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Erst Komödie, dann Drama! Schimmler hält es im Himmel nicht mehr aus. Alles braucht eine Ewigkeit, und ständig dieses bewölkte Wetter. Er will auf der Erde geboren werden, und dadurch entfacht er eine Reihe an Missverständnissen. Durch seine Gutmütigkeit und Naivität hält er den Polizisten für den Reiseführer, die Mitgefangenen für Touristen, und die Frau, in die er sich unsterblich verliebt, für einen Engel. In der Hölle kommt die Einsicht über ihn, doch es ist zu spät für Reue. Der Teufel hegt einen Plan, in dem Schimmler eine wichtige Figur ist, nur der Erzengel Gabriel sucht die drohende Katastrophe noch abzuwenden. Dass er alles nur verschlimmert, scheint er nicht zu verstehen, und trotzdem geht alles gut aus.
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Seitenzahl: 101
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SCHIMMLER
Ein Engel, im Himmel geboren
BRÜGEL
Engel, Freund Schimmlers
BEAMTER
Reisebüroangestellter im Himmel
KASSIER
Inhaber einer kleinen Trafik
WACHTMEISTER
Polizeioberhaupt
FRAU LORENZ
Stammkundin der Trafik
OTTO
Kleinkrimineller
AGATINO
Kleinkrimineller und Spitzel der Polizei
BRUNO
Kleinkrimineller
RUHE
Kleinkrimineller, hört Stimmen
ERZENGEL GABRIEL
Rechte Hand Gottes, Verfechter des Guten
TRIXI
Tochter von Otto
PRIESTER
Diener Gottes
TEUFEL
Herrscher über die Unterwelt
BELZEBUB
Rechte Hand des Teufels, Führer durch die Unterwelt
AHRIMAN
Sohn des Teufels
SCHABERNACKENCHOR, POLIZISTEN, JUNGE MÄNNER
ERSTER AKT: FLÜGEL STUTZEN
ERSTE SZENE
ZWEITE SZENE
DRITTE SZENE
VIERTE SZENE
FÜNFTE SZENE
SECHSTE SZENE
ZWEITER AKT: WIR HABEN EIN PROBLEM
ERSTE SZENE
ZWEITE SZENE
DRITTE SZENE
VIERTE SZENE
FÜNFTE SZENE
DRITTER AKT: HÖLLE
ERSTE SZENE
ZWEITE SZENE
DRITTE SZENE
VIERTE SZENE
FÜNFTE SZENE
SECHSTE SZENE
SIEBENTE SZENE
VIERTER AKT: BRUCH EINES HOLZES
ERSTE SZENE
ZWEITE SZENE
DRITTE SZENE
Im Himmel, in einem kleinen Zimmer, relativ unscheinbar. Ein Bücherschrank, einige Gemälde an den Wänden, alles zerschlissen. Am Boden liegt ein kleiner, staubiger Teppich. Draußen, vor dem Fenster, schweben Wolken vorüber. SCHIMMLER geht auf und ab, greift sich an die Stirn, schüttelt den Kopf. Dann kommt BRÜ-GEL von oben wie ein Engel herabgesunken.
SCHIMMLER
Mein Gott, einfach nur zum Kotzen …
BRÜGEL
Hallo Schimmler, was gibt´s denn?
SCHIMMLER
Nichts, nichts … Guten Morgen Brügel.
BRÜGEL
Sag schon.
SCHIMMLER
Ist ja nichts.
BRÜGEL
Komm schon, spuck´s aus, sonst hängt dir das noch nach bis in die Ewigkeit.
SCHIMMLER
Hast schon Recht … Na, was Schlimmes ist es nicht, aber …
BRÜGEL
Sag schon.
SCHIMMLER
Heute im Club, die ganzen Leute, wie die immer reden, als wüssten die was. Als hätten die mehr Weisheit mit dem Löffel gefressen als andere.
BRÜGEL
Leute reden halt gern.
SCHIMMLER
Weiß ich doch, weiß ich doch.
BRÜGEL
Darfst sie halt nicht unterbrechen und immer musst du nicken.
SCHIMMLER
Aber dann reden die immer weiter und weiter, und ich reg mich so sehr auf dabei, und die wissen das nicht einmal. Über die ganz großen Themen reden die, wie über ein Kreuzworträtsel, als könnten genau sie alles lösen.
BRÜGEL
So sind die Leute eben.
SCHIMMLER
Aber nicht alle. Nicht ich! Leute sind doch sicher nicht –
BRÜGEL
Ja?
SCHIMMLER
Jetzt hätt ich fast selber ein großes Thema angesprochen.
BRÜGEL
Tut ja niemandem weh. Worüber haben die Leute denn geredet?
SCHIMMLER
Über nichts Bestimmtes, über Kapitalismus, Klimawandel, Migration, Politik, über was man halt redet. Und dann kommen so Phrasen wie: «Platon hatte schon recht, gewiss, aber er hat die Moral vergessen!», oder: «Ich bin nicht religiös, ich nenne es eher spirituell», und so weiter.
BRÜGEL
Hört sich doch nicht so schlimm an.
SCHIMMLER
Weil man es schon gewohnt ist! Ich halt das nicht mehr aus.
BRÜGEL
Worüber soll man denn sonst reden?
SCHIMMLER
Über ganz alltägliche Sachen. Wie das Wetter ist heute, oder wie diese gute Suppe gekocht worden ist, oder über Pläne, dass man eine Hütte bauen möchte, oder jemanden ein Bild malen, oder wie es momentan bei der Olympiade läuft …
BRÜGEL
Na, wie läuft es denn momentan bei der Olympiade?
SCHIMMLER
Die hab ich ja nicht gesehen, weil ich im Club war, hör mir doch einmal zu …
BRÜGEL
Ah, mein Fehler.
SCHIMMLER
Nein, einfach zum Verzweifeln! Und dann hat jemand plötzlich mit Vegetarismus angefangen. Und dann wurden ganz große Bögen gespannt, ganz große Bögen sag ich dir. Und jeder hat natürlich eine Antwort. Die glauben doch wirklich alle, solche Dinge sind Probleme. Probleme, mit Antworten.
BRÜGEL
Anderswo ist es nicht besser. Man muss sich damit abfinden.
SCHIMMLER
Weiß ich nicht … Wie war es auf der Erde?
BRÜGEL
Auf der Erde?
SCHIMMLER
Na, du bist doch gestorben, oder?
BRÜGEL
Aber schon als Baby, da kann ich mich nicht mehr erinnern dran.
SCHIMMLER
Trotzdem, denkst du nicht, auf der Erde ist es anders? Ich meine, die Leute dort haben nur diesen einen flüchtigen Moment, den sie Leben nennen. Die können sich doch unmöglich mit solchen unnötigen Fragen herumschlagen wie: Ob die Realität real ist, oder eine Illusion. Stell dir vor! Darüber haben die heute geschwafelt! Nein, die auf der Erde haben sicher ganz andere Sorgen. Und Sex! Die haben sicher unglaublich viel Sex.
BRÜGEL
Dafür sterben die auch.
SCHIMMLER
Und kommen hier her. Und wir sind hier. Also kann das Sterben nicht so schlimm sein.
BRÜGEL
Aber das wissen die ja nicht. Und auch nur wenige kommen hierher, manche kommen auch in die Hölle.
SCHIMMLER
Schon, aber trotzdem …
BRÜGEL
Du musst froh sein, dass du hier geboren worden bist, nicht jeder hat es so gut wie wir.
SCHIMMLER
Jaja, aber ich würde einmal nur gerne sehen wollen, wie das so ist, dort auf der Erde. Ganz ehrlich, viel lieber würde ich ein kurzes Leben haben, und dafür Aufregung, Gefahr, Adrenalin, Abenteuer, Spannung, als diesen ewigen Wolkenkram hier bei uns. Immer das gleiche Wetter, immer.
BRÜGEL
Es ist wirklich sehr bewölkt bei uns.
SCHIMMLER
Und die Menschen dort, die sind sicher sehr interessant, sehr interessant. Stell dir vor, du musst jeden Tag damit kämpfen, dass du sterben kannst, dass du ein Bein verlierst, dass du eine Krankheit bekommst. Und Krieg! Stell dir vor, Krieg! Und Rückenschmerzen! Ach, wie romantisch … Das stärkt den Charakter ungemein. Nicht wie hier bei uns, die Leute hier im Himmel haben´s einfach zu gut. Und es gibt zu viele. Wenn du dich beim Markt anstellst, musst du eine Ewigkeit warten, und die Kassierer sind wie Roboter, weil ja immer alles das gleiche ist. Aber stell dir einmal so einen Markt auf der Erde vor … nein, sehr romantisch.
BRÜGEL
Auf der Erde heißen sie Supermärkte.
SCHIMMLER
Super-Märkte. Unglaublich …
BRÜGEL
Ich hab gehört, dass es ein Austauschprogramm mit der Erde gibt. Schau doch einmal hin.
SCHIMMLER
Seit wann?
BRÜGEL
Ist ganz neu, erst seit einer halben Ewigkeit oder so. Frag einfach beim Auswärtsamt nach, die sollten dir helfen können.
SCHIMMLER
Weißt du was? Das mach ich tatsächlich, ich mach das einfach!
BRÜGEL
Mach das. Und reg dich nicht so auf über die Leute.
SCHIMMLER
Alles klar, Tschüss!
Brügel schwebt nach oben, ab.
SCHIMMLER
(verträumt)
Die Erde …
Wie in einem vorstädtischen Bürogebäude. Aktenordner, Kopiermaschinen, lose Zettel. Billige Möbel, ein Kalender mit Pferdebildern, einige Gemälde. An einem Tisch sitzt ein BEAMTER. Er bohrt in der Nase, kritzelt auf Papier. Schimmler kommt herein, der Beamte schiebt schnell die Zettel in seine Schublade.
SCHIMMLER
Ist das hier das Auswärtsamt?
BEAMTER
Das hier? Ja, ja, ja!
SCHIMMLER
Ah, ich hätte ein Anliegen.
BEAMTER
(im Aufstehen)
Ja, kommen Sie nur her, kommen Sie! Bitte, haben Sie doch einen – nehmen Sie doch einen Platz, bitte!
Der Beamte zieht Schimmler regelrecht auf den Stuhl.
SCHIMMLER
Vielen Dank.
BEAMTER
Was – was kann ich denn – für Sie, mein Herr – was kann ich tun – für Sie?
SCHIMMLER
Ich habe gehört, dass sie eine Art Austauschprogramm … Sagen Sie, warum zappeln Sie denn so?
BEAMTER
Zappeln?
SCHIMMLER
Sie zappeln mit ihren Füßen ganz arg unter dem Tisch, Sie trommeln richtig auf den Boden damit.
BEAMTER
Nein, aber wie – nun, ja doch –
SCHIMMLER
Hören Sie doch auf zu zappeln.
BEAMTER
Aber mein Herr, ich – ich zapple doch nicht!
SCHIMMLER
Sie zappeln, da! – Dann geh ich wieder, wenn Sie so merkwürdig sind.
BEAMTER
Nein! Nicht, ich bin nur nervös! Wissen Sie, mein Herr – Sie sind seit einer gefühlten Ewigkeit der einzige Kunde hier – der einzige!
SCHIMMLER
Ach, nervös … Das brauchen Sie doch nicht sein.
BEAMTER
Nein, das nicht, nein, wirklich nicht. Also bitte, setzen Sie sich, was … wie kann ich Ihnen helfen?
SCHIMMLER
Kommt sonst wirklich niemand hier her?
BEAMTER
Wirklich nicht. Wer sollte auch? Wir sind ja schließlich schon im Himmel, wo soll man da noch hin wollen? Und alle haben ja einen Fernseher heutzutage, da sieht man ja, wie es sonst wo aussieht … Nein, keine Seele lässt sich hier – nun, was brauchen – wie kann ich Ihnen behilflich sein?
SCHIMMLER
Ich habe gehört, sie haben ein Austauschprogramm, mit dem man auf die Erde reisen kann?
BEAMTER
Erde. Sehen wir einmal nach. Erde, Erde … Müsste relativ neu sein, nicht wahr? Blau und rund, blau und rund. Hier haben wir es. Austauschprogramm mit einem Erdling. Hmm … Relativ simpel. Ein komatöser Patient wird zwischenzeitlich zu uns verfrachtet, und dafür dürfen wir einen von uns – in diesem Falle Sie – zur Erde schicken.
SCHIMMLER
Und für wie lange kann ich diesen Ausflug in Anspruch nehmen?
BEAMTER
Solange, bis der Patient aufwacht, dann müssen wir Sie leider wieder zurückholen. Das kann aber sehr lange dauern – manchmal.
SCHIMMLER
Kann ich auch zurück, wenn der Patient noch nicht aufgewacht ist?
BEAMTER
Moment … Ja, ja, können Sie. Unter abstrusen und sehr spezifischen Umständen.
SCHIMMLER
Hört sich spannend an, mach ich.
BEAMTER
Ja? Ja? Wie aufregend! Bevor wir das finalisieren, muss ich zuerst fragen, ob Sie die Risiken solch eines Austausches kennen.
SCHIMMLER
Risiken?
BEAMTER
Also nicht. Nun, erstens können Sie sterben.
SCHIMMLER
Halb so schlimm. Was noch?
BEAMTER
Sie müssen essen. Nahrungszufuhr.
SCHIMMLER
Aber hier essen wir ja auch.
BEAMTER
Sie müssen.
SCHIMMLER
Und wenn ich das nicht mache?
BEAMTER
Dann sterben Sie.
SCHIMMLER
Halb so schlimm.
BEAMTER
Desweiteren können Sie dort nicht fliegen.
SCHIMMLER
Nicht fliegen? Und wie sieht es mit schweben aus?
BEAMTER
Weder fliegen, noch schweben, noch gleiten, noch emporsteigen. Nichts davon. Sie müssen ihre Füße benützen. Gehen. Was noch … Ja, dann können Sie sich noch Krankheiten einfangen. Davon stirbt man auch.
SCHIMMLER
Tatsächlich.
BEAMTER
Wilde Tiere gibt es. Von denen kann man auch sterben. Vor allem vor den Nilpferden sollten Sie sich fern halten.
SCHIMMLER
Nilpferde.
BEAMTER
In der Tat. Und zu lange können sie dort unten auch nicht bleiben.
SCHIMMLER
Sonst sterbe ich.
BEAMTER
Auch, aber das ist nicht das Hauptproblem. Sondern der Klimawandel.
SCHIMMLER
Das Wetter ist dort unten so schlimm?
BEAMTER
Nein, nicht das Wetter, sondern das menschliche Klima – die Menschen werden von Tag zu Tag dümmer und barbarischer. In wenigen Jahren wird es kaum noch auszuhalten sein.
SCHIMMLER
Dann besuche ich die Erde also genau zur richtigen … Zeit?
BEAMTER
Sie sind ein paar … Jahre? – Jahre zu spät. Die 60er Jahre werden als die besten angesehen, zumindest von den vielen Rezensionen hier zu schließen. Gute Musik, freie Liebe, Hexenverbrennung – aber das Mittelalter ist leider schon etwas vorbei, von 1260 haben wir aber eine Broschüre, hier irgendwo …
SCHIMMLER
Nein, ich gehe lieber vollkommen blind in diese neue Erfahrung.
BEAMTER
Eine körperliche Behinderung würde ich Ihnen persönlich nicht empfehlen.
SCHIMMLER
Nein, ich meinte das natürlich rein … metaphorisch.
BEAMTER
Ach, so ein Dichtertyp sind Sie, verstehe … deswegen die Erde. Da werden Sie sich wohlfühlen.
SCHIMMLER
Also gut, kann ich dann los?
BEAMTER
Hier noch ein Autogramm, wenn ich bitten dürfte … So, danke. Und einfach durch diese Türe, dann sind Sie auch schon auf der Erde. Das Starterpacket für den Aufenthalt auf Planeten kennen Sie?
SCHIMMLER
Nein, das ist mein erster Ausflug.
BEAMTER
Ein Körper, eine planetenübliche Kleidung, eine Haarbürste, Geld.
SCHIMMLER
Was ist Geld?
BEAMTER
Das werden Sie schon schnell genug herausfinden. So, einmal bitte hier hindurch.
SCHIMMLER
Na gut … Dann, auf Wiedersehen.
BEAMTER
Vielleicht. Viel Spaß!
Schimmler geht durch die Türe, ein weißes Licht kommt daraus hervor. Schimmler ab. Von oben kommt ein Krankenbett mit einem Engel herbeigeflogen. Die Person ist bandagiert und nicht zu erkennen.
KRANKENENGEL
So, wir haben hier einen gescheiterten Selbstmörder.
BEAMTER Einfach dort ins Eck stellen.
KRANKENENGEL
Zu Befehl.
Der Krankenengel schiebt das Krankenbett ins Eck.
In einem Tabakladen, der auch Getränke, kleine Snacks führt. Hinter der Kasse sitzt ein KASSIER. Er kaut Kaugummi, liest in einer Zeitung und hört Musik mit Kopfhörern. Dann klingelt es: Schimmler tritt ein.