Orientierungsplan - Jugend und Sport Baden-Württemberg Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg - E-Book

Beschreibung

* Der verbindliche Orientierungsplan für alle Einrichtungen in Baden-Württemberg * Ein bewährter Bildungskompass Im Orientierungsplan wird der Bildungsauftrag konkretisiert. Die sechs Bildungs- und Entwicklungsfelder Körper, Sinne, Sprache, Denken, Gefühl und Mitgefühl, Sinn, Werte und Religion sind eng miteinander verzahnt. In der Bildungs- und Erziehungsmatrix, ein baden-württembergisches Alleinstellungsmerkmal, ist die Konzeption des Orientierungsplans verdichtet dargestellt. Der mehrperspektivische Bildungsansatz und die Stärkung der Kinderperspektive sind Markenzeichen des baden-württembergischen Orientierungsplans. Der Orientierungsplan versteht sich als Bildungskompass für Erzieherinnen und Erzieher, für Träger, Eltern und Lehrkräfte. Verbindlich in den Zielen gibt er Orientierung und Impulse für die pädagogische Arbeit und Hilfestellungen für einen achtsamen und förderlichen Umgang mit den Kindern.

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Baden-WürttembergMinisterium für Kultus, Jugend und Sport

Orientierungsplan

für Bildung und Erziehung

in baden-württembergischen Kindergärtenund weiteren Kindertageseinrichtungen

Fassung vom 15. März 2011

Impressum

Herausgeber:

Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg

Texte, Redaktion und Organisation:

Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg: Christa Engemann (Ministerialrätin, Referatsleiterin „Grundschulen, Kindergärten, Kleinkindbetreuung und Kleinkindbildung“); Norbert Meyer-Elmenhorst (Regierungsschuldirektor); Petra Simmat (Rektorin, Stuttgart)

Titelabbildung und Illustrationen:

Mario Urlaß, Heidelberg

Grafiken:

Petra Evanschitzky, Transferzentrum für Neurowissenschaften und Lernen, Ulm (Erfassen und Einschätzen der individuellen Bildungs- und Entwicklungsprozesse, S. 71)

Stephan Ferdinand, Hochschule der Medien, Stuttgart (filmische Umsetzung der Bildungs- und Erziehungsmatrix aus dem Film „Magische Momente – Der Orientierungsplan in der Praxis“, S. 108/109)

Fotonachweis:

Dirk Altenkirch, Karlsruhe; Christoph Bauer, Stuttgart; Martin Conz, Stuttgart; Helen Engemann, Paris; Stephan Ferdinand, Stuttgart; Ulrike Fischer, Elzach; Christian Kandzia, Stuttgart; Rainer Kwiotek, Weinstadt; Chiara Pastorini Lacroix, Paris; Leszek Mulas, Stuttgart; Harald Neumann, Freiburg; Michael Rofka, Konstanz; Uwe Stohrer, Freiburg; Robert Thiele, Stuttgart

Bildnachweis:

Buket Aslan, Reutlingen; Simon Dittrich, Stuttgart; Elzbieta Mulas, Stuttgart; Michael Rofka, Konstanz; Tomi Ungerer, Straßburg; Mario Urlaß, Heidelberg

© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2014

Alle Rechte vorbehalten

www.herder.de

Umschlaggestaltung: Uwe Stohrer, Freiburg

Umschlagmotiv:© Professor Mario Urlaß, Heidelberg

E-Book-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

ISBN (Buch) 978-3-451-32982-1

ISBN (E-Book) 978-3-451-80285-0

Dank:

Das Kultusministerium dankt

allen, die am Orientierungsplan mitgewirkt, während und nach der Pilotphase Rückmeldungen gegeben haben,

der wissenschaftlichen Begleitung und den Pilotkindergärten.

Für Fotomaterial und Unterstützung bei Fotoaufnahmen:

Behnisch Architekten, Stuttgart

dem Haus der kleinen Forscher, Berlin,

der IHK Südlicher Oberrhein, Susanne Stuckmann, Referentin Schule und Wirtschaft, Netzwerkkoordination Haus der kleinen Forscher

der Stiftung Kinderland

der edition k, Verlag für Kunst und Lebenskultur

dem städtischen Kinderhaus Kunterbunt, Schwäbisch Gmünd,

dem Stadtteil- und Familienzentrum Oststadt, Offenburg,

dem evangelischen Kindergarten Christophstraße, Stuttgart,

dem städtischen Kindergarten Spatzennest, Elzach

dem katholischen Kindergarten St. Martin, Hambrücken,

der städtischen Tageseinrichtung für Kinder, Stuttgart-Weilimdorf

den Kindergartenleitungen, allen Erzieherinnen und Erziehern, Eltern und Kindern für ihre Zustimmung zur Herstellung und Veröffentlichung der Fotos

Worte vorweg

Liebe Erzieherinnen und Erzieher,

liebe Lehrerinnen und Lehrer,

liebe Eltern,

alle Kinder – unabhängig von ihrer Herkunft und Muttersprache, unabhängig von ihrem Elternhaus und ihrem Umfeld – stecken voller Ideen und sind neugierig auf alles, was um sie herum passiert. Sie brauchen Raum, um ihre Talente zu entfalten, sich selbst und die Welt zu entdecken. Sie haben ein Recht auf lebenslanges Lernen, von Anfang an. Es ist wichtig, dass allen Kindern von Anfang an beste Chancen eröffnet werden. Sie brauchen dabei kompetente Begleitung, Ermunterung und Förderung durch qualifizierte und kompetente pädagogische Fachkräfte, ihrem Alter, ihrer persönlichen Entwicklung und ihren Talenten gemäß. Dies ist der Kerngedanke des Orientierungsplans, der die Kindergärten, Kindertageseinrichtungen, Krippen und die Kindertagespflege als Orte der frühkindlichen Bildung stärkt und sie bei ihren vielfältigen Aufgaben unterstützt.

Eltern vertrauen auf eine qualitätsvolle Bildung, Erziehung und Betreuung ihrer Kinder. Das Kultusministerium hat ein ganzes Maßnahmenbündel dazu auf den Weg gebracht, weil wir davon überzeugt sind, dass jeder Platz ein guter Platz sein muss. Eltern bauen auch auf eine vertrauensvolle Bildungs- und Erziehungspartnerschaft mit ihrer Kita.

Kinder als eigenständige Persönlichkeiten ernst nehmen und sie sensibel und achtsam begleiten und fördern: Das machen sich Erzieherinnen und Erzieher täglich zur Aufgabe. Das ist ihr Verdienst. Damit befördern sie den Bildungsprozess und die Persönlichkeitsentwicklung und legen das Fundament für schulisches Lernen.

Der Orientierungsplan stärkt die Kinderperspektive: Unter diesem Motto haben zahlreiche Experten und Institutionen an der Weiterentwicklung des Orientierungsplans mit hoher Motivation und großem Engagement mitgewirkt: darunter etwa Kindertageseinrichtungen, Träger, gemischte Expertengruppen aus der Fachpraxis und Wissenschaftler unterschiedlicher Disziplinen, Fachberaterinnen und Fachberater, Eltern, Experten mit Migrationshintergrund, Vertreter von Verbänden oder Kooperationsbeauftragte Kindergarten-Grundschule. Zahlreiche Anregungen und Rückmeldungen wurden aufgenommen und beispielsweise die Inhalte für die Altersgruppe der unter Dreijährigen weiter präzisiert.

Erkenntnisse der wissenschaftlichen Begleitung, Ergebnisse von Expertenrunden, von Klausuren, einem Hearing und sonstigen Rückmeldeformen, die in einer Orientierungsplangruppe bewertet worden sind, 23 Redaktionssitzungen und eine sechswöchige Anhörung: All das ist in die Fassung vom 11. März 2011 eingeflossen, die im Amtsblatt Kultus und Unterricht im Mai 2011 veröffentlicht wurde.

Der breite Partizipationsprozess hat dazu geführt, dass es der Orientierungsplan aller ist. Er ist in den Zielen verbindlich. Die Umsetzung des Plans und die Erreichung der Ziele im pädagogischen Alltag bleiben in der Verantwortung des Trägers.

Ich bin überzeugt, dass der Orientierungsplan auf den sich Kultusministerium, kommunale Landesverbände, Kirchen, kirchliche und sonstige freie Trägerverbände und der Kommunalverband für Jugend und Soziales, Landeselternrat, Landeselternbeirat und der Landesschulbeirat, der Landesbeauftragte für Datenschutz und die Verbände verständigt haben, in seiner neuen Form eine gute und motivierende Grundlage für die tägliche Arbeit bietet.

Ich danke allen Mitwirkenden und den Kitas und Trägern für ihre tägliche Arbeit im Miteinander mit den Kindern und Eltern.

Marion v. WartenbergStaatssekretärin des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport

„Die Welt lässt sich auch spielerisch und kreativ, unabhängig von verschiedenen Disziplinen verstehen. Gerade hier liegt die Chance zu einem vertieften Verständnis von Zusammenhängen zu gelangen.“ Michael Rofka, Den Dingen auf den Grund gehen, 2010 (Teichfolie, Wasser, Ölfarbe)

Inhalt

Worte vorweg

Einführung

Teil A: Die Grundlagen des Orientierungsplans

1 Grundlagen und ZieleDas Kind im Mittelpunkt von Bildung und Erziehung

1.1 Mehrperspektivisches Verständnis von Bildung und Erziehung

1.2 Der Bildungs- und Erziehungsprozess

1.3 Wie Kinder lernen

1.4 Spielen und Lernen

1.5 Motivation und Anstrengung

1.6 Vielfalt, Unterschiedlichkeit und Gemeinsamkeit

2 Pädagogische Herausforderungen

2.1 Haltung und Professionalität

2.2 Räume

2.3 Beobachtung und Dokumentation, Auswertung und Schlussfolgerungen

2.4 Bildungs- und Erziehungspartnerschaft zwischen pädagogischen Fachkräften und Eltern

2.5 Kooperation zwischen pädagogischen Fachkräften und Lehrkräften

2.6 Zusammenarbeit mit Partnern

3 Merkmale eines „guten“ KindergartensQualitätsentwicklung und Qualitätssicherung

3.1 Pädagogische und strukturelle Qualität

3.2 Qualität im Kindergarten: Was sind die Herausforderungen in der Praxis?

3.3 Qualifizierung der Leitungs- und Fachkräfte

Teil B: Der Orientierungsplan als Bildungskompass

1 Das Wesen des Orientierungsplans

1.1 Festlegungen und Freiräume

1.2 Die Bildungs- und Erziehungsmatrix

1.3 Weiterführung in der Schule

2 Motivationen des Kindes

2.1Anerkennung und Wohlbefinden erfahren

2.2Die Welt entdecken und verstehen

2.3Sich ausdrücken und verständigen

2.4Mit anderen leben

3 Bildungs- und Entwicklungsfelder

Worauf nimmt der Kindergarten Einfluss?

3.1 Bildungs- und Entwicklungsfeld: Körper

3.2 Bildungs- und Entwicklungsfeld: Sinne

3.3 Bildungs- und Entwicklungsfeld: Sprache

3.4 Bildungs- und Entwicklungsfeld: Denken

3.5 Bildungs- und Entwicklungsfeld: Gefühl und Mitgefühl

3.6 Bildungs- und Entwicklungsfeld: Sinn, Werte und Religion

Anhang

Gemeinsam gestalten – das Titelbild des Orientierungsplans

Grafische Gestaltung des Orientierungsplans

Einführung

„Do dorosłego czytelnika

Powiadacie: – Nuży nas obcowanie z dziećmi.

Macie słuszność.

Mówicie:

– Bo musimy się zniżać do ich pojęć.

Zniżać, pochylać, naginać, kurczyć.

Mylicie się. Nie to nas męczy.

Ale to – że musimy się wspinać do ich uczuć. Wspinać, wyciągać, na palcach stawać, sięgać.

Żeby nie urazić.“

„An den erwachsenen Leser: Ihr sagt: ‚Der Umgang mit Kindern ermüdet uns.’ Ihr habt recht. Ihr sagt: ‚Denn wir müssen zu ihrer Begriffswelt hinuntersteigen. Hinuntersteigen, uns herabneigen, kleiner machen.‘ Ihr irrt euch. Nicht das ermüdet uns. Sondern dass wir zu ihren Gefühlen emporklimmen müssen. Emporklimmen, uns ausstrecken, auf die Zehenspitzen stellen, hinlangen, um nicht zu verletzen.”

Janusz Korczak (1878–1942), polnischer Arzt, Kinderbuchautor und Pädagoge

Der vorliegende Orientierungsplan lädt ein, die Welt mit den Augen der Kinder zu sehen. Wie ein roter Faden zieht sich diese Perspektive durch die Texte und die Fragen, auf die es im Kindergarten ankommt: Was kann das Kind? Was will das Kind? Was braucht das Kind? Wie erfährt das Kind die Welt? Wie wird es ein Mitglied der Gemeinschaft? Wie entwickelt es sich zu einem unverwechselbaren Menschen, der aktiv am Leben teil hat? Wie wird man in Bildungs- und Erziehungsprozessen der unaufgebbaren Würde des Kindes gerecht? Die UN-Kinderrechtskonvention über die Rechte der Kinder gibt hierzu Orientierung. In ihrer Präambel sind die Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen berücksichtigt. Die praktische Umsetzung der Kinderrechte in der frühkindlichen Bildung und Erziehung geschieht, indem sie im Alltag gelebt werden.

Der A-Teil widmet sich dem Grundverständnis von Bildung und Erziehung, den sich daraus ableitenden Zielen und den Kooperationsfeldern der Kindertageseinrichtung.

Kinder machen Erfahrungen und diese Erfahrungen hinterlassen Spuren in ihnen. Viele Erfahrungen werden beim Spielen gemacht, weswegen das Spielen für kindliche Bildungsprozesse so wichtig ist. Ein anderes Wort für „Erfahrungen machen“ ist „lernen“. Die Entwicklung des Kindes ist ein individueller Prozess, und jedes Kind hat einen Anspruch darauf, in seiner Individualität und Einzigartigkeit wahrgenommen und verstanden zu werden. Daraus folgt die Ganzheitlichkeit: Die Entwicklung des Kindes wird aus möglichst vielen Betrachtungswinkeln angeschaut. Nur dann hat man die Chance, nichts Wesentliches zu übersehen. Zudem hilft die Förderung mit möglichst vielen Elementen, all das aufzuspüren, was dem Kind zugutekommt. Dabei ist stets zu sehen, dass Kinder wesentlich auch voneinander lernen und daher der sozialen Interaktion unter Kindern besondere Bedeutung zukommt.

Der A-Teil trifft darüber hinaus Aussagen zur Einbettung der Institution Kindergarten in das Bildungssystem. Hier seien die Stichworte Kooperation, Vernetzung und Qualitätssicherung genannt.

Der B-Teil bietet aufbauend auf dem A-Teil in den sechs eng miteinander verknüpften Bildungs- und Entwicklungsfeldern konkrete Anhaltspunkte für die pädagogische Arbeit. Dabei wird sowohl bei der direkten sinn- und wertorientierten Interaktion mit dem Kind als auch hinsichtlich der Raumgestaltung und der Anregung durch Materialangebote die Kinderperspektive deutlich. Das Kind will sich entfalten und sich die Welt aneignen. Dazu braucht es Unterstützung und Förderung. Die Bildungs- und Entwicklungsfelder sind bewusst nicht an schulische Lernfelder angelehnt. Sie spiegeln die Entwicklung und Bildung des Kindes wider und sind eng mit den Motivationen des Kindes verwoben.

Ausführungen zur Rolle der Eltern und zur Rolle der Kindertageseinrichtung bzw. der pädagogischen Fachkräfte finden sich jeweils unter der besonderen Perspektive in beiden Teilen des Orientierungsplans. Damit wird betont: In der Verantwortung um die Entwicklung der Kinder tragen beide, Eltern und pädagogische Fachkräfte, gemeinsam dafür Sorge, dass alle Kinder optimale Bedingungen für ihre Entwicklung bekommen. Unbeschadet des Erziehungsprimats der Eltern ist eine Bildungs- und Erziehungspartnerschaft von Eltern und pädagogischen Fachkräften anzustreben.

Weiterentwickelter Orientierungsplan

Der nach der Pilotphase weiterentwickelte Orientierungsplan wurde insbesondere im Kapitel „Festlegungen und Freiräume“ angepasst, und es wurden Passagen aufgenommen, die von fachlicher Seite eingebracht wurden:

Weitere Ausführungen zum Bereich „Kinder unter drei Jahren“

Geschlechtersensible Erziehung und Bildung (Stärkung des Gender-Aspekts)

Ergänzungen zur Sprachentwicklung

Ausführungen zum Datenschutz

In der vorliegenden Fassung des Orientierungsplans vom 15. März 2011, bei der u.a. die kommunalen Landesverbände, die Kirchen und sonstigen freien Trägerverbände sowie der Kommunalverband für Jugend und Soziales beteiligt waren, ist unter „Festlegungen und Freiräume“ Folgendes ausgeführt:

„Die Zielformulierungen aller Bildungs- und Entwicklungsfelder sowie die übergreifenden Ziele haben für die Einrichtungen und die Träger verbindlichen Charakter. Entsprechend den Prinzipien von Pluralität, Trägerautonomie und Konzeptionsvielfalt steht es in der Verantwortung der Träger und Einrichtungen, wie diese Ziele im pädagogischen Alltag erreicht werden.

Es liegt in der Verantwortung der Träger und Einrichtungen, geeignete Beobachtungsverfahren einzusetzen, die Beobachtungen in angemessener Weise zu dokumentieren und auf der Basis der Bildungs- und Entwicklungsdokumentation regelmäßige Elterngespräche zu führen und sich über allgemeine Fragen zu dieser Thematik bei Elternveranstaltungen auszutauschen. Sollte der Kindergarten mit Zustimmung der Eltern eine schriftliche Entwicklungsdokumentation praktizieren wollen, sind die datenschutzrechtlichen Belange zu beachten.“ Eine Handreichung zum Datenschutz im Kindergarten wurde entwickelt und den Kindertageseinrichtungen 2012 zur Verfügung gestellt.

Der Orientierungsplan für Bildung und Erziehung in baden-württembergischen Kindergärten und weiteren Kindertageseinrichtungen schließt Kinderkrippen und vorschulische Einrichtungen wie Schulkindergärten für behinderte Kinder und Grundschulförderklassen für zurückgestellte Kinder und Präventivklassen ein.

In Kindergärten, anderen Kindertageseinrichtungen und Krippen arbeitet Personal des jeweiligen Trägers mit unterschiedlichen Professionen: zum großen Teil Erzieherinnen und Erzieher, Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen, Kinderpflegerinnen und Kinderpfleger und Personen mit anderer Ausbildung. Das pädagogische Personal (Fachlehrerinnen und Fachlehrer: Lehrkräfte, Sonderschullehrkräfte, Erzieherinnen und Erzieher, Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen) an öffentlichen Schulkindergärten für Kinder mit Behinderungen und das Personal an Grundschulförderklassen (Fachlehrerinnen und Fachlehrer: Lehrkräfte, Erzieherinnen und Erzieher, Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen) steht im Dienst des Landes.

Betrachtet man das gesamte Personal in Kindertageseinrichtungen, Krippen und den vorschulischen Einrichtungen, so sind zwar überwiegend Erzieherinnen und Erzieher tätig, jedoch auch anderes pädagogisches Personal. Im Orientierungsplan ist deshalb sowohl von Erzieherinnen und Erziehern die Rede wie auch von pädagogischem Fachpersonal oder von Frühpädagogen. Die Bezeichnung „Fachlehrerinnen/Fachlehrer“ in den Schulkindergärten und Grundschulförderklassen wird nicht verwendet. Sie sind in den übrigen Bezeichnungen eingeschlossen.

Anmerkung: Wenn von „Eltern“ im Orientierungsplan die Rede ist, sind gegebenenfalls immer auch andere Personensorgeberechtigte gemeint.

Teil A

Die Grundlagen des Orientierungsplans

1. Grundlagen und Ziele

Das Kind im Mittelpunkt von Bildung und Erziehung

Bildungspläne für den Elementarbereich bieten Orientierung für Fachkräfte, Eltern und Lehrkräfte und sollen insbesondere die Grundlagen für eine frühe und individuelle begabungsgerechte Förderung der Kinder schaffen.

Kindergärten und Kinderkrippen haben neben den Aufgaben der Erziehung und Betreuung auch einen Bildungsauftrag, der sich an den spezifischen, altersstrukturell bedingten Bedürfnissen der Kinder orientiert. Damit wird ein wichtiger Aspekt in den Vordergrund gerückt: Die ersten Lebensjahre und das Kindergartenalter sind die lernintensivste Zeit im menschlichen Dasein. Die Bildungsarbeit in Kindergärten ist eine zentrale Aufgabe.

Die UN-Kinderrechtskonvention von 1989 definiert Kinder als eigenständige Träger von Rechten (insbesondere Artikel 28 und 29). Zu diesen Rechten der Kinder gehört das Recht auf eine Erziehung und Bildung, die die Persönlichkeit, die Begabung und die geistigen, körperlichen und sozialen Fähigkeiten zur Entfaltung bringt. Weiter gehört dazu das Recht auf Teilhabe und Beteiligung, auf Gesundheit, auf Schutz vor Gewalt, Diskriminierung und Armut. Bildungsinstitutionen müssen sich daran messen lassen, inwieweit sie dazu beitragen, diese Rechte der Kinder einzulösen und inwieweit sie das Wohl des Kindes vorrangig vor anderen Interessen berücksichtigen. Diesem Anspruch der UN-Kinderrechtskonvention trägt der baden-württembergische Orientierungsplan Rechnung, indem er dezidiert die Kinderperspektive einnimmt. Partizipation, Inklusion, die wertschätzende Anerkennung von Unterschiedlichkeit und die konsequente Orientierung an den Bedürfnissen eines jeden Kindes sind Grundprinzipien einer kindgerechten Elementarpädagogik und des Orientierungsplans. Wenn im Orientierungsplan von Kindern im Plural die Rede ist, so ist stets auch das einzelne Kind im Blick mit seiner Persönlichkeit, mit seinen Potenzialen, Kompetenzen und Bedürfnissen.

Die UN-Kinderrechtskonvention bildet zusammen mit dem Achten Buch des Sozialgesetzbuchs, Kinder- und Jugendhilfe (SGB VIII) die gesetzliche Grundlage für die Arbeit in Kindergärten und Kinderkrippen. Bildung, Erziehung und Betreuung sind nach § 22 Abs. 3 – Kinder- und Jugendhilfe (SGB VIII) die Aufgaben von Kindertageseinrichtungen im Elementarbereich. Die weiteren Aufgabenbeschreibungen in §§ 22 und 22a SGB VIII sowie die Grundaussage in § 1 Abs. 1 SGB VIII „Jeder junge Mensch hat ein Recht auf Förderung seiner Entwicklung und auf Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit“ bilden den rechtlichen Bezugspunkt für die beiden wichtigsten allgemeinen Ziele von Bildung und Erziehung, über die sich sozial-, verhaltens- und biowissenschaftliche Forschung einig sind: Autonomie, d.h. Selbstwirksamkeit, Selbstbestimmung und Verbundenheit, d.h. Bindung und Zugehörigkeit. Diese beiden Aspekte stellen die wichtigsten Grundbedürfnisse und Entwicklungsaufgaben des Menschen dar und bedingen sich wechselseitig. Die zweifache, in sich spannungsreiche allgemeine Zielbestimmung – Eigenverantwortlichkeit und Gemeinschaftsfähigkeit – ist in den Orientierungsplan eingegangen. Die Verfolgung des allgemeinen Ziels der Eigenverantwortlichkeit und Autonomie schließt das Ziel ein, Kinder in ihrer Fähigkeit zu unterstützen und anzuregen, anderen Autonomie zuzugestehen. Gemeinschaftsfähigkeit schließt die Fähigkeit zur Anerkennung von Verschiedenheit und die Fähigkeit zu einem anerkennenden Umgang mit Verschiedenheit ein. Dies bezieht sich auf das jeweils andere Geschlecht und auf ethnische, kulturelle und religiöse Unterschiede, auf Alter, Krankheit und Behinderung.

Eigenverantwortlich zu leben und zu handeln bedeutet, sich seiner selbst bewusst zu sein. Das heißt auch, eigene Gefühle regulieren zu können, sich seiner eigenen Fähigkeiten und Möglichkeiten bewusst und zu selbstständigem Denken und Urteilen in der Lage zu sein. Dazu gehört das Recht, Meinungen und eigene Bedürfnisse frei zu äußern, mit zu entscheiden, wenn es um die eigenen Belange geht und Aufgaben selbst zu übernehmen. Das gibt den Kindern die Möglichkeit, sich als selbstwirksam zu erleben.

Gemeinschaftsfähig zu werden bedeutet, sich zugehörig fühlen zu können, bereit und imstande zu sein, das soziale Miteinander zu gestalten und Verantwortung zu übernehmen. Kinder entwickeln Interesse an anderen, bilden Freundschaften und wirken an Entscheidungen in der Gruppe mit. Sie lernen das Denken, Fühlen und Handeln anderer zu verstehen und zu respektieren.

Eigenverantwortlich und gemeinschaftsfähig zu sein bedeutet, eigene Meinungen und die Erfüllung der eigenen Bedürfnisse so zu gestalten, dass sie denen anderer Menschen nicht entgegenstehen bzw. diesen schaden.

Um sich als selbstwirksam zu erleben und die Welt aktiv mitgestalten zu können, brauchen Kinder Wissen von Zusammenhängen und kulturellen Gegebenheiten. Sie setzen sich neugierig forschend – entsprechend ihren Bedürfnissen und ihrem Entwicklungsstand – mit den Phänomenen der Welt auseinander. Sie lernen, sich – in Achtung vor der natürlichen Umwelt – die Gesetzmäßigkeiten und die vielfältigen Formen von Natur und Kultur zu erschließen. Freude am Lernen und Engagiertheit sind unverzichtbare Grundlagen für den lebenslangen Lernprozess und für die Entwicklung von Eigenverantwortung.

Das Kindertagesbetreuungsgesetz von Baden-Württemberg (KiTaG) greift den Bildungsauftrag in Tageseinrichtungen in § 2 Abs. 2 ausdrücklich auf und unterstreicht dessen Bedeutung für die Förderung der Gesamtentwicklung des Kindes. Die besondere Bedeutung der gemeinsamen Erziehung von Kindern mit und ohne Behinderung wird herausgestellt. Entsprechend von § 9 Abs. 2 KiTaG werden im Orientierungsplan die Zielsetzungen für die Elementarerziehung festgelegt und die zentrale Rolle der Sprachförderung betont.

1.1 Mehrperspektivisches Verständnis von Bildung und Erziehung

In Deutschland haben die Begriffe „Bildung“ und „Erziehung“ ihre eigene Tradition, auch deshalb, weil es die im deutschsprachigen Bereich übliche Unterscheidung zwischen Bildung und Erziehung nur in wenigen Sprachen gibt. Deshalb wird dem Orientierungsplan eine Darstellung des ihm zugrunde liegenden Bildungsverständnisses vorausgeschickt.

„Bildung“ meint die lebenslangen und selbsttätigen Prozesse zur Weltaneignung von Geburt an. Bildung ist mehr als angehäuftes Wissen, über das ein Kind verfügen muss. Kinder erschaffen sich ihr Wissen über die Welt und sich selbst durch ihre eigenen Handlungen. Kindliche Bildungsprozesse setzen verlässliche Beziehungen und Bindungen zu Erwachsenen voraus. Bildung ist ein Geschehen sozialer Interaktion.

„Erziehung“ meint die Unterstützung und Begleitung, Anregung und Herausforderung der Bildungsprozesse, z. B. durch Eltern und pädagogische Fachkräfte. Sie geschieht auf indirekte Weise durch das Beispiel der Erwachsenen und durch die Gestaltung von sozialen Beziehungen, Situationen und Räumen. Auf direkte Weise geschieht sie beispielsweise durch Vormachen und Anhalten zum Üben, durch Wissensvermittlung sowie durch Vereinbarung und Kontrolle von Verhaltensregeln.

Die beiden Brückenpfeiler Bildung und Erziehung bestimmen im Kindergartenalltag das pädagogische Handeln der Fachkraft. Stärkung der Kinderperspektive, Entwicklungsangemessenheit sowie ganzheitliche Begleitung und Förderung sind Schlüsselbegriffe des baden-württembergischen Orientierungsplans. Sie erfordern einen mehrperspektivischen Ansatz, der verschiedene wissenschaftliche Disziplinen einbezieht und verbindet: Pädagogik (besonders Elementarpädagogik und Sozialpädagogik, Sonder- und Heilpädagogik, Soziologie der Kindheit), Psychologie (besonders Entwicklungspsychologie und Motivationspsychologie), Neurowissenschaft und Theologie. Die verschiedenen Perspektiven ergänzen sich und ermöglichen zusammen ein besseres Verständnis der Bildungs- und Erziehungsprozesse im Kindergarten als jede einzelne Perspektive allein.

Diese Ansätze gehen mit teilweise sehr unterschiedlichen theoretischen Konstrukten und Methoden an das Thema heran, eben mit geistes-, sozial- und naturwissenschaftlichen. Das bringt ungewohnte Sichtweisen und Aussagen mit sich. Die pädagogische Auffassung, dass Bildung – auch im Kindergartenalter – ein Konstruktionsprozess ist, in dem das Kind sich seine Welt aktiv erschließt, steht im Einklang mit Hirnforschung und Psychologie. Der Aufbau eines inneren Modells der Welt spielt sich im Gehirn ab und gehorcht Gesetzmäßigkeiten, mit denen sich die Neurowissenschaften befassen. Eine wichtige Rolle spielen Lernprozesse, die ihren Niederschlag ebenfalls im Nervensystem finden, aber auch unter dem Blickwinkel des kindlichen Erlebens und seiner Motivation, Freude, Furcht etc., also in psychologischen Kategorien gefasst werden können. Alle diese Ansätze öffnen sich für den theologischen Blickwinkel, in dem der Mensch auch in die spirituelle, religiöse Sphäre hineinreicht und sich als Geschöpf Gottes und diesem zugeordnet empfindet.

Der baden-württembergische Orientierungsplan schließt sich der im „Gemeinsamen Rahmen der Länder“ im Jahr 2004 getroffenen Feststellung an: „Bildung und Erziehung werden als ein einheitliches, zeitlich sich erstreckendes Geschehen im sozialen Kontext betrachtet. Es umfasst die Aktivitäten des Kindes zur Weltaneignung ebenso wie den Umstand, dass diese grundsätzlich in konkreten sozialen Situationen erfolgen. Im Prozess der Weltaneignung oder Sinnkonstruktion nehmen das Kind und sein soziales Umfeld wechselseitig aufeinander Einfluss, sie interagieren. Nach diesem Verständnis tragen die Bildung des Kindes unterstützende, erzieherische und betreuende Tätigkeiten gemeinsam zum kindlichen Bildungsprozess bei.“

Dieses mehrperspektivische Verständnis von Bildung und Erziehung soll anhand von einigen Punkten präzisiert werden.

Erstens: Bildung ist ein aktiver Aufnahme- und Verarbeitungsprozess von Informationen – das Kind ist Akteur, Subjekt, das sich aktiv die Welt erschließt, aneignet und gestaltet. Das gilt vom einfachsten Wahrnehmungsprozess über die Begriffsbildung bis hin zum kreativen Problemlösen und zum sozialen Handeln.

Zweitens: Bildung beginnt mit der Geburt – schon der Säugling ist aktiv und kommunikativ. Er erblickt das Licht der Welt mit einer Fülle von Strukturen und Kompetenzen, die es ihm erlauben, von Anfang an aktiv zu seiner Umwelt Beziehungen aufzunehmen. Der Bildungsprozess erstreckt sich über das ganze Leben.

Drittens: Bildung, besonders im institutionellen Rahmen, vollzieht sich in der Auseinandersetzung eines Bildungssubjekts (Kind) mit seiner Welt und im Beziehungsgeflecht mit anderen Akteuren (Erziehungspersonen, anderen Kindern), also in der Interaktion. Diese wechselseitige Beeinflussung von Kind und anderen Personen wirkt auf die kindlichen Bildungsprozesse ein, positiv wie negativ.

Viertens: Aus der Auffassung des Kindes als Subjekt des Bildungsprozesses, das sich die Welt aktiv aneignet, folgt, dass die Erzieherinnen und Erzieher eine wichtige, verantwortungsvolle und aktive Rolle bei der Bildung und Erziehung im Kindergarten haben. Sie sind Beobachter und Arrangeure der räumlichen Umgebung und insbesondere verantwortliche Interaktionspartner des Kindes und haben damit einen maßgeblichen Einfluss auf das Ergebnis und die Qualität des Bildungs- und Erziehungsprozesses. Von ihrer Gestaltung der Beziehungsstrukturen hängt maßgeblich ab, ob Kinder das Bildungs- und Erziehungsangebot annehmen und sich als selbstwirksame Person erleben können.

Fünftens: