One Moment in Time - Lauren Barnholdt - E-Book

One Moment in Time E-Book

Lauren Barnholdt

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Beschreibung

„Tu etwas Verrücktes vor dem Abi!“ Diese Mail an sich selbst löscht Quinn Reynolds umgehend – stammt sie doch aus einer Zeit, als Lyla und Aven, ihre Zimmergenossinnen auf dem Klassentrip in Florida, ihre besten Freundinnen waren und sie einen gemeinsamen Pakt geschlossen hatten. Aber die Aufforderung nagt an ihr. Denn schließlich – warum nicht? Ihr Liebesleben ist langweilig genug und YOLO. Also lässt sie sich auf sexy Florida-Boy Abram ein, den sie am Strand trifft. Doch der vermeintlich kurzweilige Sommerflirt erfüllt zwar den Pakt, aber er wird auch gefährlich für Quinns Herz …

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Seitenzahl: 364

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DIE AUTORIN

Foto: © Aaron Gorvine

Lauren Barnholdt hat eine Vielzahl von Jugendbüchern veröffentlicht. Wenn sie nicht gerade schreibt, liebt sie es, sich in Büchern zu vergraben. Ihr Motto ist Carpe diem. Lauren lebt mit ihrer Familie in Waltham, Massachusetts. Mehr über die Autorin unter laurenbarnholdt.com

Von der Autorin sind außerdem bei cbt erschienen:

Die verrückteste Nacht meines Lebens

Mein Sommer mit Noah

Heat of the Moment

Lauren Barnholdt

ONE

MOMENT

IN

TIME

Aus dem Englischen

von Bettina Spangler

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

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1. Auflage

Deutsche Erstausgabe Juni 2016

© 2015 by Lauren Barnholdt

Die amerikanische Originalausgabe erschien unter

dem Titel »One Moment in Time. The Moment

of Truth Book 2« bei Harper Teen,

an imprint of Harper Collins Publishers, New York.

Dieses Werk wurde vermittelt durch die

Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH,

30827 Garbsen.

© 2016 für die deutschsprachige Ausgabe by

cbt Kinder- und Jugendbuchverlag

in der Verlagsgruppe Random House GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Alle deutschsprachigen Rechte vorbehalten

Aus dem Englischen von Bettina Spangler

Lektorat: Christina Neiske

Umschlaggestaltung: init | Kommunikationsdesign,

Bad Oeynhausen

Cover design by Annemieke Beemster Leverenz,

unter Verwendung eines Fotos von © Gallery Stock

he · Herstellung: AnG

Satz: KompetenzCenter, Mönchengladbach

ISBN: 978-3-641-16745-5V002

www.cbt-buecher.de

Für Aaron, für immer

EINS

Von: Quinn Reynolds ([email protected])

An: Quinn Reynolds ([email protected])

Vor dem Abschluss werde ich … etwas Verrücktes tun.

Immer wieder mal muss ich an diese E-Mail denken, aber es ist nicht so, als würde ich da viel drauf geben. Ich meine, wie auch? Vor dem Abschluss werde ich etwas Verrücktes tun? Was soll das überhaupt heißen? Das typische dämliche Zeug, das man schreibt, wenn man vierzehn ist und keinen Schimmer hat, was man an das eigene zukünftige Ich schreiben soll.

Außerdem war diese ganze Geschichte mit den E-Mails von vornherein total kindisch und lächerlich. (Weiß gar nicht mehr, wer auf die Idee kam, aber ich glaube, es war Aven, denn von mir oder Lyla stammte das auf gar keinen Fall – es ist einfach so typisch für Aven!)

Jedenfalls, als am Morgen unseres Klassenausflugs nach Florida die Mail bei mir im Postfach landet, lese ich sie nur, seufze und befördere sie dann direkt in den Papierkorb. Ich hab nicht das Bedürfnis, was Verrücktes zu tun, nicht jetzt und auch sonst nicht. Das Verrückteste, das ich jemals getan habe, war, mir blonde Strähnen zu färben, und das waren solche, die sich nach sechzehn bis achtzehn Haarwäschen rauswaschen. Bin noch nicht mal losgezogen und hab mir ein billiges Haarfärbemittel im Drogeriemarkt besorgt. Nein, ich hab sie mir richtig beim Friseur machen lassen.

»Das ist ja so was von ätzend hier«, sagt meine Freundin Celia neben mir. Wir sitzen im Bus, der uns von der Schule zum Flughafen bringt, von wo aus wir den Flieger nach Florida nehmen. Sie zieht ihr winziges Näschen mit den bezaubernden Sommersprossen kraus. »Ich hasse Schulbusse. Die riechen immer nach Kotze und nach altem Leder.«

»Sie hätten uns selbst fahren lassen sollen«, meint meine Freundin Paige. Sie sitzt auf dem Platz direkt vor uns, den Rücken gegen das Fenster gelehnt. Sie ist leicht nach vorn gebeugt, damit ihr glänzendes blondes Haar die Fensterscheiben nicht berührt. »Jeder weiß doch, dass Schulbusse ultragefährlich sind.« Sie zupft an einem Stück Isolierband herum, das sich oben am Sitz gelöst hat. »Und der hier fällt schon auseinander.«

Celia seufzt, dann tippelt sie mit den Fingern ungeduldig auf ihrer Handtasche herum. »Kann es kaum erwarten, bis wir endlich entspannt am Strand liegen.« Sie winkt mich zu sich her, dann legt sie sich einen Finger an die Lippen, als würde sie mich gleich in ein Megageheimnis einweihen. Sie öffnet ihre Handtasche und lässt mich einen Blick hineinwerfen.

»Himmel, Celia«, sage ich und schiebe die Tasche von mir weg. »Bist du denn völlig irre? Damit kannst du doch nicht in den Flieger steigen!«

»Ich will ihn ja nicht mit in den Flieger nehmen«, sagt sie und verdreht die Augen, als wäre ich komplett beschränkt. »Den rauchen wir auf der Toilette, bevor wir an Bord gehen.«

»Keine gute Idee«, sage ich. »Echt keine gute Idee.« Ich frage mich, warum sie überhaupt damit ankommt. Sie weiß doch genau, dass ich kein Gras rauche. Ich mag das Gefühl nicht, wenn ich nicht alles unter Kontrolle habe. (Nicht dass ich schon mal wegen Gras die Kontrolle verloren hätte, hab ja noch nie was geraucht. Aber ich will es auch gar nicht ausprobieren.)

»Sie hat recht«, meint Paige. Damit greift sie in ihre klassische Louis-Vuitton-Clutch und zieht ihre Gucci-Sonnenbrille raus. Die setzt sie jetzt auf, obwohl wir doch immer noch in Connecticut sind und nicht mal die Sonne scheint. »Wir rauchen ihn auf dem Parkplatz und werfen ihn dann weg.«

Ich hole tief durch die Nase Luft und stoße sie dann durch den Mund wieder aus. Dabei frage ich mich, wieso ich überhaupt mit diesen Mädels befreundet bin, wo wir drei doch so verschieden sind.

Dinge, die ich mit Celia und Paige gemeinsam habe:

1. Wir sind schlau. Also so richtig schlau. Wir belegen in sämtlichen Fächern die Leistungsstufe und sind trotzdem noch Erste (ich), Zweite (Paige) und Vierte (Celia) in unserem Jahrgang. Viet Cho ist die Nummer drei, was unseren Plänen einen echten Dämpfer verpasst hat. Tja, wenn er nicht wäre … Celia hat es sich nämlich in den Kopf gesetzt, dass wir drei was total Lustiges machen könnten zu unserer Abschlussfeier, so was wie identische T-Shirts tragen, auf denen dann die Ziffern eins, zwei und drei drauf sind. Oder wir hätten Lieder dichten können, bei denen eins, zwei, drei im Text vorkommt. Was in Wirklichkeit natürlich nie was geworden wäre, weil ja bekannt ist, dass man bei der Abschlussfeier Hut und Talar trägt. Obwohl ich fast vermute, dass es durchaus Leute gibt, die darunter irre Outfits anhaben – so wie Duke Marrone, der im vergangenen Jahr unter der akademischen Tracht einen Bikini anhatte. Alle fanden das irre komisch. Aber unsere Eltern würden uns so was nie erlauben. Würde ja die Fotos von der Abschlussfeier ruinieren, auf denen sie dann neben ihren perfekten Töchtern stehen und aussehen wie die perfekten Eltern. Außerdem, wenn Celia so viel dran liegt, dass wir Nummer eins, zwei und drei sind, dann braucht sie sich bloß ein bisschen mehr anzustrengen. Sie ist von Natur aus total klug, lernen braucht sie deswegen eigentlich nicht viel. Wenn sie sich ein bisschen mehr Mühe gäbe, wäre sie sofort Nummer drei.

2. Wir wollen alle drei auf eine der Eliteunis. Celia will nach Yale, Paige nach Harvard und ich nach Stanford. Zumindest wenn ich es schaffe, einen Platz zu kriegen. Man möchte meinen, ich müsste total nervös sein, weil wir alle drei in verschiedenen Städten leben werden, aber ehrlich gesagt ist mir das total schnuppe. Paige und Celia sind meine besten Freundinnen an der Highschool, die Sorte, mit denen man in der Schule dauernd rumhängt, die man aber nach dem Abschluss sofort vergisst. In zehn Jahren suche ich sie vermutlich auf Facebook und stoße dann auf Fotos von ihnen, wie sie sich mit ihren Ehemännern, natürlich Anwälte, im Yale Club vergnügen. (Wobei Anwälte längst nicht mehr so viel verdienen wie früher, deswegen bin ich mir gar nicht so sicher, ob Celia und Paige überhaupt einen Anwalt heiraten würden. Vielleicht heiraten sie ja auch beide einen Investmentbanker – bis dahin geht es mit der Wirtschaft hoffentlich bergauf, dann sind Investmentbanker wieder total gefragt.)

3. Wir sind alle drei reich. Schon klar, dass es echt mies ist, das hervorzuheben, aber es ist nun mal so. Wir sind reich. Na gut, unsere Eltern sind reich. Also sind wir wohl streng genommen nicht selber reich, sondern stammen bloß aus wohlhabenden Familien.

Wir drei tun die ganze Zeit so, als wären wir die besten Freundinnen, dabei … irgendwie war da immer schon eine gewisse Distanz zwischen uns. Hat nichts mit Paige und Celia an sich zu tun. Zumindest glaube ich das nicht. Die Distanz zwischen uns ist die gleiche Art von Distanz, die ich auch in Bezug auf andere Leute verspüre. Also liegt das Problem wahrscheinlich gar nicht bei Celia und Paige – sondern ich bin das Problem.

»Zeig mal dein Tattoo«, sagt Paige zu Celia und beugt sich über den Sitz.

Celia grinst, greift nach dem Bund ihrer Jeans und zieht ihn runter über den Hüftknochen. Ein winziger schwarzer Schmetterling ist zu sehen, die Haut um die Tätowierung herum ist noch leicht gerötet.

»Tut das weh?«, frage ich.

»Nicht mehr«, meint Celia. »Aber es hat höllisch wehgetan, während die es mir gestochen haben.« Sie behält die Hose unten und präsentiert stolz ihr Tattoo. Ich muss zugeben, es ist schon echt hübsch. Aber wie wird das wohl aussehen, wenn sie erst mal siebzig ist? Und jetzt mal im Ernst, ein Schmetterling? Das ist doch so was von … keine Ahnung, einfallslos. Vermutlich haben die da Aushilfen, die die ganze Zeit bloß Schmetterlinge stechen, so wie sich beim Arzt die Sprechstundenhilfe um die ganzen alltäglichen Belange kümmert.

Wahrscheinlich sollte ich nicht so kritisch sein.

Ich lehne mich zurück und hole mein Handy raus, um auf die Uhr zu sehen. Noch eine Minute bis zur Abfahrt. Das Infomaterial, das man uns ausgehändigt hat, machte recht deutlich, dass der Bus zum Flughafen um Punkt acht Uhr losfahren würde und keine Sekunde später. Dort stand auch, dass man Verspätungen nicht akzeptieren würde, und wenn man den Bus verpasste, hätte man eben Pech gehabt. Nicht dass irgendjemand den Bus verpassen würde. Ich meine, was für ein Vollidiot kommt denn zu spät für die Abschlussfahrt?

Ich seufze und scrolle mich durch meine Mails auf der Suche nach irgendwas Wichtigem, das ich vielleicht übersehen haben könnte. Ich habe mich für ein Sommerpraktikum in Palo Alto beworben, bei einem Biotech-Unternehmen, das sich auf die Erforschung von genetischen Erkrankungen spezialisiert hat. Wenn ich da eine Zusage bekomme, werde ich natürlich nicht ernsthaft Forschung betreiben, das ist mir schon klar. Keiner lässt eine Siebzehnjährige an so wichtige Dinge ran. Sieht wohl eher so aus, dass ich den Leuten Kaffee bringe und irgendwelche Akten sortiere. Trotzdem wäre das schon ganz schön cool.

Eine Freundin meiner Mom kennt jemanden, der jemanden kennt, und diese Person hat mir dann ein Vorstellungsgespräch verschafft. Obwohl, das stimmt nicht so ganz. Sie hat mich nur mit ihrer Bekannten dort in Kontakt gebracht, das Vorstellungsgespräch hab ich dann schon selbst organisiert. Die Firma Biogene hat Büros in Palo Alto, Sarasota, Columbus und Seattle. Die für den Standort Palo Alto verantwortliche Dame hat mich mit ihrer Kollegin in Sarasota bekannt gemacht, und seitdem schreiben wir uns hin und her in dem Versuch, einen Termin zu vereinbaren für die Zeit, in der ich in Florida bin. Streng genommen wäre es gar nicht nötig, dass ich persönlich vorstellig werde, aber ich schätze, es kann nie schaden, sich da mal blicken zu lassen. Verschafft mir sicherlich einen Vorteil gegenüber meinen Mitbewerbern. Ich komme tatsächlich immer recht gut an. Liegt wohl daran, dass ich so frisch und gesund aussehe.

»Jetzt lass endlich mal dein Handy in Ruhe«, fordert Celia mich auf. Sie klingt genervt. Ihre Jeans zieht sie jetzt endlich wieder hoch. Dann fasst sie ihr langes Haar zu einem Pferdeschwanz zusammen. »Wir müssen noch ein bisschen was planen für unsere Abschlussfahrt.«

»Ich schau doch bloß, ob ich nicht eine Mail von der Dame von Biogene im Postfach hab«, sage ich und scrolle unbeirrt weiter. Keine E-Mail. Wow. Margots letzte Nachricht hab ich doch schon gestern Früh beantwortet. Entweder stehe ich ganz unten auf ihrer Prioritätenliste, oder die sind echt schlecht organisiert da in dem Laden.

»Du weißt doch eh, dass du das Praktikum kriegst«, sagt Paige. »Wen kümmert es also, ob du dich da auch noch persönlich vorstellst?«

»Genau«, sagt Celia. »Vergiss diesen Quatsch. Geht doch bloß von unserer Zeit fürs Sonnenbaden ab.«

»Sonnenbaden? Kein Bedarf«, sage ich. »Krieg sofort ’nen Sonnenbrand.«

»Dann musst du dich eben einschmieren«, erklärt Celia, und wie immer tut sie so, als wüsste sie mehr über mich als ich selbst. »Ich geb dir was ab von meiner Creme. Die duftet nach Kokos.«

»Danke«, entgegne ich, weil ich keine Lust auf lange Diskussionen habe.

Und da sehe ich sie.

Die E-Mail.

An mich.

Von der Studienplatzvergabestelle Stanford.

Das Herz klopft mir bis zum Hals.

Mit einer Antwort von Stanford hab ich echt noch überhaupt nicht gerechnet. Auch wenn sie schon spät dran sind mit ihrer Entscheidung, denn obwohl ich meine Bewerbung doppelt und dreifach gecheckt hab, also ungefähr eine Million Milliarden Billionen Mal, bevor ich sie weggeschickt hab, kam sie dann irgendwie doch nicht an. Irgend so ein blöder Zufall von wegen Serverprobleme, und schon war sie verloren im Cyberspace, schätze ich. Zum Glück kannte meine Mom jemanden, der jemanden kannte, der in der Zulassungsstelle arbeitet (ja, ich weiß, meine Mom kennt jeden – sie ist Ärztin, und mein Dad arbeitet in der medizinischen Forschung, daher sind sie recht gut vernetzt), und deswegen hat man es dann irgendwie eingerichtet, dass ich meine Bewerbung noch mal schicken durfte, obwohl schon Einsendeschluss war. Wegen dieser Verzögerung hat es aber jetzt eben eine Weile gedauert, bis sie sich bei mir gemeldet haben.

Die einzigen anderen Unis, an denen ich mich beworben habe, sind Georgetown, Brown und Yale. Ich hab bei allen dreien einen Platz angeboten bekommen. Blöderweise interessiert mich aber keins der Colleges. Ist ja nicht so, als wären die nicht gut, das sind sie nämlich durchaus. Nur will ich eben nach Stanford. Tatsächlich ist das der Ort, an dem ich schon immer sein wollte. Meine Eltern waren schon da, mein Bruder geht dahin, es liegt in Kalifornien, wo die Leute erfindungsreich und entspannt sind, wo sie Weizengrassaft trinken und Flipflops tragen bei ihren Jobs in irgendwelchen total hip klingenden Start-up-Unternehmen. Erst belege ich einen Vorbereitungsstudiengang. Und dann gehe ich auf die medizinische Hochschule Stanford. Ihr wisst schon, die, auf der auch Cristina Yang war. Und ja, ist echt ultrapeinlich, nur aus dem Grund auf ein College zu wollen, weil ein fiktionaler Fernsehcharakter dort war. Aber jetzt mal im Ernst – die Rede ist von Cristina Yang. Stanford ist das Zentrum der Genforschung, die Leute dort tun aufregende Dinge, ständig scheint die Sonne, und … ich will einfach unbedingt dahin.

Ich warte einen kurzen Moment, ehe ich die Mail öffne. So was tu ich manchmal, wenn gleich was richtig Tolles passiert. Ich gönne mir eine Sekunde, um das Gefühl auszukosten. Unsere Gehirne produzieren ständig neue Nervenzellen, stellen ständig neue Verknüpfungen her, und je länger man bestimmte Gefühle genießt, desto stärker bilden diese Verknüpfungen sich aus. Man wird also tatsächlich zu einem glücklicheren Menschen, allein indem man dem Gehirn antrainiert, neue Nervenverbindungen zu schaffen, wenn man gerade glücklich ist.

Diesen Augenblick will ich niemals vergessen. Noch meinen Kindern werde ich davon erzählen, wenn sie dann mal nach Stanford gehen. Dann zeige ich ihnen die Fotos in meinen College-Jahrbüchern, und sie lachen, weil ich so bescheuert aussehe. Aber natürlich gehen sie trotzdem gern nach Stanford – weil sie nämlich schlau genug sind, über meine modischen Fehlgriffe hinwegzusehen und zu erkennen, wie toll dieses College ist.

Ich hole tief Luft und öffne die Mail.

Und genau in diesem Moment setzt der Bus sich ruckelnd in Bewegung, weshalb die Worte auf dem Display für einen kurzen Moment nur verschwommen zu sehen sind, ehe sie wieder deutlich dargestellt werden.

Liebe Quinn,

vielen Dank für dein Interesse an der Stanford-Universität, und entschuldige bitte das Durcheinander mit deiner Bewerbung und dass wir uns erst jetzt bei dir melden. Leider ist es uns nicht möglich, dir für das Herbstsemester einen Platz anzubieten. Die Konkurrenz unter den Bewerbern war in diesem Jahr besonders groß, und auch wenn du sämtliche Qualifikationen mitbringst, setzen wir sehr hohe Maßstäbe an bei unseren Neuzulassungen.

Deine Mom hat mich darüber informiert, dass du bereits in Yale und Georgetown akzeptiert wurdest, und ich bin überzeugt, dass eine dieser Unis sich extrem glücklich schätzen wird, dich als Studentin zu begrüßen.

Eine Kopie dieses Briefes habe ich an deine Postadresse geschickt, doch ich wollte sichergehen, dass du die E-Mail von mir persönlich erhältst.

Nochmals vielen Dank für dein Interesse an Stanford.

Viel Glück und alles Gute für deine Zukunft.

Hochachtungsvoll,

Genevieve Peletier,

Zulassungsstelle

Ungläubig starre ich auf die E-Mail, überzeugt, dass es sich um einen schlechten Witz handeln muss. Ist das der spezielle Humor der Zulassungsstellen an den Eliteuniversitäten? Oder ein Streich? Vielleicht kommt das von Celia und Paige? Ich scrolle wieder nach oben und überprüfe die Mailadresse. [email protected].

Ich krieg keine Luft. Mein Gesicht ist ganz heiß und meine Haut kribbelt. Ich habe einen komischen Kloß im Hals, und als ich versuche, den runterzuschlucken, fühlt er sich scharfkantig und rau an.

Ich hole noch einmal tief Luft, aber irgendwie stockt mir der Atem. Ich glaub, ich krieg eine Panikattacke.

»Alles in Ordnung mit dir?«, fragt Celia. Das bringt mich zurück in die Realität.

»Klar«, sage ich. »Alles bestens.«

Aber das ist nicht wahr.

Es ist alles andere als gut.

ZWEI

Okay. Das ist doch krank. Erstens sollte ich nicht so extrem reagieren, bloß weil ich keinen Platz an der Stanford bekommen hab. Ich meine, klar, es ist das, wovon ich immer geträumt habe. Und in den vergangenen vier Jahren habe ich alles getan, um dieses Ziel zu erreichen. Fest steht auch, dass meine Eltern ausrasten werden und mich vielleicht sogar enterben. Aber trotzdem. Dass ich hier eine Panikattacke kriege, bloß weil ich es nicht auf dieses College geschafft habe? Es gibt Leute, die haben ganz andere Probleme, zum Beispiel sind sie bettelarm oder haben Alzheimer oder Krebs oder kommen aus einer Scheidungsfamilie. Ist eigentlich kein Weltuntergang, wenn man von einer der Eliteunis eine Absage kriegt.

Also ernsthaft, es ist wirklich nicht so schlimm. Zumal ich ja schon Zusagen von einem Haufen anderer Unis habe. (Okay, von drei anderen. Aber das sind echt gute Colleges, also kann man schon von einem Haufen reden.)

Außerdem, mal ehrlich. Die Platzvergaben in diesen Zulassungsbüros, die sind doch eh nie endgültig. Da gibt es Wartelisten. Und … alle möglichen anderen Sachen, die man unternehmen kann, um es nach einer Absage doch noch zu schaffen. Man muss nur wissen, wie das System funktioniert. Ich wette, wenn ich meinen Dad anrufe, führt der ein Telefonat und stellt eine Spende in Aussicht, und dann läuft die Sache. Genevieve Peletier kann ja unmöglich das letzte Sagen haben, wenn es um die Platzzuweisung an der Stanford geht. Wenn sie nämlich so ein hohes Tier da wäre, wie hätte sie die Zeit aufbringen können, mir diese E-Mail zu schreiben? Leute in gehobener Stellung verschicken doch keine Absagen per Mail, die übertragen das ihren Assistentinnen.

»Hallo!«, brüllt Paige und wedelt mir mit der Hand vor dem Gesicht herum. Sie trägt einen riesigen türkisen Ring am Daumen, mit dem sie fast meine Nase erwischt. »Erde an Quinn! Was ist los?«

»Nichts.« Ich schüttle den Kopf. »Mir geht’s gut.«

»Du benimmst dich echt komisch«, sagt Celia. Sie hält ihr Handy hoch und macht ein Selfie gegen das Busfenster gelehnt. Sie lächelt, schießt das Bild und lädt es sofort auf Instagram hoch.

»Ooh«, sagt Paige, die mir einen wissenden Blick zuwirft. »Geht es um Nathan?«

»Klar geht es um Nathan!«, sagt Celia. »Sie flippt aus, weil das die Gelegenheit ist.«

»Wie?« Mein Kopf fühlt sich an, als wäre er vollgepackt mit Wattebällchen. Ich kann mich auf nichts von dem konzentrieren, was die beiden da reden. Und warum darf Paige sich eigentlich so über ihre Rückenlehne beugen? Sollte der Busfahrer sie nicht dazu ermahnen, sich wieder zu setzen? Ist doch auf gar keinen Fall sicher so.

»Du weißt schon, bei der Abschlussfahrt geht es jetzt darum, ob ihr beide weiter Freunde bleibt oder endlich ein Paar werdet.« Paige lässt ihre Augenbrauen vielsagend hüpfen.

»Stimmt«, sage ich, eigentlich nur, damit sie endlich die Klappe halten. Nicht einmal Nathan Duncan kann mich jetzt von meinem Stanford-Problem ablenken.

Folgendes solltet ihr über Nathan wissen:

1. Er hat dunkles Haar und braune Augen, und er ist im Schwimmteam und spielt Lacrosse. Sein Körper ist der beste Beweis dafür – breite Schultern, eine Brust wie gemeißelt und muskulöse Arme, die man nur kriegt, wenn man jeden Tag mehrere Stunden Sport treibt.

2. Er ist klug und in den meisten meiner Leistungskurse.

3. Ich kenne ihn schon seit der Mittelschule und wir sind eigentlich immer gut miteinander klargekommen. Bis vor ein paar Wochen, da waren wir auf einer Party und haben fast den ganzen Abend gequatscht, während wir den Babysitter für unsere besoffenen Freunde spielten (bei mir waren es Celia und Paige, bei Nathan Ryan Moynihan und Carson Decker), und seitdem flirtet er ständig mit mir. Celia und Paige bequatschen mich dauernd, dass er mich mag, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich das echt glauben soll.

Ich mag Nathan. Er sieht gut aus und ist witzig, und er zieht sich cool an – irgendwie schick, aber nicht zu sehr. Aber mal im Ernst, wie könnte ich jetzt an Nathan Duncan denken, wo ich doch eben erst erfahren habe, dass ich es nicht auf die Stanford geschafft hab? Obwohl Nathan echt krass durchtrainierte Arme hat? Und obwohl er im Herbst auf die Georgetown geht? Gott, vielleicht sollte ich mich echt mehr anstrengen herauszufinden, ob er mich ernsthaft mag oder nicht. Dann kann ich ja auch auf die Georgetown gehen, und wenn meine Eltern dann eine Party geben, sehen mich alle ihre Freunde an und sagen dann so: »Oh, wow, Georgetown ist ein Spitzencollege!« Die Hälfte meint es dann sogar ernst, aber die andere Hälfte wird Mitleid haben mit mir, weil sie nämlich genau wissen, dass Georgetown nicht mithalten kann mit Harvard oder Yale oder STANFORD.

»Ich hab gehört, er hat einen großen Schwanz«, sagt Celia. Für jemanden, der so gepflegt aussieht, redet sie echt ganz schön dreckig daher.

»Celia!« Ich schnappe empört nach Luft. »Bitte nicht so laut!«

»Ach, komm schon«, meint sie. »Jetzt gib doch zu, dass dich das freut.«

Sie kichert und lenkt das Gespräch auf die Jungs in unserem Jahrgang und wer wohl der Beste im Bett ist. Celia hat in der Hinsicht weit mehr Erfahrung als Paige und ich. Sie hat bereits mit drei Jungs geschlafen, von denen zwei bei uns im Jahrgang sind, und den dritten hat sie getroffen, als sie bei einer Freundin zu Besuch war, die aufs College geht. Ein staatliches College. Bei uns gilt das schon als ein Anbandeln mit dem gemeinen Volk – wenn eine wie wir mit einem Typen von der staatlichen Uni schläft, dann ist das eigentlich unter unserem Niveau. Ist natürlich echt snobistisch und voll übel, wenn man es sich genau überlegt.

Ich tue mein Bestes, ihre nicht ganz jugendfreie Unterhaltung auszublenden, bis wir am Flughafen ankommen. Kaum bin ich aus dem Bus gestiegen, fühle ich mich besser. Die frische Luft tut gut und beruhigt meine Nerven.

Celia packt mich und Paige sofort an den Händen und zerrt uns hinters Gebäude. Dabei kichert sie die ganze Zeit. Dann greift sie in ihre Tasche und zieht den sorgfältig gedrehten Joint heraus, den sie uns im Bus gezeigt hat. »Komm schon«, sagt sie und wedelt mir mit dem Ding vor der Nase herum. »Nimm einen Zug, dann fühlst du dich gleich besser. Du wirkst echt total angespannt. Noch mehr als sonst.«

»Du weißt genau, dass ich nicht rauche«, sage ich, während sie den Joint anzündet und ihn dann an Paige weiterreicht. Ich sehe zu, wie er zwischen ihnen hin und her wandert.

Was wohl passiert, wenn die uns erwischen? Vermutlich werden wir festgenommen. Auf gar keinen Fall dürfen wir dann mit nach Florida. Die lassen uns im Wachraum warten, bis unsere Eltern kommen und uns da rausholen. Ich kann mir schon lebhaft vorstellen, wie meine Mom einen Anruf kriegt und man ihr mitteilt, dass ich wegen Drogenbesitzes verhaftet wurde. Obwohl – ist Gras überhaupt illegal? Ich meine mich zu erinnern, dass es in gewissen Mengen erlaubt ist.

Trotzdem.

Wir sind noch nicht volljährig.

Und befinden uns an einem Flughafen.

Ich greife in die Tasche und ziehe mein Handy raus, um die Mail von Genevieve von der Stanford noch mal zu lesen. Vielleicht hab ich da ja was falsch verstanden. Vielleicht hat sie gar nichts davon gesagt, dass sie mir keinen Platz anbieten kann, also zumindest nicht endgültig. Vielleicht hat sie mich ja bloß darüber informiert, dass ich jetzt auf der Warteliste stehe. Ich könnte mir das alles ja nur eingebildet haben. Das Gehirn ist ein sonderbares Ding, vor allem wenn es um solch wichtige Lebensereignisse geht wie das hier.

Aber der Wortlaut der E-Mail ist genau so, wie ich ihn in Erinnerung habe.

»Ich bin ja so froh, dass wir das getan haben«, sagt Paige gerade. Sie kichert. »Wir können auf keinen Fall in den Flieger steigen, ohne uns vorher irgendwie zu entspannen.«

»Da hast du recht«, bestätigt Celia.

»Euch zwei wird man so was von erwischen«, sage ich, während mit einem Summen eine weitere Mail auf meinem Handy eingeht. Noch eine Mail! Vielleicht ist die ja auch von den Leuten in Stanford. Vielleicht gab es ja eine Verwechslung, und jetzt ist ihnen klar geworden, dass sie mich doch wollen. Vielleicht geben sie mir sogar ein Stipendium, oder ich krieg eine gesonderte Behandlung, wegen dem, was sie mir angetan haben. Unnötiger psychischer Stress und all so was.

»Wir werden nicht erwischt.« Paige nimmt den letzten Zug, dann drückt sie den Joint mit dem Fuß aus.

»Öööhm«, sagt Celia, »den hebst du wohl besser auf.«

Paige gehorcht ganz brav.

Oh. Die E-Mail kommt gar nicht von der Stanford. Sie ist von mir selbst. Ich selbst hab sie mir geschickt. Es ist wieder diese E-Mail. Meine Finger schweben über den Tasten, bereit, sie zu löschen und in den Papierkorb zu befördern. Aber aus irgendeinem Grund tu ich das dann doch nicht. Stattdessen öffne ich sie und lese sie mir noch einmal durch.

Vor dem Abschluss werde ich … etwas Verrücktes tun.

Ich denke an diesen Tag vor vier Jahren – Lyla, Aven und ich, wie wir E-Mails an uns selbst schreiben und sie vordatieren auf den heutigen Tag. Inklusive Wiederholungsfunktion, damit wir sie auch ja ernst nehmen. Wir wollten ja nicht, dass unsere zukünftigen Ichs denken, die E-Mails wären bloß Quatsch, weil wir sie geschickt haben, als wir im ersten Jahr an der Highschool waren. Wenn man mir damals gesagt hätte, dass wir, Lyla, Aven und ich, zu dem Zeitpunkt gar nicht mehr befreundet sein würden – ja, noch nicht mal mehr miteinander reden würden –, hätte ich das nicht geglaubt. Der Gedanke macht mich unheimlich traurig.

»Du bist heut echt total komisch drauf, Quinn«, sagt Celia. »Im Ernst, langsam mache ich mir Sorgen.« Sie holt ein Fläschchen mit Augentropfen aus der Tasche und gibt vorsichtig ein paar Spritzer in jedes Auge. Dann blinzelt sie und grinst mich an. Sie sieht so ultraamerikanisch aus, dass es schon fast gruselig ist. Und wenn es das ist, was die amerikanische Jugend so treibt, na, dann gute Nacht.

»Ich bin nicht komisch drauf«, protestiere ich, obwohl es natürlich absolut stimmt.

»Mädchen!«, ruft eine Stimme. Unser Lehrer, Mr Beals, linst um die Ecke.

»Ja, Mr Beals?«, antwortet Celia, als würde es sie ernsthaft interessieren, was er denn will, und als hätte sie nicht eben einen Joint geraucht.

»Kommt, wir gehen jetzt gesammelt rein«, erklärt Mr Beals. Er wirkt bereits total gestresst, dabei hat die Abschlussfahrt noch nicht mal richtig begonnen. Muss echt schrecklich sein so als Lehrer – man hat haufenweise Verantwortung, und dabei verdient man noch nicht mal sonderlich gut. Ich hab das mal gegoogelt. Lehrergehälter sind für die Öffentlichkeit nämlich einsehbar.

»Okay«, sage ich. »Wir kommen.«

Als ich an Celia vorbeigehe, drückt sie mir etwas in die Hand. Ich schaue runter. Eine Beruhigungstablette, eine von denen, die ihr Arzt ihr verschrieben hat, weil sie behauptet hat, sie bekomme Angstzustände wegen der hohen Kursanforderungen und der vielen außerschulischen Aktivitäten. Ich sehe sie kopfschüttelnd an, aber sie verdreht bloß die Augen.

Vor dem Abschluss werde ich … etwas Verrücktes tun.

Ich blicke runter auf die winzige Pille in meiner Hand.

Dann lasse ich sie einfach auf den Bürgersteig fallen und sehe zu, dass ich sie im Vorbeigehen auch noch zertrete. Weil ich mir nämlich ziemlich sicher bin, dass mein vierzehnjähriges Ich nicht darauf anspielte, ich solle mir mit Celia ihre Tablettenvorräte teilen.

Als wir endlich im Flieger sitzen, nervt Celia mich gleich wieder wegen Nathan.

»Du musst ihm zeigen, dass du interessiert bist«, sagt sie.

»Warum?« Allein bei dem Gedanken dreht sich mir der Magen um. Ich will Nathan nicht sagen müssen, dass ich Interesse an ihm habe. Hat man früher nicht erst mal so getan, als wäre man schwer rumzukriegen? Außerdem wüsste ich gar nicht, wie ich einem Jungen zeigen soll, dass er mich interessiert. Ich bin nicht gut im Flirten. Wenn ich ehrlich bin, bin ich voll die Niete.

Celia schaut mich mit offenem Mund an, und ihre blauen Augen werden groß wie Untertassen. »Hast du das gehört?«, sagt sie zu Paige.

»Nein«, meint die. »Was hat sie denn gesagt?« Sie versucht gerade, eine viel zu große Tasche im Gepäckfach zu verstauen. Ein Geschäftsmann, der irgendwie in demselben Flugzeug gelandet ist wie wir, seufzt und drängelt sich an ihr vorbei.

»Sie will wissen, warum sie mit Nathan flirten und ihm zeigen soll, dass sie ihn gut findet.«

»Äh, weil er total scharf ist vielleicht?«, meint Paige nur, so als wäre das das Einzige, was zählt auf der Welt.

»Nein, nicht weil er scharf ist!«, sagt Celia. Sie schüttelt den Kopf und verdreht genervt die Augen. »Mal ernsthaft, ihr zwei, wieso sind wir drei eigentlich befreundet?«

Genau das dachte ich mir ja auch.

»Du musst ihm zeigen, dass du auf ihn stehst, weil die Männer sehr schwache Egos haben. Die versuchen niemals, sich an dich ranzumachen, wenn sie auch nur annähernd Gefahr wittern, sie könnten einen Korb kriegen.«

Ich bezweifle stark, dass Nathan auch nur ansatzweise denkt, er könnte eine Abfuhr erhalten. Aber was weiß ich schon? Ich hatte ja in meinem ganzen Leben erst was mit einem Typen. Mit Richard Perkins, im zweiten Highschooljahr. Ich hab so lang hin und her überlegt, ob ich mit ihm was anfangen soll, dass er schon fast das Interesse verloren hatte, als ich mich dann doch dazu entschlossen hab. Vielleicht sollte ich also auf Celia hören. Möglicherweise weiß sie ja, wovon sie spricht. »Okay«, sage ich ganz langsam. Eigentlich würde ich sie gern fragen, wie ich es anstellen soll, dass ich Nathan mein Interesse bekunde, ohne wie die totale Idiotin dazustehen. Aber andererseits will ich auch nicht, dass sie denkt, ich hab so gar keine Ahnung.

»Danke«, sagt Celia, als wäre das damit geklärt. »Was wirst du nur tun, wenn du nächstes Jahr ohne mich an der Stanford bist? Dann müssen wir wahrscheinlich jeden Abend skypen, damit du nicht zum totalen gesellschaftlichen Außenseiter mutierst.«

»Haha«, lache ich gekünstelt und frage mich, was sie wohl von mir denken würde, wenn sie wüsste, dass ich von Stanford eine Absage bekommen habe. Wenn sie wüsste, dass ich vielleicht doch nächstes Jahr mit ihr nach Yale gehe. Vermutlich wäre sie total angepisst. Kommt nicht oft vor, dass zwei Leute von derselben Schule es gleichzeitig nach Yale schaffen, und Celia hat es gern, wenn die Leute denken, sie sei die Einzige.

Ich hab so gut wie niemandem erzählt, dass ich in Yale angenommen wurde, weil ich da nämlich gar nicht hinwill. Tja, zumindest wollte ich das bis dato nicht. Gott, wenn ich jetzt nach Yale muss, flippen meine Eltern aus. Die haben da so einen komischen Wettkampf am Laufen mit ihren Freunden, den Spurlocks. Die Spurlocks waren in Yale, und meine Eltern haben es richtiggehend genossen, ihnen sagen zu können, dass ich zwar einen Platz in Yale bekommen hätte, aber nicht vorhätte ihn anzunehmen. Das war so was wie der Höhepunkt ihres bisherigen Lebens. Wahrscheinlich würden sie mich lieber ein Jahr mit dem Rucksack durch Europa reisen lassen, als den Spurlocks sagen zu müssen, dass ich nach Yale gehe.

»Nein, im Ernst«, sagt Celia. Sie mustert mich von oben bis unten. »Quinn, das ist deine Chance. Nathan mag dich.«

»Woher willst du das wissen?«, frage ich. Das hab ich jetzt schon dermaßen oft zu hören gekriegt, das hat schon einen Bart. Ich meine, versteht mich nicht falsch, Nathan ist echt süß, total die Schnitte. Und ich bin ja schließlich auch nur ein Mensch.

»Weil er es mir gesagt hat! Das hab ich dir doch schon hundert Millionen Mal erklärt, aber du hörst mir ja nie zu!«

»Das stimmt«, pflichtet Paige ihr bei, die jetzt endlich mit ihrer Tasche fertig ist und in der Reihe vor uns Platz nimmt. Sie beugt sich über die Rückenlehne ihres Sitzes, damit sie hören kann, was wir reden, genau wie vorhin im Bus. Manchmal frage ich mich schon, ob Paige irgendwann auch mal selber denkt. Hin und wieder muss sie das ja wohl, weil sie echt schlau ist. Aber dann plappert sie wieder einfach nur alles nach, was Celia sagt, und ich bin mir nicht sicher, ob sie wirklich meint, was sie daherredet, oder ob sie das macht, weil sie es sich mit Celia nicht verscherzen will.

»Ich hab sehr wohl zugehört«, sage ich. Stimmt ja auch – ich hab mir ihr Gerede über Nathan angehört. Aber was kann es schon schaden, das wieder und wieder bestätigt zu kriegen? Außerdem bin ich trotz allem immer noch skeptisch. Celia übertreibt gern, und woher soll ich wissen, dass das jetzt nicht auch der Fall ist?

»Wir waren in der Bibliothek«, sagt Celia. »Und dann kam er an und meinte: ›Was ist eigentlich mit Quinn, ist die mit irgendwem zusammen?‹ Fast hätte ich losgelacht. Und ich so: ›Nö, bestimmt nicht‹ – ist nicht bös gemeint, Quinn –, und dann er so: ›Cool.‹ Und dann hatte er so ein durchtriebenes Funkeln in den Augen und meinte: ›Ich hoffe, auf der Abschlussfahrt können wir ein bisschen abhängen‹.«

»Das heißt noch lange nicht, dass er auf mich steht«, protestiere ich. Ich strecke die Füße auf den Gang raus. Weil ich groß bin und lange Beine habe, hab ich im Flugzeug immer zu wenig Platz. Beckett Cross geht an uns vorbei und rempelt mich mit seiner Tasche an. Gott. Was für ein Vollidiot. »Pass doch auf«, pflaume ich ihn genervt an.

»Tut mir leid«, meint er und grinst.

Im Vorbeigehen sehe ich zufällig das Namensschild an dem Koffer, den er trägt. Lyla McAfee steht da in pinker Schrift. Was zum Teufel treibt Beckett Cross denn da mit Lylas Gepäck? Die ist doch schon seit einer gefühlten Ewigkeit mit diesem Derrick zusammen. Haben die sich getrennt? Ich drehe mich um und sehe, wie Beckett den Koffer nach hinten trägt, aber ehe ich mitkriege, wo er hingeht, meldet der Pilot sich über den Lautsprecher und bittet die Fluggäste, sich nun auf den Start vorzubereiten.

Ich lehne mich zurück und lege den Gurt an. Der Start ist für mich das Schlimmste an einem Flug. Die meisten Unglücke passieren beim Start oder bei der Landung, daher kann ich mich nie wirklich entspannen, ehe wir nicht in der Luft sind. Obwohl ich mich natürlich selbst dann nicht komplett entspannen kann, weil ja noch die Landung kommt.

»Klar bedeutet das, dass er dich mag«, behauptet Celia. »Es bedeutet, dass er in dich verknallt ist und so ungefähr fünf Millionen Babys mit dir haben will.« Sie kichert. »Oder dass er zumindest am Strand mit dir rumknutschen möchte.«

»Ich bin mir nicht sicher, ob ich was mit ihm anfangen will«, sage ich, obwohl ich mir eigentlich schon sicher bin. Ich kralle mich so gut es geht an den Armlehnen fest, während das Flugzeug die Startbahn entlangrast.

»Doch, bist du wohl«, ruft Paige mir über die Rückenlehne zu.

Celia schaut mich an, weil ich mich so krampfhaft am Sitz festklammere. »Ich glaub, du weißt wirklich nicht, was du willst. Hättest halt die Beruhigungspille nehmen sollen, die ich dir angeboten habe. Bist ja voll im Arsch.«

»Danke«, erwidere ich sarkastisch.

»Gern geschehen.«

Celia holt ihre Kopfhörer raus. Als das Flugzeug endlich die endgültige Reisehöhe erreicht hat, klappe ich die Lehne meines Sitzes ein Stück zurück und schließe die Augen. Ich muss dann eingeschlafen sein, denn das Nächste, was ich mitkriege, ist schon der eher holprige Landeanflug. Ich setze mich auf und blicke mich mit klopfendem Herzen und weit aufgerissenen Augen um.

»Hey, hey, hey«, sagt jemand. »Alles in Ordnung. Entspann dich.«

Die Stimme kommt vom Platz neben mir, aber es ist weder Celia noch Paige.

Nein, die Stimme ist männlich. Eine tiefe, männliche Stimme.

Nathan Duncan sitzt neben mir.

Ich schaue nach unten.

Er hält meine Hand.

Nathan Duncan! Er hält meine Hand!

DREI

Wenn man im Flugzeug aufwacht und der niedlichste Typ der ganzen Schule einem die Hand hält, dann kann man sich drauf verlassen, dass das gar nicht in echt passiert, zumindest wenn man Quinn Reynolds heißt. Und das meine ich jetzt nicht so im Stil von Jennifer Lawrence, von wegen: Oh mein Gott, ich weiß ja gar nicht, wie süß ich bin. Nein, im Ernst, mir passiert so was einfach nicht. Zu Celia würde so was schon eher passen, zu Paige vielleicht auch noch, und möglicherweise zu einer Million anderer Mädchen. Aber nicht zu mir.

Ich fühle mich hier total wie im falschen Film. Deswegen mach ich natürlich das absolut Bescheuertste, was man tun kann. Ich ziehe die Hand weg. Was echt unhöflich ist. Und so ganz und gar nicht das, was man tut, wenn man aufwacht und mit einem super scharfen Typen Händchen hält. Außerdem hat er echt hübsche Hände. Und es fühlte sich echt gut an.

»Oh, tut mir leid«, sagt Nathan. »Das hätte ich wohl besser nicht tun sollen. Du hast nur so verloren gewirkt. Schätze, das war reiner Instinkt. Ich wollte dich nicht erschrecken.«

Er grinst mich an und mein Herz schmilzt dahin. Er wirkt kein bisschen unsicher oder so, als hätte er ein schwaches Ego oder was immer Celia da über Männer gesagt hat. Falls es ihn verletzt hat, dass ich meine Hand zurückgezogen habe, dann lässt er es sich jedenfalls nicht anmerken. Vermutlich ist er es nicht gewohnt, eine Abfuhr zu kriegen, daher fällt ihm das vielleicht gar nicht auf. Nicht dass ich ihm eine Abfuhr erteilen wollte. Oder doch? Ich bin nicht … ich habe nicht … ach Mist, mir ist heiß, und ich bin total durcheinander. Diese ganze Abschlussfahrt fängt ja schon mal ganz schön daneben an.

Ich frage mich, ob ich wohl träume. Einen Traum, in dem ich es nicht auf die Stanford geschafft habe und dann aufwache und mit Nathan Duncan Händchen halte. Obwohl das schon ultraseltsam wäre – zu träumen, dass man aufwacht.

»Ähm, schon gut«, sage ich.

»Ich hab Celia gefragt, ob wir vielleicht Plätze tauschen können. Tut mir leid, dass ich dich erschreckt habe.« Er hat echt lange Beine – noch länger als meine –, seine Knie stehen am Vordersitz an. »Alles in Ordnung?« Besorgt sieht er mich mit seinen hellblauen Augen an. »Du hast was vor dich hin gemurmelt und warst echt total verkrampft.«

»Oh ja, alles in Ordnung«, sage ich. Ich soll gemurmelt haben und verkrampft gewesen sein? Was hab ich denn wohl gemurmelt? Und was soll das genau heißen, ich wäre total verkrampft gewesen? War mein Körper etwa angespannt? Mir schießt ein Bild durch den Kopf, wie mein Rücken sich versteift und mein Oberkörper sich verbiegt wie im Film Der Exorzist. Wie peinlich. Ich hebe die Hand und streiche mir das Haar glatt, dann fahre ich mir mit dem Handrücken übers Kinn. Manchmal sabbere ich im Schlaf, ich will auf keinen Fall, dass Nathan das mitkriegt. Das Flugzeug jagt hopsend über die Landebahn, bis es endlich langsamer wird und schließlich zum Stehen kommt. Ich sitze einfach nur da, nicht sicher, was ich jetzt tun soll. Soll ich einfach aufstehen und ihn gehen lassen? Oder ist das der Augenblick, ihm zu verstehen zu geben, dass ich Interesse hätte?

»Wo ist Celia denn?«, frage ich.

»Ein paar Reihen weiter vorn.« Er beugt sich runter, sodass er mit dem Kopf gegen die Rückenlehne vor uns stößt. »Ich wusste ja nicht, dass du schläfst. Sonst hätte ich natürlich nicht Plätze getauscht mit ihr.«

»Oh.« Ich schlucke und überlege krampfhaft, was ich sonst noch zu ihm sagen könnte. Jetzt, wo sich der Nebel in meinem Kopf allmählich lichtet, wird mir klar, dass der Flug vorüber ist. Yippie, wir sind nicht abgestürzt! Klar liegen die Chancen, dass man bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kommt, bei eins zu elf Millionen, während bei Autounfällen so was wie eins zu viertausend gilt. Und trotzdem steige ich ständig ohne nachzudenken in Autos ein. Das Gehirn ist schon echt ein komisches Ding.

Ich versuche mich zu konzentrieren und irgendwas zu Nathan zu sagen, damit er merkt, dass ich mit ihm flirte. Vertu ich hier grad die einzige Gelegenheit? Ich lasse mir meine einzige Chance durch die Lappen gehen! Die Leute im Flieger stehen jetzt nach und nach auf und packen ihr Zeug. Irgendwer knallt mir um ein Haar seinen Koffer an den Kopf. Mir will einfach nichts einfallen. Ich sitze bloß da wie eine Idiotin!

Endlich hole ich tief Luft und stehe auf, denn mal ehrlich, was soll ich sonst tun? Ich kann hier ja nicht ewig hocken.

»Ist das deine Tasche?«, erkundigt Nathan sich, der jetzt neben mir steht und die Hand ins Gepäckfach streckt.

»Ja«, sage ich, und er reicht sie mir. Wie ich so neben ihm stehe, wird mir klar, wie groß er eigentlich ist. Er überragt mich ja ein ganzes Stück. Wieder lächelt er mich an. Sag was, Quinn! Aber mir fällt nichts ein. In meinem Kopf herrscht gähnende Leere.

Einer von Nathans Freunden ruft ihn aus dem vorderen Flugzeugteil. »Ich sollte jetzt los«, meint er. »Aber vielleicht sehen wir uns ja später?«

»Klar«, sage ich. »Natürlich.« Den letzten Part versuche ich zu betonen, damit er weiß, dass ich auf jeden Fall interessiert bin. Aber er scheint das gar nicht wirklich zu registrieren.

Dann macht er einen Schritt in Richtung Ausgang, und schon ist er weg.

Mein Handy vibriert.

Wieder diese bescheuerte E-Mail.

Vor dem Abschluss werde ich … etwas Verrücktes tun.

Das ist doch ein Zeichen! Ich hätte ihn fragen sollen, ob er was mit mir unternimmt. Ich hätte irgendwas tun sollen.

Doch dann schüttele ich den Kopf. Das ist echt das Letzte, womit ich mich jetzt befassen kann.

Meine Zukunft steht hier auf dem Spiel. Ich hab es nicht auf die Stanford geschafft. Da hilft es mir herzlich wenig, wenn ich jetzt irgendwas Verrücktes mache.

Als ich später die Lobby unseres Hotels betrete, geht es mir tatsächlich schon viel besser. In jeder Hinsicht. Ja, dieser Auftritt vor Nathan war nicht unbedingt eine Glanzleistung, aber ist auch nicht so, als hätte ich irgendwas Schlimmes gemacht. Und er meinte ja, wir könnten uns später wiedersehen. Also krieg ich die Chance, das wiedergutzumachen.

Und was die Stanfordsache betrifft, ja, das ist ein echtes Problem, aber im Grunde brauche ich bloß den richtigen Plan. Ich bin mir nämlich sicher, dass ich da noch mit jemand anderem reden kann, oder es gibt eine Berufungsstelle, an die ich mich wenden kann. Vielleicht brauche ich ja nur zu einem zusätzlichen Vorstellungsgespräch anzutanzen oder so. Vielleicht kann ich sogar Tabellen und Grafiken erstellen, die beweisen, dass ich weit qualifizierter bin als andere Leute, denen sie einen Platz angeboten haben. Ich mache eine PowerPoint-Präsentation und haue sie völlig von den Socken, weil ich so wissenschaftlich denke.