olo - Robert Gilbers - E-Book

olo E-Book

Robert Gilbers

3,0
2,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Du wirst lange leben – solange du dich anpasst. Berlin im Jahr 2097, Hauptstadt einer vollendeten Gesellschaft – Patrick Gilbers, international erfolgreicher Manager, führt sein Leben im gesellschaftlich vorgegebenen Rahmen. Bis ihn eine Fremde um einen scheinbar harmlosen Gefallen bittet. Obwohl der Zustand der Frau außerhalb jeder Norm liegt, erliegt Patrick ihrem unheimlichen Charme. Mit verheerenden Folgen. Denn die Unbekannte wird von Mächten gesteuert, die mit brachialen Mitteln Existenzen zerstören. Unversehens wird Patrick selbst Teil der Kausalkette aus Besessenheit, Verfall und Perversion ... olo führt Science Fiction, Horror und dunkle Erotik zu einer packenden Dystopie-Story zusammen!

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 91

Bewertungen
3,0 (18 Bewertungen)
2
4
6
4
2
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



olo

von Robert Gilbers

 

Sciencefiction-Roman

Über den Autor

 

Robert Gilbers, Jahrgang 2052, geboren und aufgewachsen in Potsdam, studierte Physik und Politik. Er promovierte über gesellschaftliche Aspekte der Nutzung reduktiver Kernfusion in den zentralafrikanischen Schwellenländern. Robert Gilbers lebt mit seiner Frau und zwei Kindern in Berlin. Seit 2085 Lehrstuhl für Angewandte Physik an der Humboldt-Universität.

Vollständige E-Book-Ausgabe der Druckausgabe

 

ISBN 978-3-946348-08-5

ISBN 978-3-946348-07-8 (Kindle E-Book)

ISBN 978-3-946348-06-1 (Print Ausgabe)

 

© Eridanus Verlag | Jürgen Hoffhenke

Hastedter Osterdeich 241 | 28207 Bremen

Alle Rechte vorbehalten

 

Lektorat: Jana Hoffhenke

Korrektorat: Diana Guthoff

Umschlaggestaltung | Coverillustration: Detlef Klewer

Satz | Gestaltung: Jürgen Hoffhenke

Für meinen Bruder Patrick

 

 

 

 

Eine Gesellschaft,

die Menschen zusehends

auf ihre Funktionalität reduziert,

provoziert Dysfunktion.

Als krankhafte Reaktion abgetan,

dauert es meist zu lange,

bis die Misere ihres wahren Ursprungs erkannt wird.

Rostock-Berlin, Freitag, 2. August 2097

 

Der Raum krümmt sich. Wie schmerzverzerrt windet sich das Licht um etwas, das dem Auge verborgen bleibt. Das schwarze Loch deiner Seele liegt da vorne am Fenster auf der Ablagefläche.

Der solarbetriebene Wagen schnurrte mit hundertzwanzig Sachen über die Autobahn von Rostock nach Berlin.

Sie saß regungslos auf dem Pilotensitz. Ihre Augen, glanzlos und starr geradeaus gerichtet, zwinkerten zu selten. Sie achteten kaum auf den Verkehr, nahmen Bambus und Palmen nur am Rande wahr, die Schönheit der Natur, sie blickten weit geöffnet auf diese eine Stelle.

Vor ihr tauchte ein schwerer Lkw auf. Das Navigated Driving System reagierte, auf dem Monitor blinkte es. Die Fahrautomatik brachte den Wagen auf die Überholspur, ließ die Zugmaschine mit Auflieger hinter sich und kehrte auf die rechte Fahrbahn zurück.

Den Beifahrersitz hatte sie in den Fahrzeugboden geklappt, anstelle der Rückbank den Tisch hochgefahren. Mit den Zehenspitzen gab sie Schwung, und der Sitz drehte sich um die eigene Achse. Aus dem Rückfenster beobachtete sie, wie der Lastzug kleiner wurde, der Fahrer schien zu schlafen. Dann wurde ihr bewusst, dass sie ihre Bluse zerknitterte. Die Finger krampften sich um den Stoff zwischen ihren Brüsten. Sie wandte den Kopf, der Nacken schmerzte, sie schaute aus dem Seitenfenster. Merkwürdig, vor fünfzig Jahren gab es hier noch keine Palmen.

Die Ablagefläche. Wenn sie die Stelle zwischen Frontscheibe und Monitor ignorierte, wenn sie bewusst daran vorbei sah und die Aufmerksamkeit der Straße widmete, den blauen Himmel und das seichte Wehen im Bambus beobachtete, wenn sie so tat, als würde das bunte Display des Automaten ihre Lust nach einem Becher Kaffee wecken, nur dann tauchte er schemenhaft im äußersten Blickwinkel auf.

Ein hässlicher Schädel. Zwei schöne Hände mit langen feinen Fingern. Und dazwischen dieser pulsierende Klumpen Fleisch. Auf der Ablagefläche.

Aber es war doch vorbei? Das Leben sollte neu beginnen. Sie war noch hier, war gut aus der Sache herausgekommen. Andere hingegen hatten es nicht geschafft, waren gegangen. Ja, sie würden ihr fehlen. Aber nicht lange. Alles nur eine Episode. Eine verblassende Erinnerung. An die dunkelsten Stunden ihres Daseins. An die düstere Seite dieser Welt. An ihre eigenen Schattenseiten.

Dann eine Bewegung auf der Ablagefläche. Ihre Augen zuckten. Siehst du, bist doch noch nervös. So etwas steckt man nicht einfach weg. Mach dir nichts vor. Es wird dich dein Leben lang verfolgen. Nie wieder wirst du der Mensch sein, der du vorher warst. Und dennoch: Das hier, natürlich, war nur ein Streich des Lichts. Kein Grund zur Sorge. Schau, da ist es schon wieder, dieses bewegliche Lichtspiel. Direkt vor dir.

Mit einem Ruck brachte sie den Pilotensitz zurück in die Ausgangsposition, Blick nach vorne auf die Fahrbahn. Ihre Augen zögerten, wollten hinsehen. Reiß dich zusammen! Etwas kroch vom Hellen in den Schatten der Armaturen, kaum zu erkennen im blendenden Gegenlicht der Sonne. Ihre Pupillen hefteten sich auf das, was nicht zu sehen war und dennoch Stück für Stück ins Halbdunkel zu krabbeln schien.

Bitte nicht. Noch einmal würde sie es nicht schaffen.

Ihr Zeigefinger bohrte sich in den Alarmknopf. Sofort begann das Soundsystem mit einer Warnsequenz. Auf dem Monitor erschienen die Worte: »Not-Stopp eingeleitet. Wagen hält. Zum Fortsetzen der Fahrt drücken Sie Enter.« Dann teilte eine sonore männliche Stimme mit: »Sie haben den Not-Stopp eingeleitet. Ihr Wagen hält in wenigen Sekunden. Bewahren Sie Ruhe. Sollten Sie den Not-Stopp versehentlich aktiviert haben, drücken Sie bitte Enter.«

Der Wagen bremste ab und kam auf dem Seitenstreifen zum Stehen. Die Beifahrertür sprang auf. Die männliche Stimme sagte: »Bitte nutzen Sie die geöffnete Tür zum Ausstieg, begeben Sie sich sofort hinter die Leitplanke, betreten Sie nicht die Fahrbahn.«

Aber das ging nicht. Sie konnte sich nicht an ihm vorbeischlängeln. Auf keinen Fall.

»Bitte verlassen Sie sofort Ihren Wagen und bringen Sie sich in Sicherheit.«

Ihr Herz pumpte.

»Bitte verlassen Sie sofort Ihren Wagen und bringen Sie sich in Sicherheit.«

Mit aller Kraft presste sie den roten Punkt am seitlichen Display, die Fahrertür sprang auf, und sie ließ sich aus dem Auto fallen. Undeutlich nahm sie den schweren Lastzug wahr, der sie einholte. Sie stand auf, ihre Beine brachen an der Stoßstange, der Schädel platzte unter der Wucht des Aufpralls, das Rückgrat zerriss. Die Vorderräder erfassten einen Fuß, zerrten die Beine unter die Zugmaschine, spuckten den Körper zur Seite aus und schnipsten ihn gegen die Leitplanken.

Berlin, Sonntag, 30. Juni 2097

(Heute)

 

Sonntagmorgen in den Sommerferien. Auf den Straßen war noch nichts los und Esther Gritt fand vor dem Polizeipräsidium sofort einen Parkplatz. Ihr war nach wie vor unwohl, wenn sie sich in geschlossenen Räumen aufhielt – umso mehr, wenn der Raum nur aus ihrem Pkw bestand. Sie stieß die Fahrertür auf und genoss die leichte Brise, die schon bald wieder drückender Hitze weichen würde. Mit Autoschlüssel und Handtasche unter dem Arm stieg sie aus. Als sie sich weiter als fünf Meter vom Wagen entfernt hatte, schlossen sich die Türen elektronisch und die Solarzellen auf dem Dach durften ihren Durst nach Sonne stillen. Seit zwei Wochen war es schon drückend heiß in Berlin. Trotzdem würde sie in ihrem Büro auf die Klimaanlage verzichten und beide Fenster weit offen stehen lassen.

Ohne Eile ging sie auf das Hauptportal zu. Direkt hinter ihr kam ein Wagen mit quietschenden Reifen zum Stehen. Türen öffneten sich und Esther vernahm laute Stimmen. Koslowski und seine Schergen hatten wieder jemanden geschnappt. Sie verdrehte die Augen und legte einen Zahn zu. Diesem schmierigen Cop wollte sie nicht begegnen. Zog sie jedes Mal mit den Augen aus und sabberte.

»Nicht da hinein!«, bettelte ein Mann. Das Übliche. Mist bauen, sich schnappen lassen, aber nicht zum Verhör wollen. Genau genommen war Polizeidienst unter ihrer Würde. Man hatte es immer mit den Typen zu tun, die kurz darauf als irreversibel eingestuft und abgeschoben wurden.

Vor Esther türmte sich der Neubau des Präsidiums auf. Die schimmernde Front bestand aus nahezu unzerstörbarem Nanoglas. Mittendrin die Drehtür mit den integrierten Scannern. Sie atmete plötzlich schwer. Es gab keinen Grund zum Hochmut. Sie selbst schlitterte gerade knapp an der Irreversibilität vorbei und musste aufpassen, dass man ihr nicht auf die Schliche kam.

»Vernehmt mich, wo immer ihr wollt, aber bitte nicht ins Haus!«

Esther stockte und fuhr herum.

Der Verhaftete wand sich unter dem Polizeigriff zweier Kollegen und redete auf Koslowski ein, der desinteressiert daneben stand und sich eine Zigarette anzündete.

Koslowski trug eine verschlissene Cordhose und ein völlig aus der Mode gekommenes Jackett, das seinen Bierbauch umrahmte, keinesfalls aber bedeckte. Das ungekämmte Haar passte wunderbar zu dem unrasierten Gesicht. Hallo, ich bin Bernd Koslowski, meine Scheidung hat mich aus der Bahn geworfen, aber ich funktioniere prima.

Dann bäumte sich der Verhaftete auf, und Esther starrte ihn misstrauisch an. Warum willst du nicht ins Haus? Der Mann wirkte mit Nadelstreifenanzug und einem ordentlichen Haarschnitt nicht wie ein typisch Irreversibler. Aber dann sah sie, dass der Anzug zerrissen und fleckig war. Sie zuckte die Schultern, ermahnte sich, nicht überall Gespenster zu sehen, und wandte sich wieder der Tür zu. Keine Sekunde zu früh.

»Hey Esther, guten Morgen, Schätzchen!«, rief Koslowski.

War klar, dass er sie entdecken würde.

Über die Schulter winkte sie ihm zu. »Morgen, Koslowski.« Schnell trat sie ein, passte ihren Schritt der Drehtür an und ließ sich scannen.

Das gewaltige Foyer mit mehreren Rolltreppen und einer Reihe von Aufzügen war imposant, jedes Mal aufs Neue. Sie grüßte die Wachhabenden und eilte auf die nächstliegende Rolltreppe zu. Den Aufzug konnte sie nicht mehr nehmen, seit …

Als sie das erste Stockwerk erreichte, hörte sie, wie Koslowski und seine Mannschaft lautstark das Gebäude betraten. Ihr Büro lag im dritten Stock. Esther ging zügig durch die Gänge, trat ein und öffnete als Erstes die Fenster, bevor ihr das Herz wieder bis zum Hals schlug. Während ihr Computer hochfuhr und sich in die Central Case Progress einloggte, holte sie sich einen Kaffee aus der Küche.

Dann saß sie vor dem Bildschirm und rief die Akten auf, die sie in den vergangenen Wochen zusammengesucht und immer wieder gelesen hatte.

Seit es Ende März begonnen hatte, zog sich eine blutige Spur durch Berlin. Zunächst war es ihr schwer gefallen, eine Fährte zu finden, doch dann hatte sie das Muster erkannt, das sich seither wiederholte und Männer wie Frauen in die Irreversibilität trieb. Dass sie ihm nicht sofort auf die Spur gekommen war, lag daran, dass das erste Opfer an einem entscheidenden Punkt das Muster durchbrach. Dieses Opfer war sie selbst gewesen. Und sie war schockiert bei der Vorstellung, was aus ihr geworden wäre, hätte er mit ihr getan, was er anschließend mit allen anderen getan hatte.

Der Schritt, den sie nun tun musste, war ein Wagnis. Sie musste die verschiedenen Akten elektronisch miteinander verknüpfen und ihren Verdacht niederschreiben. Dieser Vorgang war unumkehrbar. Er würde für alle Zeiten in der CCP gespeichert bleiben – ganz gleich, ob sich der Verdacht bewahrheitete oder nicht. Ihr Name würde auf jeden Fall dauerhaft damit verbunden sein. Das war gefährlich, denn der Ausgangspunkt der Ereigniskette war sie selbst, und auf keinen Fall wollte sie in die polizeilichen Mühlen geraten und ihre Existenz gefährden. Wieder zögerte sie. Andererseits konnte ihr die Verknüpfung auch nutzen, wenn sie sich bewahrheitete und zur Lösung einer ganzen Reihe von Vorfällen führte. Sie musste auch daran denken, ihre Karriere voranzubringen. Mit gerade mal dreißig Jahren war sie zwar schon recht weit aufgestiegen, doch da saß noch mehr drin.

Unentschlossen klickte sie auf die Seite mit den News. Sämtliche Protokolle der vergangenen Nacht und des gestrigen Samstags waren hier aufgeführt.

Ihr Blick blieb an Koslowskis Namen hängen. »Unbekannte Tote identifiziert«, lautete sein Dossier. Mit einem weiteren Klick öffnete sie das Dokument und starrte auf das Protokoll.

»Da bist du ja wieder«, flüsterte sie.