantes Werkzeug zu sein. Sie wollte darüber mehr lernen.
Ihr Vater machte nun ein freundliches Gesicht. »Herr Geldjongleur, wir wollen doch nur ein wenig Einfluss nehmen auf Ihre Investitionen und Finanzierungen! Wir tun das im Sinne des Überlebens des Planeten und der Gesundheit der Menschheit!«
»Warum müssen Sie mich dafür entführen und hier einsperren? Warum kaufen Sie nicht Aktien und werden Miteigentümer und nehmen Einfluss?«
»Sie wissen, wie es läuft, und wir wissen das auch. Aktionäre sind ruhig, wenn sie Dividenden bekommen oder Kursgewinne sehen. Wirklichen Einfluss auf die Firmenpolitik haben die Aktionäre nicht. Der Vorstand entscheidet, füllt sich die Taschen und hofft, dass, wenn der Aktienkurs fällt, dieses der schlechten Politik der Regierungen, irgendwelchen Katastrophen oder eben den Zyklen der Wirtschaft angelastet werden kann. Und der Vorstand ist es, der sich per Gehalt und Boni in den Reichtum hievt. Und der Aufsichtsrat besteht aus ehemaligen Vorständen und einigen auf diese Weise wohlwollend gestimmten Mächtigen! Ihr seid eine Kaste, die sich gegenseitig nicht das Leben schwer macht! Indes gibt es in anderen Staaten ähnliche Konglomerate und ein gewisser Druck wird von diesen ausgeübt, sofern sie billiger und schneller und innovativer sind!«
»Gut, Sie kennen sich aus, Herr Inquisitor!«
»Ja, das tue ich. Deshalb bringen wir Sie als den Vorstandsvorsitzenden dazu die Politik der Bank ein wenig zu revidieren! Wir wollen, dass der Konzern den Unternehmen Kredite gewährt, die nicht nur Gewinn machen werden, sondern dieses so tun, dass es die Yrde und die Menschheit nicht schädigt!«
Der Reiche lachte höhnisch. »Sie sind Romantiker?! Die meisten Profite werden mit Drogen, Waffen und Prostitution gemacht! Da halten wir uns doch schon zurück wegen des Image! Was wollen Sie uns noch madig machen?«
»Drogen, Waffen und Prostitution sind nur Nebenschauplätze. Das wahre Geld wird mit dem Zinseszins gemacht!«
Der Bankier stutzte. Hollydeva fühlte, dass ihr Vater einen Punkt getroffen hatte. Außerdem versuchte sie sich darüber klar zu werden, was Drogen, Waffen und Prostitution waren. Oder anders: Sie wurde sich als Zeugin dieses Verhörs gerade klar, dass sie ihre ersten Lebensjahre in der beschaulichen Welt eines Dorfes gelebt hatte und seitdem abgeschieden von der Welt in einer Burg lebte. Es gab Dinge in der Welt – und das sollten die einträglichsten Dinge sein –, von denen sie gar keine Vorstellung hatte.
»Ja, aber ohne Zinseszins geht es nicht! Dagegen kann ich doch gar nichts tun!«
Seren schüttelte den Kopf. »Der Zinseszins ist in allen Religionen des EinGott als Wucher verpönt. Im frühen Mittelalter waren Zinsen gänzlich verboten. Im Islamischen Finanzwesen gab es nur Beteiligung an Unternehmen und am Gewinn der Beteiligung, sofern dieser anfällt.«
»Ja, aber der Zins wurde wieder zugelassen! Denn warum sollte ich Geld verleihen, wenn ich daran nichts verdiene?«
»Warum überhaupt Geldverleih?«
»Weil Unternehmung Finanzierung braucht!«
Hollydeva realisierte, dass Geldwirtschaft nicht das Lieblingsthema ihres Vaters war und dass der Bankier ihm von den Argumenten her überlegen zu sein schien. Sie hatte sich noch nie Gedanken über Geld gemacht, denn sie hatte ja keines. Alles, was sie brauchte, bekam sie ohne Bezahlung. »Aber so ist es für Kinder! Erwachsene müssen bezahlen!«
Ihr Vater war mittlerweile ungehalten geworden mit diesem widerspenstigen Gefangenen. Er hatte dem die Tür beachtenden Wächter ein Zeichen gegeben, so dass dieser das Tuch und den Wassereimer holte. Hollydeva wusste, was folgen würde. Dem Gefangenen würde das Tuch über Nase und Mund gelegt werden. Darüber wurde Wasser gegossen, so dass er ein Gefühl von Ertrinken und entsprechende Panik bekommen würde. Ihr Vater wollte diesen Bankier weich kochen.
Als der Wächter mit dem Tuch und dem Wasser kam, gab ihr Vater ihr ein Zeichen. Sie würde mit dem Seil, das sie in der Hand hielt, dem Gefangenen den Stuhl unter ihm wegziehen. Er würde plötzlich auf dem Boden liegen, der Wächter würde ihn festhalten und der Großinquisitor das Ertrinken herbeiführen.
Hollydeva war etwas irritiert. Was wollte ihr Vater erreichen? War diese Maßnahme sinnvoll oder gerechtfertigt? »Warum fange ich an das Vorgehen zu hinterfragen?«, fragte sie sich selbst. Das war eigentlich noch nicht vorgekommen. Sie war immer bemüht gewesen ihrem Vater zu gefallen, mit ihm einer Meinung zu sein.
Ihr war dieser Reiche auch gar nicht mal sympathisch. Aber sie hatte bemerkt, dass ihr Vater keine treffenden Antworten oder Vorgaben auf die Einwände des Bankiers wusste. Er war einfach nur gegen Zinsen.
Was sollte es? Hollydeva hatte sich noch nie über Zinsen Gedanken gemacht. Sie beschloss, dass sie das nachholen würde. Dann zog sie an dem Seil, der Stuhl knickte ein und die Prozedur nahm ihren Lauf. Der Bankier hustete und prustete das Wasser aus der Lunge und war nach fünf Erlebnissen des Ertrinkens voller Angst um sein Leben.
»So, nun können Sie sich mal einige Gedanken über Zins und Zinseszins machen, Herr Bankier!«, endete ihr Vater das Verhör.
Als er beim Verlassen der Keller bemerkte, dass Hollydeva nicht ganz einverstanden mit der Behandlung gewesen war, rechtfertigte er sich mit: »Wenn der zu Korrigierende es als irrational und ungerecht empfindet, hier so behandelt zu werden, und wenn er sogar der Meinung ist die besseren Argumente zu haben, dann wirkt die Behandlung umso mehr, denn er weiß dann nicht mehr, woran er sich halten soll in dieser Welt. Er wird bestraft für unrechtes Handeln und Denken und er wird bestraft für rechtes Denken und Handeln! So wird er orientierungslos! Wenn Autoritätspersonen ihm dann eine Richtung vorgeben, folgt er, um nicht verwirrt zu wirken!«
Aber Hollydeva hatte immer noch skeptisch geguckt. Wusste ihr Vater, wohin die Nacharya diesen Bankier gelenkt haben wollten? Wussten diese es?
Dieser war der Tag gewesen, an dem sie zum ersten Mal feststellte, dass sie an ihrem Tun für ihren Vater und für den Orden der Neun ein wenig zweifelte. Es war der Tag nach dem Tag gewesen, an dem sie Astrello, den Sternenjungen, zum ersten Mal gesehen hatte.
Und es war der Tag gewesen, an dem Guuz, der Gänseblümchen-Deva, sie um ihre Hilfe gebeten hatte.
Stumm saß der Junge auf einem Stuhl. Der Raum war leer, beleuchtet von einer Glühlampe an der Decke. Ein Wächter stand in der Ecke. Die Körperhaltung des Jungen war angespannt und auf Abwehr eingestellt.
»Wie heißt du?«, fragte Hollydeva. Er gab keine Antwort.
Sie wusste, dass es wichtig war, dass er erst einmal irgendetwas, irgendein Wort, von sich gäbe. Wenn der Kanal offen war, würde sie schon noch mehr aus ihm herausholen und am Ende würde er froh sein, den Anweisungen zum Abschwören seiner Meinungen nachzugeben.
»Ich heiße Hollydeva!«, sagte sie und bemühte sich eine freundliche Stimme zu haben. »Du willst sicher so schnell wie möglich hier heraus und an die Sonne und zu deinen Eltern und Freunden. Ich kann das schnell bewerkstelligen! Sage mir nur erst einmal deinen Namen!«
Er sagte immer noch nichts. Sie konnte nicht erkennen, ob er Angst oder Trotz oder Wut empfand. War er arrogant und fühlte sich ihr überlegen?
Sie trat auf ihn zu und streckte einen Zeigefinger in Richtung seines Gesichts. »Ich kann dir Schmerzen zufügen, wenn du nicht mit mir redest. Möchtest du das?«
Als er sich nicht regte, nickte sie dem Wächter zu, der den Jungen festhielt, und stach ihm mit dem Finger auf eine Stelle im Ohr, die Schmerzen bereiten konnte. »Wie ist das?«
Der Junge war zurückgeschreckt und schaute verstört. Der Schmerz war stärker als erwartet gewesen. Er konnte nicht wissen, dass dieses zwölfjährige Mädchen ausgebildet darin war, mit geringsten Mitteln größtmögliches Unbehagen und unangenehme Schmerzen zu bereiten. Und sie war auch darin ausgebildet Menschen zu hypnotisieren und er ahnte nicht, dass sie gerade den Zugang zu seinem Unterbewusstsein suchte.
Sie trat wieder zurück. »Ich heiße Hollydeva und wie heißt du? Ich bin nur ein Mädchen und möchte dich kennenlernen. Komm, sag schon!«
»Ich heiße Astrello!«, antwortete der Junge.
Hollydeva ging aus dem Raum, holte einen Stuhl und setzte sich vor ihn. »Astrello, ich grüße dich. Wieso bist du hier, Astrello?«
»Das weiß ich doch nicht. Eines Morgens waren da dunkle Männer und hielten mir ein Tuch vor den Mund, so dass ich ohnmächtig und bewusstlos wurde! Dann war ich hier, als ich wieder aufwachte!«
»Aber man kommt nicht einfach so hierher! Man muss etwas gemacht haben, etwas Böses! Was hast du gemacht?«
»Ich habe nichts Böses gemacht! Ich bin nur etwas anders als die anderen Menschen!«
»Wie anders? Was heißt das?«
»Ich komme von den Sternen und ich kenne die Sterne und ich muss den Menschen hier auf der Yrde sagen, dass sie an etwas Falsches glauben, eine falsche Sternenkunde!«
»Eine falsche Sternenkunde? Ich kenne gar keine Sternenkunde!«
»Doch, du kennst eine Sternenkunde! Du kennst dein Sternzeichen!«
»Ja klar, ich bin Schütze!«
»Aber das ist falsch, Hollydeva, oder wie du heißt! Diese Sternzeichen sind falsch! Der Himmel hat sich verändert! Du bist wahrscheinlich eigentlich Skorpion! Wobei das nur die Sonne in einer Region der Ekliptik angibt und eigentlich nur ein Bruchstück des Gesamtbildes ist. Aber du wolltest ja jetzt keine Erklärung deines Horoskops!«
»Ach, warum nicht!? Aber ich verstehe nicht, warum das wichtig sein soll! Es glaubt doch eh niemand dran!«
»Das ist es ja: Es stimmt nicht und darum glaubt es niemand! Dabei wäre es ein großer Schlüssel zum eigenen Verständnis, zum Wissen über die eigene wahre Natur, zur Bestimmung des eigenen Schicksals!«
»Du bist also ein Astrologe und hast nicht gewusst, dass du heute hier im Verlies sitzen würdest!? Wie dumm!«
»Doch ich habe so etwas geahnt. Oder besser: Ich habe gesehen, dass ich jemandem Wichtigem begegnen würde! Und das bist wohl du, Hollydeva!«
Hollydeva gefiel es jemand Wichtiges zu sein. Der Junge schien nett zu sein. Er war also ein Astrologe, ein Sternendeuter. Er sagte, dass er von den Sternen gekommen sei.
»Von welchem Stern bist du denn gekommen? Wo ist dein Raumschiff?«
Astrello schwieg.
»Na gut, genug für heute. Kann ich dir etwas bringen, brauchst du etwas?«
»Ich brauche meine Ephemeriden. Und ein Fenster mit Blick auf den Himmel wäre schön.«
»Hmm, leider haben unsere ›Gäste‹ hier nur Keller-Appartements. ›Ephemeriden‹, ich weiß nicht, was das sein soll, aber ich schaue, was ich tun kann.«
Sie bedeutete dem Wächter ihn wieder in seine Zelle zu bringen und stieg die Kellerstufen hinauf in den Ess-Saal, um das Abendbrot mit ihrem Vater einzunehmen.
Hollydeva hatte von ihrem Vater viel gelernt. Beim Verhören brauchte es eine Mischung aus Wachschlaf und dem Erzeugen von Bedrohung.
Sie war seit etwa drei Jahren in dieser Burg. Ihre Kindheit hatte sie bei ihrer Mutter und ihren beiden älteren Brüdern in einer kleinen Stadt etwa hundert Kilometer westlich der Burg verbracht.
Ihre Mutter war eine zu allen Menschen und Lebewesen liebevolle Frau. Nur zu ihrer Tochter war sie abweisend gewesen. Sie sagte, dass sie nach ihrem Vater käme, ihrem düsteren Vater, der die Familie verlassen hatte, um in irgendeinem geheimen Orden tätig zu sein.
Hollydeva hatte Rosa, ihre Mutter, vor allem als eine Gärtnerin wahrgenommen, die es liebte Pflanzen wachsen und blühen zu sehen. Sie war wie Hollydevas Vater ›Monotheistin‹, glaubte an einen EinGott. Aber Hollydeva hatte mitbekommen, dass ihre Mutter davon überzeugt war, dass der EinGott eine Frau war, eine Ur-Mutter. Weise Frauen, Priesterinnen der Großen Mutter, waren mitunter bei ihnen zu Besuch gekommen und hatten Hollydeva genau so misstrauisch beäugt, wie ihre eigene Mutter es tat.
Eines Tages war die Mutter mit den Brüdern, Einar und Baldar, die beide etwas älter waren als ihre Schwester, plötzlich verschwunden. Da Mutter und Brüder Koffer und Ranzen gepackt hatten, war das Verschwinden planvoll durchgeführt worden. Es lag kein Verbrechen, keine Entführung, vor.
Hollydeva war mit einem Mal ein siebenjähriges Mädchen gewesen, das allein und zurückgelassen in einem an sich gemütlichen Haus lebte. Sie ging zu der Nachbarin, Frau Bromholle, die von der Mutter eingeweiht war. Frau Bromholle erklärte ihr, dass sie bei ihr Essen bekommen könne, wenn sie sich um die Ziegen kümmere. Hollydeva ging weiter zur Schule, machte das Haus sauber, ging zu der Nachbarin und fragte sich, wo ihre Familie geblieben war.
Und sie fühlte sich von ihrer Mutter und den Brüdern verstoßen und schwor ihnen Vergeltung. Eines Tages würden sie es bereuen, sie einfach zurückgelassen zu haben. In ihr war der Same einer Pflanze gesät worden, die ihre Mutter besser nicht gehegt hätte.
Fast zwei Jahre lang hatte sie so von der Nachbarin unterstützt allein gelebt. Dann stand zu Ostern vor drei Jahren ihr Vater in der Haustür. Sie wusste erst natürlich nicht, dass dieser Mann im schwarzen Anzug und mit ernster Miene ihr Vater wäre. Sie war sehr klein gewesen, als er die Familie verlassen hatte. Sie sah die schwarze Kleidung und die Haltung, sah einen auffälligen Siegelring am Finger der rechten Hand, identifizierte die Körperhaltung als nicht bedrohlich und fragte: »Was wollen Sie?!«
»Ich bin dein Vater, Hollydeva! Ich nehme dich mit zu mir! Du kannst hier nicht mehr allein leben!«
Sie war ungern gegangen, aber es war keine Wahl geblieben. Und es hatte sie irgendwie interessiert, was das für eine Welt wäre, in der man in schwarzer Kleidung herumlief und geheimnisvoll tat. Sie hatte sich von der Nachbarin verabschiedet und war in die große Limousine gestiegen. Ihr Vater hatte einen Fahrer und das Auto war groß. Er schien Geld und Mittel zu haben und das hatte ihr gefallen und es gefiel ihr immer noch.
Sie und er könnten den Lehrern und Schülern an der Schule, die sie als Außenseiterin behandelt hatten, einen Denkzettel verpassen.
»Können wir noch an der Schule vorbei fahren? Ich muss meine Sachen aus dem Schränkchen nehmen.«
»Gut, ich komme mit dir!«
Ihr Vater hatte sie in das Schulgebäude begleitet. Alle, Mitschüler wie Lehrer, hatten merkwürdig geschaut. Sie hatte sich innerlich gefreut, dass alle sie beneideten und sich fragten, wer der bedeutende und bedrohliche Herr war, der neben der blöden Holly ging. Die Sachen im Schrank hatten ihr wenig bedeutet, aber dieser Gang durch das Schulgebäude war ihr viel wert gewesen.
Sie waren dann durch die Landschaft gefahren. Ihr Vater war schweigsam gewesen. Kurz vor der Ankunft in der Burg hatte er ihr erklärt: »Hollydeva, wir wohnen auf einer dunklen, alten Burg, der Georgsburg. Du wirst dort dein Zimmer haben und weiter Unterricht in Rechnen und Schreiben und anderen Fächern bekommen! Die Burg gehört einem uralten, geheimen Orden, für den ich arbeite. Du wirst meine Assistentin werden! Ich hoffe: Es gefällt dir! Du kannst mit allen Fragen und Wünschen immer zu mir kommen!«
Am Eingangstor hatte sie gehört, wie der Mann an der Wache ihn mit: »Guten Tag, Herr Großinquisitor!«, begrüßte. Ihr Vater hatte sie dann der Obhut einer älteren Frau übergeben, welche die Köchin und Haushälterin der Burg war. Diese hatte ihr das Zimmer gezeigt und ihr die Essenszeiten gesagt. Ihre Stimme hatte freundlich aber besorgt geklungen. »Mädchen, es ist ungewöhnlich, dass ein so junger Mensch an diesem schrecklichen Ort ist! Fürchte dich nicht! Komm zu mir, wenn du den Rat einer Frau brauchst!«
Schrecklicher Ort? Es sah aus wie eine alte, halb verfallene Burg. Sie war gespannt darauf gewesen diese Burg zu erforschen. Und mittlerweile kannte sie sich aus. Und sie kannte auch die Verliese und Gänge, die unter der Burg den felsigen Grund, auf dem die Burg errichtet worden war, durchzogen.
Am zweiten Tag ihres Lebens auf der Georgsburg hatte der Vater Hollydeva erklärt, dass die Burg der Hauptsitz des Ordens der Geheimen Wächter der Neun Nacharya wäre, für den er arbeite. Er hatte sie zum Kastellan geführt, der ihre Fragen zur Burg und zu dem Orden besser erklären könne.
Der Kastellan war ein älterer Herr, der in einem Zimmer mit vielen Büchern, einem großen Globus und einem Aquarium saß. Während es in der Burg allgemein sehr dunkel und lichtlos war, hatte dieses Zimmer einen Balkon. Die Tür zum Balkon war geöffnet und sie sah die hohen Bäume eines Parks, der die Burg umschloss.
»Guten Morgen, Hollydeva. Ich bin Allman, der Kastellan der Georgsburg. Meine Aufgabe ist es dafür zu sorgen, dass dieser Ort erhalten bleibt, alles gut funktioniert und die Außenwelt wenig von ihm erfährt. Es ist der Hauptsitz der Neun Nacharya. Möchtest du mehr wissen über den Orden der Neun Nacharya?!«
Hollydeva hatte genickt.
»Kannst du es bitte aussprechen?«
»Ich möchte mehr erfahren über den Orden der Neun Nacharya!«
»Danke. Ich erzähle ungern etwas, was der andere nicht hören will. Du brauchst nicht eingeschüchtert sein und kannst mich immer alles fragen, was du wissen willst!
»Der Orden der Geheimen Meister der Nacharya, oder kurz: ›die Neun Nacharya‹, wurde vor über 2000 Jahren in Yndien gegründet. Ein mächtiger König wählte Neun Menschen aus, die mit allem, was möglich war, ausgestattet sein sollten, um für die Bewahrung und Entwicklung der menschlichen Gesellschaft auf der Yrde zu sorgen. Da der König Bodhisattvist geworden war, sollten sie vor allem dafür sorgen die mitfühlende Lehre des Bodhisattva zu verbreiten.«
»Und es gibt diese Neun immer noch?«
»Es sind natürlich nicht die gleichen Neun wie vor 2000 Jahren. Wenn ein Nacharya stirbt, wird ein neuer gefunden und in den Kreis eingeführt und ausgebildet und übernimmt die Funktionen. Einige vererben es an ihre Nachfahren. Einige werden immer wieder geboren. Aber seit über 2000 Jahren sorgen die Neun für die Welt und bleiben unerkannt und greifen ein und lenken. Kein größeres Unternehmen auf der Yrde ist möglich ohne die Einwilligung dieses mächtigen Ordens.«
»Wo sind die Neun jetzt? Sind sie hier in der Burg?«
»Nein, sie leben in verschiedenen Teilen der Yrde. Mitunter treffen sie sich hier. Du wirst sie eines Tages kennen lernen. Aber erst müssen wir wissen, dass wir uns darauf verlasen können, dass du verschwiegen bist und Geheimnisse bewahren kannst und treu und loyal bist!«
Hollydeva hatte wieder genickt. Sie wollte immer noch gern treu und loyal sein und zu dieser Familie gehören.
»Soll ich also Bodhisattvistin sein? Was bedeutet das?«
»Wie du weißt, wurden in den letzten hundert Jahren die monotheistischen Religionen zu einer großen Bewegung, dem Monodeus, dem EinGott, vereinigt. Die Nacharya haben darauf hingewirkt, dass sich die monotheistischen Kirchen nicht mehr bekämpfen. Der Bodhisattvismus ist zwar eher eine Kirche ohne Gott, aber es ist auch eine Weltsicht des EinGott. Ob man die Einheit allen Seins ›Gott‹, ›Allah‹, ›Dharma‹, ›Tao‹ oder ›EinGott‹ nennt, ist im Grunde gleich. Es ist eben nur ein Name!
»Es ist wichtig, dass die Menschen erkennen, dass es ein Großes Ganzes gibt und sie ein Teil dieses Großen Ganzen sind und sie durch rechte Lebensführung dafür sorgen können, dass sie nach dem Tod in den Himmel kommen, von Gott erlöst und wieder aufgenommen werden, nicht mit unglücklichem Karma hier ewig herumirren müssen. Aber entschuldige, das waren jetzt schon etwas viele religiöse oder spirituelle Konzepte! Du wirst hier Unterricht bekommen und diese Weltsicht nach und nach verstehen!
»Es ist wichtig, dass du weißt, dass wir Feinde haben. Diese Feinde sind mächtiger geworden in den letzten Jahren. Der eine Feind ist die Ungläubigkeit in Verbindung mit der Genusssucht. Das ist eine Seuche, die in der Welt grassiert und die Menschen des Höheren beraubt. Drogen und Ablenkungen und allgemein besserer Lebensstil ohne harte Arbeit verführen die Menschen zur Unbewusstheit. Das bekämpfen wir!
»Aber noch gefährlicher sind die Polytheisten, die Anhänger der Vielgötterei, des MultiGott, welche die alte Vielfalt der Götter fortführen oder wieder aufleben lassen. Das sind die magischen und mystischen Kulte, welche Energien in der Aura der Yrde anzapfen, die lang vergessen sein sollten! Diese führen zu Zwietracht und Krieg und der Illusion, dass man ohne den Einen Gott in den Himmel kommen könnte, dass man hier auf der Yrde das himmlische Glück erfahren könne, was weiß ich.
»Also ich hoffe, dass du dich hier einlebst, dass deine Lehrer dich lehren können, dass du eine gute Assistentin für deinen Vater wirst und dass du eines Tages wie dein Vater dem Orden der Neun Nacharya treu und effektiv dienst!«
Der erste Nacharya, dem sie vorgestellt wurde, war auch der oberste der Neun. Ihr Vater hatte ihr, nachdem sie ein halbes Jahr auf der Burg gewesen war, eines Morgens gesagt, dass sie ihr bestes Kleid anziehen sollte. Es würde jemand Besonderes kommen, der sie sehen wollte.
Der Nacharya hatte sie erst schweigend begutachtet und dann ihrem Vater zugenickt. »Sie könnte es sein!«
Sie war froh gewesen, dass sie jemand sein könnte und ihr Vater stolz auf sie war. Der ältere Herr mit kleinem Turban auf dem Kopf und einem langen weißen Bart sah aus, wie Hollydeva sich einen Ynder vorstellte.
Nach dieser ersten Zusammenkunft hatte ihr Vater erklärt: »Das war der Nononn. Er ist sozusagen der Nacharya mit einem übergeordneten Rang. Sie sind alle völlig eigenständig und gleichberechtigt. Aber der Nononn hat die Ausschlag gebende Stimme. Und er ist meistens der Vermittler, wenn sich zwei Nacharya uneins sind.«
Der Nononn war in den vergangenen Jahren alle drei Monate wiedergekommen, um ein paar Tage auf der Georgsburg nach dem Rechten zu schauen. Er sprach jedes Mal ein paar Worte mit Hollydeva und fragte sie nach ihren Fortschritten im Schulunterricht.
Bei einem Treffen hatte er ihr seinen Namen ausführlicher erklärt: »Ich heiße in diesem Leben Navendra Raktah, ich bin wie in meinem ersten Leben als Nacharya wieder ein Ynder. Damals hieß ich Yogavaha und der Kaiser Adiraja berief mich in den Rat der Neun. Man nennt mich auch den Nononn, den neunten und obersten Nacharya. Wir neun sind aber im Grunde gleichgestellt. Du könntest mich Sir Lancelot nennen, denn ich war der Vater des Galahad, der den Heiligen Gral fand und in den Osten zurück brachte. Das klingt jetzt verwirrend und du wirst lernen, dass alle Menschen mehrere Namen haben und dass die mit den meisten Namen die interessantesten sind. Denn die Namen muss man sich erarbeiten, man muss Opfer für sie bringen. Am liebsten wäre es mir von dir ›Nononn‹ genannt zu werden.«
Einmal war er erschienen, als sie gerade unglücklich war und die Wut auf ihre Mutter groß war. Ihr Vater hatte sie auch getadelt, weil sie ihm nicht so gehorcht hatte, wie er es gern wollte. Der Nononn hatte gefragt, was mit ihr sei. Sie hatte über ihr Schicksal geklagt, verlassen von Mutter und Brüdern, in einer alten Burg mit einem eher verschlossenen Vater ohne andere Kinder, die aber wahrscheinlich eh auf ihr herumgehackt hätten.
»Hollydeva, du hast halt eine besondere Bestimmung, ein spezielles Schicksal, welches dich hierher geführt hat. Und es wird womöglich dazu führen, dass du eine ganz besondere Aufgabe und Stellung in der Gesellschaft der Menschen haben wirst. Nur, wer schon früh lernen muss mit Schicksalsschlägen fertig zu werden und auf eigenen Beinen stehen muss, wird es bis in die Höhen schaffen. Und die Höhe, dort ist deine Bestimmung! Und diesem Ruf musst du folgen!«
Über die Worte des Nononns hatte sie lange nachgedacht und das Gefühl einer Bestimmung zu folgen, hatte ihr eine Art Seelenfrieden geschenkt. Sie würde Widrigkeiten mit der Gewissheit begegnen, dass sie durch diese stärker werden würde.
Er hatte beim jüngsten Treffen nach ihrer Funktion als Gehilfin des Groß-Inquisitors gefragt: »Hollydeva, du bist also die Assistentin deines Vaters, unseres Groß-Inquisitors?«
»Ja, das bin ich, Sir Nononn!«
»Und bist du das gerne?«
»Ja, Sir Nononn, ich bin gerne die Assistentin meines Vaters!«
»Das ist gut, danke Hollydeva! Wir werden noch viel von dir hören, denke ich!«
Der Nononn, Mister Raktah, Ritter Lancelot, schien ihr ein freundlicher, mittelalter Herr zu sein.
Ihr Vater klang wie fast immer sehr ernst. »Hast du mit dem Jungen gesprochen?«
»Ja, das habe ich. Er heißt ›Astrello‹. Er sagt, er käme von anderen Sternen! Er wäre ein Astrologe und unsere Astrologie sei falsch! Er braucht seine ›Ephemeriden‹!«
»Seine Ephemeriden. Ephemeriden sind Tabellensammlungen, in denen die genauen Planetenstände, und auch die von Sonne und Mond, verzeichnet sind. Nun, damit will er nur seine Astrologie fortführen! Aber hier ist er ja sicher. Vielleicht ist es gut, wenn du ihm etwas bringst, was ihm wichtig ist! Dann ist er beschäftigt und seine Tiefseele ist zugänglich!«
»Was ist der Auftrag? Was soll ich ihm befehlen?«
»Hmm, das ist schwierig zu erklären. Es ist tatsächlich eine falsche Astrologie in den Köpfen der meisten Menschen, das stimmt. Sie sind gar nicht das Sternzeichen, das sie alle kennen. Das ist aber beabsichtigt! So fügen sie sich besser ein und lassen sich lenken und das ist zu ihrem Besten.
»Die wahre Astrologie ist eine Erfindung der Vielgötterer. Die zwölf Sternzeichen, die Namen für die Planeten: das sind alles Vielgötter-Ausdrücke. Wir müssen den Vielgötter-Glauben unbedingt eindämmen. Nur der EinGott ist richtig. Der EinGott ist der Urquell allen Seins. Es ist wichtig, dass die Menschen das wissen. Die Vielgötterer bringen die Menschen dazu verschiedenen Göttern oder Götzen zu glauben, sie anzubeten. Sie führen dann Kriege in deren Namen und werden besessen von ihnen und aufsässig. Das gefährdet die Yrde! Das müssen wir mit allen Mitteln verhindern!
»Dieser Junge ist hier, weil er einen gefährlichen Grad von Bekanntheit erreicht hat. Menschen glauben ihm seine Geschichte! Sie glauben ihm, dass er von anderen Sternen kommt! Er hat ein paar Fähigkeiten! Er hat ein paar zutreffende Prognosen, Vorhersagen, gemacht! Wir müssen dafür sorgen, dass er ein wenig in Vergessenheit gerät. Er soll zugeben, dass es keine wirkliche Sternenkunde gibt, dass es Hokuspokus und Aberglauben ist. Aber bearbeite ihn erst einmal ein wenig, unterhalte dich mit ihm, schau ob du ihn führen und in Wachschlaf bringen kannst!«
»Außerdem war er ein Lehrer für Astrologie auf der Lindeninsel und ich will die Fakultät der Vorhersagekunst und deren Professorin, eine Meisterin Betula, ein wenig schwächen, zumal sie Polytheistin ist!«
»Lindeninsel?«
»Ja, die Lindeninsel. Du wirrt sicher noch von dem Kloster auf dieser Insel hören. Dort werden Mystiker ausgebildet. Auch die neun Meister der Nacharya haben dort eine Teil ihrer Ausbildung erhalten.«
Er zögert einen Moment und sie merkte, dass er kurz davor war ihr etwas Wichtiges mitzuteilen, dann aber beschloss damit zu warten.
»Du hast das erste Verhör mit dem Jungen gut durchgeführt. Ich lasse dir die Ephemeriden aus der Bibliothek bringen und du kannst sie ihm dann aushändigen! Befrage ihn weiter und bringe ihn dazu, Abstand von weiteren Veröffentlichung seiner Horoskope und Prognosen zu nehmen. Und es wäre auch gut, wenn er nicht zu der Lindeninsel zurückkehrt!«
Hollydeva gefiel, wenn ihr Vater so ausführlich mit ihr sprach. Sie fühlte sich ernst genommen, fast wie eine Erwachsene, obgleich sie erst zwölf Jahre alt war. Sie war ihrem Vater dankbar, dass er sie mit sich auf die Georgsburg genommen hatte.
Ihr Vater hatte sie als Helferin bei seinen Verhören gut gebrauchen können. Er war unheimlich, denn er war der Groß-Inquisitor des Ordens der Neun Nacharya. Aber für sie war er ihr Vater, der sie wie eine Erwachsene behandelte, ihr beibrachte, wie man böse Menschen verhörte und folterte und eventuell sogar tötete!
Sie war sehr wütend gewesen, als ihre Mutter verschwunden war. Frau Bromholle hatte ihr erklärt, dass sie sich nicht um ihre Mutter und ihre Brüder sorgen bräuchte. Sie waren einfach abgehauen, untergetaucht, ohne sie mitzunehmen. Sie war ohnehin immer wütend auf ihre Mutter gewesen, aber nach dieser Trennung ganz besonders. Diese Wut hatte ihr Vater aufgenommen und kanalisiert und auf die Menschen in den Verliesen und Kellern unter der Georgsburg gerichtet.
Taten diese Menschen Hollydeva leid? Nein, das Gefühl Mitleid kannte sie kaum. Sie hörte Stöhnen, Verzweiflung und sogar Schmerzensschreie. Aber das machte ihr nicht viel aus. Ihr Vater und die Neun Nacharya sollten ausreichend Gründe anführen können, um diese Menschen zu entführen und zu bestrafen.
Aber dieser unschuldige Jungen von den Sternen? War der wirklich böse? Sie war sich irgendwie nicht sicher, denn er gefiel ihr. Sie hätte gern einen Freund gehabt, einen gleichaltrigen Menschen, mit dem sie sprechen konnte. Astrologie, Sternenkunde, irgendwie klang das interessant für sie. Und es klang noch besser, mehr zu wissen als alle anderen Menschen und die wahre und einzige Sternenkunde zu kennen. Die Massen zu kontrollieren war eine Sache. Aber die Mitglieder des Nacharya-Ordens wollten natürlich als Höherstehende, als Übermenschen, das wahre Wissen haben und kennen und pflegen und anderen vorenthalten. Und Hollydeva fühlte sich als Mitglied dieses geheimen, gefährlichen und mächtigen Ordens.
Am dritten Tag nach seiner Ankunft auf der Georgsburg führte Hollydeva gleich am frühen Morgen das zweite Verhör mit Astrello durch. Sie hatte sich schon darauf gefreut ihn zu sehen, als sie aufgewacht war.
»Du heißt Astrello und bist ein Sternendeuter?«
»Ja, so ist es. Wer bist du?«
»Ich stelle hier die Fragen!«
»Und ich gebe gern Antworten, sofern du auch mit mir redest!«
»Nun gut, das ist verständlich. Ich heiße Hollydeva und bin die Tochter des Groß-Inquisitors der Neun Nacharya! Und ich bin seine Assistentin! Ich kann Schmerzen bereiten, töten und per Bewusstseinskontrolle Wahrheiten aus deinem Unterbewusstsein heraus bekommen!«
»Das klingt ja gefährlich!«
»Mach dich lieber nicht lustig über mich! Ich bin nicht sehr humorvoll! Ich kann nicht verstehen, ob etwas wahr oder ironisch gemeint ist. Daher nehme ich alles als wahr und wörtlich gemeint und Scherze führen dann eventuell zu Missverständnissen und ich füge mehr Schmerz zu, als ich eigentlich sollte. Aber ich habe hier freie Hand und...«
»Ach, du willst mich nur erschrecken! Aber ich verstehe dich, da sind wahrscheinlich Venus und Sonne im zwölften Haus!«
»Und da sind wir auch schon bei dem Grund deines Hierseins. Du propagierst die alten Götter, die Vielgötter. Das müssen wir unterbinden!«
»Ich propagiere keine Götter! So heißen nun eben die Planeten in diesem Sonnensystem, die für die Sterndeuter wichtige Informationen liefern! Oder sagst du nicht Venus, Mars, Jupiter zu den Planeten? Ist der Dienstag bei dir nicht der Tag des Tyu oder der Tag des Mars, wie in ›Martedi‹?«
»Nein, der Dienstag wurde umbenannt! Er heißt jetzt ›Blut-Tag‹!«
»Ja, wegen der Farbe Rot! Der rote Planet, der rote Kriegsgott! Es sind alles Assoziationen, Symbolverbindungen!«
Hollydeva schaute ihn wütend an. Er durfte hier nicht recht haben! Sie kannte diese Fachbegriffe nicht! Aber sie fühlte, dass seine Argumente Gewicht hatten! Sie würde ihren Vater befragen müssen! Waren die Anhänger der Vielgötterei etwa mächtiger, als sie gedacht hätte?
»Na gut! Hier, ich gebe dir die von dir gewünschten ›Ephemeriden‹!«
»Oh danke, das hilft mir sehr!«
»Wobei hilft es dir? Hier gibt es eigentlich keine Hilfe für Leute wie dich!«
»Ich werde dir sagen, was geschehen wird und du wirst erkennen, dass ich dir helfen kann und du wirst mich in meiner Mission unterstützen!«
»Ach ja? Deine Mission, worin besteht die?«
»Das habe ich doch bereits gesagt: Ich muss den Menschen die wahre Astrologie vermitteln!«
»Wieso ist deine Astrologie wahrer als der Aberglauben, den die Menschen eben kennen?«
»Meine Astrologie nimmt die Sterne am Nachthimmel, wie sie zu sehen sind! Die Planeten vor dem Hintergrund bestimmter Konstellationen der Fixsterne geben bestimmte energetische Muster an die Yrde, die in Korrespondenz mit Ereignissen auf der Yrde stehen. Ich kann präzise Vorhersagen machen, aber nur wenn ich die tatsächlichen Sternenstände nehme und nicht, wie es die Abergläubigen tun, auf einen fixen Tierkreiszeichen bezogene, den es gar nicht gibt!«
»Das ist mir zu hoch. Aber gut, ich merke, dass du es ernst und ehrlich meinst! Vielleicht könntest du die Sterne und die Sternbilder so benennen, dass sie den einzigen wahren Gott propagieren!«
»Den einzigen wahren Gott?!«
»Ja, den EinGott, den Urgrund allen Seins, Gottallah, Buddhatman, Taodharma!«
Als Astrello etwas verwirrt schaute, fragte sie ihn, ob er nicht an den einzigen wahren Gott glaube.
»Ich komme von den Sternen. Und hinter den Sternen sind Sterne. Die Wissenschaftler sagen, dass es einen Rand dieses Universums gäbe. Was dahinter ist, weiß man nicht. Andere Universen wahrscheinlich. Und hinter all den Universen? Da ist wahrscheinlich nichts. Ich glaube an mich, an die Stimme meines Herzens!«
»Ja, das ist dann der EinGott, der durch dein Herz zu dir spricht!«
»Wenn du meinst. Mein Herz sagt mir, dass ich dich nach deinem Geburtsdatum fragen soll!«
»11.12. im 32. Jahr des EinGott. Warum willst du das wissen?«
»Ich werde mit der Hilfe dieser Ephemeriden dein Horoskop erstellen! Wo bist du geboren?«
»In einem kleinen Ort, 100 Kilometer westlich von hier!«
»Kannst du mir deine Geburtszeit sagen?«
»Nein, die weiß ich nicht! Ich müsste meine Mutter fragen, aber die hat mich verlassen!«
»Deine Mutter hat dich verlassen? Wann war das?«
»Vor fünf Jahren!«
»Weißt du noch das genaue Datum?«
»Ja. Es war im Herbst. Es war ein Tag nach Halloween. 1.11.38.«
»Sehr gut. Damit kann ich die Geburtszeit errechnen! Ich brauche jetzt nur noch ein paar Blätter Papier und einen Schreibstift und Licht in der Nacht!«
»Ach ja? Und was tust du für mich, wenn ich dir das alles bringe?«
Astrello schaute sie direkt an. Er ergriff ihre rechte Hand und sagte ernst und feierlich: »Ich werde immer dein Freund sein! Ich werde dir niemals weh tun, Hollydeva! Ich werde dir immer die Wahrheit sagen und für alle deine Fragen die besten Antworten suchen!«
Hollydeva war überrascht. Sie wollte nicht, dass ein Inhaftierter sie berührte. Das durfte nicht passieren! Ihr erstes eigenständiges Verhör schien gehörig daneben zu gehen! Aber sie konnte nicht anders.
Sie wurde sich bewusst, dass sie wie gelähmt Astrellos Berührung zugelassen hatte. Wieso hatte sie die Hand nicht zurückgezogen? Sie wollte, dass er sie berührte und ihre Hand hielt! Sie wollte, dass er sie mochte!
»Ich will gemocht werden! Wirklich? Oh nein!« Ihr Selbstbild von einer hartgesottenen Kerkermeisterin hatte gerade Risse bekommen.
»Ja, ich bringe dir Papier und Stift und gebe Anweisung, dass das Licht in der Nacht angeschaltet bleibt!«
»Danke, Hollydeva!«
Hollydevas Lehrer waren junge Priester. Sie wurden immer mit verbundenen Augen hereingeführt und wussten vermutlich nicht, wo genau sie waren. Sie wurden nach einigen Monaten ausgetauscht. Sie durfte ihnen auf gar keinen Fall sagen, dass sie Menschen folterte oder sogar tötete. Niemand von Außen durfte wissen, dass die Welt mit den Verliesen unter der Georgsburg beeinflusst oder sogar gelenkt wurde.
Sie lernte Lesen und Schreiben und Naturkunde und Geschichte und interessierte sich für alles. Aber sie brauchte auch Antworten auf ihre drängendsten Fragen. Die Frage, die ihr am wichtigsten war, lautete: »Bin ich böse?«
Es war ihr bewusst, dass Menschen, die Schmerzen zufügten oder sogar töteten, nicht gut waren, eigentlich nicht im Sinne der Gebote des EinGott waren, möglicherweise ein schlechtes Karma ernten würden.
In diesem Jahr war der Lehrerpriester ernst und intelligent und sie hatte Vertrauen zu ihm. Sie sollte ihn mit ›Pater Septimus‹ anreden.
»Pater Septimus, könnten wir auch etwas anderes lernen als den üblichen Schulstoff? Können wir auch darüber sprechen, was das Gute und was das Böse ist?«
»Ja, wir können auch Philosophie in den Lehrplan aufnehmen! Möchtest du das?«
»Ja, gerne. Ich möchte wissen, was Gut und Böse ist. Ich möchte mein Verhalten daran ausrichten können!«
Sie hoffte mit dem Pater ihre inneren Fragen besprechen zu können, ohne offenlegen zu müssen, was sie getan hatte. Mit ihrem Vater wollte und konnte sie nicht darüber reden, denn der war ja eindeutig der Meinung, dass sein Verhalten notwendig und gerechtfertigt wäre. Böse Menschen muss man zum Umdenken bewegen. Aber woher wusste er, dass er dazu das Recht hatte, woher wusste er, dass seine Sache gerechtfertigt war?
In ihrer ersten Philosophie-Stunde begann Pater Septimus also damit, dass er darstellte, dass Ethik und Moral, die Beschäftigung mit dem Guten und dem Bösen, ein zentrales Thema wären.
»Wir haben ein Gewissen und das sagt uns, ob wir Gutes oder Böses tun!«, verkündete der Pater.
»Ein Gewissen? Habe ich ein Gewissen?«, fragte sich Hollydeva. »Ja offensichtlich, sonst hätte ich den Pater nicht gebeten, dieses Thema zu besprechen!«
»Das Gewissen ist unsere innere Stimme, die uns sagt, ob wir gut oder böse, richtig oder falsch handeln!«
»Ist Gut und Böse das gleiche wie Richtig und Falsch?«
»Nein, Richtig und Falsch orientiert sich an einem Ergebnis. Gut und Böse ist eher eine Grundhaltung. Der Gute Mensch hilft den anderen Lebewesen. Er oder sie handelt aus Mitgefühl. Der Böse Mensch hat kein Mitgefühl und schädigt andere Lebewesen.«
»Mitgefühl, wie habe ich das?«
»Wenn ein anderes Lebewesen Schmerzen leidet, dann fühlst du diese Schmerzen, als wären sie deine eigenen Schmerzen! Du fühlst mit und willst helfen!«
Das kannte sie nicht und sie wollte nicht, dass der Pater das wüsste. Sie nickte und bemühte sich so zu wirken, als ob sie eine tiefe Wahrheit verstanden hätte. Aber sie wusste nicht, was Mitgefühl sein sollte und diese Art von Gewissen schien ihr etwas vage, um daraus ableiten zu können, was Gut und Böse sei.
Es ging nicht anders: Sie brauchte Antworten, mit denen sie was anfangen konnte. Also frage sie den Pater beim nächsten Philosophie-Unterricht: »Pater, wenn nun aber ein Mensch nicht fühlt, was ein anderer Mensch fühlt, wenn er kein Mitgefühl hat, wie weiß dieser Mensch dann, was gut und was böse ist?«
»Hmm, die meisten Menschen brauchen eben Gebote und Gesetze. Sie versuchen diesen zu folgen. Sonst droht ihnen Strafe. Die Gesetze sind von Menschen gemacht und sollen die Gesellschaft aufrecht erhalten. Der Mensch ohne Mitgefühl muss erst einmal einfach nur gehorsam sein.«
Das gefiel Hollydeva so nicht. Sie wollte nicht einfach nur gehorsam sein. Sie wusste, dass ihr Vater mehr von ihr wollte.
»Aber wie kann ein Mensch, der sich nicht sicher ist, ob sein Gewissen das Richtige sagt, entscheiden, ob das, was er macht, gut oder böse ist?«
»Es kommt vor allem auf das Motiv an, die Motivation. Wenn ein Mensch etwas macht um Gutes zu bewirken, um andere zu beschützen, um gottgefällig zu leben, dann ist das gutes Handeln!«
»Hmm, die Motivation, der Beweggrund. Es gibt also gute und schlechte Motivationen?!«
»Ja! Alles, was der Gemeinschaft der Menschen und den Lebewesen oder der Yrde gut tut, ist gut. Alles, was selbstsüchtig und gierig ist, ist schlecht.«
»Kann man also auch einen Mensch töten und es ist eine gute Tat?«
»Du meinst, ob man mit einem Mensch Mitgefühl haben und ihn dennoch töten kann, weil das Motiv die Rettung der Menschheit ist?«
»So in etwa!«
»Hmm, ich würde sagen: Ja, das kann gerechtfertigt sein. Die Tat als solche sieht böse und ohne Mitgefühl ausgeführt aus. Aber sie kann im größeren Rahmen sinnvoll und gut sein.«
»Aber der Ausführende muss sich sehr sicher sein können, dass das Motiv tatsächlich gerechtfertigt ist?!«
»Selbstverständlich. Das ist eine tiefe Frage. Und es hat Terroristen und Fundamentalisten gegeben, die Menschen töten, weil sie meinen, dass ihr Gott ihnen das sagt. Und sie wollen so die Welt retten! Und sie irren sich und tun Böses! Daher hat man eine Zeit lang eher gesagt, dass jedes Töten eines Menschen Mord ist und hart bestraft werden muss! Und dass der Mörder nicht in das Himmelreich des EinGottes kommt!
»Heute sagt man aber, dass es gerechtfertigt ist für den EinGott, für das Ganze, für das Glück der Menschheit, für das Überleben der Yrde, Opfer zu bringen. Ein Töten wird immer das Gewissen belasten! Aber es kann sein, dass dieses Opfer sinnvoll ist!«
Hollydeva hatte noch eine Zeit darüber nachgedacht, dass die Motivation darüber entschied, ob man Gutes oder Böses tat. Und wenn man Anweisungen ausführte? Man musste dann dem Höhergestellten vertrauen können. Wäre der Gute Mensch verpflichtet sich über die Beweggründe des Menschen, der die Anweisung gab, in Kenntnis zu setzen, müsste er diese überprüfen? Sie würde Pater Septimus weiter befragen.
Und während sie das Verhör von Astrello und die Frage zu den Namen der Wochentage und der Planeten in das Protokollbuch der Kerkermeister niederschrieb und den philosophischen Unterricht des Paters erinnerte, beschloss sie den Bhogi aufzusuchen. Der Bhogi wusste Antworten.
Bei ihren Erkundungsgängen in der großen, verwinkelten Burg war sie nach einigen Wochen auf interessante Gegenstände gestoßen, die dort für sie ausgelegt zu sein schienen. Sie war der Spur gefolgt und sie war auch wachsam gewesen, denn sie konnte ja nicht wissen, wer sie da wohin locken wollte.
Schließlich hatte sie eine Tür gefunden, hinter der sich eine Bibliothek verbarg. Und inmitten der Bücher und Regale hatte sie den nächsten Nacharya, einen alten Herrn mit langem Bart, der sie freundlich begrüßte, gefunden.
Er hatte in einem Rollstuhl vor einem Tisch gesessen, der mit Büchern überhäuft war.
»Ah, da bist du ja endlich! Hallo, Hollydeva!!«
»Hallo?«
»Gestatte, dass ich mich vorstelle. Ich bin einer der neun Nacharya. Man nennt mich ›den Bhogi‹. Ich bin nun eher sehr alt und liebe es ungestört zu sein. Ich hatte wilde Jahre in der Welt und irgendwann reicht es einem mit Partys, Festen und Gelagen. Nun widme ich mich der Geschichte unseres Ordens!«
»Woher kennen Sie meinen Namen?«
»Nun, ich beschäftige mich nicht nur mit der Vergangenheit, sondern auch mit der Gegenwart und ich habe Quellen der Information, die mir sagen, was aktuell geschieht. Und deine Ankunft auf der Georgsburg war für unseren Orden von Bedeutung, vielleicht sogar von großer Bedeutung!«
»Ich bin nur irgendein Mädchen. Ich glaube, Sie übertreiben und wollen mir schmeicheln! Was wollen Sie von mir?«
»Ja, du hast recht. Ich schmeichle dir, weil ich deine Hilfe brauche! Ich bin nicht mehr so gut auf den Beinen. Ich muss vielmehr in einem Rollstuhl herum geschoben werden. Und ich muss zu einem Ort, um etwas zu verhindern. Du wirst mich dort hinschieben und du wirst auch für die Verhinderung sorgen!«
Hollydeva hatte skeptisch geschaut.
»Welcher Ort?«
»Ich sage dir alles, wenn es so weit ist!«
Und sie lächelte, als sie sich an das erste Treffen mit dem Bhogi erinnerte. Das Vorhaben, bei dem er ihre Hilfe brauchte, hatte noch nicht statt gefunden. Aber vor einigen Tagen noch hatte er gesagt, dass sie sich bereit halten sollte, da es unmittelbar bevor stand.
In den Monaten zuvor hatte er ihr aber einige Informationen über die Neun und ihre Funktionen im Orden gegeben. Aber inwieweit sie ihm vertrauen konnte, wollte sie noch bei dem gemeinsamen Vorhaben überprüfen.
Was hatte er über die Neun gesagt? Welche neun Nacharya gab es? Und als sie die Treppen hoch ging, um mit ihrem Vater zu Abend zu essen und das zweite Verhör mit dem Sternenjungen zu besprechen, erinnerte sie sich und sah vor ihrem inneren Auge noch einmal die vier, mit denen sie in den vergangenen Jahren Erfahrungen gemacht hatte: der Nononn, der Bhogi, Tatu Njena und Peredur.
Sie kannte also die Nummern 9, 7, 3 und 5.
Der Bhogi hatte sie, zumindest unterschwellig, vor der Nummer 8 gewarnt, dem ›Boss‹. Der hatte über mehrere Jahrhunderte die Geschicke der Neun maßgeblich bestimmt, war aber in der aktuellen Inkarnation bei den anderen auf einige Ablehnung gestoßen. Er wollte nicht Oktonn oder ähnlich genannt werden, wie es bei seiner Position als Achter stimmig gewesen wäre. Aber die Acht war eine kleinere Zahl als die Neun und sie klang unbedeutender als die Eins oder die Zwei. Also nannte er seine Position nach der Null oder Zero, ›Zronn‹. Im ersten Leben als Nacharya hieß er Saphed und wollte in der aktuellen Inkarnation auch so angesprochen werden.
Der Zweite, der Tworonn, sollte ein bedeutender Arzt und Heiler sein. Bhogi hatte zu verstehen gegeben, dass sie eine besondere Beziehung zu ihm hätte. Er hatte zu Zeiten des Adiraja Daman geheißen und so wurde er auch durch alle Leben und Inkarnationen und in diesen Tagen genannt.