Nur eine Nacht in deinen Armen? - Cathy Williams - E-Book

Nur eine Nacht in deinen Armen? E-Book

Cathy Williams

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Beschreibung

Nie würde Julie ihre Freiheit aufgeben! Das macht sie dem attraktiven Unternehmer Cesar Caretti unverblümt klar: Sie genießt seine Zärtlichkeiten – aber mehr als eine Nacht will sie ihm nicht schenken. Selbst dann nicht, als sie merkt, dass sie sein Kind unter dem Herzen trägt.

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Seitenzahl: 174

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IMPRESSUM

Nur eine Nacht in deinen Armen? erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Katja Berger, Jürgen WelteLeitung:Miran Bilic (v. i. S. d. P.)Produktion:Christina SeegerGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2009 by Cathy Williams Originaltitel: „Ruthless Tycoon, Inexperienced Mistress“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA EXTRA, Band 309 Übersetzung: Christiane Hesse

Umschlagsmotive: Kwangmoo / Depositphotos, AndreYanush / DPMARKET

Veröffentlicht im ePub Format in 06/2022

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783751514897

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

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1. KAPITEL

Cesar war nicht gerade bester Laune, als er mit seinem Bentley in die Seitenstraße einbog, in die ihn sein Navigationssystem dirigiert hatte. Es war kurz nach neun Uhr abends, und das Wetter, das in London noch vielversprechend ausgesehen und ihn bewogen hatte, den Bentley zu nehmen, verschlechterte sich zusehends, je weiter er Richtung Osten fuhr. Seit einer Dreiviertelstunde schneite es nun sogar, sodass er die Scheibenwischer eingeschaltet hatte.

Er fragte sich, warum sein Bruder ausgerechnet diese Gegend für ein Treffen auswählen musste. London wäre ihm lieber gewesen, aber Fernando hatte darauf bestanden, sich in diesem gottverlassenen Kent zu treffen. Hier gab es nichts, was Cesar interessierte, und deshalb hatte es ihn auch noch nie hierher verschlagen.

Leise fluchte er vor sich hin, als er nun vor einem Gebäude hielt, das den Charme eines verlassenen Lagerhauses ausstrahlte. Misstrauisch betrachtete er die Fassade, die mit Graffiti übersät war, und fragte sich, ob ihn sein Navigationssystem im Stich gelassen hatte.

Schließlich seufzte er ergeben auf und schwang sich aus dem Wagen, um den Eingang zu suchen.

Wenn sein Bruder tatsächlich in dieser Bruchbude wohnte, würde er seinen Bentley dem nächstbesten Landstreicher schenken. Fernando war einfach nicht der Typ für Bruchbuden. Ganz im Gegenteil.

Cesar versuchte, seinen Ärger hinunterzuschlucken. Immerhin gab es einen wichtigen Grund für dieses Treffen, und es war müßig, sich darüber aufzuregen, dass sein Freitagabend ruiniert war. Ebenso müßig war es, Fernando vorzuwerfen, ihn an einen solchen Ort zitiert zu haben – und das mitten im Winter und fernab jeglicher Zivilisation.

Erst auf den zweiten Blick entdeckte Cesar die Tür, die in dem Graffiti raffiniert verborgen war. Nachdem er sie geöffnet hatte, brauchte er einige Sekunden, um den Anblick zu verarbeiten, der sich ihm bot.

Und der entsprach nun wirklich nicht seinen Erwartungen. Der Kontrast zu dem baufälligen Äußeren war einfach zu stark. Anscheinend handelte es sich um eine Art Club, in dem ein paar Dutzend Leute locker ihren Feierabend genossen. Auf der einen Seite des Raumes, der im Halbdunkel lag, waren lederne Couchgarnituren um niedrige Tische herum gruppiert. An einer langen, hufeisenförmig geschwungenen Bar, die den gesamten hinteren Bereich des Raums einnahm, standen Gäste mit ihren Drinks. Ganz links befand sich eine Art Bühne, davor standen noch weitere Sessel.

Es dauerte nicht lange, bis er seinen Bruder entdeckte. Wie immer war er der Mittelpunkt einer Gruppe und unterhielt sich angeregt.

Da er Fernando ausdrücklich gesagt hatte, dass er das Thema des Treuhandfonds unter vier Augen mit ihm besprechen wollte, ärgerte sich Cesar, dass er offenbar zu einer Art Privatparty herbestellt worden war. Im gedämpften Licht konnte Cesar die Gäste nicht genau erkennen, aber er zweifelte keine Sekunde daran, dass es sich um die übliche Clique seines Bruders handelte. Ein paar Blondinen, dann einige von den Zockern, mit denen Fernando die Nächte durchpokerte, und die üblichen Playboys, deren einziger Ehrgeiz darin lag, das Familienvermögen zu verprassen und nichts zu tun, was auch nur entfernt nach Arbeit aussah.

Wenn Fernando glaubt, er kann einer ernsthaften Diskussion über seine finanzielle Zukunft entgehen, indem er sich hinter seinen Freunden versteckt, hat er sich getäuscht, dachte Cesar grimmig.

Endlich löste die Gruppe um seinen Bruder sich auf. Nur noch eine junge Frau mit kurzen Haaren stand bei Fernando. Cesar bemühte sich gar nicht erst um ein Lächeln und schenkte ihr keinerlei Beachtung, als er auf die beiden zuging.

„Fernando“, grüßte er knapp und streckte die Hand aus – das einzige Zugeständnis an die Höflichkeit. „Auf so einen Treffpunkt war ich nicht vorbereitet.“ Seit Monaten hatten die Brüder sich nicht gesehen. Zuletzt waren sie sich auf einer Familienfeier in Madrid begegnet, wo Cesar wieder einmal vergeblich versucht hatte, seinen Bruder für die Familiengeschäfte zu interessieren. Damals machte er Fernando unmissverständlich klar, dass er seinen Treuhandfonds einer gründlichen Überprüfung unterziehen würde. Cesar besaß die Vollmacht, Zahlungen so lange zurückzuhalten, wie er es für richtig hielt, und davon würde er auch Gebrauch machen. „Reiß dich zusammen“, warnte er Fernando. „Oder du kannst dich von deinem Lebensstil verabschieden.“

Wie nicht anders zu erwarten, war Fernando dem Firmensitz seitdem ganz ferngeblieben.

„Ich dachte … weil Freitagabend ist …“, Fernando setzte sein charmantestes Lächeln auf. „Es gibt noch anderes im Leben außer Arbeit, lieber Bruder! Entspann dich! Reden können wir auch morgen noch. Ich wollte dir den Club hier gern zeigen …“ Er breitete die Arme aus in einer Geste, die den ganzen Raum umfasste. Cesar sah ihn unbewegt an. „Aber ich bin unhöflich.“ Fernando beugte sich zu der Frau, mit der er sich bis zu Cesars Eintreffen unterhalten hatte. „Das ist Julie Bevers – Julie, ich möchte dir meinen Bruder Cesar vorstellen. Cesar, darf ich dir etwas zu trinken anbieten? Whisky? Wie immer?“

„Und ich nehme noch ein Glas Wein, Freddy.“ Während Fernando zur Bar ging, wandte Julie sich Cesar zu. Noch nie hatte sie sich von einem Mann so eingeschüchtert gefühlt.

Das also war der berühmte Cesar. Kein Wunder, dass Freddy, wie er von all seinen Freunden hier genannt wurde, angstvoll dem Treffen mit ihm entgegengeblickt hatte. Cesar war gute zehn Zentimeter größer als sein Bruder. Und während sie Freddy auf charmante und sympathische Weise gut aussehend fand, raubte ihr Cesars Anblick fast den Atem. Die Ebenmäßigkeit seiner fein gemeißelten Züge wirkte jedoch eher abweisend als attraktiv.

Sie zwang sich zu einem Lächeln. Dieser Abend war bis ins Detail durchgeplant worden. Es war Freddy äußerst wichtig gewesen, seinem Bruder das Lagerhaus zu zeigen. Er hatte es gekauft und wollte es zu einem Top-Jazzklub machen. Das war schon immer sein Traum gewesen. Nun brauchte er aber dringend eine Geldspritze aus dem Treuhandfonds, und genau dieser Plan konnte scheitern, wenn Cesar sich weigern sollte, ihm sein Geld auszuzahlen. Er hatte schon ziemlich viel in dieses Projekt investiert, aber wenn Cesar ihm jetzt einen Strich durch die Rechnung machte, war es zum Scheitern verurteilt.

Da war Freddy eine Idee gekommen: Was lag näher, als seinem Bruder zu zeigen, was sich aus diesem Gebäude machen ließ, und so zu beweisen, dass er sich geändert hatte. Dass er nicht mehr der kleine Bruder war, der als Playboy das Geld seiner Familie verschwendete. Er hatte genau die richtigen Leute eingeladen, um den perfekten Rahmen zu schaffen: Bankiers, Anwälte, Finanziers – und auch sie, Julie. Kurz alle, die irgendwie zum Gelingen seines vielversprechenden Projekts beitragen konnten.

„Freddy hat mir schon viel von Ihnen erzählt.“ Julie musste den Kopf fast in den Nacken legen, um zu Cesar hochblicken zu können.

„Ich hingegen habe keine Ahnung, wer Sie eigentlich sind und warum Fernando mich unbedingt hier treffen wollte.“ Stirnrunzelnd schaute er sie an. Sie wäre ihm nie aufgefallen, wenn sie nicht so direkt vor ihm gestanden hätte, und er wusste auch, warum. Mit ihren kurzen Haaren war sie nicht gerade der Inbegriff von Weiblichkeit.

Als Vollblutspanier hatte Cesar eine ziemlich genaue Vorstellung davon, wie eine Frau aussehen sollte, und dieses Mädchen hier entsprach diesem Bild ganz und gar nicht.

„Ich glaube, er wollte, dass Sie ein paar seiner … Freunde … treffen.“

„Vielen Dank, aber von denen kenne ich schon einige. Und ich kann Ihnen versichern, dass mir das vollauf genügt.“ Allerdings war jemand wie sie noch nie dabei gewesen, und sie war auch nicht der Typ, auf den sein Bruder flog. Ganz im Gegenteil. Was wollte sie also hier? Er musterte sie prüfend. „Wer sind Sie eigentlich, und woher kennen Sie Fernando? Er hat noch nie von Ihnen erzählt.“ Sein Bruder pflegte einen großzügigen Lebensstil und war nicht gerade geizig. Cesar wusste das, weil er Fernandos Rechnungen bezahlte. Und er wusste auch, dass sein Bruder seinen Begleiterinnen gerne teure Geschenke machte. Für Frauen, die es auf sein Geld abgesehen hatten, war er leichte Beute. Diese hier schien zwar anders zu sein, aber Cesar überfiel trotzdem das dringende Bedürfnis, herauszufinden, in welcher Beziehung sie eigentlich zu seinem Bruder stand. Er ließ seinen Blick durch den Raum schweifen und bemerkte, dass die Sofas im Eingangsbereich frei waren. Die anwesenden Gäste schienen lieber zu stehen. Jeden Augenblick würde Fernando mit den Getränken zurückkommen, und dann würde eine langweilige und unnötige Vorstellungsrunde beginnen. Cesar blickte zu den Sofas hinüber und sagte: „Ich habe eine verdammt anstrengende Fahrt hinter mir. Kommen Sie, wir machen es uns dort drüben bequem, und dann erzählen Sie mir alles über Ihre … Beziehung mit meinem Bruder.“

Julie fand, dass dieser Vorschlag eher wie eine Drohung klang. Freddy war anscheinend auf dem Weg zur Bar aufgehalten worden. Das war eine seiner schlechten Angewohnheiten. Jederzeit bereit, sich zu unterhalten, vergaß er Raum und Zeit, bis man ihn gewaltsam von seinem Gesprächspartner fortzog.

„Ich habe keine … Beziehung … mit Ihrem Bruder“, erklärte Julie, während sie sich auf eines der eleganten Sofas setzte. Im gedämpften Licht war Cesars Gesicht nicht genau zu erkennen. Julie lachte nervös und trank den restlichen Schluck aus ihrem Glas. „Ich fühle mich wie in einem Vorstellungsgespräch.“

„Tatsächlich? Weshalb denn? Ich wüsste einfach nur gerne, wie Sie Fernando kennengelernt haben.“

„Ich helfe ihm bei … einem Projekt.“ Julies Auftrag war es, Cesar davon zu überzeugen, dass Freddy sich geändert hatte und sein Vorhaben erfolgversprechend war.

„Welches Projekt?“ Cesar runzelte skeptisch die Stirn. Soweit er wusste, ging sein Bruder allem aus dem Weg, was auch nur im Ansatz nach Arbeit aussah.

„Ich glaube, das würde er Ihnen gern selbst erklären“, antwortete Julie ausweichend. Cesar beugte sich zu ihr hinüber, die Ellbogen auf die Knie gestützt. So aus der Nähe wirkte er fast bedrohlich.

„Jetzt hören Sie mal zu. Ich bin gekommen, um mit Fernando über seine Zukunft zu reden. Stattdessen sitze ich jetzt hier in einem Club, umgeben von Menschen, die mich nicht im Geringsten interessieren. Und um das Ganze zu krönen, soll ich mir jetzt auch noch irgendwelche mysteriösen Andeutungen über ein angebliches Projekt anhören, von dem Fernando bisher nie ein einziges Wort hat verlauten lassen. Worin genau besteht nun Ihre Aufgabe bei diesem sogenannten … Projekt?“

„Ihr Ton gefällt mir überhaupt nicht!“

„Und mir gefällt das Spielchen nicht, das Sie hier spielen. Wie lange kennen Sie Fernando überhaupt?“

„Seit fast einem Jahr.“

„Seit fast einem Jahr. Und wie nahe sind Sie sich in dieser Zeit gekommen?“

„Worauf wollen Sie hinaus?“

„Sagen wir es so: Ich sehe meinen Bruder zwar nicht oft, aber ich kenne ihn gut genug, um zu wissen, dass langfristige platonische Beziehungen zum anderen Geschlecht bei ihm nicht gerade hoch im Kurs stehen. Er mag Frauen, die willig und kooperativ sind. Außerdem bevorzugt er einen bestimmten Typ: blond, vollbusig, am besten noch mit langen Beinen und ein bisschen einfältig. Wie passen Sie da hinein?“

Julie fühlte, wie ihr die Zornesröte ins Gesicht stieg. Sie atmete tief durch, um die Fassung zu bewahren. Ungerührt fuhr Cesar fort: „Wenn er tatsächlich mit Ihnen über mich geredet haben sollte, dann bedeutet das, dass Ihre Beziehung weit über eine reine … Geschäftsbeziehung hinausgeht.“ Sein Ton klang mehr als zweifelnd.

Die Rettung, die dem Verhör ein vorläufiges Ende bereitete, nahte in Gestalt von Freddy, der die Getränke brachte. Cesar registrierte Julies erleichterten Gesichtsausdruck. Jede Einzelheit nahm er wahr: Wie die beiden einen schnellen Blick tauschten, wie Fernando Julie etwas ins Ohr flüsterte und sie den Kopf schüttelte. Sobald es die Höflichkeit zuließ, stand sie auf und ging. Cesar schaute ihr nach und ließ seinen Blick noch eine Weile auf ihrer Gestalt ruhen. Sie mochte zwar etwas Jungenhaftes an sich haben, aber ihre anmutigen Bewegungen verliehen ihr einen gewissen sinnlichen Reiz. Er würde später noch einmal mit ihr reden. Irgendetwas war hier im Gange. Er konnte es spüren, und er würde schon noch herausfinden, was es war. Aber das hatte keine Eile.

Abwarten und Tee trinken. Das war schon immer seine Devise gewesen, und daran hielt er sich auch jetzt wieder, als Fernando ihm seine Gäste vorzustellen begann. Allerdings war es diesmal eine unerwartet normale Gruppe von Menschen. Wo waren die Starlets? Die Playboys mit ihren oberflächlichen Gesprächen? An diesem Abend schienen es sich alle in den Kopf gesetzt zu haben, mit ihm über Vermögensanlagen und Finanzgeschäfte zu sprechen.

Gegen Ende des Abends stellte Cesar fest, dass ihm dieses Mysterium fast schon Spaß zu machen begann.

Draußen fiel der Schnee in immer dichteren Flocken. Unter den Leuten, die eilig zu ihren Autos gingen, die anders als Cesars Auto ordnungsgemäß auf einem Parkplatz hinter dem Gebäude standen, entdeckte Cesar Julie. Sie hatte sich einen Schal um den Hals gewickelt und vergrub die Hände in den Jackentaschen. Im Lichtschein, der aus dem Foyer nach draußen fiel, konnte er sie nun genauer betrachten. Ihr kurzes braunes Haar schimmerte leicht rötlich, und ihre Gesichtszüge waren ganz und gar nicht jungenhaft. Im Gegenteil. Die großen braunen Augen waren von langen dunklen Wimpern umrahmt, und der sinnliche Mund stand im Kontrast zu ihrem burschikosen Auftreten.

Julie war wieder in ein Gespräch mit Fernando vertieft. Was hatten die beiden nur immer zu reden?

„Ich hatte eigentlich nicht vorgehabt, die Nacht hier zu verbringen“, unterbrach Cesar die Unterhaltung.

„Ja, dann.“ Fernando sah ihn entschuldigend an. „Es gibt hier ein ausgezeichnetes Hotel …“

Cesar runzelte die Stirn. „Ist dein Haus denn nicht in der Nähe?“

„Also … ich habe nur ein Apartment. Und das ist ziemlich klein.“

Cesar blickte zu Julie hinüber, die seinem Blick geflissentlich auswich.

„Bei diesem Schneetreiben werde ich ganz bestimmt nicht auf gut Glück in der Gegend herumfahren, um eine Unterkunft zu finden. Wie heißt das Hotel?“

„Das Hotel …?“ Fernando schaute hilfesuchend zu Julie, die resigniert aufseufzte.

„Ich habe ein Telefonbuch zu Hause. Wenn Sie mich mitnehmen, kann ich nachsehen und ein Zimmer für Sie reservieren“, schlug sie widerstrebend vor.

„Sie mitnehmen? Wie sind Sie denn hergekommen?“

„Mit Fernando.“

„Ach, so ist das …“ Cesar lächelte. „Na, das ist doch ein Angebot, das ich nicht ausschlagen kann … Und morgen, mein lieber Fernando, werden wir endlich unsere kleine Unterhaltung führen!“

„Aber klar, Bruderherz!“ Fernando schlug ihm freundschaftlich auf die Schulter und umarmte ihn kurz, was zwischen ihnen beiden nicht gerade üblich war.

Obwohl Cesar sich längst damit abgefunden hatte, dass ihn und sein Bruder kein besonders herzliches Verhältnis miteinander verband, spürte er jetzt doch ein leichtes Bedauern. Sie hatten ihre Eltern verloren, als Cesar gerade zwanzig geworden war. Dieser Schicksalsschlag hätte sie einander eigentlich näher bringen müssen, aber genau das Gegenteil war eingetreten. Cesar fragte sich, ob er nicht unter der Last, sich um das Familienimperium kümmern zu müssen, seine Hauptpflicht versäumt hatte, nämlich seinem Bruder Liebe und Geborgenheit zu schenken. Er selbst hatte von heute auf morgen die Verantwortung übernommen und deshalb kein Verständnis dafür gehabt, dass Fernando so wenig Ehrgeiz zeigte. In seinen Augen war es ein Zeichen von Schwäche. Cesar schob diese unangenehmen Gedanken schnell beiseite – schließlich tat er alles, um seinem Bruder ein sicheres und behütetes Leben zu bieten. Er hatte wirklich immer sein Bestes gegeben.

„Mein Wagen steht vor dem Club.“

„Warum hast du denn nicht auf dem Parkplatz geparkt?“

„Ob du es glaubst oder nicht, aber ich dachte, ich hätte mich in der Adresse geirrt. Ich wäre nie darauf gekommen, dass sich in dieser Bruchbude ein Club befindet, geschweige denn ein Parkplatz dahinter.“

Freddy grinste stolz. „Geschickt, nicht wahr? Aber darüber können wir uns ja dann morgen ausführlicher unterhalten.“ Er hatte sich bereits zum Gehen gewandt, und Julie blickte Cesar verdrossen an. Das Letzte, worauf sie Lust verspürte, war, mit ihm allein zu bleiben. Aber ihr blieb keine Wahl. Freddy konnte ihn auf keinen Fall mit nach Hause nehmen. Nicht, solange Imogen dort war.

Allein der Gedanke an dieses kleine Geheimnis trieb ihr die Schamröte ins Gesicht. Eigentlich hätte Imogen heute an Freddys Seite sein sollen. Schließlich war sie die treibende Kraft in diesem Spiel, aber Freddy hatte darauf bestanden, sie erst einmal aus der Sache herauszuhalten. Nachdem Julie Cesar nun kennengelernt hatte, verstand sie auch, warum. Cesar war jemand, der allem und jedem misstraute. Das war in ihrer Unterhaltung deutlich geworden, die eher an ein Kreuzverhör erinnerte. Ein Blick auf Imogen, ihre langen blonden Haare, ihre großen blauen Augen und ihre langen Beine – und Freddy hätte seinen Treuhandfonds abschreiben können. Dass Imogen aber auch noch Freddys Baby erwartete und bereits im siebten Monat schwanger war, hätte Cesar völlig aus der Fassung gebracht.

„Wir können ja einfach in die Stadt fahren“, schlug Julie vor. Inzwischen waren sie bei Cesars Wagen angelangt und stiegen ein. Julie versank förmlich in den Polstern, die ebenso bequem waren wie die edlen Sofas in Freddys Club. Besorgt sah sie hinaus in das immer dichter werdende Schneetreiben. „Bis zu mir ist es zwar nicht allzu weit, aber man fährt über Landstraßen, und ich weiß nicht, ob dieser Wagen das schafft.“

„Dieser Wagen“, erwiderte Cesar, während er wendete, „wird mit allem fertig.“

„Mit allem, außer den Straßen in Kent bei Schneetreiben mitten im Januar. Dafür braucht man schon ein etwas robusteres Fahrzeug. Diese teuren Schlitten mögen ja für Londoner Verhältnisse ganz brauchbar sein, aber hier draußen auf dem Land sind sie einfach unsinnig.“

Cesar warf ihr einen ungläubigen Blick zu, aber sie sah gerade zum Seitenfenster hinaus und versuchte abzuschätzen, wie schnell sie fahren konnten, ohne im Graben zu landen.

Sie lotste ihn bis zur Hauptstraße, die jetzt um ein Uhr morgens schneebedeckt und wie ausgestorben dalag. Nach einiger Zeit bogen sie ab und krochen dann eine schmale, kurvige Landstraße entlang.

„Wie zum Teufel halten Sie es mit solchen Wetterverhältnissen aus?“, fluchte Cesar. Er brauchte seine ganze Konzentration, um nicht von der Straße abzukommen.

„Ich habe ein Auto mit Allradantrieb. Es ist zwar ziemlich alt, aber zuverlässig, und man kommt damit wirklich überall durch.“

„Im Gegensatz zu meiner Nobelkarosse, meinen Sie wohl?“ Er warf ihr einen kurzen Blick zu.

„Ich könnte mir so einen Wagen nie leisten. Ich wüsste aber auch gar nicht, was er mir zu bieten hätte.“

„Wie wäre es mit Komfort?“ Cesar wurde klar, dass er nicht das Geringste über Julie wusste. Was machte sie zum Beispiel beruflich – wenn sie nicht gerade seinem Bruder bei irgendeinem dubiosen Projekt half, hinter dem sich von Buchhaltung bis zu Typberatung alles verbergen konnte? Er musste unbedingt mehr über sie erfahren. Seine Fragen würde er sich allerdings für später aufsparen, denn im Augenblick war er vollauf damit beschäftigt, das Auto durch den Schnee zu manövrieren. Allmählich fragte er sich, ob er jemals den Weg zurück in die Stadt und zu einem komfortablen Hotel finden würde.

„Praktische Aspekte sind mir viel wichtiger als Luxus.“

„Das habe ich mir schon gedacht. So wie Sie angezogen sind.“

„Was soll das denn heißen?“

„Das heißt – ist es noch weit bis zu Ihrem Haus? Wenn ich nämlich noch langsamer fahre, können wir genauso gut aussteigen und zu Fuß gehen.“

„Da vorne ist es.“ Sie deutete auf einen schwachen Lichtschein, der in dem Schneetreiben kaum zu erkennen war. Insgeheim hing ihr seine Bemerkung über ihre Kleidung noch nach. Ja, sie trug Jeans, weil die bequem waren. Und sie war schließlich nicht die Einzige mit Jeans dort gewesen. Gut, die anderen Frauen waren schon etwas schicker gekleidet gewesen, aber sie hatte sich durchaus vorzeigbar gefühlt!

Sie warf Cesar einen verstohlenen Blick zu. Er war zwar der unhöflichste Mann, dem sie jemals begegnet war, aber er war auch unverschämt gut aussehend … auf eine leicht beunruhigende Art und Weise. Wenn sie ihn ansah, überlief sie ein seltsamer Schauer.

Als die Räder plötzlich durchdrehten und der Motor ausging, waren sie nur noch wenige Meter von ihrem Haus entfernt.

Cesar fing an zu fluchen.

„Warum sehen Sie mich so an? Das ist doch nicht meine Schuld“, verteidigte sich Julie.

„Wie wären Sie eigentlich nach Hause gekommen? Zu Fuß etwa?“

„Ich hätte …“, gerade noch rechtzeitig hielt sie inne. Beinahe hätte sie gesagt, dass sie bei Freddy übernachtet hätte, der mitten in der Stadt wohnte. Aber dann hätte Cesar natürlich sofort gefragt, warum Fernando ihm das nicht angeboten hatte, „… bei einer Freundin übernachtet“, beendete sie schnell den Satz.