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Rowohlt E-Book Theater «John von Düffel hat aus dem ‹König Ödipus von Sophokles›, den Aischylos- und Euripides-Dramen ‹Sieben gegen Theben› und ‹Die Phönizierinnen› sowie der ‹Antigone des Sophokles› eine schnell packende, dicht verbundene Trilogie gesponnen. Die Tragödie des Ödipus verbindet sich hier in drei pausenlosen Akten zur Gesamttragödie des Mannes Ö... Es ist ein Familienfluchdrama wie das der Atriden, ein Inzestkrimi, ein Kriegsstück und am Ende ein Diskurs über Staatsraison, Religion, Kinderglaube – auch über Recht und Freiheit, Schuld und Sühne ... Die Generation Stéphane Hessel, zweieinhalbtausend Jahre jung.» (Der Tagesspiegel)
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Seitenzahl: 66
Veröffentlichungsjahr: 2014
John von Düffel
Ödipus Stadt - Die Theben-Trilogie
Nach Sophokles, Euripides und Aischylos
Interlinear-Übersetzung: Gregor Schreiner
Rowohlt E-Book
Ödipus
Kreon
Teiresias
Iokaste
Eteokles
Polyneikes
Antigone
Ismene
Menoikeus/Haimon
Boten/Wächter
Ödipus, Kreon.
ÖDIPUS
Ich weiß, Kreon, was Theben leidet,
Wie du seh ich die Seuche wüten in der Stadt,
Doch keiner, und wär er ganz von Pest bedeckt,
Trägt schwerer noch an diesem Leid als ich,
Denn was er duldet, gilt nur für ihn selbst
Und keinen andern; meine Seele stöhnt
Vor Jammer um die Stadt und dich und mich zugleich.
Der Sorge Pfade hab ich alle ausgeschritten,
Die einz’ge Rettung, die ich fand, befahl ich
Und sandte dich nach Delphi, meinen Schwager.
Jetzt, da du wiederkehrst, wär ich ein schlechter König,
Tät ich nicht alles, was der Gott uns offenbart
Zum Wohle dieser Stadt. Was, Kreon, bringst du uns?
KREON
Heilsames, denn auch das Schwierige,
Wenn es zum rechten Ende kommt, ist gut.
ÖDIPUS
Was fordert das Orakel?
KREON
Gehen wir hinein.
ÖDIPUS
Zu allen rede!
KREON
Phoibos Apollon gebietet klar und deutlich,
Den Schandfleck, der sich von Thebens Erde nährt,
Zu tilgen.
ÖDIPUS
Schandfleck?
KREON
Wir sollen verbannen oder töten den,
Dessen Blutschuld unsere Stadt vergiftet.
ÖDIPUS
Von wem sprichst du?
KREON
König, vor dir war Laios Herr in Theben.
Der Überfall auf ihn blieb ungesühnt, und unser Auftrag ist,
Die Mörder, wer’s auch sei, zu strafen.
ÖDIPUS
Doch sind sie nicht längst außer Landes? Wo wird
Zu finden sein die Spur so alter Schuld?
KREON
Bei uns hier, sprach der Gott.
ÖDIPUS
Was weiß man über Laios’ Tod?
KREON
Nach Delphi zog er aus und kam nie wieder heim.
ÖDIPUS
Und auch kein Bote, kein Begleiter seiner Fahrt?
KREON
Sie starben alle bis auf einen, der aus Angst
Nichts, was er sah, zu sagen wusste.
ÖDIPUS
Nichts?
KREON
Eins nur.
ÖDIPUS
Eins führt uns vielleicht zum andern.
KREON
Er sagte: Räuber überfielen sie.
ÖDIPUS
Räuber? Wer wagt so etwas, wenn er nicht
Bezahlt wurde mit Geld aus dieser Stadt?
KREON
So scheint es, ja. Dem erschlagenen Laios
Jedoch stand kein Rächer in der Notzeit auf.
ÖDIPUS
So groß kann keine Not sein,
Dass man einen Königsmord nicht ahndet!
KREON
Die Sphinx zwang uns, zu schaun,
Wie wir den nächsten Tag erleben,
Und zu lassen, was im Dunkel lag.
ÖDIPUS
Ich will durchleuchten dieses Dunkel
Bis auf den Grund und der Stadt Gerechtigkeit verschaffen
Wie dem Gott. So gebe ich in Theben jetzt bekannt:
Wer etwas weiß von Laios, Sohn des Labdakos,
Und seinen Mördern, irgendetwas, den fordere ich auf,
Mir alles kundzutun! Kennt jemand den Täter,
Verschweig er’s nicht! Eine Belohnung zahl ich,
Groß wie eines Königs Dank. Wer aber schweigt,
Sei’s für den Freund, sei’s für sich selbst,
Den werden wir aus unsern Häusern stoßen,
Weil er ein Schandfleck ist für Theben! – Hört ihr?
Der beste Mann und König hingemordet,
Längst hättet ihr’s erforschen müssen!
Nun bin ich an seiner Stelle,
Habe die Macht, die Laios einst besaß,
Habe sein Bett und teil ein Weib mit ihm,
Drum mach ich wie für einen Vater seine Sache
Zu der meinen und geh dem allen nach:
Vernichten werde ich den Mörder Laios’,
Und alle, die nicht mittun, sollen untergehn!
KREON
König, wenn ich dir raten darf,
Befrag Teiresias, den blinden Seher,
Den einzigen der Menschen, der die Wahrheit weiß.
Von ihm erfährst du Sicheres.
ÖDIPUS
Gut. Lass ihn kommen!
KREON
Nicht untätig hab ich es schon veranlasst und
Nach ihm geschickt, mich wundert, dass er noch nicht hier ist.
ÖDIPUS
Wie kann er säumen? Ich will den Mörder kennen!
Teiresias kommt.
ÖDIPUS
O du, der alles sieht, Teiresias,
Sagbares und Unsagbares, Himmlisches und Irdisches!
Du weißt, wie’s um uns steht. Man riecht die Pest!
Die Seuche endet nur, wenn wir entdecken Laios’ Mörder,
Ihn töten oder ihn verbannen aus dem Land!
TEIRESIAS
Schlimm zu wissen, was dem Wissenden nicht nutzt.
ÖDIPUS
Warum so mutlos?
TEIRESIAS
Lass mich gehen! Du trägst am leichtesten dein Los
Und ich das meine, wenn du nicht in mich dringst.
ÖDIPUS
Nicht nach Gesetz und Freundschaft redest du,
Wenn du uns deinen Rat versagst.
TEIRESIAS
Du weißt nichts; und ich sage nichts.
ÖDIPUS
Gibst Theben preis dem Untergang?
TEIRESIAS
Ich will mir selbst und dir nicht wehtun.
Von mir erfährst du’s nicht.
ÖDIPUS
Ich bitte, wo ich dich zwingen kann!
TEIRESIAS
Es kommt von selbst, auch wenn ich schweige.
ÖDIPUS
Sag mir, was kommen wird! Die Wahrheit!
TEIRESIAS
Du sprichst von Wahrheit, ich hör nur Zorn.
ÖDIPUS
Durch dich bin ich in Zorn und halt
Nicht länger an mich! Mir scheint, du hast die Tat
Mit angestiftet, auch verübt, nur nicht mit Händen mordend,
Sondern durch Geld und List! Wenn das heraus ist,
Drohen dir Verbannung oder Tod!
TEIRESIAS
Ich fordere, dass du bei der
Weisung bleibst und dich ihr selber unterwirfst:
Der Schandfleck dieser Stadt bist du!
ÖDIPUS
So leicht kommst du mir nicht davon.
TEIRESIAS
Ich wäre längst davon! Du zwangst zu reden mich.
ÖDIPUS
Sag das noch mal!
TEIRESIAS
Du hast mich schon verstanden.
ÖDIPUS
Ich kann’s nicht fassen.
TEIRESIAS
Den Mörder Laios’ nenn ich dich.
ÖDIPUS
Du schmähst mich zweimal!
TEIRESIAS
Ich könnt viel mehr noch sagen, dir zum Zorn.
ÖDIPUS
So viel es dir beliebt!
TEIRESIAS
Nichts ahnend, sag ich,
Treibst du Schande mit dem Blut, aus dem du bist.
ÖDIPUS
Du glaubst, du kannst so mit mir reden?
TEIRESIAS
Solange es die Macht der Wahrheit gibt.
ÖDIPUS
Sind das Erfindungen von Kreon oder dir?
TEIRESIAS
Nicht Kreon bringt dir Unheil, nur du selbst.
ÖDIPUS
Der treue Kreon, mein Ratgeber und Freund,
Er hintergeht mich, will vom Thron mich stoßen
Und stiftet diesen Scharlatan hier an, der Augen nur
Für seinen Vorteil hat und in der Seherkunst ein Blinder ist!
TEIRESIAS
Du spottest, wo man dich verspotten wird!
ÖDIPUS
Dann sag mir doch, du Seher,
Warum, als hier die Sphinx, die Hündin, herrschte,
Warum sprachst du für Theben kein erlösend Wort?
Ihr Rätsel zu entwirren, warst du nicht imstande!
Ich kam daher, ich, Ödipus, unwissend, traf’s
Mit dem Verstand, braucht deine Künste nicht,
Ich, den du verleumdest, weil du dir vom Thron,
Den Kreon will, Vergünstigung erhoffst.
Ihr täuscht mich nicht!
TEIRESIAS
Ich sage nur, da du als Blinden mich verhöhnst:
Du siehst und siehst doch nicht, wie du im Dunkel steckst,
Nicht, wo du wohnst, mit wem du haust, und nicht,
Von wem du stammst. Nichts wissend bringst du Schmach
Über die Deinigen im Totenreich und auf der Erde.
ÖDIPUS
Schweig!
TEIRESIAS
Noch vieler anderer Übel wirst du nicht gewahr,
Warte nur, bis du sie erst erblickst, und dann
Schau Dunkles nur.
ÖDIPUS
Was soll das? Nehmt ihn fest!
TEIRESIAS
Ich wäre nicht gekommen, hätt’st du nicht gerufen.
ÖDIPUS
Einen Seher rief ich, keinen Narren!
TEIRESIAS
Deinen Eltern dereinst schien ich bei Verstand.
ÖDIPUS
Welchen? Bleib, bitte! Bleib! Welcher Mensch
Hat mich gezeugt?
TEIRESIAS
Der Tag heut macht dich und zerstört dich ganz.
ÖDIPUS
Wie sagst du alles rätselhaft und unbestimmt!
TEIRESIAS
Bist du, es zu erraten, nicht der Beste?
ÖDIPUS
Verhöhne nur, worin du groß mich finden wirst!
TEIRESIAS
Und ebendieses Glück wird dein Verderben.
ÖDIPUS
Hab ich die Stadt gerettet, ist’s mir gleich.
TEIRESIAS
So geh ich denn! (Geht ab)
ÖDIPUS
Nimm Kreon mit! Ihr beide seid mir widerlich!
Ödipus, Kreon.
ÖDIPUS
Was säumst du?
KREON
Zu Unrecht, König, richtet dein Zorn sich gegen mich.
ÖDIPUS