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Verrat, verbotene Gefühle, Neuanfang
Nach einer schlimmen Trennung tritt Victoria Leander eine neue Stelle bei der Kanzlei Svärdh & Partner in Stockholm an. Doch bereits ihr erster Fall bringt die Anwältin an eine Grenze, die sie nie wieder überschreiten wollte. Der erfolgreiche Unternehmer Daniel Häger braucht juristischen Beistand für sein Fitnessimperium und ist genau die Sorte Mann, von der Victoria sich eigentlich für immer fernhalten wollte. Und doch spürt sie bei jeder Begegnung, dass Daniel genau der Richtige ist, um den Schmerz der Vergangenheit endlich hinter sich zu lassen und wieder nach vorne schauen zu können ...
"Ein Buch voller Macht, Leidenschaft, einer überwältigenden Anziehungskraft und viel Drama!" BIANCA.READINGS über WORKING LATE
Band 2 der schwedischen Bestseller-Reihe von Helene Holmström
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Seitenzahl: 522
Titel
Zu diesem Buch
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Die Autorin
Die Romane von Helene Holmstöm bei LYX
Impressum
HELENE HOLMSTRÖM
OFFICE AFFAIR
Roman
Ins Deutsche übertragen von Corinna Roßbach
Victoria Leander hat Schreckliches erlebt. Aufs Schlimmste hintergangen und betrogen, versucht sie nach einer schmerzhaften Trennung ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen und beginnt als Anwältin bei der renommierten Anwaltskanzlei Svärdh & Partner in Stockholm. Doch der Neustart gestaltet sich schwieriger als gedacht. Ihre Vergangenheit hat sich schon an ihrem ersten Tag bei den neuen Kolleg:innen herumgesprochen, und auch ihr erster Fall bringt Victoria an eine Grenze, die sie nie wieder überschreiten wollte. Denn Daniel Häger braucht für den nächsten Schritt mit seinem Fitnessimperium juristischen Beistand und will niemand anders als Victoria für den Job. Selbstbewusst, attraktiv und schonungslos offen, was sein Interesse an der schönen Anwältin angeht, ist der junge Unternehmer genau die Sorte Mann, von der Victoria sich eigentlich für immer fernhalten wollte – und doch scheint Daniel die perfekte Ablenkung von ihrem Schmerz zu sein. Victoria lässt sich auf ein riskantes Spiel ein, das schon bald keiner der beiden mehr kontrollieren kann …
Was würde ein Mafiaboss in dieser Situation tun?, fragte sich Victoria Leander und musterte ihren Exmann, der mit dem Rücken zu ihr an der Kaffeebar stand. Diese Frage stellte sie sich jedes Mal, wenn sie vor einer Herausforderung stand. Sie liebte Fernsehserien und Kinofilme, die von listigen Mafiabossen handelten. Diesmal war die Antwort glasklar. Ein Mafiaboss hätte sich natürlich für einen Nackenschuss entschieden. Sie stellte sich vor, wie der Kopf ihres Exmannes explodierte und seine Hirnflüssigkeit auf die blitzsaubere Theke und die dort im Zentimeterabstand aufgereihten Rohkostbällchen spritzte.
Als er mit ihrem Kaffee zu ihr zurückkam, nahm sie die Tasse lächelnd entgegen.
»Danke«, sagte sie und lächelte noch strahlender. Sie wusste, dass sie ruhig bleiben musste. Eine wichtige Verhandlung stand bevor, und sie durfte ihre Chance nicht verspielen.
»Mit extra viel warmer Milch, so wie du es am liebsten magst«, sagte er.
Versuchte er, auf eine persönliche Ebene zu gehen? Sie unterdrückte einen Seufzer und lächelte weiter.
Dann sah er sie ernst an. »Wie gut, dass du dir Zeit genommen hast, Vicky. Ich dachte, es wäre am besten, wenn wir beide uns vor dem Treffen mit den Anwälten unterhalten, damit es schnell über die Bühne geht. Ich möchte, dass wir uns beim Thema Vermögensaufteilung einig sind.«
»Ja, das wäre natürlich gut.« Sie war zusammengezuckt, als sie ihren Spitznamen hörte, den nur ihre Freunde und ihre Familie benutzten. Er gehörte nicht zu ihrem engsten Kreis. Nicht mehr. Jetzt war er nur noch jemand, den sie einmal gekannt hatte. Ein Mensch, mit dem sie verheiratet gewesen war. Sie hatten keine Kinder, keinen Hund, nicht einmal Aquariumsfische. Kein Band, das sie zusammenhielt, jetzt, wo die Scheidung durch war.
»Denn ich möchte, dass wir Freunde bleiben.«
Ein spitzes Lachen entfuhr ihr, als sie seinen absurden Vorschlag hörte. Ihr Versuch, ruhig zu bleiben, war gescheitert. Eine halbe Minute hatte sie es ausgehalten.
»Was ist?« Er sah gekränkt aus. »Wollen wir nach zwölf gemeinsamen Jahren keine Freunde mehr sein? Zwölf Jahre!« Offenbar hatte er vergessen, dass er es gewesen war, der alle Chancen verspielt hatte, weiterhin mit ihr befreundet zu sein.
»Ich weiß, wie lange wir ein Paar waren, ich habe die Jahre mitgezählt. Aber ich sehe keinen Grund, mit dir befreundet zu sein. Freundschaft setzt gegenseitigen Respekt voraus.«
Karl seufzte und setzte eine mitleidige Miene auf. Als trauere sie immer noch um sie beide. Um ihn. Sie blickte ihn kühl an.
»Wie geht es dir?«, fragte er schließlich.
»Es geht mir sehr gut.« Tatsache war, dass sie sich schon lange nicht mehr so gut gefühlt hatte. Sie musste nur noch ein paar Dinge regeln. Karl loszuwerden war die reinste Befreiung gewesen.
»Aber wie geht es dir wirklich?« Er beugte sich zu ihr, versuchte ihr über die Wange zu streicheln, doch sie zuckte zurück.
»Fass mich nicht an.«
»Vicky …« Er sah sie wieder bedauernd an, als wolle er sie trösten, und fuhr sich mit der Hand durchs dunkle Haar, das an den Schläfen bereits ergraute.
»Hör auf, mich Vicky zu nennen. Du bist nicht mein Freund, und ich bin nicht deine Freundin. Wir trinken Kaffee, um über die Vermögensaufteilung und das bevorstehende Treffen zu reden, also lass uns anfangen. Was wolltest du sagen?«
Karls Ego füllte das gesamte Lokal inklusive Außenterrasse, und er schien der Meinung zu sein, dass sie nur deshalb so wütend war, weil sie noch immer nicht über ihn hinweg war.
Dabei wollte sie einfach nur das Organisatorische regeln, damit sie nicht länger mit ihm zu tun haben musste. Sie richtete sich auf und schob das dünne Schaffell auf ihrem Stuhl zurecht. Der nackte Zementfußboden und die rauchgrauen Kacheln an den Wänden betonten die Kälte im Raum. Alles hier drinnen war kalt. Spartanisch eingerichtet mit einer großen, ungeschliffenen Steinplatte, auf der nur sehr wenige, ungeheuer gesunde Kuchenstücke auslagen. Wahrscheinlich machten sie einen jünger, wenn man nur an ihnen roch. Durch die hohen Fenster war der Vormittagsverkehr auf der Birger Jarlsgatan zu sehen.
»Was passiert ist, war unschön.« Er stellte seinen Saft ab, eine grüne Brühe, die aussah, als schmecke sie nach Gras, und beugte sich über den Tisch zu ihr.
»Da stimme ich dir zu.« Sie konnte ihren Sarkasmus nicht verbergen.
»Aber wir waren eine ganze Weile verheiratet. Findest du nicht, dass wir trotzdem Freunde sein können?« Sollte das ein Witz sein? »Bedeuten dir unsere gemeinsamen Jahre denn gar nichts?«, fuhr er fort.
Diese Frage hättest du dir stellen sollen, bevor du deine Sekretärin gevögelt hast und offenbar mit allen Juristinnen der Stadt unter dreißig im Bett warst, dachte sie. »Tut mir leid, dass ich dich nicht vergöttere. Im Gegensatz zu deiner Sekretärin finde ich nicht, dass dein Hintern der Nabel der Welt ist.« Letzteres rutschte ihr einfach so heraus. Sie hatte die Nachrichten zwischen Karl und seiner Sekretärin gelesen, einer jungen Frau, die aussah, als hätte sie gerade erst Abitur gemacht – mit langen Beinen, künstlichen, borstenartigen Wimpern und kaugummirosa Lippenstift. Jedes Mal, wenn Victoria im Büro gewesen war, hatte die Sekretärin sehr freundlich gegrüßt, viel zu freundlich, wie Victoria im Nachhinein klargeworden war.
»Das hättest du dir jetzt sparen können.« Karl klang vorwurfsvoll, als wäre sie zwei Jahre alt und hätte ihn mit Sand beworfen. Dabei sah er trotzdem irgendwie zufrieden aus.
Was war eigentlich sein Plan für das heutige Treffen? Wollte er ihr eine Art Reaktion entlocken? Wie üblich ging es immer nur um ihn. Sie hatte sich auf das Treffen mit ihm eingelassen, weil sie gedacht hatte, es würde die Gespräche mit den Anwälten vereinfachen, aber jetzt beschlich sie das Gefühl, dass er irgendetwas von ihr wollte. Sollte sie beteuern, wie traurig sie darüber war, jahrelang betrogen worden zu sein?
»Ich finde ja, dass zwölf gemeinsame Jahre …«, fuhr er fort. Konnte er bitte endlich damit aufhören, es immer wieder zu betonen? Sie wusste nur zu gut, wie viele Jahre sie an ihn verschwendet hatte. Seine weiteren Worte wurden vom Lärm des Milchaufschäumers übertönt, sie sah nur noch, wie seine Lippen sich bewegten. Wahrscheinlich rechnete er gerade auf, wie viele Nächte sie nebeneinander geschlafen, wie oft sie morgens zusammen gefrühstückt und wie viele Reisen sie miteinander unternommen hatten. Eine Ehe in Zahlen.
»Verdienen wir nicht einen würdigeren Abschluss als ein Ende im Streit?«, fragte er, nachdem die Kaffeemaschine verstummt war. Der Geruch nach verbrannter Milch breitete sich aus.
»Du hast die Chance, diese Ehe würdig zu beenden, in dem Moment verspielt, als du dich entschieden hast, deine Sekretärin auf dem Ledersofa der Empfangshalle zu vögeln.«
Karl schüttelte müde den Kopf. Er schien es äußerst irritierend zu finden, dass sie erneut seine Affäre ansprach. »Ja, ich hatte ein Verhältnis mit einer anderen Frau.« Das klang sachlich. »Aber wenn man sich in einer Ehe nicht geliebt fühlt und wenn es ständig kriselt, ist das vielleicht kein Wunder.«
»Du meinst also, ich bin schuld an deiner Affäre?« Sie versuchte, sich zu beherrschen und nicht die Fassung zu verlieren. »Habe ich irgendetwas nicht mitbekommen? Habe ich euch etwa ausgezogen und aufs Sofa gelegt?« Die Sekretärin hatte in ihrer SMS beschrieben, dass sie nicht mehr am Sofa in der Empfangshalle vorbeigehen könne, ohne an Karl zu denken. Um zu demonstrieren, wie sehr sie an ihn dachte, hatte sie ihm ein Foto von sich geschickt, auf dem sie ihr nacktes Bein über die Rückenlehne des Sofas gelegt hatte. Zum Glück hatte sie wenigstens ihr Höschen angelassen.
»Das habe ich nicht gesagt«, entgegnete Karl.
Er hatte genau das gesagt.
»Ich meine, dass die Schuld nicht bei einem liegt, wenn zwei sich streiten. Du warst nur selten liebevoll zu mir.« Es wurde ihr plötzlich bewusst, dass er sich nie bei ihr entschuldigt hatte – dafür, dass er sie wie Dreck behandelt und mehrere Jahre lang angelogen hatte. Fand er etwa, dass sie es verdient hatte?
»Ich habe mich nie genug von dir geliebt gefühlt«, fuhr er fort.
Etwas in ihr zerbrach, als sie seine anklagenden Worte hörte. Sie hatte sich so angestrengt, damit ihre Ehe funktionierte, auch in den härtesten Zeiten. War es etwa nicht genug gewesen?
Doch sie wollte ihm nicht zeigen, wie sehr seine Worte ihr zusetzten. Er hatte heute schon genug von ihren Gefühlen mitbekommen. Stattdessen schüttelte sie den Kopf und sah auf die Uhr. »Wir müssen in fünf Minuten da sein. Danke für den Kaffee.« Sie stand eilig auf und hängte sich Tasche und Sportbag über die Schulter. Ohne Karl noch einmal anzusehen, verließ sie die Kaffeebar.
Daniel Häger strich sich übers Kinn und versuchte, sich auf die Grafiken auf dem riesigen Papier zu konzentrieren, das vor ihm lag.
»Ungefähr so habe ich es mir gedacht. Von oben nach unten in der Organisation.« Jack machte eine ausladende Geste.
»Mm …«, antwortete Daniel und trommelte mit den Fingern gegen die Tischkante, während seine Gedanken abschweiften.
»Sieh mal hier.« Jack zeigte auf eine Zahl in der unteren Ecke, doch Daniels Blick wanderte zum Fenster hinaus und folgte einem einsamen Vogel, der mit ausgebreiteten Flügeln über den leuchtend blauen Himmel segelte.
Plötzlich dachte er daran, dass sich die Finanzchefin noch nicht wegen der Liste der Investoren gemeldet hatte, die sie im kommenden Monat besuchen sollten. Er nahm sein Handy und schickte ihr eine Erinnerung. Dann brachte er eine Mail auf den Weg, in der er um Zahlen bat, die er brauchte, und antwortete auf eine weitere.
»Hörst du mir überhaupt zu?«, fragte Jack und setzte sich auf einen Stuhl.
»Natürlich höre ich dir zu«, log Daniel.
Jack seufzte laut. »Das tust du nicht. Ich sehe doch, dass du mit anderen Sachen beschäftigt bist.«
»Aber ich habe das Ganze doch schon einmal gesehen.«
»Ja, ich weiß, du hast mir heute Nacht um drei dein Feedback geschickt, und jetzt bin ich hier, um die Details durchzugehen. Wie lange warst du gestern eigentlich im Büro?« Jack sah ihn besorgt an.
»Ziemlich lange. Ich bin gerade ziemlich im Stress, weißt du?« Dann warf er Jack einen irritierten Blick zu. »Du bist doch mein Berater, schließlich bezahle ich dich für deine Arbeit. Redest du mit allen deinen Kunden so?«
»Natürlich nicht.« Jack rollte mit den Augen. »Behandelst du all deine Berater so? Beschäftigst du dich da auch mit anderen Dingen, während sie dir die Arbeit eines halben Jahres präsentieren?«
»Nein, das tue ich nicht«, gab Daniel zu und lächelte entschuldigend. »Aber es gibt ganz schön viel zu tun mit dem Börsengang, da darf ich keine Sekunde verlieren.«
Jack schüttelte den Kopf. »Vergiss dabei aber nicht zu leben. Du arbeitest zu viel.«
Daniel zuckte die Schultern. Wahrscheinlich hatte Jack recht, aber er liebte nun mal seine Arbeit. Vor Kurzem hatte er das große Projekt gestartet, seinen Fitnesskonzern an die Börse zu bringen. Er war der alleinige Eigentümer, brauchte jedoch Kapitalzuwachs, um das Unternehmen weiterzuentwickeln und die neuen Behandlungsheime für drogenabhängige Jugendliche zu eröffnen, die er schon so lange plante. Der Börsengang war ein Meilenstein in seiner verhältnismäßig kurzen Karriere. Niemand hätte gedacht, dass es so schnell gehen würde, am wenigsten er selbst. Er war vorangeprescht und hatte nicht vor, das Tempo zu drosseln. Durch den Börsengang würde er Kapital ranschaffen, und damit wäre der Erfolg garantiert.
»Ich weiß.« Daniel seufzte tief und ging zum Fenster. Er blickte über die schwarzen Blechdächer hinunter auf die Birger Jarlsgatan. Weiter hinten war das rotierende Logo auf dem Dach des Kaufhauses NK zu sehen, und überall standen Baukräne, die inzwischen ein fester Bestandteil des Stadtbildes geworden waren. Die Hauptgeschäftsstelle seines Unternehmens lag beinahe zu zentral. Die Miete war horrend, doch er wollte so nah wie möglich am größten ihrer Fitnessstudios sein, dem Flaggschiff und Herzen der Firma.
Menschen hasteten über den Östermalmstorg und in die Markthalle. Mit ihren Gewölben, den Säulen und dem hohen Turm glich sie einem kleinen Palast aus Ziegelsteinen. Die Leute trugen bereits hohe Stiefel aus glänzendem Leder, meterbreite Schals und dicke Strickpullover, obwohl es erst Anfang September war, doch in Schweden hatte man ja schon immer die Tendenz gehabt, der nächsten Jahreszeit vorzugreifen. Am Ende des Winters fror man in zu dünnen Frühlingsjacken, im Mai fröstelte man in seinen Shorts, und im Spätsommer schwitzte man in seinem Herbstmantel. Daniel blickte hinauf in den leuchtend blauen Himmel. Diese klare, frische Luft bereitete ihm Übelkeit, weil sie die Jahreszeit verkündete, die er am meisten von allen verabscheute. Er konnte zwar verstehen, worin für andere der Reiz des Herbstes bestand. Die Dekadenz des Sommers mit seinen langen, hellen und durchwachten Nächten, Wein zu jeder Gelegenheit und spontanen abendlichen Badeausflügen war vorüber. Nun begann wieder das regelmäßige und geordnete Leben. Mit neuen Möglichkeiten. Vielleicht einem Neustart. Doch dieser schicksalhafte Spätherbsttag vor bald fünf Jahren war kein Neustart gewesen, sondern ein trauriges Ende.
Der Ärger seines Cousins war verflogen, stattdessen sah er ihn vertraulich an. »So bist du immer um diese Zeit des Jahres. Du vergisst alltägliche Dinge. Zum Beispiel, dich zu rasieren.« Er blickte vielsagend auf Daniels dunkle Bartstoppeln. »Und du bist die ganze Nacht im Büro.«
Daniel strich sich über sein kratziges Kinn. »Es ist nur wegen des Börsengangs.« Jack hatte recht, aber er wollte nicht darüber reden. »Wir sehen uns Investoren an, das ist verdammt wichtig. Es nimmt meine gesamte Zeit in Anspruch.« Dann lächelte er. »Aber ich glaube, das kann richtig gut werden. Mit der richtigen Geldsumme können wir Wunder vollbringen.«
Jack erwiderte sein Lächeln. »Ja, da bin ich mir sicher.« Er stand auf, klappte seinen Laptop zu und steckte ihn in seine Tasche. »Schau dir die Unterlagen einfach im Lauf der Woche durch«, sagte er und deutete auf die Papiere. »Wir können nach dem Wochenende darüber reden und auf Details eingehen.«
Daniel nickte. »Perfekt. Vielen Dank!«
»Ich mache es aber nicht gratis.« Jack zwinkerte ihm zu.
»Nein, klar, das weiß ich doch.« Daniel lachte, obwohl die Kosten für diverse Berater in der letzten Zeit alles andere als witzig waren.
Jack umarmte ihn fest und ging zur Tür, blieb dann aber stehen und drehte sich noch einmal um. »Du … ich habe mit meiner Mutter gesprochen. Die mit deiner Mutter gesprochen hat«, sagte er vorsichtig.
Daniel verschränkte die Arme vor der Brust. »Erzähl mir was Neues. Soweit ich weiß, sprechen die beiden jeden Tag miteinander, oder?«
»In zwei Monaten ist der Jahrestag. Deine Mutter wollte mit dir über die Planung reden, hat dich aber wohl nicht erreicht.«
»Worauf willst du hinaus?«
»Das weißt du genau. Hör schon auf.«
»Das kann doch mein Vater entscheiden. Wie immer.« Er versuchte, gleichgültig zu klingen.
Jack trat einen Schritt vor und legte die Hand auf seine Schulter. »Vielleicht solltet ihr darüber sprechen?«
»Das glaube ich nicht. Es ist einfacher, wenn er das entscheiden darf.« Daniel graute es ohnehin schon vor dem Jahrestag, und er verzichtete gern darauf, den Tag zusammen mit seinem Vater zu planen.
»Es ist bald fünf Jahre her. Ihr müsst …«
»Danke, ich weiß.« Daniel klappte ebenfalls seinen Laptop zu. »Wolltest du nicht gerade aufbrechen? Ich muss noch ein paar Dinge zu Ende bringen. Gleich habe ich eine Trainingseinheit mit einer Kundin. Ich habe keine Zeit, um über die Gespräche unserer Mütter zu reden.« Er ging zur Tür und schob Jack vor sich her.
»Eine Kundin? Hast du keine Personal Trainer, die sich darum kümmern?«
Daniel liebte es, als Personal Trainer einzuspringen, und er würde damit bestimmt nicht aufhören – egal, wie groß der Konzern noch werden würde. Außerdem vertrat er eine seiner besten Personal Trainerinnen, um die er sich sehr bemüht hatte. Sie teilte die Werte des Konzerns, was ein gesundes Training betraf, und hatte einen beachtlichen Kundenstamm. Nun hatte sie sich das Schlüsselbein gebrochen, und er vertrat sie gerne.
»Ich übernehme das Training gern«, sagte er zu seinem Cousin und umarmte ihn noch einmal. Jack legte die Hand auf den Türgriff, dann drehte er sich wieder um.
Daniel seufzte tief. War er noch immer nicht fertig?
»Ich habe übrigens gelesen, dass du zum begehrtesten Junggesellen unter dreißig ernannt worden bist.« Jack grinste. »Das wurde auch Zeit. Bald bist du nämlich alt, und dann ist es nicht mehr so cool, Junggeselle zu sein.«
Gleich morgens hatte die Rezeptionistin ihm die Zeitung unter die Nase gehalten, und im Unternehmen war schon eine Mail mit der Neuigkeit herumgeschickt worden. Manchmal spielte Daniel mit dem Gedanken, etwas strenger mit seinen Mitarbeitern umzugehen, damit ihm so etwas erspart blieb.
»Sogar Assar hat inzwischen eine feste Beziehung.« Jack spielte auf ihren gemeinsamen Freund an, der lange Zeit hoffnungsloser Single gewesen war.
»Ach, ich bin doch erst neunundzwanzig und habe noch das ganze Leben vor mir, um Spaß zu haben.«
Jack sah ihn mitleidig an. »Das war vielleicht das Traurigste, was ich dich je habe sagen hören.«
Der Konferenzraum der Anwaltskanzlei Magnitud war mit einem dicken blauen Teppich ausgelegt, und in der Mitte stand ein wuchtiger, dunkler Holztisch mit sechs hohen, gepolsterten Stühlen. An den Wänden hingen kitschige Kunstwerke, vermutlich die Erzeugnisse irgendeines Kanzleipartners, der darauf bestanden hatte, seine fantasielosen Stillleben mit Weinreben und Flaschen, die er in seinem Sommerhaus fabriziert hatte, an die Wand zu nageln. Alles war bedeutend einfacher eingerichtet als in den Wirtschaftskanzleien, wo Victoria zu tun gehabt hatte, solange sie als Wirtschaftsanwältin tätig gewesen war.
Aber Anwälte für Familienrecht hatten häufig auch mit Strafsachen zu tun, und das funktionierte nicht in Kanzleien, die aussahen wie das Foyer eines Luxushotels. Jeder, der nicht gerade Geschäftsführer einer Bank war, hätte sich dort unwohl gefühlt. In dem Raum roch es nach Reinigungsmittel und altem Holz. Auf dem Tisch stand ein Silbertablett mit Kaffee und kleinen Schokoladenstückchen, die in glänzend blaues Papier mit dem Logo der Kanzlei verpackt waren.
Victorias Anwältin hieß Lisen und war ihr von ihrer Freundin Ebba empfohlen worden. Lisen hatte bei einer Vermögensaufteilung im Auftrag von Ebbas Kollegin die Verhandlungen geführt und die Gegenseite ausgenommen wie eine Weihnachtsgans. Sie war klein, blond und zuckersüß, aber wenn sie den Mund aufmachte, klang sie wie ein privilegierter weißer Mann mittleren Alters. Victoria mochte sie.
An diesem Tag war Victoria ein paar Minuten vor Karl eingetroffen. Er war immerhin besonnen genug gewesen, sie nicht vor dem Termin abzufangen. Sie begrüßten einander mit einem Nicken. Victoria schüttelte Karls Anwalt die Hand, dann nahmen alle vier Platz.
Fast zwanzig Minuten lang lief alles wie am Schnürchen, und sie waren sich in den meisten Punkten einig.
Lisen hatte erklärt, dass der Einfachheit halber all ihre Besitztümer inklusive der finanziellen Mittel aufgelistet werden würden, bevor man alles gleichmäßig zwischen ihnen verteilte. Wenn einer zu viel bekam, gab es für den anderen Part einen finanziellen Ausgleich. Genau wie alle anderen Jurastudenten hatte Victoria ein Semester Familienrecht belegt, aber alles vergessen. So kam ihr die Auffrischung durchaus entgegen.
Das Auto wurde Karl zugeteilt, denn er nutzte es am meisten. Victoria fand es ohnehin zu groß und zu protzig. Sie wollte sich lieber ein kleineres Elektroauto kaufen. Auch das Segelboot ging an ihn. Victoria hatte es kaum je betreten. Das Boot war Karls Traum gewesen, und er war meist mit seinen Freunden gesegelt.
»Und dann haben wir noch Karls Anteil an der Kanzlei.« Karls Anwalt, ein Mann namens Erland mit erstaunlich vollem Haar in verschiedenen Grautönen und kleinen, bösen Augen beugte sich über die Papiere auf dem Tisch. Er erinnerte sie an ein Wiesel, und es fiel ihr schwer, sein Alter zu schätzen. Er konnte fünfundvierzig sein oder auch sechzig.
Victoria setzte sich aufrechter hin. Das Haus und Karls Anteil an der Kanzlei waren die einzigen Besitztümer von einem gewissen finanziellen Wert.
»Wie Sie wissen, existiert eine Aktionärsvereinbarung, die eine Übertragung verhindert.« Erland sah auf, blinzelte ein paar Mal und sah höchst zufrieden aus.
»Aber der Wert muss bei der Vermögensaufteilung berücksichtigt werden«, stellte Lisen klar. »Auch wenn Victoria keine Partnerin werden oder die Kanzlei übernehmen kann, steht ihr die Hälfte des Wertes zu.«
»Na ja …«, sagte Erland und nickte langsam. »Es gibt ja einen Ehevertrag.« Er zog ein Dokument aus seinem Papierstapel und schob es über den Tisch.
Verdammt … Victoria warf einen Blick auf das Blatt. In ihr toste ein Orkan, der sich aber schnell wieder beruhigte. Auf dem Dokument befand sich ihre Unterschrift. Dieser Umstand an sich war keine Überraschung, sie konnte sich daran erinnern, wie sie das Papier unterzeichnet hatte. Aber Karl hatte ihr hoch und heilig versprochen, dass der Ehevertrag keinerlei Bedeutung habe. Eine reine Formalie, etwas, was die anderen Partner verlangt hätten. Der Ehevertrag war aufgesetzt worden, als Karl sich zusammen mit zwei früheren Kollegen selbstständig gemacht hatte, und er hatte ihr versichert, dass ihr in jedem Fall die Hälfte zustehe, auch wenn es ohnehin nie so weit kommen würde. Sie hatte ihm vertraut, in der festen Überzeugung, dass dieser Fall nie eintreten würde. Sollte es wider Erwarten doch schiefgehen, verfügte sie über genug Mittel, um auf eigenen Beinen zu stehen. Das hatte sie sich nämlich schon früh geschworen: dass sie niemals von jemandem abhängig sein wollte. Doch dieser Vorsatz hatte sich in Luft aufgelöst, als sie angefangen hatte, von einer Familie zu träumen. Wie hatte sie so naiv sein können? Sie wusste nicht, über wen sie sich mehr ärgerte: über sich selbst oder über Karl. Sie hatte das Dokument völlig vergessen – es bedeutete ja nichts.
»Aber ich war doch dabei. Ich habe Zeit und Energie in die Kanzlei gesteckt, ich habe …«
»Ja, ab und zu hast du mir geholfen«, unterbrach Karl sie. Er lehnte sich auf dem Stuhl zurück, verschränkte die Hände über dem Bauch und lächelte nachsichtig. »Und ich bin schließlich Partner in der Kanzlei.«
Stumm blickte sie ihn an. Tat er ihr das wirklich an? Sie hatte ihm unglaublich viel geholfen, mit ihm über einen langen Zeitraum an Fällen gearbeitet, ganze Arbeitswochen, oft sogar am Wochenende. Ja, es hatte ihr Spaß gemacht, und so hatte sie ihr Gehirn auf Trab halten können. Als sie sich entschieden hatte, eine Pause in ihrer Anwaltskarriere einzulegen, um schwanger zu werden, was aber leider nicht klappte, hatte sie sich mit anderem beschäftigen müssen, um nicht immer nur an die missglückten Versuche zu denken.
Tatsache war, dass sie es sogar herausgezögert hatte, sich wieder einen Job zu suchen, weil sie voll und ganz damit beschäftigt gewesen war, Karl zu helfen.
Doch man durfte sich auf niemanden verlassen. Sie hätte es wissen müssen.
»Wollen wir weitermachen?«, fragte Erland, ohne sie anzusehen. Karl nickte.
»Einen Moment«, sagte Victoria. »Du meinst es also ernst? Du weißt, dass ich nicht richtig informiert war, als ich den Ehevertrag unterschrieben habe.«
»Wenn meine Mandantin in die Irre geführt wurde, wird der Ehevertrag nicht berücksichtigt. Das solltet ihr beide wissen.« Lisen verschränkte ihre Hände und beugte sich über den Tisch.
»Sie haben doch gewusst, dass es sich um einen Ehevertrag handelte?«, fragte Erland.
Victoria nickte.
»Und Sie sind doch auch Juristin? Ich kann mir kaum vorstellen, dass ein Gericht der Ansicht sein könnte, Karl habe Sie hintergangen.«
»Aber wenn meiner Mandantin ein Anteil versprochen wurde …« Kopfschüttelnd unterbrach Victoria ihre Anwältin.
»Lass gut sein.« Sie schluckte und versuchte unbeteiligt auszusehen, obwohl sie innerlich vor Wut schäumte. Erland hatte recht. Sie war selbst schuld. Karl war ein Mistkerl, und vor Mistkerlen sollte man sich hüten, auch wenn sie seinerzeit nicht hatte voraussehen können, dass er sich zu einem Mistkerl entwickeln würde.
»Dann haben wir noch das Haus«, fuhr Lisen fort. »Meiner Mandantin steht es eher zu, also sollte sie es bekommen.«
Victoria räusperte sich. »Ich wohne schließlich dort. Du bist schon ausgezogen.«
»Ich wohne doch nur übergangsweise in der Wohnung, damit du Zeit hast, dir etwas anderes zu suchen.«
Wollte er sich tatsächlich auch um das Haus streiten?
»Ich will aber das Haus behalten«, sagte sie.
»So einfach ist es leider nicht«, warf Karls Anwalt ein. »Wenn wir uns Ihre Schulden und Ihr jeweiliges Vermögen ansehen, dann können Sie es sich nicht leisten, Karl auszubezahlen. Karl hingegen kann es sich leisten, das Haus zu behalten, da er kreditwürdig ist.«
»Ich kann auch einen Kredit aufnehmen«, sagte sie leise.
»Hast du denn eine Kreditzusage von der Bank?«, erkundigte sich Karl in dem überlegenen Tonfall, den er immer einsetzte, wenn er glaubte, dass ihn die Leute nicht verstanden. Eigentlich hatte er erst in den letzten beiden Jahren so mit ihr gesprochen. Vorher hatte er es nie getan. Vielleicht, weil zu dem Zeitpunkt die Gefühle verschwunden waren und er begonnen hatte, sich über sie zu ärgern.
»Die Kreditzusage würde ich gerne einmal sehen.« Erland kniff die dünnen Lippen zusammen.
Das Problem war, dass sie keine Kreditzusage hatte. Sie hatte mit allen Banken gesprochen, und alle hatten dasselbe gesagt: Zuerst müsse sie ein regelmäßiges Einkommen vorweisen. Das war ja auch nachvollziehbar. Wer wollte schon einer ehemaligen Hausfrau einen Kredit gewähren, die nicht länger jemandes Frau, sondern nur noch zu Hause war?
»Ich habe einen Job in Aussicht, also bekomme ich bald eine Kreditzusage.« Das stimmte, wenn auch mit Vorbehalt. Den ganzen Frühling über war sie auf Jobsuche und in mehreren Vorstellungsgesprächen gewesen, aber leider hatte es bis jetzt noch nicht geklappt.
»Du hast also einen Job in Aussicht?« Karl verschränkte die Arme vor der Brust und grinste arrogant. »Wie erfreulich.« Er wusste, dass sie log. Und er wusste, dass sie es wusste. Diese nonverbale Kommunikation zwischen ihnen hatte sie immer als etwas Schönes und Intimes empfunden, doch irgendwann war es nichts Besonderes mehr gewesen. Inzwischen war es ein Band, das sie gerne losgeworden wäre. In stillem Einverständnis sahen sie einander an, bis sie wegschaute. Lag es an der Fähigkeit, sich gegenseitig lesen zu können wie ein Buch, dass sie es schon die ganze Zeit gespürt hatte? Dass sie schon so lange ein ungutes Gefühl gehabt und bereits am Anfang ihrer Beziehung gefühlt hatte, dass es den Bach runtergehen könnte? Oder redete sie sich das nur ein? Vielleicht glaubte man immer, es im Gefühl gehabt zu haben, wenn etwas schiefging. Aber wenn Victoria gewusst hätte, was für ein Mistkerl Karl war, dann hätte sie doch niemals mit ihm zwischen den Vorlesungen einen Kaffee getrunken, damals am Anfang ihres Jurastudiums. Oder sich einen Monat später auf ein Date in Lunds bestes Restaurant einladen lassen.
Vielleicht war es einfach ein Fall von Selbstbetrug.
»Da Karl sich schon eine Mietswohnung organisiert hat, ist Victorias Anspruch, im Haus wohnen zu bleiben, höher zu bewerten«, sagte Lisen.
»Hm, und wann, meinst du, hast du deine Kreditzusage?« Das selbstgefällige Grinsen lag noch immer auf Karls Lippen.
»So bald wie möglich«, antwortete Victoria schnell. Sie musste es schaffen. Es musste irgendwie gehen.
»Das war ja eine sehr präzise Antwort. Das Haus steht da, und ich zahle es ab.« Karl schnaubte.
»Das ist nicht korrekt«, stellte Lisen fest. »Sie zahlen gar nichts. Seit der Scheidung hat Victoria alle Raten gezahlt, und …«
»Aber du wirst es dir nie leisten können, mich auszuzahlen«, unterbrach Karl sie scharf. »Also nehme ich das Haus, und du bekommst genug Geld, um dir etwas anderes zu kaufen. Außerdem habe ich dieses Haus finanziert. Ich habe Zinsen gezahlt, während du zu Hause geblieben bist.«
Victoria holte tief Luft. Am liebsten hätte sie Karl mit der schweren Thermoskanne, die auf dem Tisch stand, die Nase gebrochen. Was für eine Frechheit! Er hatte sich um seine Karriere gekümmert und Geld verdient, während sie wie eine untaugliche Zuchtstute zu Hause geblieben war. Sie hatte kein Geld verdient. Für ihn. Für sie beide. Dass er sich gar nicht schämte, ihr alles nehmen zu wollen?
»Zunächst einmal: Der größere Anteil des Hauses wurde von Victoria finanziert«, sagte Lisen scharf.
Victorias Großvater hatte eine Reihe von Aktien aus dem Unternehmen besessen, in dem er sein Leben lang gearbeitet hatte. Außerdem waren ihre Großeltern Eigentümer diverser Wohnungen gewesen und hatten im Alter eine ordentliche Summe angehäuft. Da sie wussten, dass ihr einziger Sohn, Victorias Vater, sein Geld hauptsächlich in schnelle Autos und Rennpferde mit Namen wie Lucky Strike oder Moonlight investierte, hatten sie Victoria und ihrem Bruder alles vererbt. Victoria hatte ihren Anteil des Erbes für den Kauf des Hauses in Bromma eingesetzt, von dem sie und Karl so lange geträumt hatten. An einen Ehevertrag hatte sie noch nicht einmal gedacht. Sie würde ja für immer mit Karl zusammen sein. Außerdem hatte sie aufgeschnappt, dass im Testament von persönlichem Eigentum die Rede war, und gedacht, das sei Sicherheit genug. Was auch stimmte. Wenn man im Besitz des Testaments war.
Weil Karl wusste, woher das Geld kam, hatte sie auf seinen guten Willen gehofft und darauf, dass sie ihren Anteil erhalten würde. Wahrscheinlich war diese Hoffnung das Idiotischste von allem gewesen.
»Du willst also wieder mit dieser alten Sache anfangen?«, seufzte Karl.
»Sie haben nichts in der Hand, was auf persönliches Eigentum hinweist, zum damaligen Zeitpunkt gab es auch keinen Ehevertrag. Das Geld, mit dem Sie damals das Haus bezahlt haben, geht also in die Vermögensaufteilung mit ein und wird zwischen Ihnen und Karl aufgeteilt.« Erland sah jetzt noch wichtiger aus. »Wenn Sie Karl nicht ausbezahlen können, übernimmt er entweder das Haus, oder es wird verkauft.«
Passierte das gerade wirklich? Weigerte er sich, ihr etwas von seinem Eigentum abzugeben, und versuchte gleichzeitig, ihren Besitz an sich zu reißen?
»Karl, ich brauche das Haus«, sagte sie und merkte selbst, wie panisch ihre Stimme klang. Sie wollte ihn wirklich um nichts bitten, doch er ließ ihr keine andere Wahl.
Er wusste, was ihr das Haus bedeutete. Es war mehr als nur ein Haus, es war ihre Sicherheit.
Den eigentlichen Grund für ihre Panik konnte sie jedoch nicht preisgeben. Sie hatte Karl selbstverständlich nichts von ihrem großen Entschluss erzählt, der voraussetzte, dass sie das Haus behalten konnte. Sie durfte unter keinen Umständen obdachlos sein oder in einer kleinen Wohnung zur Untermiete leben.
»Wir geben Ihnen eine Woche Zeit, um Nachweise zu erbringen, dass Sie die Geldforderung meines Mandanten erfüllen können. Ansonsten gehört das Haus Karl«, sagte Erland.
»Einen Monat«, konterte Lisen.
»Du weißt, dass ich den Großteil des Hauses bezahlt habe.« Victoria sah Karl bittend an. »Warum reißt du alles an dich? Reicht es nicht, dass du …« Sie unterbrach sich. Es war unter ihrer Würde, erneut seine Affäre anzusprechen. Er verstand sie auch so.
Karl sah sie lange an, tauschte anschließend einen Blick mit Erland und bedachte sie dann mit einem mitleidigen Lächeln. Victoria erschauerte.
»Ich gebe dir einen Monat, das ist schon ein ziemliches Entgegenkommen«, sagte Karl abschließend mit einem selbstgefälligen Grinsen.
Die Tränen brannten ihr in den Augen, als Victoria den Eingangsbereich des Fitnessstudios betrat. Wie sie ihn hasste! Er hatte sie verletzt, hintergangen und betrogen, und nun setzte er dem Ganzen noch die Krone auf. Irgendwann würde sie sich rächen, das wusste sie. Sie konnte es geradezu vor sich sehen, wie sie ihn erniedrigte. Eines Tages …
Sie war dankbar, dass sie gleich einen Termin mit ihrer Personal Trainerin hatte. Beinhartes Training war das Einzige, was ihre Panik vertreiben konnte, wenn sie am schlimmsten war.
Ihr Handy vibrierte. Eine Mail war eingegangen.
Wie immer, wenn sie Mails erhielt, setzte ihr Herz einen Schlag aus. Sie erwartete eine Rückmeldung von drei Kanzleien, wo sie Vorstellungsgespräche gehabt hatte, und eine Mail war ein schlechtes Zeichen. Bei einer Zusage meldeten sie sich immer telefonisch. Mit zitterndem Daumen öffnete sie die Mail.
Leider müssen wir Ihnen mitteilen, dass wir uns für einen anderen Bewerber entschieden haben. Danke für das interessante Gespräch.
Leichte Übelkeit überkam sie. Wenn sie etwas noch dringender brauchte als das Haus, dann war es ein Job. Wollte sie sich um ein Kind kümmern und es alleine versorgen, dann musste sie ein Einkommen haben.
»Scheiße!«, fluchte sie. Das junge Mädchen am Empfang sah sie verwundert an und grüßte verhalten. Victoria erwiderte den Gruß mit einem verkrampften Lächeln, las ihre Karte ein und ging zu den Umkleideräumen.
Während sie sich umzog, stellte sie sich langsam den Tatsachen. Ihr lang gehegter Traum würde nicht in Erfüllung gehen. Vielleicht war es vom Schicksal nicht vorgesehen, dass Victoria eine Familie und ein Haus bekam. Die Zeit, in der sie und Karl versucht hatten, ein Kind zu bekommen, hätte sie davon überzeugen müssen, dass sie offenbar nicht für ein solches Leben geschaffen war. Und offenbar war sie, wenn man Karls Worten glauben wollte, so lieblos, dass man nicht anders konnte, als fremdzugehen.
Die Resignation erstickte jede Hoffnung in ihr. Sollte sie alles aufgeben und sich nur noch darauf konzentrieren, alleine klarzukommen? Ohne Mann und Kind? Reichten Freunde, ihre Mutter und Jens mit seiner Familie?
Ihr war bewusst, dass sie sich gerade in Selbstmitleid suhlte. Manchmal war es schön, sich selbst zu bedauern und auf das Leben zu schimpfen.
Schließlich raffte sie sich auf und verließ die Umkleide. Sie hatte mit ihrer Personal Trainerin einen Termin im City-Studio ausgemacht, damit sie direkt nach dem Termin mit den Anwälten hingehen konnte. Sie war zum ersten Mal hier. Das Fitnessstudio lag in einem der obersten Stockwerke, die Wände bestanden aus weißgetünchten Ziegelsteinen, und die Sonne schien durch die riesigen Rundbogenfenster herein. Seit sie zur Fitnessstudiokette Kraft gewechselt war, hatte sie nur deren Studio in Bromma besucht. Doch sie hatte gehört, dass alle Filialen modern und schick seien. Sie kannte den Konzern gut, weil Karls Kanzlei involviert gewesen war, als Kraft vorgehabt hatte, ein Pflegeunternehmen aufzukaufen. Victoria hatte diesen Fall begleitet, doch dann war das Geschäft aus irgendwelchen Gründen ins Stocken geraten. Mittlerweile war der Konzern innerhalb weniger Jahre stark gewachsen, hatte neue Studios im ganzen Land eröffnet und sich außerdem innerhalb der Pflegebranche positioniert.
Sie blickte sich um. Um diese Tageszeit trainierten hauptsächlich jüngere Leute, vermutlich Studenten, und ein paar vereinzelte Rentner. Und natürlich die Hausfrauen. Die Kategorie, zu der sie selbst lange gehört hatte.
»Victoria, wie schön, dich zu sehen!« Die schrille, wohlbekannte Stimme dröhnte in ihren Ohren. Sie blieb stehen und wappnete sich. Laura.
»Laura … Hej!« Zögernd drehte sie sich um. Lächelte gequält. Die letzte Person, die sie heute treffen wollte.
Laura seufzte tief und umarmte sie. »Dich habe ich ja schon ewig nicht mehr gesehen! Wie geht es dir?« Ihre Stimme hatte einen mitleidigen Unterton, als wäre gerade ein enger Angehöriger von Victoria gestorben.
»Danke, es geht mir gut.«
»Alle reden über euch. Und vor allem darüber, was für ein Schwein Karl ist. Alle sehen das so!«
»Danke, das weiß ich zu schätzen.« Victoria wusste, dass sie sich in Wahrheit daran labten. Victoria hatte selbst diverse weinselige Mittagessen miterlebt, wenn die Frauen aufgeregt die neusten Skandale durchgehechelt hatten. Immer waren alle derselben Ansicht, dass gerade dieser Mann, über den sie herzogen, ein richtiges Schwein war. Aber in ihr scheinbares Mitleid mischte sich unverhohlene Schadenfreude, was bei Victoria Unbehagen hervorrief. Sie beteiligte sich selten an den Lästereien, weil sie sich nicht gut dabei fühlte.
»Was machst du hier? Warum trainierst du in der Stadt? Bist du aus eurem Haus ausgezogen?« Laura sah sie neugierig an.
»Nein, ich hatte vorhin einen Termin. Es ging um die Vermögensaufteilung.«
»Oh, und wie ist es gelaufen?«
»Geht so. Wir sind uns wegen des Hauses noch nicht ganz einig.«
»Das muss hart für dich sein. Schließlich bist du schon vierzig. Frisch geschieden und nicht einmal ein Zuhause.« Laura sah sie mitleidig an. »Werde bloß nicht verbittert.« Dann musterte sie Victoria von oben bis unten. »Aber immerhin siehst du so aus, als ginge es dir gut. Ich habe vor kurzem Lovisa Lejon getroffen. Sie hat wahnsinnig abgenommen seit der Scheidung! Das reinste Skelett!« Sie lächelte. »Echt hübsch.« Sie zwinkerte mit einem Auge, als habe sie es scherzhaft gemeint, aber Victoria wusste, dass die anderen Hausfrauen alle der Ansicht waren, sie müsse mindestens zehn Kilo abnehmen und sich ebenso viel Botox ins Gesicht spritzen lassen.
»Victoria Helmersson? Die einen Trainingstermin mit Leah hat?« Eine dunkle Männerstimme unterbrach sie.
Beim Namen Helmersson zuckte sie zusammen. War sie etwa immer noch unter ihrem alten Namen registriert? Sie musste sich dringend darum kümmern, dass der Name im System geändert wurde, denn sie wollte nur ungern an ihre missglückte Ehe und die vergeudeten Jahre erinnert werden.
»Victoria Leander.« Sie drehte sich um. »Ja, genau, ich hatte einen Termin mit Leah ausgemacht.« Sie streckte ihre Hand aus, hielt jedoch inne, als sie den hochgewachsenen Mann erblickte, der vor ihr stand. Sein Haar war weizenblond, die Augen blau mit langen, dunklen Wimpern, so wie sie Männer eigentlich nicht haben sollten, weil es zu ungerecht war. Ein äußerst kleidsamer, dunkler Dreitagebart verhinderte, dass er allzu sehr wie das Mitglied einer Boygroup aussah. Er sah ihr fest in die Augen. Wahnsinnig attraktiv, aber jung. Jünger als sie.
»Hej, Daniel!«, zwitscherte Laura hinter ihr. Victoria drehte sich um und stellte fest, dass Laura ihn von oben bis unten taxierte. Er war durchtrainiert, aber eben nicht so übertrieben, wie es Personal Trainer häufig sind. Nein, er sah stark und gesund aus, so als trainiere er, um sich gut zu fühlen und den Körper zu stärken. Also aus denselben Gründen wie Victoria auch.
»Hej, Laura!« Daniel lächelte flüchtig und sah dann Victoria an. »Okay, Victoria Leander. Leah hat sich das Schlüsselbein gebrochen, und ich übernehme ihr Training. Wollen wir gleich loslegen?«
»Das Schlüsselbein?« Victoria hielt sich erschrocken die Hand vor den Mund. Das klang übel. »Was ist passiert?«
»Ein Unfall beim Kampfsport. Bereit?« Daniel drehte sich um, ohne ihre Antwort abzuwarten.
»Klar …«, begann sie. Dann fielen ihr seine definierten Rückenmuskeln und die breiten Schultern auf. Die dünne Sporthose schmiegte sich über einen festen, runden Hintern.
Er blieb stehen und wandte sich um. »Es ist zwei Uhr. Wenn wir das ganze Programm schaffen wollen, sollten wir loslegen.«
»Hoffentlich kriegst du irgendwas hin, wenn du mit ihm trainierst«, sagte Laura leise und grinste Victoria vielsagend an.
Sofort kam sie sich alt vor und ekelte sich vor sich selbst, weil sie so ungeniert einen jungen Kerl anschmachtete. Sie holte Daniel ein, der auf die Konditionsgeräte zuging, drehte sich noch einmal um und sah, wie Laura Daniel hinterherstarrte.
Als sie die Laufbänder erreicht hatten, wies Daniel mit der Hand auf eines davon, und sie nahm an, dass sie draufsteigen sollte. Sie stellte ihr Standardtempo zum Aufwärmen ein und sah durchs Fenster. Von hier oben hatte man eine wunderbare Aussicht über Östermalmstorg und den Süden des Stadtteils. Die Hausdächer badeten im goldenen Licht der Herbstsonne, nur wenige Wolken waren am Himmel zu sehen.
»Wir fangen mit Aufwärmen an, erst mal zehn Minuten Intervalltraining.« Daniel erhöhte die Geschwindigkeit und die Steigung. Ziemlich heftig zum Aufwärmen, doch sie hielt mit. Die ganze Zeit stand er mit verschränkten Armen daneben und sah ihr zu. Ab und zu grüßte er jemanden, der vorbeikam. Außer seinen Anweisungen, das Tempo zu steigern oder zu drosseln, sagte er kein einziges Wort zu ihr. Gut, sie mochte auch keinen Small Talk, aber ein paar Worte konnte man doch wechseln? Aber nein, er führte sich auf, als sei er ein Leutnant der amerikanischen Marine und sie eine simple Soldatin. Nach fünf Minuten brannten ihre Oberschenkel. Wenn sie durchhalten wollte, musste sie das Tempo drosseln, doch sie wollte nicht zugeben, dass es ihr zu anstrengend war. Offenbar wollte er, dass sie aufgab. Also hielt sie aus und gab alles. Sie würde durchhalten.
Schon nach der Hälfte der Zeit waren ihre Beine taub. Sie konnte nicht mehr. Gerade als sie aufgeben wollte, streckte er seine Hand nach dem Regler aus. Gott sei Dank, er hatte begriffen, dass es für sie zu heftig war. Wahrscheinlich hatte er aus Versehen ein zu hohes Tempo eingestellt und hatte nun vor, es zu drosseln.
Doch nein. Das Band unter ihren Füßen rollte schneller. Er musste ein Sadist sein. Um nicht herunterzufallen, beschleunigte sie ihre Schritte. Genau genommen waren alle Personal Trainer Sadisten. Sie liebten es ja offenbar, Menschen leiden zu sehen.
Das höhere Tempo erzeugte bei ihr erstaunlicherweise einen Adrenalinstoß. Sie lief und lief. Daniel stand mit verschränkten Armen da und blickte sie verbissen an. Sie würde durchhalten, und sei es nur, um es diesem Quälgeist zu zeigen. Als die Zeit um war, stellte er das Band aus. Sie wurde langsamer und versuchte, ihre Atmung in den Griff zu bekommen. Die Erschöpfung hinderte sie zumindest daran, dem jungen Mann schmachtende Blicke zuzuwerfen.
»Wir gehen weiter zu den anderen Geräten.« Er drehte sich um und ging auf die Treppe zu. Sie hielt sich an beiden Handgriffen des Laufbandes fest und atmete lautstark aus, bevor sie ihm folgte. Während sie schwer atmend die Treppe hinunterstolperte, trank sie große Schlucke aus ihrer Wasserflasche. Obwohl ihr vom Atmen beinahe schwarz vor Augen war, wurde ihr Blick erneut von seinem Hintern angezogen.
Das untere Geschoss des Studios bestand aus mehreren Räumen mit verschiedenen Geräten. Daniel ging zu einem Regal, griff nach einem schweren Medizinball und warf ihn ein paar Mal auf den Boden. Es sah aus, als würde er mit einem Gummiball dribbeln. Ohne ein Wort reichte er ihr den Ball. Natürlich musste er ihr nicht erklären, dass sie nun dasselbe tun sollte, aber eine kurze, mündliche Anweisung hätte doch nicht geschadet?
Sie warf den Ball zu Boden.
»Beug die Knie.« Seine Stimme klang hart.
Sie gehorchte.
»Und spann den Körper an, du bist total krumm.«
Sie zog den Bauch ein, streckte den Rücken, blitzte ihn wütend an und warf den Ball erneut auf den Boden.
»Die Knie sind immer noch durchgedrückt.«
Ohne ihn anzusehen, winkelte sie die Beine an und machte weiter.
»Haltung!«
Unglaublich, dass er immer etwas zu bemängeln hatte. Sie nahm den Ball und dribbelte weiter.
»Los, jetzt streng dich mal an!« Was dachte er eigentlich, was sie die ganze Zeit machte? Mit einem mehrere Kilo schweren Ball zu dribbeln ging doch nur, wenn man sich anstrengte. Sah es etwa so aus, als würde es ihr leichtfallen? Aber sie strengte sich gern an. Am liebsten hätte sie den Ball gepackt und ihn dem Trainer mitten ins perfekte Gesicht geworfen. Doch sie widerstand der Versuchung und warf ihn weiter zu Boden. Wieder und wieder, während die Milchsäure sich in ihren Muskeln ausbreitete.
»Gut. Das reicht«, sagte er nach einer Weile. Sie schnaufte und atmete tief ein. Ihr Puls hämmerte an den Schläfen, dennoch unternahm sie eine letzte Anstrengung und warf ihm den Ball eine Spur zu heftig zu. Er trat einen Schritt zurück, während er ihn erstaunt auffing.
»Leg ihn ins Regal zurück, dann kannst du mitkommen.« Er warf ihr den Ball so heftig zurück, dass sie beinahe umgefallen wäre.
Mit zitternden Armen legte sie ihn ins Regal. Bisher hatte ihr Ärger die Erschöpfung überdeckt, doch nun überfiel sie die Müdigkeit.
»Du scheinst viel zu trainieren. Das ist gut. Besser als nur hier herumzusitzen und zu quatschen«, sagte er, während sie durch den Raum gingen.
»Warum sollte ich ins Fitnessstudio gehen, wenn ich nur herumsitze und quatsche? Wer macht denn so etwas?« Sie trank einen Schluck Wasser und sah ihn skeptisch an. Was meinte er?
»Ich habe den Eindruck, deine Freundinnen kommen in erster Linie her, um zu plaudern. Das ist wahrscheinlich so, wenn man zu viel Zeit hat. Aber du scheinst das Training ja ernst zu nehmen.« Zum ersten Mal lächelte er, vermutlich, um seine Unterstellung zu überspielen. Was wusste er über ihre Zeit? Er zeigte auf eine Reckstange in Kopfhöhe. »Dreimal zwölf.« Offenbar wollte er, dass sie Klimmzüge machte.
Sie tat ihr Bestes, ihn kalt anzusehen, während sie sich an die Stange hängte. »Ich verbringe meine Tage tatsächlich mit etwas Sinnvollem. Ich jobbe in einem Café und suche gerade eine neue Stelle als Juristin.«
»Du bist Juristin?«, sagte er, als sie fertig war mit den Klimmzügen. Er schien zu überlegen. »Ich brauche eine Rechtsberatung. Kennst du eine gute Kanzlei in Stockholm?«
»Leider kenne ich mich bei Strafrechtskanzleien nicht so gut aus, aber ich kann bestimmt jemanden ausfindig machen, falls du einen Verteidiger brauchst.« Wenn er Vorurteile hatte, konnte sie auch welche haben. Aber sie lächelte schelmisch, um ihren Worten die Schärfe zu nehmen.
Er lachte auf, und sein harter Gesichtsausdruck wurde weicher. »Ob du es glaubst oder nicht, es geht mir um Wirtschaftsrecht.«
Aha, wozu brauchte ein Personal Trainer eine Wirtschaftskanzlei? »Eine gute Freundin von mir ist Teilhaberin von Svärdh & Partner«, sagte sie. »Das ist eine gute Wirtschaftskanzlei.«
Er nickte bestätigend. »Die wurde mir tatsächlich schon empfohlen.«
»Sie haben ein breites Angebot an Dienstleistungen, aber natürlich kommt es darauf an, in welchem Bereich du Unterstützung brauchst. Wenn es sich um ein kleineres Unternehmen handelt, würde ich mich an ein juristisches Beratungsbüro wenden. Das ist billiger.«
Er nickte. »Ende der Pause«, sagte er dann. »Jetzt kommen wir zu den Gewichten.« Er ging zu einer Hantelstange und gab viel zu viele Gewichte darauf. »Jetzt die Knie beugen!«
Sie legte los. Noch immer verstand sie nicht, warum er einen Wirtschaftsanwalt benötigte. Vielleicht konnte sie ihm für ein günstiges Honorar ihre Dienste anbieten? Sie brauchte ja einen Job. Aber das war sicher unpassend, ihm im Fitnessstudio so ein Angebot zu unterbreiten. Insbesondere, da sie ihn vorhin so angestarrt hatte …
Ihre Beine zitterten bereits nach dem ersten Durchgang, doch er griff nach zwei weiteren Gewichten. Sollte das ein Witz sein? Er nahm die Stange, steckte die Hantelscheiben darauf und reichte sie ihr. Er genoss es, das war nicht zu übersehen. Der Ärger von vorhin machte sich wieder bemerkbar, und sie unterdrückte den Impuls, die schwere Stange auf seine Füße fallen zu lassen.
Doch dann roch sie seinen Duft: Parfüm, Salz und etwas Undefinierbares, Herbes – Kiefernnadeln oder Holz. Dieser wunderbare Duft veränderte alles. Sie wollte noch immer die Stange fallen lassen, aber nicht auf seine Füße, sondern um ihn zu umfassen und an sich zu ziehen, einen breiten Männerrücken und feste Schultern zu spüren.
Herrgott, er war noch so jung. Im Grunde war sie nicht besser als Laura, die wahrscheinlich mehr als einmal seine Arme etwas zu lange berührt hatte.
Er sah sie an, ihre Blicke trafen sich, und Hitze schoss ihr ins Gesicht. Es kam ihr fast so vor, als könne er ihre Gedanken lesen, und sie strengte sich an, unbeeindruckt zu wirken, obwohl sie einerseits verärgert war und sich andererseits ungeheuer von ihm angezogen fühlte.
»Noch zehn«, sagte er, und es fühlte sich an, als würde ihr Rücken gleich durchbrechen. »Denk an deine Haltung!« Er trat näher zu ihr, legte die Hände auf ihre nackten Schultern und zog sie zurück. Obwohl ihr bereits warm war, brannte die Berührung auf ihrer Haut. Das Gefühl seiner warmen Hände auf ihren Schultern blieb, auch nachdem er sie losgelassen hatte. Sie schüttelte sich, um es loszuwerden, schob die Schultern wieder zurück und führte die Übungen aus. Sie versuchte, an etwas anderes zu denken als an seine Hände auf ihrem Körper, doch das war nicht ganz einfach, denn er beobachtete sie eingehend und schien zu begutachten, ob sie die Übungen korrekt ausführte. Allerdings fühlte es sich eher so an, als würde er ihren Körper begutachten.
Er legte noch mehr Gewichte nach. »Noch einen Durchgang.« Wieder blitzte sie ihn böse an. Gott im Himmel, sie konnte sich nicht entscheiden, ob sie mit ihm schlafen oder ihn umbringen wollte. Vielleicht beides.
Als sie fertig waren, gingen sie in einen Raum weiter hinten mit einer großen, weichen Matte auf dem Boden und Sprossenwänden. Es gab zwar keine Fenster, doch die Deckenspots und die weiß gestrichenen Wände gaben dem Raum ein helles Aussehen. Sie machten weiter mit Liegestützen und Burpees, die Victoria ganz besonders hasste – eine Sadistenübung, die aus Sprüngen und Liegestützen bestand. Als sie beim letzten Durchgang der Burpees war, breitete sich ein zufriedenes Lächeln auf seinem Gesicht aus. Er wartete regelrecht darauf, dass sie aufgab, doch den Triumph wollte sie ihm nicht gewähren.
»Vielen Dank, das war’s für heute!«, sagte Daniel, als sie fertig war. »Du kannst die Matte abwischen.« Er deutete mit dem Kopf auf die Schweißpfütze, die sich unter ihr gebildet hatte. Und mit diesen Worten verließ er sie.
Sie blickte ihm nach und verfluchte ihn mitsamt seinem unverschämt knackigen Hintern, bevor sie Papier aus dem Spender an der Wand und eine Sprayflasche mit Desinfektionsmittel holte, um die Matte sauberzumachen. Dann ging sie schnaufend und auf zitternden Beinen zur Treppe und stieg die Stufen hinauf zur Umkleide. Dort ließ sie sich schwer atmend auf dem kalten Fliesenboden nieder, der ihren verschwitzten Rücken kühlte.
Als sie eine Weile später aus der Dusche stieg und sich anzog, fühlte sie sich entspannt wie schon lange nicht mehr. Sie hatte nicht einmal an Karl, das Haus oder erfolglose Bewerbungen gedacht. Zum ersten Mal seit Langem war ihr Körper vollkommen entspannt. Das Training hatte ihre Ängste und Sorgen vertrieben. Und das alles war der Verdienst dieses sadistischen Schönlings.
Daniel stellte die Dusche an. Er wusste, dass er unnötig streng mit seiner Kundin gewesen war. Doch er kannte Laura und war auf eine Frau eingestellt gewesen, die hauptsächlich ins Fitnessstudio ging, um ihre neuesten Trainingsklamotten vorzuführen, und hatte sie ein wenig schocken wollen. Als sie dann mitzog, hatte er sich stattdessen zum Ziel gesetzt, sie zum Aufgeben zu bringen. Es war wie ein Wettstreit zwischen ihnen gewesen und hatte verdammt viel Spaß gemacht. Allerdings hatte er nicht damit gerechnet, dass sie so viel aushielt.
Außerdem fand er sie interessant. Dass sie so durchtrainiert war, sprach für Ausdauer. Und sie war eindeutig stur. Nicht dass sie viel miteinander gesprochen hätten, aber den wenigen Worten nach zu urteilen schien sie witzig zu sein. Eigentlich war sie gar nicht sein Typ. Kühle, unnahbare Schönheiten wie sie waren nur selten für Flirts zu haben. Doch schon bevor er sich vorgestellt hatte, war sie ihm aufgefallen. Nicht nur, weil sie mit Laura gesprochen hatte, sondern wegen ihres starken, durchtrainierten Körpers und der langen dunklen Haare, die sie zu einem hohen Pferdeschwanz gebunden hatte. Auch ihre schönen Augen waren ihm nicht entgangen, die ihn an die Farbe von Milchkaffee erinnerten.
Während er sich abtrocknete, konnte er nicht aufhören, an sie zu denken. Bestimmt war sie verheiratet, und er sollte gar nicht darüber nachdenken, wie attraktiv sie war. Niemals würde er etwas mit einer verheirateten Frau anfangen, so etwas war respektlos. Aber hatte sie einen Ring getragen? Wenn er recht darüber nachdachte, hatte er keinen an ihr gesehen. Die meisten verheirateten Frauen im Studio liebten es, mit ihren überdimensionierten Diamantringen herumzufuchteln, was sehr unpraktisch war, wenn sie mit Gewichten trainierten. Was sie allerdings nur selten taten, aus Angst, zu muskulöse Arme zu bekommen.
Das Treffen mit einem Vorstandsmitglied stand an, und er zog sich schnell seine dunkelblauen Chinos und einen weißen Baumwollpullover über. Sogar wenn er Vorstandsmitglieder traf, weigerte er sich, einen Anzug zu tragen – bequeme Kleidung war etwas, was er sich in seiner Eigenschaft als bislang einziger Aktieninhaber des Konzerns herausnahm.
Er trat hinaus ins beinahe leere Studio, blieb jedoch abrupt stehen, als er seine Mutter auf einem der Laufbänder entdeckte, in Sportleggings, einem lila Funktions-T-Shirt und schwarzen Turnschuhen, die sehr neu aussahen. Ihr blondes, schulterlanges Haar, das sie sonst immer offen trug, wurde im Nacken von einem Haargummi zusammengehalten.
Was war los? Etwas musste passiert sein. Seine Mutter kam nie ins Studio, und ihr Training beschränkte sich auf tägliche Spaziergänge und einen Besuch auf dem Golfplatz etwa alle zwei Jahre.
Er stellte sich neben das Laufband und lächelte. »Waren nicht Fitnessstudios nur etwas für Kriminelle und Zehntklässler? Ich hoffe, es ist nichts passiert?«, fragte er mit mehr Ernst in der Stimme.
Seine Mutter drehte sich um und sah ihn erfreut an, vermutlich, weil sie seine Stimme gehört hatte. Doch als ihr der Inhalt seiner Aussage bewusst wurde, sah sie irritiert aus. »Das muss dein Vater gesagt haben, ich habe so etwas nie behauptet. Außerdem war fast meine halbe Verwandtschaft kriminell.« Sie lächelte zwar, aber sie hatte recht. Zumindest wenn man ihr und ihrer Schwester Anita Glauben schenken wollte, die immer wieder erzählt hatten, wie ihre Cousins in der Gegend um Fagersta gewütet hatten. Ihr Vater war auch nicht viel besser gewesen. Sein Alkoholproblem hatte dazu geführt, dass er früh seine Arbeit verloren und sich stattdessen zwielichtigen Geschäften gewidmet hatte, um seine Töchter Eva und Anita zu versorgen.
Beide Schwestern waren nach Stockholm gezogen, sobald sich die Gelegenheit bot. Daniels Mutter hatte Journalismus studiert und Anita Soziale Arbeit. Bald hatte seine Mutter einen Job bei einer Wirtschaftszeitschrift gefunden, und ihr Leben wurde auf den Kopf gestellt, als sie den jungen Douglas Häger interviewen durfte, der gerade das große Investmentunternehmen seines Vaters übernommen hatte. Nach nur fünf Minuten hatten sie sich Hals über Kopf ineinander verliebt, und ihre Liebe sprengte alle Klassengrenzen.
Seine Mutter hatte auch recht, was seinen Vater betraf. Er hatte damals von Kriminellen und Zehntklässlern geredet, als Daniel erklärt hatte, dass die Leitung einer Fitnessstudiokette eine ernstzunehmende Tätigkeit sei, die er auszubauen gedachte. Nachdem er sich für eine Ausbildung zum Personal Trainer entschieden hatte, war sein Vater der Ansicht gewesen, das gehöre vielleicht zum Prozess des Erwachsenwerdens. Doch es sei etwas komplett anderes, seinen Lebensunterhalt damit zu verdienen.
Seine Mutter nahm einen Schluck aus ihrer Wasserflasche mit dem Logo von Kraft. Sie musste sie an der Rezeption gekauft haben. »Weißt du, ich sollte mich einfach etwas mehr bewegen.«
Das nahm er ihr nicht ab. Es war sonnenklar, dass sie mit irgendwelchen Hintergedanken hergekommen war. Sie lief nun langsamer auf dem Band und sah sich im Studio um. »Wie schön es hier geworden ist. Was für tolle Arbeit du geleistet hast, Daniel. Habe ich dir das schon gesagt? Dass ich stolz auf dich bin?«
Er lächelte. In dieser Hinsicht hatte sie immer ganz klar Stellung bezogen. »Ja, das hast du gesagt.«
Sie betrachtete ihn von oben bis unten, und ihr Blick blieb an seinen nassen Haaren hängen. »Hast du auch trainiert?«
»Ich hatte eben eine Kundin.«
Seine Mutter runzelte die Stirn und lächelte dann. »Bist du nicht der Geschäftsführer des Unternehmens?«
»Doch, aber es gibt viele Geschäftsführer, die auf Kundennähe Wert legen.« Er versuchte, seine Irritation zu verbergen. Streiten wollte er sich nicht.
»Ich werde es Papa nicht verraten.« Sie zwinkerte ihm zu.
»Du kannst es ihm gerne erzählen. Ich schäme mich nicht dafür, manchmal als Personal Trainer zu arbeiten.« Er seufzte.
»Nein, das meine ich auch nicht.« Unsicher drückte sie auf den Knöpfen des Laufbandes herum. Daniel half ihr, das Band zu stoppen. Sie legte die Hand auf seinen Arm. »Ich weiß, dass es dir gefällt, aber er ist dir gegenüber so unversöhnlich.« Auch in diesem Punkt hatte sie recht. »Ich habe übrigens versucht, dich zu erreichen«, sagte sie dann.
»Ich weiß. Tut mir leid, dass ich noch nicht zurückgerufen habe, aber ich habe gerade sehr viel zu tun. Mit dem Börsengang und allem.«
»Hast du noch mal mit Papa darüber gesprochen?«
Konnte sie über nichts reden, ohne gleich seinen Vater zu erwähnen? »Nein, seitdem er mich ausgelacht hat nicht mehr.«
»Das hat er doch gar nicht. Er wollte dir nur ein paar gute Ratschläge geben.« Seine Mutter versuchte ständig, seinen Vater zu verteidigen, wahrscheinlich, weil sie im Gegensatz zu Daniel seine Schwächen nicht sah. Gute Ratschläge. So konnte man mit viel gutem Willen das Verhör nennen, das der Vater höhnisch durchgeführt hatte, nachdem Daniel ihm vor einem Jahr von den Plänen für sein Unternehmen erzählt hatte. Wer wolle schon in einen Fitnesskonzern investieren?, hatte er gesagt. Ob der Höhepunkt der Gesundheitswelle nicht längst überschritten sei? Und war der Wert der Firma wirklich hoch genug? Nach diesem Gespräch hatte Daniel beschlossen, sein Unternehmen an die Börse zu bringen. Er würde es mit seinen eigenen Händen dorthin schleppen, wenn es nötig war, nur um es seinem Vater zu zeigen. Seitdem hatte er beinahe rund um die Uhr daran gearbeitet.
»Ich könnte mir vorstellen, dass er Interesse haben könnte, in einen solchen Börsengang zu investieren. Sein Aktienportfolio könnte es gebrauchen.« Seine Mutter arbeitete schon seit vielen Jahren nicht mehr, aber sie hatte ein Händchen für Geschäfte, und ihr Mann überließ ihr viele wichtige Entschlüsse.
»Da bin ich mir nicht sicher. Ich glaube, das Gegenteil ist der Fall. Er findet nämlich, dass das alles hier, mein Lebenswerk, im Grunde nur Unfug ist, etwas, das man …«
»Er ist stolz auf dich«, unterbrach ihn seine Mutter. »Es fällt ihm nur schwer, es zu zeigen.«
Daniel schnaubte. »Stolz? Weißt du, wie er mich genannt hat, als wir uns das letzte Mal gesehen haben? Einen Möchtegernunternehmer für Bodybuilder und Drogenhändler.«
Jetzt sagte sie nichts mehr. Es tat ihm weh, sie so traurig und enttäuscht zu sehen. Ihretwegen hätte er gerne ein gutes Verhältnis zu seinem Vater gehabt, doch dieser Mistkerl machte es ihm schwer. Alles, was Daniel tat, war falsch. Schon immer hatte er sich in der kleinen Welt seiner Heimatgemeinde Djursholm fehl am Platz gefühlt, während sein Vater sich gewünscht hatte, Daniel würde sich besser einfügen. Seine Noten hatten nicht für die Handelshochschule gereicht, was ohnehin nicht Daniels Ziel gewesen war. Er wusste, dass er im Sportsektor arbeiten wollte, und als er sein erstes Studio eröffnet hatte, war für ihn ein Traum in Erfüllung gegangen. Seinem Vater wäre es am liebsten, wenn Daniel irgendeinen großen Aktienfonds verwalten und wichtige Meetings besuchen würde oder etwas anderes in der Finanzbranche machen würde. Wie er selbst auch.
Dass Daniel immer weitere Fitnesscenter eröffnet und der Kraft-Konzern im Laufe der Jahre viele Auszeichnungen erhalten hatte, darüber hatte sein Vater nur das Gesicht verzogen. Daniel vermutete, dass sein Vater es nicht leiden konnte, Unrecht zu haben, und widerwillig musste er feststellen, dass er in dieser Hinsicht nicht anders war.
»Wie sieht es denn mit den Investoren aus?«, fragte seine Mutter neugierig.
»Hat Papa dich gebeten, mich danach zu fragen?«
»Nein.« Ihre Antwort kam viel zu schnell.
»Ich habe nächste Woche tatsächlich ein Treffen mit einem finanzkräftigen Investor. Es ist jemand, der eventuell sogar ein Ankerinvestor werden könnte.«
Hier schoss Daniel etwas über das Ziel hinaus. Er wusste ganz und gar nicht, ob das Treffen positiv enden würde. Aber wenn er diesen Investor ins Boot holte, dann wäre das ein Beweis dafür, dass eines der renommiertesten Investmentunternehmen Schwedens an Kraft glaubte. Viele weitere Interessenten würden Aktien erwerben und einen Börsengang ermöglichen. Das würde seinen Vater zum Schweigen bringen.
»Das kannst du Papa ausrichten.«
Seine Mutter seufzte. »Ich bin nicht hierhergekommen, um zu streiten!«
Warum hast du dann angefangen, von Papa zu reden?, wollte er fragen, doch auch er hatte keine Lust, sich mit seiner Mutter zu streiten. Genauso gut konnte er mit ihr über den wahren Grund sprechen, warum sie hier war.
»Ich weiß, warum du hergekommen bist, Mama. Der Jahrestag.«
Die Mutter nickte ernst. »Der fünfte Jahrestag«, ergänzte sie. Das wäre nicht nötig gewesen, denn Daniel zählte jeden einzelnen Tag. In siebenundsiebzig Tagen war es fünf Jahre her. Fünf verdammte Jahre.
»Was sollen wir denn an dem Tag tun, an dem Adrian gestorben ist? Wir feiern doch schon seinen Geburtstag.«
»Ich möchte nicht, dass wir etwas tun, ich möchte nur, dass wir uns sehen. Ich möchte an diesem Tag die Menschen treffen, die ich am meisten liebe. Dankbarkeit empfinden darüber, dass es euch gibt.«
»Und was genau hattest du dir gedacht?« Er versuchte, entgegenkommend zu wirken.
»Ich dachte, wir könnten uns einfach nur bei uns zu Hause treffen. Etwas zusammen essen, was auch Adrian gerne mochte. Miteinander Zeit verbringen. Vielleicht könnten wir in die Oper gehen?« Adrian, Daniel und ihr Vater waren in der Tat gern in die Oper gegangen. Ihre Mutter war auch mitgekommen, aber es war hauptsächlich eine Sache von Papa und den Brüdern gewesen, das einzige Interesse, das Daniel mit seinem Vater teilte. Sie legte ihre Hand auf Daniels Arm. »Ich brauche das.«