Oben und Unten - Martin M. Lindner - E-Book

Oben und Unten E-Book

Martin M. Lindner

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Beschreibung

Erst Komödie, dann Drama! Schimmler hält es im Himmel nicht mehr aus. Alles braucht eine Ewigkeit, und ständig dieses bewölkte Wetter. Er will auf der Erde geboren werden, und dadurch entfacht er eine Reihe an Missverständnissen. Durch seine Gutmütigkeit und Naivität hält er den Polizisten für den Reiseführer, die Mitgefangenen für Touristen, und die Frau, in die er sich unsterblich verliebt, für einen Engel. In der Hölle kommt die Einsicht über ihn, doch es ist zu spät für Reue. Der Teufel hegt einen Plan, in dem Schimmler eine wichtige Figur ist, nur der Erzengel Gabriel sucht die drohende Katastrophe noch abzuwenden. Dass er alles nur verschlimmert, scheint er nicht zu verstehen, und trotzdem geht alles gut aus.

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PERSONEN

SCHIMMLER

Ein Engel, im Himmel geboren

BRÜGEL

Engel, Freund Schimmlers

BEAMTER

Reisebüroangestellter im Himmel

KASSIER

Inhaber einer kleinen Trafik

WACHTMEISTER

Polizeioberhaupt

FRAU LORENZ

Stammkundin der Trafik

OTTO

Kleinkrimineller

AGATINO

Kleinkrimineller und Spitzel der Polizei

BRUNO

Kleinkrimineller

RUHE

Kleinkrimineller, hört Stimmen

ERZENGEL GABRIEL

Rechte Hand Gottes, Verfechter des Guten

TRIXI

Tochter von Otto

PRIESTER

Diener Gottes

TEUFEL

Herrscher über die Unterwelt

BELZEBUB

Rechte Hand des Teufels, Führer durch die Unterwelt

AHRIMAN

Sohn des Teufels

SCHABERNACKENCHOR, POLIZISTEN, JUNGE MÄNNER

Inhaltsverzeichnis

ERSTER AKT: FLÜGEL STUTZEN

ERSTE SZENE

ZWEITE SZENE

DRITTE SZENE

VIERTE SZENE

FÜNFTE SZENE

SECHSTE SZENE

ZWEITER AKT: WIR HABEN EIN PROBLEM

ERSTE SZENE

ZWEITE SZENE

DRITTE SZENE

VIERTE SZENE

FÜNFTE SZENE

DRITTER AKT: HÖLLE

ERSTE SZENE

ZWEITE SZENE

DRITTE SZENE

VIERTE SZENE

FÜNFTE SZENE

SECHSTE SZENE

SIEBENTE SZENE

VIERTER AKT: BRUCH EINES HOLZES

ERSTE SZENE

ZWEITE SZENE

DRITTE SZENE

ERSTER AKT

FLÜGEL STUTZEN

ERSTE SZENE

Im Himmel, in einem kleinen Zimmer, relativ unscheinbar. Ein Bücherschrank, einige Gemälde an den Wänden, alles zerschlissen. Am Boden liegt ein kleiner, staubiger Teppich. Draußen, vor dem Fenster, schweben Wolken vorüber. SCHIMMLER geht auf und ab, greift sich an die Stirn, schüttelt den Kopf. Dann kommt BRÜ-GEL von oben wie ein Engel herabgesunken.

SCHIMMLER

Mein Gott, einfach nur zum Kotzen …

BRÜGEL

Hallo Schimmler, was gibt´s denn?

SCHIMMLER

Nichts, nichts … Guten Morgen Brügel.

BRÜGEL

Sag schon.

SCHIMMLER

Ist ja nichts.

BRÜGEL

Komm schon, spuck´s aus, sonst hängt dir das noch nach bis in die Ewigkeit.

SCHIMMLER

Hast schon Recht … Na, was Schlimmes ist es nicht, aber …

BRÜGEL

Sag schon.

SCHIMMLER

Heute im Club, die ganzen Leute, wie die immer reden, als wüssten die was. Als hätten die mehr Weisheit mit dem Löffel gefressen als andere.

BRÜGEL

Leute reden halt gern.

SCHIMMLER

Weiß ich doch, weiß ich doch.

BRÜGEL

Darfst sie halt nicht unterbrechen und immer musst du nicken.

SCHIMMLER

Aber dann reden die immer weiter und weiter, und ich reg mich so sehr auf dabei, und die wissen das nicht einmal. Über die ganz großen Themen reden die, wie über ein Kreuzworträtsel, als könnten genau sie alles lösen.

BRÜGEL

So sind die Leute eben.

SCHIMMLER

Aber nicht alle. Nicht ich! Leute sind doch sicher nicht –

BRÜGEL

Ja?

SCHIMMLER

Jetzt hätt ich fast selber ein großes Thema angesprochen.

BRÜGEL

Tut ja niemandem weh. Worüber haben die Leute denn geredet?

SCHIMMLER

Über nichts Bestimmtes, über Kapitalismus, Klimawandel, Migration, Politik, über was man halt redet. Und dann kommen so Phrasen wie: «Platon hatte schon recht, gewiss, aber er hat die Moral vergessen!», oder: «Ich bin nicht religiös, ich nenne es eher spirituell», und so weiter.

BRÜGEL

Hört sich doch nicht so schlimm an.

SCHIMMLER

Weil man es schon gewohnt ist! Ich halt das nicht mehr aus.

BRÜGEL

Worüber soll man denn sonst reden?

SCHIMMLER

Über ganz alltägliche Sachen. Wie das Wetter ist heute, oder wie diese gute Suppe gekocht worden ist, oder über Pläne, dass man eine Hütte bauen möchte, oder jemanden ein Bild malen, oder wie es momentan bei der Olympiade läuft …

BRÜGEL

Na, wie läuft es denn momentan bei der Olympiade?

SCHIMMLER

Die hab ich ja nicht gesehen, weil ich im Club war, hör mir doch einmal zu …

BRÜGEL

Ah, mein Fehler.

SCHIMMLER

Nein, einfach zum Verzweifeln! Und dann hat jemand plötzlich mit Vegetarismus angefangen. Und dann wurden ganz große Bögen gespannt, ganz große Bögen sag ich dir. Und jeder hat natürlich eine Antwort. Die glauben doch wirklich alle, solche Dinge sind Probleme. Probleme, mit Antworten.

BRÜGEL

Anderswo ist es nicht besser. Man muss sich damit abfinden.

SCHIMMLER

Weiß ich nicht … Wie war es auf der Erde?

BRÜGEL

Auf der Erde?

SCHIMMLER

Na, du bist doch gestorben, oder?

BRÜGEL

Aber schon als Baby, da kann ich mich nicht mehr erinnern dran.

SCHIMMLER

Trotzdem, denkst du nicht, auf der Erde ist es anders? Ich meine, die Leute dort haben nur diesen einen flüchtigen Moment, den sie Leben nennen. Die können sich doch unmöglich mit solchen unnötigen Fragen herumschlagen wie: Ob die Realität real ist, oder eine Illusion. Stell dir vor! Darüber haben die heute geschwafelt! Nein, die auf der Erde haben sicher ganz andere Sorgen. Und Sex! Die haben sicher unglaublich viel Sex.

BRÜGEL

Dafür sterben die auch.

SCHIMMLER

Und kommen hier her. Und wir sind hier. Also kann das Sterben nicht so schlimm sein.

BRÜGEL

Aber das wissen die ja nicht. Und auch nur wenige kommen hierher, manche kommen auch in die Hölle.

SCHIMMLER

Schon, aber trotzdem …

BRÜGEL

Du musst froh sein, dass du hier geboren worden bist, nicht jeder hat es so gut wie wir.

SCHIMMLER

Jaja, aber ich würde einmal nur gerne sehen wollen, wie das so ist, dort auf der Erde. Ganz ehrlich, viel lieber würde ich ein kurzes Leben haben, und dafür Aufregung, Gefahr, Adrenalin, Abenteuer, Spannung, als diesen ewigen Wolkenkram hier bei uns. Immer das gleiche Wetter, immer.

BRÜGEL

Es ist wirklich sehr bewölkt bei uns.

SCHIMMLER

Und die Menschen dort, die sind sicher sehr interessant, sehr interessant. Stell dir vor, du musst jeden Tag damit kämpfen, dass du sterben kannst, dass du ein Bein verlierst, dass du eine Krankheit bekommst. Und Krieg! Stell dir vor, Krieg! Und Rückenschmerzen! Ach, wie romantisch … Das stärkt den Charakter ungemein. Nicht wie hier bei uns, die Leute hier im Himmel haben´s einfach zu gut. Und es gibt zu viele. Wenn du dich beim Markt anstellst, musst du eine Ewigkeit warten, und die Kassierer sind wie Roboter, weil ja immer alles das gleiche ist. Aber stell dir einmal so einen Markt auf der Erde vor … nein, sehr romantisch.

BRÜGEL

Auf der Erde heißen sie Supermärkte.

SCHIMMLER

Super-Märkte. Unglaublich …

BRÜGEL

Ich hab gehört, dass es ein Austauschprogramm mit der Erde gibt. Schau doch einmal hin.

SCHIMMLER

Seit wann?

BRÜGEL

Ist ganz neu, erst seit einer halben Ewigkeit oder so. Frag einfach beim Auswärtsamt nach, die sollten dir helfen können.

SCHIMMLER

Weißt du was? Das mach ich tatsächlich, ich mach das einfach!

BRÜGEL

Mach das. Und reg dich nicht so auf über die Leute.

SCHIMMLER

Alles klar, Tschüss!

Brügel schwebt nach oben, ab.

SCHIMMLER

(verträumt)

Die Erde …

ZWEITE SZENE

Wie in einem vorstädtischen Bürogebäude. Aktenordner, Kopiermaschinen, lose Zettel. Billige Möbel, ein Kalender mit Pferdebildern, einige Gemälde. An einem Tisch sitzt ein BEAMTER. Er bohrt in der Nase, kritzelt auf Papier. Schimmler kommt herein, der Beamte schiebt schnell die Zettel in seine Schublade.

SCHIMMLER

Ist das hier das Auswärtsamt?

BEAMTER

Das hier? Ja, ja, ja!

SCHIMMLER

Ah, ich hätte ein Anliegen.

BEAMTER

(im Aufstehen)

Ja, kommen Sie nur her, kommen Sie! Bitte, haben Sie doch einen – nehmen Sie doch einen Platz, bitte!

Der Beamte zieht Schimmler regelrecht auf den Stuhl.

SCHIMMLER

Vielen Dank.

BEAMTER

Was – was kann ich denn – für Sie, mein Herr – was kann ich tun – für Sie?

SCHIMMLER

Ich habe gehört, dass sie eine Art Austauschprogramm … Sagen Sie, warum zappeln Sie denn so?

BEAMTER

Zappeln?

SCHIMMLER

Sie zappeln mit ihren Füßen ganz arg unter dem Tisch, Sie trommeln richtig auf den Boden damit.

BEAMTER

Nein, aber wie – nun, ja doch –

SCHIMMLER

Hören Sie doch auf zu zappeln.

BEAMTER

Aber mein Herr, ich – ich zapple doch nicht!

SCHIMMLER

Sie zappeln, da! – Dann geh ich wieder, wenn Sie so merkwürdig sind.

BEAMTER

Nein! Nicht, ich bin nur nervös! Wissen Sie, mein Herr – Sie sind seit einer gefühlten Ewigkeit der einzige Kunde hier – der einzige!

SCHIMMLER

Ach, nervös … Das brauchen Sie doch nicht sein.

BEAMTER

Nein, das nicht, nein, wirklich nicht. Also bitte, setzen Sie sich, was … wie kann ich Ihnen helfen?

SCHIMMLER

Kommt sonst wirklich niemand hier her?

BEAMTER

Wirklich nicht. Wer sollte auch? Wir sind ja schließlich schon im Himmel, wo soll man da noch hin wollen? Und alle haben ja einen Fernseher heutzutage, da sieht man ja, wie es sonst wo aussieht … Nein, keine Seele lässt sich hier – nun, was brauchen – wie kann ich Ihnen behilflich sein?

SCHIMMLER

Ich habe gehört, sie haben ein Austauschprogramm, mit dem man auf die Erde reisen kann?

BEAMTER

Erde. Sehen wir einmal nach. Erde, Erde … Müsste relativ neu sein, nicht wahr? Blau und rund, blau und rund. Hier haben wir es. Austauschprogramm mit einem Erdling. Hmm … Relativ simpel. Ein komatöser Patient wird zwischenzeitlich zu uns verfrachtet, und dafür dürfen wir einen von uns – in diesem Falle Sie – zur Erde schicken.

SCHIMMLER

Und für wie lange kann ich diesen Ausflug in Anspruch nehmen?

BEAMTER

Solange, bis der Patient aufwacht, dann müssen wir Sie leider wieder zurückholen. Das kann aber sehr lange dauern – manchmal.

SCHIMMLER

Kann ich auch zurück, wenn der Patient noch nicht aufgewacht ist?

BEAMTER

Moment … Ja, ja, können Sie. Unter abstrusen und sehr spezifischen Umständen.

SCHIMMLER

Hört sich spannend an, mach ich.

BEAMTER

Ja? Ja? Wie aufregend! Bevor wir das finalisieren, muss ich zuerst fragen, ob Sie die Risiken solch eines Austausches kennen.

SCHIMMLER

Risiken?

BEAMTER

Also nicht. Nun, erstens können Sie sterben.

SCHIMMLER

Halb so schlimm. Was noch?

BEAMTER

Sie müssen essen. Nahrungszufuhr.

SCHIMMLER

Aber hier essen wir ja auch.

BEAMTER

Sie müssen.

SCHIMMLER

Und wenn ich das nicht mache?

BEAMTER

Dann sterben Sie.

SCHIMMLER

Halb so schlimm.

BEAMTER

Desweiteren können Sie dort nicht fliegen.

SCHIMMLER

Nicht fliegen? Und wie sieht es mit schweben aus?

BEAMTER

Weder fliegen, noch schweben, noch gleiten, noch emporsteigen. Nichts davon. Sie müssen ihre Füße benützen. Gehen. Was noch … Ja, dann können Sie sich noch Krankheiten einfangen. Davon stirbt man auch.

SCHIMMLER

Tatsächlich.

BEAMTER

Wilde Tiere gibt es. Von denen kann man auch sterben. Vor allem vor den Nilpferden sollten Sie sich fern halten.

SCHIMMLER

Nilpferde.

BEAMTER

In der Tat. Und zu lange können sie dort unten auch nicht bleiben.

SCHIMMLER

Sonst sterbe ich.

BEAMTER

Auch, aber das ist nicht das Hauptproblem. Sondern der Klimawandel.

SCHIMMLER

Das Wetter ist dort unten so schlimm?

BEAMTER

Nein, nicht das Wetter, sondern das menschliche Klima – die Menschen werden von Tag zu Tag dümmer und barbarischer. In wenigen Jahren wird es kaum noch auszuhalten sein.

SCHIMMLER

Dann besuche ich die Erde also genau zur richtigen … Zeit?

BEAMTER

Sie sind ein paar … Jahre? – Jahre zu spät. Die 60er Jahre werden als die besten angesehen, zumindest von den vielen Rezensionen hier zu schließen. Gute Musik, freie Liebe, Hexenverbrennung – aber das Mittelalter ist leider schon etwas vorbei, von 1260 haben wir aber eine Broschüre, hier irgendwo …

SCHIMMLER

Nein, ich gehe lieber vollkommen blind in diese neue Erfahrung.

BEAMTER

Eine körperliche Behinderung würde ich Ihnen persönlich nicht empfehlen.

SCHIMMLER

Nein, ich meinte das natürlich rein … metaphorisch.

BEAMTER

Ach, so ein Dichtertyp sind Sie, verstehe … deswegen die Erde. Da werden Sie sich wohlfühlen.

SCHIMMLER

Also gut, kann ich dann los?

BEAMTER

Hier noch ein Autogramm, wenn ich bitten dürfte … So, danke. Und einfach durch diese Türe, dann sind Sie auch schon auf der Erde. Das Starterpacket für den Aufenthalt auf Planeten kennen Sie?

SCHIMMLER

Nein, das ist mein erster Ausflug.

BEAMTER

Ein Körper, eine planetenübliche Kleidung, eine Haarbürste, Geld.

SCHIMMLER

Was ist Geld?

BEAMTER

Das werden Sie schon schnell genug herausfinden. So, einmal bitte hier hindurch.

SCHIMMLER

Na gut … Dann, auf Wiedersehen.

BEAMTER

Vielleicht. Viel Spaß!

Schimmler geht durch die Türe, ein weißes Licht kommt daraus hervor. Schimmler ab. Von oben kommt ein Krankenbett mit einem Engel herbeigeflogen. Die Person ist bandagiert und nicht zu erkennen.

KRANKENENGEL

So, wir haben hier einen gescheiterten Selbstmörder.

BEAMTER Einfach dort ins Eck stellen.

KRANKENENGEL

Zu Befehl.

Der Krankenengel schiebt das Krankenbett ins Eck.

DRITTE SZENE

In einem Tabakladen, der auch Getränke, kleine Snacks führt. Hinter der Kasse sitzt ein KASSIER. Er kaut Kaugummi, liest in einer Zeitung und hört Musik mit Kopfhörern. Dann klingelt es: Schimmler tritt ein.