Nur wer innehält, erkennt was wirklich wichtig ist - Klara R. Kannt - E-Book

Nur wer innehält, erkennt was wirklich wichtig ist E-Book

Klara R. Kannt

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Beschreibung

Wie ein Reiter im Galopp streift dieses Buch sämtliche Themen des Lebens. Es soll alles andere als ein Gefühl von einer Jagd vermitteln oder der Manie der heutigen Zeit vorauseilen. Oftmals sind die eigenen erahnten und erfühlten Gedanken so viel wertvoller, als jede Antwort, die im kleinsten Detail vorgefertigt, definiert und festgeschrieben ist. Wenn ein Buch überhaupt in der Lage ist, dass es etwas soll und kann, dann lebt in diesem Buch der Wunsch, dass der eigene Geist sich von allen Fesseln befreit, die bis gerade eben noch aufgehalten haben; ... dass Gedanken entstehen, die finden und erkennen, was schon immer da war, nur bisher unerkannt blieb und erst im Erkennen über Sämtliches hinausführen kann; ... dass Körper, Geist und Seele in das Eins schwingen, dass die Verbundenheit mit allem, als auch ein liebevolles Miteinander wachsen lässt. Dieses Buch nimmt sich nicht heraus, dass etwas Neues darin beschrieben steht. Mag es auch teils so wirken, so ist alles eine Rückerinnerung an das, was schon immer da war. Ebenso, wie jedes Training Wiederholung bedarf, bis es sitzt und man in der geübten Fähigkeit wächst, kann dieses Buch sich in der Wiederholung wandeln und immer weiter entfalten. Ob und in wie fern das passiert, bleibt jedem selbst die eigene Wahl und Möglichkeit.

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Nachwort

Impressum

Vorwort

Ein ganz liebes Hallo

und lich willkommen in meiner Welt. Dieses Buch ist ein lang gehegter Wunsch, der Welt all das eröffnen und mitgeben, was ich in meinem Leben bereits erfahren und verstehen lernen durfte. Das soll nicht bedeuten, dass ich irgendwas besser wüsste, als du oder andere. Ebenso wenig fühle ich mich weiter oder größer, als irgendwer. In mir schwingt ein Herz in Verbundenheit mit allem, auch wenn mich mein Weg immer wieder auf der Suche nach Antworten dahin geführt hat, dass Manches nur im Alleingang beweltigt werden kann. Nein … da ist kein Rechtschreibfehler! Mit beweltigen beschreibe ich lediglich meine Sicht auf die Dinge, dass meiner Empfindung nach, jeder in seiner eigenen Welt lebt. Jeder Mensch, jedes Tier, einfach alles hat seine eigene Art und Weise, was sich in Gedanken, Worten, Handlungen und in all dem dazwischen widerspiegelt. Diese Ansicht deutet bereits jetzt schon an, dass es einige Takte länger dauern kann, bis man andere (Welten) tatsächlich und wahrhaftig versteht und damit umgehen lernt. Ich sehe darin weitaus mehr als eine von vielen möglichen Ansichten. Näher be(tr)achtet bietet es eine Grundlage dafür, dass Missverständnisse, Streit und viele andere Gefühle und Lagen, die bis jetzt eher Unschönes mit sich brachten, mit der Zeit unserer Welt entschwinden und sich in Wohlsein auflösen. Man fällt, wohin man sich neigt.

Die Lust danach suchen und Antworten finden – ganz gleich was ich auch erlebt habe, niemals aufgeben – entstand in mir bereits in frühen Kindertagen. Warum und wieso die Gedanken und Wünsche in mir so groß wurden, dass sie sich in eine Lebensaufgabe entwickelten, weiß ich nicht genau. Früher nannte ich es stets »Mir sitzt ein Engel auf der Schulter, der direkt in mein Herz flüstert«. Heute ist daraus eine Stärke und eine Sicherheit gewachsen, die ich auf keine andere Art und Weise so umfassend hätte finden können. So folge ich mein Leben lang schon meinem Gefühl, auch wenn es nicht immer leicht war und ist, denn es bedeutet oftmals, dass man sich von allem abwendet, was bekannt ist und gerade in all der Intensität dieser Welt, sich selbst wahrnehmen lernt und niemals verlässt oder verliert. Jeder von uns malt seine Karte des Lebens selbst und beschreibt den eigenen Weg, in dem man ihn lebt und geht.

Es mag schon viele Bücher geben, die vielleicht Ähnliches beschreiben. Doch gerade das, gibt mir den Mut nun endlich meinen Traum aufleben lassen. Auch wenn sich manches mit bereits vorhandenen Beschreibungen überschneidet, so ist doch jeder in seiner eigenen Welt, die sich mit nichts und niemandem vergleichen lässt. Es ist jeder einzelne Moment an sich, der zeigt, ob und wie weit man dafür bereit ist, sich Neuem öffnet und annimmt – ganz gleich was auch kommt. In meiner Empfindung ist das Leben so genial, dass es weder richtig noch falsch gibt. Es kennt immer den rechten Weg, der jeden in die eigene Weiterentwicklung und Entfaltung einlädt, selbst wenn es sich im ersten Anschein anders darstellt. Es sind die kniffligen Momente die gefühlt schneller weiterführen, denn manchmal ist das Gefühl und das Schätzen im Glück selbst, all so leicht vergessen, wie schön das Leben ist. Der Gegenschwung – so behaupte ich – dient lediglich der Erinnerung, dass man genau das durchglüht und mit der eigenen Wahlmöglichkeit im freien Willen sich mehr und mehr in seiner eigenen Art und Weise daheim fühlt, das eigene Sein entfaltet, lebt und schätzt, ohne dass es eines Tages weiterer Gegenschwünge bedarf.

Auf der Suche nach einer Lösung, die jedem eine Antwort ist, fand ich ins Umdenken hinein. Was daraus entstand, hat es mir so sehr angetan, dass ich mich darin übe, wie ein Schüler, der Tag täglich von Neuem beginnt. Im Umdenken erkannte ich einen Schlüssel, der jedes Schloss öffnen und unzählig viele so genannte Geheimnisse des Lebens lüften kann. Ob und wann das jeder für sich erkennt oder überhaupt will, bleibt jedem selbst überlassen, denn in meinem Sinn existiert kein Muss oder gar ein Standard, der für alle gleich ist und funktioniert. Jeder ist einzigartig – ein Unikat – also der oder die einzige seiner/ihrer Art und Weise. Ebenso hat jeder seine eigenen Vorstellungen, Wünsche, Möglichkeiten, Fähigkeiten, Gefühle und Geschmack. Was für den einen gut ist, mag dem anderen sein Pech sein. Das soll lediglich beschreiben, dass es alles andere als verwunderlich ist, wenn man aus irgendeinem Grund bis gerade eben in die Verlegenheit kam und es anderen gleichtat und damit dann in einer Sackgasse landete, statt im gewünschten Ziel. Wenn dem so ist, so gilt es neuen Mut fassen und weitergehen, denn der Weg war nicht der eigene, den jeder nur für sich selbst finden bzw. erfühlen kann, darf und sollte.

Wie heißt es so schön? »Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen«. Wir üben und trainieren teils so vieles. An dieser Stelle werde ich einen Gedanken nicht mehr los: wir üben und trainieren oftmals Dinge und Begebenheiten, die eher vom Glück weg, als hinführen.

Angesprochen sind damit alle Situationen, die Uneins, Zwist und vieles andere mit sich bringen, was sich in sämtliche Richtungen weiterentwickeln kann. Den Schalter, der das beenden kann, trägt jeder in sich selbst, doch besser noch finde ich die Idee, wenn es erst gar nicht so weit kommt. Was in all der Zeit die dann folgt passieren und entstehen kann, hat manches Herz schon brechen lassen und ins Aufgeben geführt. Auch, wenn ich weiß, dass es fürs Nichts und niemanden jemals zu spät ist, dass sich daran etwas ändern kann, so wirkt die Hürde teils so groß, dass man meint, man schafft das nicht.

Jeder hat seine eigene Reisegeschwindigkeit – also wie schnell man im gedanklichen und feinstofflichen Sinne voranschreitet. Es beschreibt sich im Erkennen, Verstehen und Verinnerlichen und zeigt sich im weiteren Verlauf, wie man sich gibt und agiert. Ich nenne das kurz und knapp durchglühen. Ein Stück Holz, das man ins Feuer legt, wird schnell vollständig durchglüht sein. Bei uns Menschen gestaltet sich dieses Durchglühen teils ganz anders, weil es innerliche Vorgänge sind, die nur jeder für sich selbst finden und beweltigen kann, mit denen dann das durchglüht Haben und Sein entsteht.

Manchmal bedeutet es auch, dass man sich erst von etwas lösen oder vergeben »muss«, damit man in eine ganz andere Tiefe hineingehen kann und sich damit eine grenzenlose Weite wahrnehmen, (emp)finden und leben lässt. Ich sage »Die Lösung ist immer einfach!« Sie finden ist manchmal das Knifflige daran, weil der Glaube und das eigene Gefühl in so viele Richtungen gehen kann. Das eigene Leben kann mehr oder weniger voll von prägenden als auch fesselnden Momenten sein, die eher unbewusst mitschwingen, dass teils erst viele Tropfen den Bach entlang fließen, bis man sich dessen bewusst ist und über die Dinge hinaus entwickelt. Gerade die, die einen so lang aufgehalten haben, verstecken sich oft am besten. Wie dem auch immer sein mag. Ich habe volles Vertrauen in jeden Menschen, dass ganz gleich welches Leben man wählt, egal wie viele und welche Erlebnisse da waren oder gerade eben sind, jeder kommt für sich weiter und ebenso ins Ziel.

Nur bei dem wie man ans Ziel kommt und sich bis dahin fühlt, bringe ich schon immer gern meine Funken und Samenkörner voller Ideen ein und genau dafür lege ich nun meine Welt und Wege in diesem Buch offen dar. Es ist das wie, das wie ein Dirigent das eigene Empfinden in oder ab des Genusses lenkt. Die eigene Lebenszeit und die Erinnerung daran formt sich in ihrer Beschreibung nach dem wie man es empfunden hat. Man erzählt von dem, wie es war.

Genug der einleitenden Worte. Ich wünsche mir, dass ich mit den folgenden Zeilen einen Weg gefunden habe, um dir all das schenken können, was mir das Leben seit langem gibt.

Eine kleine Anmerkung noch:

Dieses Buch hat seinen eigenen Rhythmus und lehnt sich an den eigenen Standpunkt, als auch an die eigene Wahrnehmung an. So kann es passieren, dass bei wiederholtem Lesen ganz andere Dinge auffallen, als davor, weil sich mit der Entwicklung auch die Wahrnehmung wandelt.

So, nun wünsche ich dir wundersame Momente auf der Reise mit diesem Buch.

Anmerkung:

Einen letzten Hinweis will ich doch noch anfügen bevor es losgeht, da sich mein Sprachstil - besser gesagt die Wahl der Worte - in den letzten Jahren stark geändert hat. Manch ein Satz ließt sich recht gewöhnlich und andere Sätze wirken im ersten Moment vielleicht so, als würde etwas fehlen und erscheinen damit ungewohnt. Das liegt daran, dass ich Worte sehr bewusst wähle. Auch hat das was damit am Hut, dass ich von den zwei Buchstaben „zu“ nicht sonderlich viel halte. Ganz direkt zeigt es das Wortbeispiel: „aufzuschließen“. Für mich ist das ein Widerspruch in sich. Je mehr ich mich damit beschäftigt habe und das „zu“ aus meinen Sätzen weggelasse, umso extremer bemerkte ich erst, wie oft wir es für gewöhnlich verwenden, obwohl es ebenso weggelassen werden kann. Daraus ergibt sich eine Sprache, die anfangs unvollständig oder gar umständlich wirken kann, doch mit der Zeit entfaltet sich darin eine sehr angenehme Wirkung, die ganz nebenbei anregt, dass man sich in vielerlei Hinsicht öffnet, statt sich zu verschließen.

Mag ich in Sachen Worte und dessen Gebrauch noch vieles lernen können, so habe ich daran immer wieder große Freude, als auch sehr interessante Begegnungen, wenn man ganz bewusst Worte wählt und auf diese Art das ausspricht, was man sagen will. Auch der Austausch von Worten hat etwas an sich, dass sich nicht in einem Satz beschreiben lässt. Mein Lieblingsbeispiel ist das Wort „Problem“. Darauf gehe ich im Buch nochmals anders ein. Vorweg schon mal soviel: das Wort Problem klingt oftmals wie eine fast unlösbare Begebenheit. Es bringt eine Schwere mit sich, als hätte ein Elefant auf mir Platz genommen, der mit seinem Gewicht nicht nur eine Last auf mir ist und das Atmen plötzlich erschwert. Es wirkt bis in die Welt der Gedanken hinein und kann den Anschein von allen möglichen, der Lösung entgegenstehenden, Komplikationen erwecken, was das Finden von des Rätsels Lösung künstlich erschwert. So nenne ich das, was andere „ein Problem“ nennen Aufgabe oder Herausforderung. Allein damit bekommt die Lage ein ganz anderes Flair. Eine Aufgabe haben und dafür vom Leben auserwählt worden sein - was nichts anderes bedeutet, als dass man sie meistern kann - gibt mir ein geniales Gefühl und erweckt zeitgleich die Lust und damit alle dafür nötige Kraft, das Rätsel lösen wollen und können. Was allein die Verwendung eines anderen Wortes bewirken kann, finde ich phänomenal.

Alles andere, was ich nun und auch bis in den letzten Satz dieses Buches nicht angesprochen habe, klärt sich von selbst - sage ich. Da darf immer ein Spielraum für das eigene (Emp)Finden bleiben.

Dies ist nur ein kurzer Hinweis, damit das Lesen angenehm bis genussvoll ist und dir noch vieles mehr schenkt, als es sich auf den ersten Blick zeigt.

Also dann, alles anschnallen, es geht los :)

Es war ein Tag, wie jeder andere auch und doch war irgendetwas anders. Da war ein Gefühl, das mich immer wieder in Gedanken brachte und alles um mich herum vergessen ließ. Ich machte mir erstmal eine große Tasse Tee und setzte mich in meinen Zaubergarten. Da saß ich immer wieder gern, weil ich von dort aus an eine der schönsten Stellen in meinem Garten blicken konnte. Es war ein einfaches Anlehngewächshaus aus weißen Plastikstreben und Plexiglasscheiben, das um eine Terrassentür meines Hauses gebaut war, so dass man direkt vom Haus aus hineingehen konnte. Es selbst hatte auch eine Tür, die in den Garten führte und ein Fenster, was an heißen Tagen Gold wert war, denn die Wärme der Sonne heizte das Glashaus teils so sehr auf, dass selbst ich es manchmal nicht mehr lang darin aushielt. Darin standen zwei kleine Tische, zwei Stühle und eine Bank für zwei – aus Teakholz –, die mit Polstern ausgestattet richtig bequem waren. Der Boden war gefliest, was gut war, wenn man mit nassen, erdigen Schuhen aus dem Garten hereinspazierte und so manche Spur hinterließ. Ich nannte den Ort einst Zaubergarten, weil alle Pflanzen, die darinstanden, so gut und schnell wuchsen, wie es kaum zu glauben war. Auch mir brachte dieser Ort schon so viele schöne Gedanken und Momente, dass der Name einen Ort beschreibt, der aus vielerlei Hinsicht magisch war.

So saß ich mit meiner Tasse Tee in meinem Zaubergarten, blickte in die Pflanzenpracht um mich herum und nippte ein klitzekleines Schlückchen Tee. Mehr ging nicht, denn der Tee war noch so heiß, dass ich es kaum aushielt, die Tasse überhaupt mit meinen Lippen zu berühren. Ich schloss kurz die Augen, atmete von dem Teedampf einen langen tiefen Zug ein und pustete beim Ausatmen langsam in die Tasse hinein. Als ich meine Augen öffnete, sah ich unscharf weiter weg etwas durch meine Blumen tanzen. Ich suchte es und fand es bald. Ein kleiner süßer Schmetterling flatterte von Blüte zu Blüte und labte sich an deren Nektar. Es freute mich immer wieder sehr, wenn Schmetterlinge, Bienen, Hummeln, Falter und andere Tiere meinen Garten besuchten und sich an den Pflanzen bedienten, denn genau aus dem Grund hatte ich sie einst mit Bedacht gesucht und gepflanzt.

Während meine Augen dem Schmetterling noch etwas weiter folgten, schweifte ich in Gedanken ab. Langsam löste sich auch mein Blick von dem hübschen Flattermann und ging meilenweit in die Ferne … durch alles hindurch.

Wie in Trance nahm ich meine Tasse und führte sie langsam an meine Lippen heran. Es war noch so viel darin, dass bereits eine geringe Schräge völlig ausreichend war, ein kleines Schlückchen von der heißen Flüssigkeit in die Mundhöhle fließen zu lassen. Noch während ich das tat, machte es plötzlich »platsch«. Ein paar Teespritzer landeten in meinem Gesicht. Sofort setzte ich die Tasse von meinen Lippen ab. So schnell, dass ich fast noch mehr verschüttet hätte. Dann sah ich für ein paar Sekunden regungslos in die Tasse hinein, bis mir der Schluck Tee, der nach wie vor in meiner Mundhöhle war, unabsichtlich prustend aus mir herausplatze und ich alles um mich herum mit kleineren und größeren Teetröpfchen benetzte.

Hatte mir doch tatsächlich ein Vogel direkt seine Hinterlassenschaft in meine Teetasse hineinfallen lassen und mich damit aus meinem Schwelgen herausgerissen.

Es klingt gerade so absurd wie irreal, denn damit das überhaupt möglich war, musste der Vogel genau so über meinen Zaubergarten fliegen, dass er im Flug die einzige kleine Stelle mit seinem Abwurf erwischt, an der er die Öffnung des Fensters über mir treffen konnte, dass der Vogelschiss – Verzeihung, für das Wort – überhaupt in meiner Teetasse landen konnte. Damals empfand ich allein das schon als ein Ding der Unmöglichkeit, doch es war passiert.

Was mich etwas mehr noch verwunderte als die Tatsche selbst war, dass ich keinerlei Anzeichen von Ärger in mir spürte. »Wie war das möglich? Was war denn heute auf einmal los? So habe ich mich noch nie gefühlt«.

Nun gut, heute war ein wundersam schöner Sonnentag. Ich liebte solche Tage. Beim Aufwachen war ich bereits voller Glücksgefühle. Auch freute ich mich in diesem Moment, dass ich meine Lieblingstasse nach wie vor in der Hand hielt und nicht hatte fallen lassen.

Ich machte mit der anderen Hand eine abwinkende Handbewegung in die Luft und sagte »Ach, da wollte ich eh schon längst mal wieder geputzt haben. Danke für die Erinnerung«.

Ich hielt inne und dachte über meine Worte nach. »Hab ich das eben wirklich gesagt? Was genau passiert hier?« Ich mein abgesehen davon, dass alles richtig war, so wie ich sprach und dachte … nur »Wo kam auf einmal diese Ruhe her?«

Ich spürte wie ein klitzekleiner Teil in mir vehement versuchte, dass ich auch nur einen Hauch von Ärger empfinden konnte. Mir kam sogar die Erinnerung an einen anderen Moment, als ich im Garten in der Sonne unter freiem Himmel saß und mir ein Vogel im Vorbeifliegen direkt auf` s rechte Knie machte. Woa … was war ich damals angeekelt und sauer. Ich kann noch hören wie ich sagte »Ich hol jetzt gleich meine Steinschleuder du Vieh mit deinem Mist«. Ich hatte keine Steinschleuder und selbst wenn ich eine gehabt hätte, hätte ich es in keinem Fall übers Herz gebracht, nach einem Lebewesen zu schießen. Ich erinnerte mich auch an das Gefühl in meinem Herzen, das damals bis in meinen kleinen Zeh hinein pochte. Mir wurde heiß, was in dem Moment nicht an der Sonne lag. Hui, damals hatte ich so vieles von dem, was nun heute wie weggeblasen schien. So leitete mich die Freude darüber, dass ich mich nicht mal im Ansatz ärgerte, wieder in meinen Genuss hinein.

Während ich so vor mich hindachte, zog die Tasse, die ich nach wie vor in der Hand hielt, meine Aufmerksamkeit auf sich. Der Druck des Henkels schmerzte langsam in meinem Zeigefinger. Meine Hand zitterte bereits leicht und die Bewegung übertrug sich so direkt in die Tasse hinein, dass der Tee bereits in kleinen Wellen umher schwappte. Die Ansicht erinnerte mich an das Meer.

Langsam stellte ich die Tasse auf dem Tisch neben mir ab. Während ich die immer kleiner werdenden Teewellen beobachtete, entfernte sich mein Blick wieder wie vorhin, als ich dem Schmetterling nachsah und blickte in eine endlose Weite, durch die Tasse hindurch. Was ich dann sah, wirkte eher so, als sähe ich mir gerade einen Film an. Doch ich wusste, dem war nicht so.

Ich sah ein Schiff, das durch die peitschenden Wogen der stürmischen See schwankte. Es knarrte und krachte während es mal auf, mal ab, mal hin und mal hergerissen wurde. Allein bei dem Gedanken an ein schaukelndes Schiff, wurde es mir flau im Magen. Manch eine Reise brachte mir schon eine Schiffsfahrt ein, bei der ich unweigerlich über die ein und andere Reling meinen Mageninhalt entleeren musste. So gern ich Schiffe auch ansah, darauf fahren war definitiv nicht meins. Meiner Phantasie war das egal. Ich sah dieses Schiff so klar und deutlich vor mir, als wäre ich selbst dort. Unaufhörlich prallte eine Welle nach der anderen so hart gegen das Schiff, dass man meinen hätte können, nun bricht es. Doch es hielt den Begebenheiten stand, wenn auch nicht spurlos. Weder die Echos der Wellen, noch der Wind brachten dem Schiff den Untergang. Es trotzte allen Gewalten, denen es ausgeliefert war.

Die Szene erinnerte mich an mein Leben. All der Wirbel, das Auf und Ab waren wie ein Spiegel dessen, wie sich schon so manches Erlebnis angefühlt und präsentiert hatte.

In all der Aufregung spürte ich plötzlich mein Herz in meiner Brust wild pochen. Wenn ich es nicht besser gewusst hätte, dann hätte ich schwören können, ich konnte die See riechen, schmecken und das Salz auf meiner Haut spüren, doch wie sollte das möglich sein? Ich saß doch nach wie vor in meinem Zaubergarten. Oder nicht?

Ich rieb mir die Augen, und strich mit den Händen über mein Gesicht. Ich wurde das Gefühl nicht los, dass ich von der letzten Welle einige Spritzer abbekommen hatte.

Eben wollte ich nach meiner Tasse greifen, der Tee müsste ja nun angenehm trinkbereit sein … doch meine Hand griff ins Leere.

Abermals rieb ich mir die Augen, als könnte ich damit den Knopf drücken, der den Film beendet, doch dem war nicht so.

»Was passiert hier? Wo bin ich?«

Ich schloss meine Augen und atmete tief ein und aus. Als ich meine Augen wieder öffnete war alles ruhig und still um mich herum.

Die See hatte sich beruhigt. Das Schiff glitt gemächlich über das Wasser, als wäre nichts gewesen. Nur die zerrissenen Segel, die in sich verworrenen Seile und die letzten Pfützen auf dem Schiffsboden erinnerten noch an den Sturm, der bis eben gewütet hatte.

»Wo bin ich hier gelandet und vor allem wie kam ich hier her?«

Es fühlte sich alles so echt an. War es das denn auch, oder bin ich unbemerkt eingeschlafen? Schneller als ich denken konnte, griff ich mit meiner rechten Hand zu meiner linken und zwickte mich ordentlich in den Handrücken. »Aua«. Das tat weh. »Ein Traum kann es also nicht sein« dachte ich mir, nur wo war ich dann? »Bin ich in einer anderen Realität gelandet?« Hm … all meine Gedanken drehten sich im Kreis. Nichts brachte mich wirklich weiter. So unerklärlich das alles war, so müde hatten mich die Eindrücke der letzten Momente gemacht, dass ich beschloss, es mir erstmal gemütlich zu machen und meine Augen für eine Weile zu schließen.

Ich stellte mir einen wunderschönen, mehrfarbigen Sonnenuntergang vor, der sich schillernd auf dem Wasser spiegelte. Die Ansicht war so berauschend, dass ich immer tiefer atmete und sich das Klopfen meines Herzens wieder unbemerkt verlangsamte und in mir zurückzog. Es breitete sich eine nie dagewesene Ruhe in mir aus.

Ich weiß noch, wie sehr ich es genoss. Es tat einfach gut. Am liebsten wäre ich noch länger geblieben, doch es machte einen Ruck und ich fand mich in meinem Zaubergarten wieder.

»Heute war definitiv ein Tag, der anders war, als jeder vorherige«. Während ich meine Gedanken ordnete – besser gesagt es versuchte –, griff ich ohne langes Nachdenken in gewohnter Art und Weise nach meiner Tasse und nahm einen großen Schluck, den ich gleich wieder ausspuckte, denn der Tee war nach wie vor alles andere als trinkbereit. »Wie kann das sein? Es war doch schon einige Zeit später … oder nicht?« Vor Schreck fiel mir fast die Tasse aus der Hand. Einige Schlucke Tee landeten in meinem Schoß. Verwirrt sah ich in die Tasse hinein. »Stimmt! Da war ja noch was«. Mir drehte es den Magen um, als mir der dunkle Batzen am Boden der Tasse wieder auffiel, der langsam mit dem Tee hin und her schaukelte. Ich dachte wieder an das Schiff und die Erlebnisse von gerade eben.

Es kam ein kräftiger Wind auf. Die Äste des Baumes in meinem Garten wogen sich hin und her. Als es knarrte und krachte, zog das Geräusch, das von dem Baum kam, meinen Blick in seinen Bann. »War der Wind eben auch schon da? Hatte ich mit offenen Augen geträumt?« Je intensiver ich darüber nachdachte, umso mehr Fragen entstanden in mir. Der Wind blies so stark, dass es mich fröstelte. »Warum ist mir plötzlich kalt? Es ist doch Sommer!« Ich seufzte und legte meine Hände in den Schoß, was meine Aufmerksamkeit auf meine stellenweise nasse Hose lenkte. »Ja natürlich! Das ist es. Ich sollte mich mal umziehen und mir vorher eine warme Dusche gönnen«. Gesagt getan. Die Tasse nahm ich ebenfalls mit und spülte den Inhalt in die Toilette.

Was darauf auch folgte, was ich auch tat, nichts war in der Lage mich von all dem abzulenken, was ich im Zaubergarten erlebt hatte. Im Gegenteil. Das Wasser, das beim Duschen über mein Gesicht floss und in meine Ohren rauschte, verstärkte die Lebendigkeit all dessen, was vorgefallen war. Irgendwas ließ mich nach wie vor daran zweifeln, dass es nur ein Traum war. Vielleicht war es eine Vision? Solche Erlebnisse hatte ich schon des Öfteren, nur waren sie vormals nie so intensiv wie diese und ich nannte sie auch lieber Gedankenreise, denn das Wort Vision wirkte auf mich schon immer irgendwie übernatürlich und mittlerweile sogar unglaubwürdig. Da gab es ein paar Situationen in meinem Leben, in denen mir jemand von seiner Vision erzählte. Was mich anfangs noch in einen zaubervollen Bann zog, entpuppte sich mit der Zeit als nüchterne Erkenntnis, dass es auf der Ebene so manch wen gibt, der es nur auf das Geld in meiner Tasche abgesehen hatte, als dass an der Vision etwas ernst Gemeintes dran gewesen wäre. »Nun gut, mal angenommen es war eine Vision … was genau wollte sie mir zeigen?« Ich ging nochmal alles ganz langsam in Gedanken durch. Noch wurde mir nicht klar, was das alles bedeuten sollte. Erst als mir wieder einfiel, dass ich das Schiff in der wilden See wie eine Metapher für mein eigenes Leben empfunden hatte, öffnete sich eine Tiefe und Weite, die ich einstmals kaum in Worten beschreiben konnte.

Mit einem Mal erkannte ich, dass die gedankliche Reise mir all meine Erlebnisse und meine Gefühle in sich vereint zeigte. So kurz und knapp wie sie auch war, nichts war ausgelassen und ich konnte in der Form nochmals alles durchleben, was hinter mir lag. Doch die Sicht auf die Dinge hatte sich verändert. Ergriffen von den Gedanken spürte ich ein Kribbeln, dass durch jede Faser meines Körpers kitzelte.

Ich fühlte tiefe Trauer und eine unbandige Freude zugleich. Die Trauer wurde von den Momenten ausgelöst, in denen ich mich selbst wie das Schiff fühlte, das den wilden Wogen der See nicht entkommen konnte. Ich fragte mich, warum das so war? »Gibt es denn nicht doch irgendeine Möglichkeit, mit der ich den Sturm besänftigen kann und all das, was in mir etwas zerbrechen und zerreißen hatte lassen, so verändern, dass sich das nicht ein einziges Mal mehr wiederholt? Was genau ist es, das in der Lage ist, dass es mich so hineinreißen kann, dass ich nicht mehr Herr – Frau – meiner Sinne bin?« Meine Erinnerung spielte mir in dem Moment nochmals viele meiner Lebenslagen im Schnelldurchlauf vor, in denen ich mich hin und her geworfen fühlte – wie das Schiff in dem Sturm. Aufgrund der Situation handelte ich damals ganz anders. Doch wie weit ich mich aus mir heraus und damit von meiner eigenen Art hatte weglocken lassen, war so glasklar erst jetzt aus der Ferne betrachtet ersichtlich. Hätte mir das damals jemand gesagt, wäre es mir weder aufgefallen, noch hätte ich es geglaubt. Ich erkannte noch etwas. Der wahre Auslöser für meine Reaktion und auch die Abweichung von meiner natürlichen Art, lag nicht an der Tatsache selbst, dass ich in der jeweiligen Lage gelandet war. An der Stelle begegnete ich dem Meer der Möglichkeiten und erkannte, dass sich alles darauf aufgebaut hatte und damit so auswirkte, weil ich mich tief verletzt fühlte, falsch verstanden und abgelehnt. Mir wurde ohne Umschweife klar, dass jede einzelne Situation mich dadurch verfälschte und von mir selbst wegtrieb, weil ich etwas missverstanden hatte. Daraus entstand in meinen Gedanken ein Gebräu, das in Kombination mit meinem Gegenüber eine explosive Mischung ergab und damit in Reaktionen hineinführte, die weder wahrhaftig mich, noch mein Gegenüber widerspiegelte. Es war der Schmerz, der mit der Vermutung und Interpretation der Worte und Handlungen des Gesprächspartners entstand. Erst jetzt konnte ich erkennen, dass man aneinander vorbeigeredet hatte und nur, weil jeder für sich dachte, man wüsste tatsächlich Bescheid und verstehe den jeweils anderen und die Lage an sich, kam es zu Gedanken als auch Handlungen, die sich einzig und allein auf Annahmen und Unterstellungen stützten und aufbauten.

Mir wurde plötzlich schummrig vor Augen und ganz flau im Magen. Ein kleiner Schock ließ mich um mich herumblicken. »Ok! Ich bin in meinem Zaubergarten und nicht wieder auf dem Schiff oder sonst wo«. Erleichtert atmete ich tief ein und aus und ließ mich wieder in die weichen Kissen der Bank zurücksinken.

Mir war gar nicht aufgefallen, dass mein Erinnerungsvermögen eine Pause eingelegt hatte, als hätte jemand den Film angehalten. Es war der kleine Schreck über meinen flauen Magen, der mich aus den Gedankengängen herausgerissene hatte. »Warum genau ist das flaue Gefühl in mir entstanden?« Beruhigt darüber, dass ich festen Boden unter meinen Füßen spürte, wollte ich es nun wissen, was dafür verantwortlich war. Als ich nach meiner Tasse griff, fiel mir erst auf, dass ich mir noch gar keine zweite Tasse eingeschenkt hatte. »Also gut. Es ist eh allerhöchste Zeit, dass ich mich mal bewege. Dann mal los«. Als ich aufstehen wollte, spürte ich ein anderes Kribbeln in all den Körperregionen unterhalb meines Bauchnabels. Es wirkte so, als wäre alles eingeschlafen, was mein Vorhaben dezent entschleunigte. Langsam stand ich auf und ging schwankend in die Küche. Während das Wasser im Kocher langsam heißer wurde, spazierte ich in der Küche auf und ab. Mittendrin blieb ich stehen und streckte mich in alle Richtungen, so weit es nur ging. Noch zwickte und kribbelte es leicht abwärts meines Körpers, doch spürte ich zeitgleich auch, wie gut es tat mich zu strecken und wie das Zwicken immer mehr aus meinem Gefühl verschwand. »Verzeih mir lieber Körper, heute ist alles so interessant und spannend, dass ich dich ganz außer Acht gelassen habe. Gib mir noch etwas Zeit für meinen Geist und wir drehen später eine schöne große Runde beim Spaziergang«. Für mich war es normal, dass ich in dieser Weise mit meinem Körper redete, doch darauf gehe ich an einer anderen Stelle näher ein.

Als mein Tee fertig war, setzte ich mich samt Tasse wieder in meinen Zaubergarten und schloss das Fenster über mir. Bei dem ersten kleinen Schlückchen Tee, kam mir nochmals das zerrissene Schiffssegel in den Sinn.

Mir war länger schon bewusst, dass allem was bricht oder reißt, etwas Neues und viel Besseres entwachsen kann. Nur in der Situation selbst, waren immer wieder sämtliche Erkenntnisse – aus der Zeit davor – wie weggeblasen. »Welche Kraft herrscht da, dass mir meine eigenen Erkenntnisse entschwinden konnten?« Jedes Mal, wenn sich der Sturm der Situation gelegt und ich den Boden der Tatsachen wieder erreicht hatte, waren auch alle Erkenntnisse wieder glasklar in mir vorhanden. Und mehr noch. Der Gedanke mit ihnen beschwingte mich immer wieder mit Dank und Liebe für die Erlebnisse, ganz gleich, welche es waren. Mittendrin allerdings wünschte ich mir des Öfteren einen schnelleren Ausweg, der all diese Gefühlswellen aus der Trauer in die Freude bringt.

»Das ist es!« Ich stockte. »Es muss das Gefühl sein. Natürlich! Was sonst wäre in der Lage, dass ich einerseits sicher im Leben stehe und mich an anderen Stellen wie ein Tischtennisball fühle, der hin und her geschubst wird?«

Der Augenblick fühlte sich magisch an. Das Kribbeln, das wieder durch meinen Körper ging, verstärkte den Moment.

Ich vergaß wie all so oft die Zeit und gab mich meinen Gedanken hin. »Mal ganz vorne angefangen: Was genau bewirken Gefühle?«. Die schnellste und kürzeste Antwort fand ich im Außen. Also alles, was in dieser Welt passiert, kann im Moment des Erlebens, als auch im Nachhinein – in der Erzählung – Gefühle mit sich bringen, die sich dann, je nach Erlebnis formen, gestalten und dementsprechend auswirken und weiterführen. Mein Erinnerungsvermögen meldete sich aus seiner Pause zurück und leitete meine Gedanken wieder in das flaue Gefühl in meiner Magengegend hinein. »Richtig, da war ich vorhin gedanklich stehen geblieben!« Was dann folgte glich dem Augenblick, nachdem eine Achterbahn ihren höchsten Punkt erreicht hatte und unweigerlich mit sich in die rasante Talfahrt nahm, der sich in ihr befand. Es durchfuhr mich im ganzen Körper, als auch im Geiste, als ich wieder in der vorherigen Gedankenwelle landete. Ich stellte mir die Frage »Was entsteht daraus, wenn sich Gedanken und Handlungen rein auf Interpretation und Vermutung aufbauen, man wüsste was in einem anderen Menschen wirklich vorgeht? Erst recht, wenn die Lage so verzwickt ist, dass man selbst in einem Schmerz gelandet ist, der nur durch ein oder gar mehrere Missverständnisse entstand. Was wenn sich das nicht an Ort und Stelle aufdeckt und klärt?« Jetzt war mir klar, woher meine schummrige Sicht und mein flaues Gefühl zuvor herkam. »Ja! Was daraus entsteht, kann ja nur ein in sich komplett verdrehtes Ergebnis zur Folge haben!«. Ich musste an die Begebenheiten in meinem Leben denken, die sich über einen längeren Zeitraum gezogen hatten und sich letztlich selbst im Ende nicht vollständig klären ließen, geschweige denn, die Zeit dazwischen von ihrer Last befreiten. In all jenen Lagen blieb immer ein Stückchen Unbehagen hängen. Man redete nur nicht mehr darüber, weil die große Klärung ja bereits in der Vergangenheit stattgefunden hatte. Naja, hier und da hatte ich den ein und anderen Menschen schon nochmals angestupst. Ich nahm all meinen Mut zusammen und deutete noch einige Male darauf hin, dass da noch nicht alles klar und im Frieden lag. Die Reaktion meines jeweiligen Gegenübers brachte eher Unverständnis, als auch die ermahnenden Worte hervor, ich solle die Vergangenheit doch endlich ruhen lassen und damit abschließen. Das traf mich damals wie ein Schlag ins Gesicht und brachte mich auf die Idee, dass es meinem Gegenüber vielleicht ebenso geht, wie mir. »Die größte Hürde ist der eigene Schatten«. Mit diesen Worten sank mein Blick zu Boden, denn mir war so, als konnte ich den Schmerz anderer fühlen, als wäre es mein eigener. Zeitgleich erkannte ich, dass ich selbst einstmals der Auslöser für solche Gefühle anderer war. Natürlich konnte ich auch jetzt wieder einem Irrglauben erliegen, doch mein Gefühl sprach etwas Anderes. Ohne Zweifel nahm ich meine Gefühle an und stellte mich dem, was daraufhin geschah. Ich sagte »Bitte verzeih mir, dass ich es damals nicht besser wusste und vergib mir, wie auch ich dir vergebe, dass ich war und du warst, wie wir waren. Wenn ich könnte, würde ich es heute so gern klären und mit dir gemeinsam in den Frieden finden. Weil bis jetzt jeder Versuch abgewiesen wurde und somit scheiterte, rufe ich die guten Kräfte zur Hilfe. Möge meine Bitte erhört und meine Vergebung für das was war, Heilung und Frieden für uns beide bringen«. Bei den Worten rollten mir dicke heiße Tränen über das Gesicht. In meiner Vorstellung nahm ich mein Gegenüber in den Arm. Dabei kam es mir so vor, als hätte sich all der Schmerz, der noch aus der damaligen Situation wie eingekapselt in uns beiden vorhanden war, plötzlich freigesetzt und aufgelöst. Es dauerte eine längere Zeit bis ich wieder tief und frei atmen konnte.

Das war ein Erlebnis das durch und durch ging. Ich wiederholte es an allen Stellen, an denen ich das Gefühl hatte, dass der Frieden noch nicht eingekehrt war. Das ging nicht mal eben schnell an einem Nachmittag. Es fand sich für jeden Menschen und jede Situation der rechte Zeitpunkt, an dem auch ich dafür bereit war. Ich weiß noch wie sich das Leben anfühlte, bevor ich in die wahrhaftige Vergebung fand. Selbst wenn sich jemand bei mir entschuldigte oder ich das bei jemandem tat, es hatte nicht mal die geringste Ähnlichkeit mit dem, was ich seit meiner ersten wahren Vergebung erkennen und lernen durfte. »Das kleinste Gefängnis ist in einem selbst. Der Schlüssel in die Freiheit ist der eigene Wille«.

Meine Sicht wurde wieder schummrig. Es bahnten sich abermals Tränen an, doch dieses Mal aus Freude. Meine Erinnerung ließ mich nochmals all jene Momente erleben, in denen ich voller Dank dafür war, was ich erleben durfte und auch wie es sich zeigte. Das extremste für mich war es jedes Mal, wenn ich mich beim Leben dafür bedankte, dass ich erlebt hatte, was es auch immer war … dass ich denken konnte, wie ich dachte und dass ich bin wie ich bin. Je öfter ich mich von ganzem Herzen für Sämtliches bedankte, umso tiefer erfüllte mich eine Freude und umso schneller durfte ich erkennen, was das Gute an unschönen Momenten war. Das Erlebnis danach fühlte sich immer wieder so an, als hätte sich ein inneres Tor geöffnet. So wie in dem Märchen mit der Goldmarie. Mit dem Unterschied, dass beim Durchschreiten kein Gold herunterfiel, sondern Erfüllung und Glückseligkeit.

Ein Geräusch unterbrach meinen Gedankengang. Es war mir, als hörte ich zwei Kinder aus der Nachbarschaft Tischtennis spielen. Ein Schaudern ging durch mich hindurch. Ich stellte mir einen Tischtennisball vor, der unaufhörlich von einem Tischeck zum anderen geschlagen wurde. Dabei fielen mir wieder all die Momente in meinem Leben ein, in denen ich nicht so gehandelt hatte, wie ich wollte. Wie der Tischtennisball gehorchte ich einst oft den Bestimmungen und Erwartungshaltungen anderer. Es war genau dieses Gehorchen, das mich aus der Natur meiner eigenen Art und Weise geschubst und verdrängt hatte und mich jedes Mal von meinem eigenen Weg abbrachte.

»Warum hatte ich das nur getan? Was war der wahre Auslöser dafür, dass ich so sehr an mir zweifelte? Ich habe es doch letztlich immer geschafft, was ich mir gewünscht habe. Viel besser und leichter war es sogar, wenn mich nichts und niemand beirren konnte und ich meinem Herzen gefolgt bin!« Ich spürte, wie mir eine Träne über die Wange rollte, doch verstand ich nicht gleich woher sie kam. Wieder empfand ich tiefe Trauer und suchte nach einer Antwort. Es dauerte eine Weile. Es war nicht nur bei einer Träne geblieben. Doch mit jeder weiteren, die so nah an meiner Lippenkante ankam, dass mein Reflex sie mit der Zunge aufsammeln ließ und ich sie herunterschluckte, kam es mir so vor, als stünde jede einzelne für den Quell des Lebens und brächte neuen Mut und neue Kraft mit sich. Wie rein gewaschen zeigten sich Gedanken, die mich erkennen ließen, was ich einstmals noch nicht sehen konnte.

All meine Zeit lebte ich in dem Glauben, würde ich anders handeln, als es von mir erwartet wird, könnte ich damit die Freundschaft, Liebe oder Bekanntschaft all jener verlieren, wenn ich ihre Erwartungen nicht erfülle.

Erst in diesem Moment wurde mir klar, dass mein Glaube mich so sehr geblendet hatte, denn was hat wahre Freundschaft auch nur ansatzweise damit zu tun, dass ich mich erst und genau so verändern muss, wie es andere gern hätten, damit Freundschaft existiert? Das widerspricht sich doch komplett!«

Mit dem Trocknen der letzten Tränenspuren war es, als bröckelte damit eine Last von mir ab. Ich atmete tief ein und spürte Frieden, der sich in mir ausbreitete.

»Was passiert heute mit mir, dass ich mich ständig so fühle, als könnte ich mich in alles verwandeln und gerade damit so viel mehr verstehen und erkennen, wie es nicht besser möglich war?« Es war nicht nur die Verwandlung an sich, sondern das Gefühl und die Gedanken, die darauf folgten, die eine Genialität mit sich brachten, dass meine Erlebnisse wohl eher einem Märchen gleichen, als einer wahren Begebenheit.

Langsam spürte ich den Drang nach Bewegung in mir aufsteigen. Andererseits hätte ich mich auch ganz gern hingelegt, doch irgendwas in mir sagte, dass Bewegung jetzt nun genau das richtige für mich ist.

Eine feste Route hatte ich nicht. Als ich von meinem Grundstück auf den Gehweg trat, sah ich einmal links und einmal rechts. Noch hatte ich keine Idee, wo ich langgehen wollte. Es mag damals auch an all den Erlebnissen davor gelegen haben, dass mir gerade egal war wohin, Hauptsache dass …

Ich schloss meine Augen und konzentrierte mich auf das, was ich hörte. Es fuhren ein paar Autos vorbei, die für mich in dem Moment weder eine Rolle spielten noch eine Tendenz für meine Wegrichtung brachten. Es dauerte ein paar Minuten, die mir wie eine Ewigkeit vorkamen. »Was wohl die Menschen dachten, die mich da so stehen haben sehen?« Letztlich war das für mich eher eine Scherzfrage, denn ich hatte schon gelernt und spätestens mit heute durchglüht, dass der Schuss ganz schön nach hinten losgehen kann, wenn man meint, man könnte mit der eigenen Ideenvielfalt erahnen, was in anderen genau vorgeht, was sie denken und meinen. Da ist die Chance für einen Treffer beim Roulette weitaus höher, als beim Erahnen der Gedanken anderer. Wobei dem Treffer beim Roulette ja auch schon ähnliches nachgesagt wird.

Eine kleine zarte Windböe streichelte mir von rechts durch mein Haar. Da war es also endlich. Ein Zeichen, das mir die Augen öffnete und meinen Weg rechts den Berg hinunter beginnen ließ. Die Sonne stand bereits so tief und da dieser Weg in südwestliche Richtung führte, war ich von den hellen Sonnenstrahlen anfangs so geblendet, dass ich einfach gen Boden blickte, was für Gewöhnlich gar nicht mir entsprach. Ich blickte schon immer gern in die Welt hinein, was den Boden als interessante Ebene an sich in keiner Form schmälern sollte, denn dort gab es ebenso immer wieder allerhand zu entdecken.