OPD-3 Manual zur Ereignis- und Traumaverarbeitung - Markus Burgmer - E-Book

OPD-3 Manual zur Ereignis- und Traumaverarbeitung E-Book

Markus Burgmer

0,0
30,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Belastende Lebensereignisse oder psychische Traumata? Welche Behandlung ist am besten geeignet? Die Diagnose und Therapie von Traumafolgestörungen sind anspruchsvoll und komplex. Psychotherapeut:innen sehen sich zunehmend mit ­Patient:innen konfrontiert, bei denen eine Posttraumatische Belastungsstörung zumindest als Komorbidität vermutet wird, oft ohne klare Vor­stellungen darüber, was eine traumafokussierte Behandlung tatsächlich beinhalten soll. Umso wichtiger ist die sorgfältige Unterscheidung zwischen der ­Verarbeitung von unspezifischen belastenden Lebensereignissen und psychischen Traumatisierungen. Das vorliegende Zusatzmodul soll als Ergänzung zum OPD-3-Manual dazu beitragen, diese Differenzierung zu schärfen, da dies erhebliche Auswirkungen auf die Auswahl der ­individuell geeigneten Psychotherapie hat. Das Modul erweitert darüber hinaus die Beurteilung der psychodynamischen Grundlagen um die Auswirkungen traumatischer Ereignisse auf die Psychodynamik. Es berücksichtigt, wie individuelle psychodynamische Voraussetzungen die Wahrnehmung und Verarbeitung belastender Lebensereignisse beeinflussen und so vor einer Folgestörung schützen oder die Entwicklung dieser begünstigen können. Der diagnostische Prozess erfolgt in zwei Stufen: zunächst nach OPD-3 die Erfassung der psychodynamischen Ausgangssituation vor dem ­traumatischen Ereignis, gefolgt von einem zweiten diagnostischen Schritt, die Auswirkungen des Ereignisses mithilfe dieses Moduls zu operationalisieren. Dies ermöglicht die Unterscheidung zwischen ­spezifischer Symptomatik und Psychodynamik, die Identifizierung von Ressourcen und vulnerablen Faktoren sowie die frühzeitige Erkennung von Therapiehemmnissen. Prägnante Fallbeispiele verdeutlichen die Potenziale trauma­fokussierender Psychotherapien, aber auch die Notwendigkeit, bei Patient:innen mit gering integrierter psychischer Struktur sorgfältig zu prüfen, ob eine traumafokussierte Behandlung erst nach Stabili­sierung indiziert ist. Der für das Modul OPD-3 Ereignis- und Trauma­verarbeitung speziell angepasste Ratingbogen kann als ­digitales Zusatz­material über die Hogrefe-Mediathek als Download ­abgerufen werden. Es ist wichtig zu verstehen, ob eine Traumatherapie für den individuellen Patienten geeignet ist. Ebenso wichtig ist die Unterscheidung zwischen der Verarbeitung von unspezifischen belastenden Lebensereignissen und tatsächlichen psychischen Traumatisierungen. Das vorliegende Zusatzmodul soll als Ergänzung zum OPD-3-Manual dazu beitragen, diese Differenzierung zu schärfen, da dies erhebliche Auswirkungen auf die Auswahl der individuell geeigneten Psychotherapie hat. Das Modul erweitert die Beurteilung der psychodynamischen Grundlagen um die Auswirkungen traumatischer Ereignisse auf die Psychodynamik. Es berücksichtigt, wie individuelle Voraussetzungen die Wahrnehmung und Verarbeitung traumatischer Ereignisse beeinflussen

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 151

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Arbeitsgruppe „Ereignis- und Traumaverarbeitung“ der Operationalisierten Psychodynamischen Diagnostik (OPD-3)

Markus Burgmer

Johannes C. Ehrenthal

Matthias Heyng

Gisela Klauck-Steffens

Marco Wrenger

OPD-3 Manual zur Ereignis- und Traumaverarbeitung

Psychodynamische Verarbeitung von belastenden Lebensereignissen

OPD-3 Manual zur Ereignis- und Traumaverarbeitung

Arbeitsgruppe „Ereignis- und Traumaverarbeitung“ der Operationalisierten Psychodynamischen Diagnostik (OPD-3)

Programmbereich Psychiatrie und Psychotherapie

Arbeitsgruppe „Ereignis- und Traumaverarbeitung“ der Operationalisierten Psychodynamischen Diagnostik (OPD-3)

s. a. Autorenadressen

Wichtiger Hinweis: Der Verlag hat gemeinsam mit den Autoren bzw. den Herausgebern große Mühe darauf verwandt, dass alle in diesem Buch enthaltenen Informationen (Programme, Verfahren, Mengen, Dosierungen, Applikationen, Internetlinks etc.) entsprechend dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes abgedruckt oder in digitaler Form wiedergegeben wurden. Trotz sorgfältiger Manuskriptherstellung und Korrektur des Satzes und der digitalen Produkte können Fehler nicht ganz ausgeschlossen werden. Autoren bzw. Herausgeber und Verlag übernehmen infolgedessen keine Verantwortung und keine daraus folgende oder sonstige Haftung, die auf irgendeine Art aus der Benutzung der in dem Werk enthaltenen Informationen oder Teilen davon entsteht. Geschützte Warennamen (Warenzeichen) werden nicht besonders kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann also nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt. Der Verlag weist ausdrücklich darauf hin, dass im Text enthaltene externe Links vom Verlag nur bis zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses eingesehen werden konnten. Auf spätere Veränderungen hat der Verlag keinerlei Einfluss. Eine Haftung des Verlags ist daher ausgeschlossen.

Copyright-Hinweis:

Das E-Book einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar.

Der Nutzer verpflichtet sich, die Urheberrechte anzuerkennen und einzuhalten.

Anregungen und Zuschriften bitte an:

Hogrefe AG

Lektorat Psychiatrie/Psychotherapie

Länggass-Strasse 76

3012 Bern

Schweiz

Tel. +41 31 300 45 00

[email protected]

www.hogrefe.ch

Lektorat: Susanne Ristea

Redaktionelle Bearbeitung: Dr. med. Antje Merz-Schönpflug, Eitelborn

Herstellung: Daniel Berger

Umschlaggestaltung: Claude Borer, Riehen

Satz: Claudia Wild, Konstanz

Format: EPUB

1. Auflage 2024

© 2024 Hogrefe Verlag, Bern

(E-Book-ISBN_PDF 978-3-456-96330-3)

(E-Book-ISBN_EPUB 978-3-456-76330-9)

ISBN 978-3-456-86330-6

https://doi.org/10.1024/86330-000

Nutzungsbedingungen

Der Erwerber erhält ein einfaches und nicht übertragbares Nutzungsrecht, das ihn zum privaten Gebrauch des E-Books und all der dazugehörigen Dateien berechtigt.

Der Inhalt dieses E-Books darf von dem Kunden vorbehaltlich abweichender zwingender gesetzlicher Regeln weder inhaltlich noch redaktionell verändert werden. Insbesondere darf er Urheberrechtsvermerke, Markenzeichen, digitale Wasserzeichen und andere Rechtsvorbehalte im abgerufenen Inhalt nicht entfernen.

Der Nutzer ist nicht berechtigt, das E-Book – auch nicht auszugsweise – anderen Personen zugänglich zu machen, insbesondere es weiterzuleiten, zu verleihen oder zu vermieten.

Das entgeltliche oder unentgeltliche Einstellen des E-Books ins Internet oder in andere Netzwerke, der Weiterverkauf und/oder jede Art der Nutzung zu kommerziellen Zwecken sind nicht zulässig.

Das Anfertigen von Vervielfältigungen, das Ausdrucken oder Speichern auf anderen Wiedergabegeräten ist nur für den persönlichen Gebrauch gestattet. Dritten darf dadurch kein Zugang ermöglicht werden. Davon ausgenommen sind Materialien, die eindeutig als Vervielfältigungsvorlage vorgesehen sind (z. B. Fragebögen, Arbeitsmaterialien).

Die Übernahme des gesamten E-Books in eine eigene Print- und/oder Online-Publikation ist nicht gestattet. Die Inhalte des E-Books dürfen nur zu privaten Zwecken und nur auszugsweise kopiert werden.

Diese Bestimmungen gelten gegebenenfalls auch für zum E-Book gehörende Download-Materialien.

Zitierfähigkeit: Dieses EPUB beinhaltet Seitenzahlen zwischen senkrechten Strichen (Beispiel: |1|), die den Seitenzahlen der gedruckten Ausgabe und des E-Books im PDF-Format entsprechen.

Inhaltsverzeichnis

Geleitwort

1 Theoretischer Hintergrund

1.1 Kurzer Überblick über die Operationalisierte Psychodynamische Diagnostik (OPD)

1.2 Herausforderung „Trauma“ in der psychodynamischen Praxis

1.3 Trauma und Lebensereignis

1.4 Was sind zentrale intrapsychische Mechanismen der Verarbeitung von Lebensereignissen?

1.4.1 Allgemeine Bewältigungssysteme

1.4.2 Verarbeitung und Integration belastender Lebensereignisse bzw. Traumata

1.5 Psychodynamische Modelle der Verarbeitung von Lebensereignissen und deren Folgen

1.5.1 Der phasenhafte psychodynamische Verarbeitungsprozess von Traumata

1.6 Operationalisierung von Lebensereignissen und Traumata, deren psychodynamische Verarbeitung und die Folgen im Kontext der OPD

1.6.1 Ereignis

1.6.2 Ereignisverarbeitung

1.6.3 Folgestörung

1.7 Notwendigkeit der achsenspezifischen Ergänzungen des OPD-3-Grundmanuals

2 Darstellung des ergänzenden OPD-Moduls Trauma- und Lebensereignisverarbeitung

2.1 Ressourcen und Vulnerabilität im OPD-3 Standardmanual

2.2 Ereignis – Trauma oder Belastung?

2.3 Ereignisspezifische Ergänzungen der OPD-3

2.3.1 Achse I (Krankheitserleben und Behandlungsvoraussetzungen)

2.3.2 Achse II (Beziehung)

2.3.3 Achse III (Konflikt)

2.3.4 Achse IV (Struktur)

2.3.5 Klinische Prototypen

3 Manualisierung des Moduls

3.1 Ereignisspezifische Items der Achse I

3.1.1 Indexereignis (T1C)

3.1.2 Schwere des Ereignisses (T2.4.1.1 bis T2.4.1.6)

3.1.3 Zeitfaktoren des Ereignisses (T2.5.4 bis T2.5.8)

3.1.4 Einschätzung ereignisrelevanter Krankheits-, Veränderungs- und Behandlungskonzepte (T2.6.5, T2.7.5)

3.1.5 Einschätzung der spezifischen Veränderungsressourcen und -hemmnisse des/der Patient:in (T2.8.1.3.1 bis T2.8.2.2.1)

3.1.6 Einschätzung des subjektiven Ereigniserlebens des/der Patient:in (T2.10 bis T2.11)

3.2 Ereignisspezifische Items der Achse II

3.3 Ereignisspezifische Items der Achse III

3.4 Ereignisspezifische Items der Achse IV

4 Spezifische Interviewtechniken des Moduls

4.1 Voraussetzungen und allgemeine Grundprinzipien

4.2 Die Eröffnungsphase

4.3 Phase der Ermittlung von Beziehungsepisoden

4.4 Ermittlung des Selbsterlebens, des Objekterlebens, der erlebten und faktischen Lebensgestaltung und Lebensbereiche

4.5 Psychotherapiemotivation, Behandlungsvoraussetzungen, Einsichtsfähigkeit

5 Implikationen für Fokusableitung und Therapieplanung

5.1 Fokusableitung im OPD-3-Standardverfahren

5.2 Fokusableitung und Therapieplanung mit dem Ergänzungsmodul Trauma

5.3 Fallbeispiel

6 Allgemeine Fallbeispiele mit Therapiefoki

6.1 Verarbeitung von belastenden Ereignissen

6.1.1 Prototyp A

6.1.2 Prototyp B

6.1.3 Prototyp C

6.1.4 Prototyp D

6.2 Traumaverarbeitung

6.2.1 Prototyp A

6.2.2 Prototyp B

6.2.3 Prototyp C

6.2.4 Prototyp D

6.3 PTBS mit spätem Beginn

7 Zusammenfassung und Ausblick

Arbeitsmaterialien des Trauma-Moduls

Glossar

Literatur

Autoren

Sachwortverzeichnis

Hinweise zu Zusatzmaterialien des Trauma-Moduls

|9|Geleitwort

Auf dieses Psychotraumatologie-Manual hat die „Psycho-Welt“ gewartet! Zum einen bekommt die Notwendigkeit einer Behandlungsplanung nach psychischen Traumatisierungen (leider) eine zunehmende Bedeutung. Und zum anderen werden die Zuschreibungen einer „psychischen Traumatisierung“ von Patient:innen selber, aber auch von der Allgemeinheit und Professionellen im Gesundheitssystem geradezu inflationär verwendet.

Vor diesem Hintergrund betonen die Autor:innen dieses Manuals als Teil der OPD-Publikationsfamilie zu Recht die Notwendigkeit einer Differenzierung zwischen der Verarbeitung allfälliger schwerer Belastungen auf der einen und psychischer Traumatisierungen im eigentlichen Sinne auf der anderen Seite.

Das hier vorgestellte Zusatzmodul „Psychotraumatologie“ in Ergänzung zur Grundversion des OPD-3-Manuals erscheint hervorragend geeignet, diesen differenzierenden Blick zu schärfen. Die differenzialdiagnostische Kompetenz ist für alle Psychotherapeut:innen deswegen so grundlegend wichtig, weil die Konsequenzen für die differenzielle Psychotherapie-Indikation so gravierend sind!

Die Notwendigkeit einer Ergänzung des OPD-3-Grundmoduls wird für jede einzelne der vier Achsen sorgfältig abgewogen und begründet. Wo immer sinnvoll, wird betont, welches Potenzial bereits die Grundversion bietet, um die Folgen schwerer psychischer Belastungen abzubilden. Insofern vermeidet das von den Autor:innen entwickelte Psychotraumatologie-Zusatzmodul jede Doppelung in der Dokumentation. Das Zusatzmodul konzentriert sich vielmehr auf die Erfassung von psychischen Traumafolgen und deren Auswirkungen auf die Behandlungsplanung, die sich im Grundmodul bisher nicht erfassen lassen. Von den praktisch Tätigen werden die konkreten Formulierungsvorschläge in Ergänzung zu dem Interview-Tool im OPD-Grundmanual zur inhaltlichen Klärung in Bezug auf die zusätzlichen Items des Psychotraumatologie-Moduls sicher als ausgesprochen hilfreich erlebt.

Zudem verdeutlichen die prägnanten Fallbeispiele im hinteren Teil des Buches sowohl das Potenzial einer traumafokussierenden Konfrontationstherapie, wie z. B. der EMDR-Methode, als auch die relative oder absolute Kontraindikation für eine traumakonfrontative Behandlung bei Patient:innen mit einer gering integrierten psychischen Struktur. Diese notwendige Differenzierung sollte zumindest allen Psychotherapeut:innen vertraut sein.

Gereon Heuft, Münster

|11|1  Theoretischer Hintergrund

1.1  Kurzer Überblick über die Operationalisierte Psychodynamische Diagnostik (OPD)

Entwicklung: Die Operationalisierte Psychodynamische Diagnostik, aktuell in dritter Version (Arbeitskreis OPD, 2023), ist ein etabliertes und national sowie auch zunehmend international eingesetztes Instrument der psychodynamischen Diagnostik psychischer Störungen mit einer nunmehr 30-jährigen Geschichte. Die Hauptmotivation für ihre Entwicklung war der Verzicht auf ätiologische Zuordnungen für die Entstehung psychischer Störungen in den damals gerade veröffentlichten Diagnosemanualen ICD-10 und DSM-IV. Die OPD sollte eine Ergänzung zu den genannten Klassifikationsmodellen darstellen. Mit ihrer Hilfe können psychodynamisch arbeitende Diagnostiker:innen und Therapeut:innen individuell abbilden, was die spezifischen psychodynamischen Faktoren bei Patient:innen sind, die zur Entstehung einer psychischen Störung geführt haben und diese aufrechterhalten, und welche Faktoren für die Therapieplanung und -durchführung besonders bedeutsam sind. Aufgrund der Vielfalt an psychodynamischen Modellen und „Schulen“ entschloss sich der Arbeitskreis OPD, auf schulenspezifische Terminologie und metapsychologische Konstrukte so weit wie möglich zu verzichten. Stattdessen wurde eine übergreifende, operationalisierte und „beobachtungsnahe“ Diagnostik vorgelegt, die unabhängig von der eigenen Spezialisierung eingesetzt werden kann. Stark vereinfacht könnte gesagt werden, dass die OPD eine gemeinsame Sprache bzw. Übersetzungshilfe für den Großteil aller psychodynamischen Strömungen bereitstellt.

Prinzip: Das Grundprinzip der OPD basiert auf der multiaxialen Diagnostik einzelner psychodynamischer und psychischer Dimensionen der Patient:innen, die in der klinischen Realität zusammenhängen und sich gegenseitig beeinflussen. Neben der deskriptiven Beschreibung der aktuellen Symptomatik der Patient:innen und Faktoren der Behandlungsvoraussetzung (Achse I), ihrer beobachtbaren dysfunktionalen Beziehungsmuster (Achse II) und der psychopathologischen Syndrome (vormals Achse V, nun in Achse I integriert) entsprechend gängigen Klassifikationssystemen werden der Symptomentwicklung zugrunde liegende neurotische Konflikte (Achse III) und/oder Einschränkungen der strukturellen psychischen Integration bzw. des Persönlichkeitsfunktionsniveaus der Patient:innen (Achse IV) abgebildet. Die valide und reliable Anwendung der OPD im klinischen und auch wissenschaftlichen Alltag |12|wird durch eine spezifische Operationalisierung und Manualisierung der einzelnen Items der Diagnostik gewährleistet.

1.2  Herausforderung „Trauma“ in der psychodynamischen Praxis

Individualisierte Fallkonzeptualisierung: Die Anwendung der OPD hat sich über die Jahre im Speziellen bei der Diagnostik und Behandlungsplanung von Patient:innen mit neurotischen Konflikten und/oder mit strukturellen Störungen der Persönlichkeitsfunktion bewährt, um für Behandelnde und Patient:innen ein Verständnis für die ursächlichen und symptomaufrechterhaltenden Faktoren zu entwickeln. Somit kann im Idealfall gemeinsam verstanden werden, welche lebensgeschichtlich begründeten Risikofaktoren sich im Laufe der Zeit ausgebildet haben und warum zu einem bestimmten Zeitpunkt – im Zusammenwirken mit weiteren biologischen und sozialen Faktoren – eine psychische Störung aufgetreten ist. Diese individualisierte Fallkonzeptualisierung ist eine für jedwede psychotherapeutische Behandlung zwingend notwendige Bedingung, da die rein beschreibende Symptomklassifikation nach dem ICD- oder DSM-System für die tatsächliche psychotherapeutische Behandlungsplanung nicht genügend Informationen bereitstellt.

Historisch wurden, abhängig von der Konzeptualisierung der zugrunde liegenden „Schulen“, spezifische psychodynamische Theorien für die Entstehung einzelner psychischer Störungen formuliert, etwa bezüglich der Frage, welche intrapsychischen Konflikte für die Entstehung einer psychiatrischen oder psychosomatischen Problematik maßgeblich sind (Küchenhoff, 1994). Von dieser „Top-down“-Herangehensweise, die anhand eines psychopathologischen Syndroms auf eine zugrunde liegende Psychodynamik schließt und damit in extremer Zuspitzung eine individuelle Diagnostik der Patient:innen vermeintlich erübrigt, unterscheidet sich die OPD grundlegend. Hier wird ein umgekehrtes Vorgehen gewählt: Ziel ist es, die individuelle Psychodynamik der Patient:innen zu verstehen, die als Risikokonstellation zu ganz unterschiedlichen psychopathologischen Syndromen führen kann. Zwar ist es durchaus möglich, dass es in der klinischen Praxis zu einer scheinbaren oder tatsächlichen Häufung von neurotischen Konfliktthemen bei bestimmten Störungen kommt. Dabei sind jedoch mehrere Aspekte zu bedenken: Zunächst handelt es sich immer um eine selektive und kontextabhängige Stichprobe. Menschen mit psychischen Erkrankungen, die sich zur ambulanten Psychotherapie vorstellen, sind nicht notwendigerweise repräsentativ für die Grundgesamtheit aller Menschen mit behandlungsbedürftigen psychischen Erkrankungen (Strauß, 2015). Dann wiederum gibt es störungsspezifische Interaktionsmuster und Bewältigungsstrategien, die jedoch nicht mit der individuellen Psychodynamik der Person verwechselt werden dürfen (Dinger et al., 2015). Zudem entstehen normalpsychologische Reaktionen auf Lebensereignisse, die ebenfalls nicht notwendigerweise die tatsächliche innere Konstellation der Patient:innen widerspiegeln. Und zu guter Letzt sind biologische Faktoren, etwa im Bereich der Stressregulation, aber |13|auch der Genetik und Epigenetik ebenfalls für das Verständnis einer Symptomatik zu berücksichtigen, wobei auch hier eine Störungsspezifität im Sinne von DSM- oder ICD-Diagnosen selten zu finden ist (z. B. Engel et al., 2019). Somit ist also bei der individuellen Fallkonzeptualisierung, entsprechend einem bio-psycho-sozialen Modell, von einem multifaktoriellen Prozess auszugehen. Was ist aber nun mit Störungen, bei denen manche Faktoren offensichtlich zu sein scheinen und psychodynamische Faktoren ungleich schwerer zu erkennen sind? Kann hier die OPD ebenfalls ein sinnvolles Hilfsmittel für Diagnostik und Behandlungsplanung darstellen?

Psychodynamische Betrachtungsweise: Gerade für die Gruppe der sogenannten Traumafolgestörungen scheint dieser Spannungsbogen bedeutsam, da hier definitionsgemäß ein oder mehrere äußere und von der Person zunächst unabhängige Lebensereignisse unmittelbar und kausal zur Entstehung der psychischen Störung führen. Kann etwa bei einem vormals psychisch gesunden Menschen, der nach einem für ihn beinahe tödlich verlaufenden Raubüberfall eine Posttraumatische Belastungsstörung entwickelt, eine psychodynamische Betrachtungsweise, die Neurosen oder „strukturelle Störungen“ untersucht, überhaupt etwas Sinnvolles beitragen? Insbesondere, da es sehr erfolgreiche Behandlungsmethoden wie z. B. die EMDR-Methode (EMDR: Eye Movement Desensitization and Reprocessing) oder die traumafokussierte kognitive Verhaltenstherapie gibt, die auf ein psychodynamisches Verständnis vollständig verzichten (s. z. B. die AWMF-Leitlinie unter http://www.awmf.org). Ebenso stellt sich die erweiterte Frage, ob auch andere belastende Lebensereignisse, die nicht die Traumakriterien erfüllen, zu psychischen Folgen führen können und inwieweit die individuelle Psychodynamik die Betroffenen hierbei schützt oder eine Verarbeitung des Erlebten systematisch erschwert.

Das vorliegende Buch möchte auf diese Fragen eine mögliche Antwort geben, indem eine explizit psychodynamische Betrachtungsweise, entsprechend der OPD, in Bezug auf Folgen von belastenden Lebensereignissen inklusive Traumafolgestörungen skizziert wird. Wir folgen dabei einer klaren Sowohl-als-auch-Haltung: Anstatt Psychodynamik und Psychotraumatologie voneinander abzugrenzen, untersuchen wir, wie beide Perspektiven in der klinischen Praxis miteinander zu verbinden sind. Der Fokus liegt dabei auf einer Beschreibung der psychodynamischen Vulnerabilitäten und Ressourcen im Sinne der OPD, die ein Mensch zum Zeitpunkt eines Lebensereignisses in sich trägt, und ihren Auswirkungen auf die Störungsentwicklung, den möglichen Krankheitsverlauf sowie Aspekte der Behandlungsplanung.

1.3  Trauma und Lebensereignis

Integration von Erfahrungen: Menschen befinden sich von Geburt an in ständiger Auseinandersetzung mit Einflüssen ihrer Umwelt, die eine fortlaufende dynamische Anpassung erfordern, was auch leidvolle Erfahrungen und belastende Lebensereignisse einschließt. Diese Erfahrungen stellen eine wesentliche Bedingung der |14|Conditio humana dar und bilden eine der prägenden Grundstrukturen der Entwicklungsmatrix unserer Psyche. Die Ausgestaltung der Persönlichkeit hängt in hohem Maße davon ab, wie wir die Welt, uns selbst und andere Menschen wahrnehmen, erfahren, mit ihr und ihnen interagieren und wie wir diese Erfahrungen verarbeiten und in unser Selbst integrieren. Bisherige Erkenntnisse aus Forschung und klinischer Praxis weisen darauf hin, dass der Prozess der Integration zum einen von der Beschaffenheit des zugehörigen Ereignisses selber abhängt, aber zu einem großen Teil auch davon, auf welchen „Nährboden“ die Erfahrungen intrapsychisch fallen. Damit ist insbesondere gemeint, auf welche lebensgeschichtlich früher gemachten Erfahrungen sie treffen, wie diese in unseren Erinnerungen abgelegt und bewertet worden sind, wie dadurch ein aktuelles Ereignis interpretiert, bewertet und affektiv beantwortet wird und auf welche Bewältigungsressourcen diese Prozesse zurückgreifen können. Somit wird jede Lebenserfahrung durch das Zusammenspiel von äußeren und intrapsychischen Faktoren verarbeitet und gespeichert (Haltigan, Roisman & Fraley, 2013; Park, 2010).

Auseinandersetzung mit Belastungen: Im Kern stellen belastende Lebenserfahrungen potenzielle Bedrohungssituationen dar, die die vorbestehende physische, soziale oder psychische Integrität des Individuums gefährden können. So können die eigene körperliche Gesundheit, die soziale oder wirtschaftliche Existenz, die zwischenmenschlichen Beziehungen oder die eigene psychische Stabilität und Identität durch ein äußeres Ereignis bedroht und dauerhaft geschädigt werden. Ziel der intrapsychischen Auseinandersetzung mit den äußeren Belastungen ist somit die Sicherung oder Wiederherstellung des zuvor vorhandenen körperlichen, sozialen und psychischen Gleichgewichts (Del Giudice, Ellis & Shirtcliff, 2011).

Verarbeitungssysteme: Grundsätzlich sind Menschen mit biologischen, sozialen und psychischen Mechanismen ausgestattet, die dem betroffenen Individuum – bei entsprechenden Ereignissen auch betroffenen Gruppen – helfen, Bedrohungen entgegenzuwirken und diese möglichst ohne resultierende Folgeschäden zu bewältigen. Hierbei stehen den Betroffenen neben den biologischen Systemen der Stressverarbeitung (für eine Übersicht siehe z. B. Ehrenthal, Stoffel, Ditzen (2019) sowie Stoffel, Gardini, Ehrenthal, Abbruzzese und Ditzen (2020)) die sozialen Unterstützungssysteme (z. B. Schutz, Hilfestellungen, Zuwendung, Trost) und insbesondere auch die psychischen Verarbeitungssysteme zur Verfügung (Masten, 2007). Diese sind besonders wichtig, da sie eine lebensgeschichtlich ausgestaltete Variable darstellen, die zunächst unabhängig von der realen Verfügbarkeit sozialer Unterstützung existiert, jedoch starken Einfluss auf diese haben kann und gleichzeitig mit Systemen der Stressbewältigung eng verwoben ist. Diese Verarbeitungssysteme stellen in ihrer Gesamtheit das Gegengewicht zu belastenden Lebenserfahrungen dar. Sie fangen Herausforderungen frühzeitig auf, bevor sie zu Belastungen werden, und helfen beim situativen sowie langfristigen Umgang mit dem Erlebten und seinen Folgen. Vergleichbar mit einem homöostatischen Regelsystem wäre bei einem „Gleichgewicht“ |15|zwischen dem Ausmaß der Lebensbelastung und den zur Verfügung stehenden Ressourcen von keinen oder vergleichsweise geringen langfristigen negativen Folgen für das Individuum auszugehen. Aus dieser Perspektive ist auch psychodynamisch verstehbar, dass selbst bei Belastungen, die die Kriterien eines Traumaereignisses erfüllen, der Großteil der Betroffenen keine anhaltenden negativen bio-psycho-sozialen Folgen erleidet (Kilpatrick et al., 2013), wenn sie über ausreichende innere wie äußere Ressourcen zur Bewältigung verfügen. Gleichzeitig wird dadurch auch deutlich, dass das, was wir im Folgenden als Traumaereignis definieren, immer etwas ist, was die individuellen Bewältigungsmöglichkeiten zumindest kurzfristig übersteigt. Dies zu berücksichtigen ist wichtig, da es in der Geschichte der Psychotraumatologie immer wieder den Versuch gegeben hat, Menschen mit Traumafolgestörungen gleichsam post hoc als „vorgeschädigt“ oder „charakterschwach“ abzuwerten, oftmals im Kontext eines expliziten oder impliziten Täterschutzes (Seidler, 2012).

Aus diesen Gründen erscheint es für die psychodynamische Bewertung eines Traumas und dessen Folgen relevant, scharf und eindeutig zwischen dem Traumaereignis als solchem und einer eventuell resultierenden psychischen Traumatisierung zu trennen, da nicht jedes Ereignis zu einer Traumatisierung des betroffenen Individuums führt. Leider wird diese Unterscheidung oftmals in der praktischen psychotherapeutischen Arbeit nicht ausreichend durchgehalten. Neben einem Verschwimmen der Kategoriengrenzen – mit Folgen insbesondere für die Indikationsstellung und Behandlungsplanung – bedeutet das vorschnelle Kategorisieren eines Menschen mit Lebensbelastungen als „traumatisiert“ auch, mögliche Stärken und Bewältigungsstrategien außer Acht zu lassen. Zudem ist ohne eine solche Trennung ein Verständnis der zugrunde liegenden Psychodynamik und Ressourcen der Betroffenen im Umgang mit Lebensbelastungen nicht möglich. Beispielsweise würde unzutreffend festgelegt, eine betroffene Person sei durch ein Lebensereignis unabdingbar traumatisiert, unabhängig von ihrer individuellen, tatsächlichen Situation und Psychodynamik (Abbildung 1-1).

Abbildung 1-1:  Falscher „Kurzschluss“ in der Verbindung von Lebensereignis und Traumatisierung.

|16|Belastende Lebensereignisse: Daraus abgeleitet lassen sich folgende Überlegungen formulieren: Die meisten leidvollen und belastenden Erfahrungen, mit denen wir uns in unserem Leben konfrontiert sehen, liegen im Spektrum dessen, was wir als einen zu erwartenden und antizipierbaren Erfahrungshorizont menschlicher Existenz betrachten können. Misserfolge und Niederlagen und die damit verbundenen Frustrationen und Kränkungen sind zumindest im Erleben für das Selbst in der Regel häufiger als seine Erfolge. Dass wir nicht alles erreichen und bekommen, was wir uns wünschen, ist eine der frühesten Erfahrungen in der Entwicklung unseres Selbst. Auch, dass wir als Menschen vor Krankheit und Gebrechen nicht gefeit sind, gehört zum normalen Erfahrungsschatz, ebenso der Verlust oder die Trennung von uns nahen und geliebten Menschen. Finanzielle Sorgen und Nöte, konflikthafte Beziehungen oder kleinere Unfälle sind Teil dessen, was uns allen grundsätzlich widerfahren kann. In Bezug auf solche „alltäglichen“ Erfahrungen sollte daher in diesem Kontext von belastenden Lebensereignissen gesprochen werden.