Papelucho - Marcela Paz - E-Book

Papelucho E-Book

Marcela Paz

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Beschreibung

Es ist schon eine aufregende Geschichte, die Papelucho dazu bewegt, sein Tagebuch zu beginnen. Er erlebt zu viele spannende Abenteuer, die man einfach niemandem erzählen kann. Aber du darfst dieses Tagebuch des achtjährigen Jungen aus Chile lesen. Sei dabei, wenn er versucht, Fliegen als Postboten auszubilden, wenn er Kleidung und Geld an arme Leute verschenkt, Krebse in der Wohnung züchtet oder eine Zeitschrift mit Witzen herausgibt.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 120

Veröffentlichungsjahr: 2014

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Marcela Paz

Papelucho

Übersetzung aus dem chilenischen Spanisch

von Irene Prüfer Leske

ISBN 978-3-944384-03-0

© Ediciones Marcela Paz. S.A.

[email protected]

PAPELUCHO (Santiago de Chile, 1947)

Rechte der deutschsprachigen Ausgabe

Goloseo Verlag GmbH, München

1. Auflage 2013

Rechte der Übersetzung: Irene Prüfer Leske

Illustrationen: Rommy Rivera

Satz: Regina Rilz, München

eBook: Max Dombrowski, Berlin

Hallo, ich heiße Papelucho. Ich wohne in Chile, das ist dieses langgezogene Land am Pazifischen Ozean, das wie eine Schlange aussieht. Ihr könnt es auf der Karte sehen.

In Chile spricht man Spanisch, und deswegen wird mein Name so ausgesprochen: Papelutscho.

Und weil es auf der südlichen Halbkugel liegt, ist in Chile Sommer, wenn in Europa Winter ist.

Bevor ich dir aber etwas von meinen Erfindungen und Erlebnissen in diesem Tagebuch verrate, erzähle ich dir schon mal was über meine Familie und meine Freunde: Ich habe eine Mama und einen Papa und einen großen Bruder, der heißt Javier. Und dann sind da noch unser Hausmädchen, die Domitila, und viele Jungen aus dem Internat und andere Freunde.

Warum ich eigentlich ein Tagebuch schreibe, erfahrt ihr gleich.

Und noch etwas: Weil hier einiges anders ist als bei euch zu Hause, findet ihr in meinem Tagebuch ein Sternchen bei einigen Wörtern, die euch vielleicht spanisch vorkommen. Die hat die Übersetzerin für euch am Ende des Buches erklärt.

Was gestern passiertist, ist wirklich schlimm. Wirklich schlimm, und ich hab die ganze Nacht nicht schlafen können. Es ist etwas, was man einfach nicht erzählen kann, weil es nicht aus mir rauswill. Aber ich weiß auch, dass ich nicht schlafen kann, bis ich es nicht jemandem erzählt habe. Ich hab die Domitila gefragt, was sie macht, wenn sie ein schreckliches Geheimnis hat.

»Ich erzähl es halt jemand anderem«, hat sie gesagt.

»Aber wenn es doch etwas ist, was man niemandem erzählen kann?«

»Na, dann schreib ich es einfach auf, in einem Brief.«

»Du verstehst aber auch gar nichts«, habe ich ihr geantwortet. »Es ist doch etwas, worüber man einfach nicht sprechen kann!«

»Dann schreiben Sie* es doch an niemanden!«, hat sie einfach gesagt und dabei ziemlich dumm gelacht.

Es ist jetzt schon wieder Nacht, und ich sollte eigentlich schon längst schlafen. Ich überleg mir schon die ganze Nacht, was die Domitila zu mir gesagt hat, und hab mich entschlossen, ES für »niemanden aufzuschreiben«. Andere nennen das ein »Tagebuch schreiben«. Wenn ich es einmal fertig habe, werde ich die Sache los sein und brauch nicht mehr daran zu denken.

Ich hatte in meinem Labor einen Behälter mit einer Erfindung. Den hab ich aus vielen Sachen zusammengebastelt: Da waren also Streichholzköpfe aus zwei Schachteln drin, Waschmittel, Bienenhonig, ein biss­chen Öl, Gesichtscreme und Schießpulver. Ich wollte sehen, was damit passiert, und hab mit dieser Mischung ein Butterbrot für eine Maus bestrichen, die gerne was Leckeres frisst.

Dann hab ich das Ganze auf meinem Nachttischchen liegen gelassen, aber als ich zurückkam, war es nicht mehr da. Und die Domitila hat mir dann gesagt, sie hätte das gegessen. Ich hab der natürlich dann nicht sagen können, dass das Butterbrot vergiftet war. Aber ich hab sie gefragt, was sie machen würde, wenn sie wüsste, dass sie stirbt.

»Ich würde vor Freude einen Purzelbaum schlagen«, hat sie geantwortet, »denn der Tod ist das Glück der armen Leute.«

»Und was würdest du sonst noch machen?«

»Ich würde ein tolles Fest geben und 1000 Pesos fürs Essen ausgeben.«

»Hier«, hab ich zu ihr gesagt, »ich geb dir hier das Geld von meinem Sparschwein (zweiunddreißig Pesos). Iss was Gutes, aber es wäre besser, wenn du zur Beichte gingst.«

Da hat sie mich so wie eine Eidechse angeschaut und mich gefragt:

»Warum glauben Sie denn, dass ich sterben werde?«

»Weil der Tod kommt, wenn man es am wenigsten erwartet«, hab ich einfach geantwortet und mich in meinem Zimmer eingeschlossen, um darüber nachzudenken. Mir kam die Idee, dass es vielleicht das Bes­te wäre, wenn sie ein Abführmittel nähme, aber dann dachte ich, dass das vielleicht noch schlimmer wäre. Ich dachte dann, dass es das Beste wäre, ihr zu sagen, was mit ihr los ist, und dass sie schlimmstenfalls einen Herztod sterben könnte. Denn es ist nicht sicher, dass sie wegen dem Gift stirbt. Es ist ja klar, dass ich mich bei der Polizei melden muss, falls sie stirbt. Ich werde meinen Eltern einen Brief schreiben und mich dann selbst der Polizei stellen, und wenn ich dann meine Strafe abgesessen habe, werde ich nicht mehr schuldig sein.

Im Gefängnis kann ich dann Erfinder studieren, denn ich werde mein ganzes Leben damit verbringen können. Und vielleicht, wenn ich das, was ich erfinden muss, erfunden habe, erlässt man mir meine Strafe, und ich komme wieder frei.

Diese Gedanken lassen mich wieder ruhiger werden. Aber das Schlimmste ist, wenn man darauf warten muss, dass der Tod eintritt. Was ich sagen will, ist, dass ich manchmal will, dass sie schnell stirbt, damit meine Sachen ein für alle Mal in Ordnung kommen.

Am Nachmittag fand ich, dass sie sehr bleich aussieht, und mir wurde schon ganz übel. Ich hab sie gefragt, was mit ihr los ist, und da hat sie nur gelacht.

»Ich glaube, dass Sie ein bisschen spinnen«, hat sie zu mir gesagt. »Alle fünf Minuten fragen Sie mich etwas und sehen mich dabei mit so großen Augen an!« Und dann hat sie wieder gelacht. Ich bin froh, dass die Domitila keine Kinder hat, und sie sagt auch, dass ihr niemand nachweinen wird. Das ist sehr beruhigend.

Jetzt bilde ich mir ein, dass es gar nicht wahr ist, dass sie das Butterbrot gegessen hat und dass sie mich angelogen hat. Ich glaube, dass sie wie immer lügt, denn sie ist unheimlich verlogen. Ich glaube, dass ich mit diesem Gedanken einschlafen kann.

1. Januar

Die Domitila ist noch nicht gestorben. Ich hab ein heiliges Versprechen abgelegt, ein Heiliger zu werden, damit sie nicht stirbt. Deshalb hab ich heute alle Sachen verschenkt, denn um ein Heiliger zu werden, muss man alles verschenken. Alles außer meinem Fußball, meinem Gewehr, meinem Revolver und andern Sachen, die man so braucht. Ich glaube nicht, dass ich ein Heiliger bin, denn die Heiligen glauben das nicht von sich selbst. Es wäre toll, wenn Javier auch ein Heiliger wäre und mir seinen Tennisschläger schenken würde. Wenn ich erst mal ein Heiliger bin, werde ich wirkliche Wunder machen, zum Beispiel, dass die Armen Flugzeuge haben oder so was Ähnliches.

Heute ist Neujahr, der Jahrestag, an dem Gott die Welt erschaffen hat. Was für ein Tag war wohl davor?

Ich mag die Feiertage nicht, weil es eben schon Feiertage sind. Ich mag viel lieber den Tag davor, weil dann der Feiertag immer morgen ist.

Ohne es zu wollen, bin ich schon dabei, mein Tagebuch zu schreiben. Aber wenn ich nicht schreibe, kann ich wegen dieser Geschichte mit der Domitila nicht schlafen. Es ist auch gut, wenn man sein Tagebuch hinterlässt, wenn man stirbt, damit die Leute verstehen, was für ein Mensch man in Wirklichkeit war, und sie wissen dann, was man in Wirklichkeit wollte.

Ich hab ein Gebet erfunden, obwohl ich erst acht Jahre alt bin. Ich hab dieses Gebet an alle verteilt, weil das Gebet einem hilft, dass einem die Sünden vergeben werden.

Heute hat es Hähnchen zu Mittag gegeben und als Nachtisch Erdbeereis. Und zum Abendessen gab es die Reste vom Mittag. Auf dem Tisch standen die feinen Weingläser, und eins ist an meinem Platz kaputt gegangen. Ich bin immer froh, wenn wir Besuch haben, denn dann gibt es keinen Ärger beim Essen. Für mich gab es keinen Nachtisch, weil nicht genug da war. Aber das war mir egal, denn ich hatte sowieso schon vorher davon gegessen.

Jetzt hab ich ja kein Werkzeug mehr, um meine Erfindungen zu basteln, und deshalb muss ich die Werkzeuge von anderen benutzen. Ich hab Miguel, den Gärtner, um eine Zange und Draht gebeten, und deswegen musste ich ihm zwei Krawatten von meinem Papa schenken. Papa hat sowieso zu viele Krawatten, und das ist richtige Habsucht, und deshalb wird Miguel Kommunist.

Ich hab also die Kabel vom Telefon mit dem Kabel von Mamas Nachttischlämpchen zusammengeschlossen. Ich wollte ausprobieren, ob aus dem Telefon jetzt Licht und aus der Nachttischlampe Stimmen kämen. Aber dem war nicht so.

Als es dunkel wurde, gab es im Haus kein Licht, und man konnte auch keinen Elektriker anrufen, weil das Telefon ja nicht funktionierte. Aber ich hab dann, so gut ich konnte, die Kabel wieder so wie sie vorher waren angeschlossen, und als Papa kam, hat er die Sicherungen ausgetauscht, und alles war wieder in Ordnung. Es gab noch nicht einmal den üblichen Zirkus. Es ist immer dasselbe, wenn man glaubt, dass es einen Riesenärger geben wird, dann passiert überhaupt nichts.

Anscheinend ist die Frau von gegenüber gestorben, denn da standen fünfzehn Autos vor der Tür und zwei achtzylindrige Mercedes.

3. Januar

Gestern Abend, als ich schlief, wurde ich von der Idee wach, dass die Domitila gestorben war, und ich konnte den Gedanken nicht loswerden. Schließlich bin ich aufgestanden und zu ihr gegangen. Dabei ist eine Tür mit einem entsetzlichen Krach zugeschlagen, und mein Papa ist davon wach geworden und hat gedacht, dass Einbrecher im Haus wären, und hat auch gleich seinen Revolver herausgeholt mit allem Drum und Dran. Er sagt, dass er durch das ganze Haus gelaufen ist. Er hat mich aber glücklicherweise nicht gesehen. Die Domitila lag in ihrem Bett und schnarchte, und weil ich dachte, dass sie in den letzten Zügen lag, habe ich sie geweckt. Sie hat mich dann wieder in mein Bett geschickt und mir geraten, mir ein kaltes Tuch auf die Stirn zu legen, damit meine Nerven sich beruhigen. Aber ich weiß nicht, was dann passiert ist, denn als ich mit Husten aufwachte, war mein Bett nass. Schließlich hab ich bis nach dem Mittagessen schon 108-mal gehustet.

Vielleicht sterbe ich ja, und ich möchte dann, dass ich in einem wirklich armseligen Sarg begraben werde. Und mit meinem Taschengeld sollen sie dann Schokolade für die armen Kinder kaufen. Ich sag auch allen gleich, dass sie meine Schubläden nicht durchwühlen und meinen Kanarienvogel füttern sollen. Und dass niemand wegen mir weinen soll, denn vielleicht komme ich ja in den Himmel.

4. Januar

Ich liege immer noch mit Fieber und Husten im Bett. Ich habe geweint, weil Javier im Kino war, aber dann hab ich gedacht, dass ich nur weine, weil ich leiden will, und hab mich getröstet. Wenn man leiden will, geht der Schmerz bald vorbei, und wenn man aus diesem Zustand nicht herauskommen will, kommt die Mama und fährt mit einem mit dem Auto durch die Gegend.

Ich hab die Suppe im Bett verschüttet, und dann haben sie mir eine neue Bettdecke gegeben. Auch die Uhr, die mir Papa geliehen hat, ist kaputt gegangen. Aber sie haben mich nicht ausgeschimpft, weil ich Fieber hatte. Ich bin gerne krank, weil sie mich dann »das Kind« nennen und mir eine extra Suppe kochen und mich immer wieder bitten, sie ja zu essen. Sie versprechen mir auch, alles zu kaufen, was ich brauche, und wenn meine Mama dem Arzt von meinem Fieber erzählt, gibt er mir so eine Medizin, die ist wie Lachen und Weinen gleichzeitig. Auch wasche ich mich mit lauwarmem Wasser, und wenn ich keine Lust dazu habe, wasch ich mich überhaupt nicht.

Ich hab ein System erfunden, wie man Brief-Fliegen dressieren kann. Vier sind dabei gestorben, aber ich hab mir ein anderes System ausgedacht, mit dem ich morgen meine Übungen machen werde. Und ich glaube, die können sogar ein Atom transportieren und wie eine Bombe funktionieren.

Der Domitila geht es noch gut, aber ich glaub, sie ist etwas dicker geworden, und vielleicht ist das das Zeichen einer tödlichen Krankheit. Auf jeden Fall werde ich ein Heiliger, ob sie nun stirbt oder nicht. Dann komm ich wenigstens nicht ins Gefängnis.

Ich musste gezwungenermaßen im Schlafanzug aus dem Bett, weil ich rausgefallen bin und dadurch ein Glas durch einen Schuss aus meinem Gewehr kaputt gegangen ist und ich die Scherben aufheben musste, damit niemand das sieht. So hab ich meiner Mama einen Wutanfall erspart.

Ich ziele so gut, dass ich die Fliege auf der Fensterscheibe getötet habe, und eine andere hab ich mit einem Pfeil an die Zimmerdecke geheftet.

10. Januar

Wir wollen jetzt in den Ferien ans Meer fahren. Im ganzen Haus stehen nur so die Koffer herum, und meine Mama ist so durcheinander, dass sie andauernd die Schlüssel verliert und uns dann deswegen ausschimpft. Die Domitila antwortet einem noch nicht einmal mehr, wenn man mit ihr redet, und alle machen einen Heidenskandal, weil ein Wasserhahn in der Toilette kaputt gegangen ist. In die Ferien zu fahren ist wirklich anstrengend, denn man kann nicht rausgehen und irgendetwas machen und wird noch dazu aus allen Zimmern rausgeschmissen. Man fühlt sich wie ein Gefangener und vergleicht sich natürlich mit anderen Gefangenen, und wenn man dann seinen Kanarienvogel im Käfig sieht, macht man natürlich das Türchen auf, und das arme Vögelchen fliegt weg. Und meine Mama bekommt dann wieder einen Wutanfall, weil der Vogel weg ist, obwohl ja der Kanarienvogel mir gehört.

Glücklicherweise kam am Nachmittag der Klempner, der nach Handwerker riecht und steife Finger hat. Meine Finger waren auch schon ein bisschen steif, nachdem ich eins von seinen Werkzeugen benutzt habe. Das Schlimme war nur, dass mir die Zange heruntergefallen und eine Kachel im Bad kaputt gegangen ist. Aber da meine Mama so durcheinander ist, hat sie das nicht gesehen, und wenn wir dann aus den Ferien zurückkommen, ist schon so viel Zeit vergangen, seit die Kachel kaputt gegangen ist, dass es schon nichts mehr ausmacht.

Mein Papa ist böse geworden, weil ich mit steifen Händen an den Tisch gekommen bin. Aber ich hab ihm schnell von einem Unfall neulich erzählt und ihm nicht gesagt, wann es war, und er hat mir gesagt, ich sollte Wasser trinken, weil ich so blass aussähe, wie er meinte.

Es ist ja nicht so, dass man etwas vormacht, wenn jemand einen blass findet und man auch wirklich blass aussieht.

Es ist doch wirklich toll, in den Ferien ans Meer zu fahren! Ich war noch nie dort, aber ich stelle mir vor, dass man dort viele Abenteuer erleben kann.